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Germanistische Sprachwissenschaft: Schnittstellen germanistischer Linguistik – SS15
Teil I: Psycholinguistik
Einführung
Zentrale Fragestellung:
Welches Wissen und welche kognitiven Verarbeitungsmechanismen machen die
Sprachfähigkeit des Menschen aus?
Sprache als Teil der menschlichen Kognition  Sprache ist kognitiv veranlagt – was passiert
im Kopf, wenn wir Sprache sprechen/verstehen?
Sprache ist naiv in verschiedene Teile aufteilbar:

Sprachliches Wissen (= Kompetenz): Sprecher wissen (meist unbewusst), was Teil
ihrer Sprache ist und was nicht.
(1) a. Ein Mann aus Hamburg hat die Maria angerufen.
b. *Mann ein aus Hamburg angerufen hat die Maria.

Implementierung dieses Wissens im konkreten Kontext (= Performanz): Sprecher
äußern (Sprachproduktion) und verstehen (Sprachverarbeitung) sprachliche
Ausdrücke.
(2) Ein – der Mann – hat die Maria, also die Maria hat er angerufen.
Sprachliches Wissen ist im Geist (der Kognition) des Menschen verankert – ebenso wie die
Produktion von Sprache
Sowohl theoretische Linguistik als auch Psycholinguistik  Teil der Kognitionswissenschaft!
(dh. auch im Zentrum allgemeiner Fragen der KW verankert)
Theoretische Linguistik
Modellierung des sprachlichen Wissens als Teil der menschlichen Kognition.
Theoriebildung beschränkt durch:




Kreativität
o Eine Maus, die ein Kind, das eine Katze, die ich sehr mag, gequält hat, wurde
festgenommen.
o Ich habe eine Maus, eine Giraffe und einen Fuchs gequält.
Beschränktheit kognitiver Systeme (Kurzzeitgedächtnis)
Lernbarkeit
existierende natürliche Sprachen
1
Untersuchung der Vorhersagen der linguistischen Theorie anhand von Methoden aus der
Kognitionswissenschaft:



theoriegeleitet
Experimentelle Untersuchungen nach Standards der Kognitionspsychologie
(Experimentdesign muss gewissen Anforderungen genügen)
E. U. zur neuronalen Verankerung von kognitiven Komponenten
theoretische Linguistik  Psycholinguistik – enge Verbindung! Resultate führen wiederum
zu Rückschlussen auf Theoriebildung!
Bereiche der Psycholinguistik
Hypothesen innerhalb der linguistischen Theorie machen zu einigen Fragen sehr konkrete
Vorhersagen:




kognitive Einbettung: Wie verhält sich sprachliches Wissen als kognitive
“Komponente” zu anderen Bereichen der Kognitionswissenschaft (Dissoziationen,
Sprachentwicklungsstörungen, Sprachpathologien . . . )?
o Bsp.: Wie hängen Sprachentwicklungsstörungen & sprachl. Wissen als
kognitive Komponente zusammen?
Spracherwerb: Komplexes System muss erworben werden (Erstspracherwerb,
Zweitspracherwerb)
o Entwicklung unseres Sprachsystems? Wieso haben das andere Lebensformen
nicht?
Kognitive Einbettung – neuronale Realisierung (ist das Ganze materiell in Form von
Zellen im Hirn beispielsweise?)
o Aphasien (Sprachstörung), neuronale Tests
o Evolution (Tierkommunikation?) –
Verhältnis Produktion / Verarbeitung / sprachliches Wissen (auch Gebärdensprache)
o wie viel Sprache braucht man eigentlich zum Denken & vice versa?
Kognitive Einbettung

Sprachfähigkeit setzt kognitive Komponenten wie Gedächtnis & Denken voraus
ABER Sprache ist gleichzeitig wichtig für andere kognitive Fähigkeiten, die oft
zumindest in Teilen sprachlich strukturiert sind
 Sprache ist kognitiv verankert

Psycholinguistik  Kognitionswissenschaft

Interesse an der phylogenetischen Theorie der Sprachentwicklung
Frage nach der Struktur des sprachlichen Wissens:
 Mentales Lexikon: kognitive Repräsentation von Wörtern bzw. Konzepten
 Mentale Grammatik: Art und Weise der Kombination von Wörtern zu
komplexeren Einheiten (syntaktischen Phrasen, Konstituenten)
2
Spracherwerb
Folgende Fragen sollte eine Theorie des Spracherwerbs beantworten können:
 Wie erlernt man eine Sprache?
o Erstspracherwerb oder Zweitspracherwerb?
o Mehrsprachigkeit?
 Unterschied im Prozess zwischen Erst- und Zweitspracherwerb?
 Monolingualer Erwerb gleich wie bilingualer?
 Wie schnell wird das System erworben?
 Und wann? Gibt es eine „kritische Phase“? Ist diese einheitlich?
 Fester Ablauf innerhalb des Regelerwerbs?
 Was bzw. wie ist das Verhältnis von Input und Output?
 Gibt es Zusammenhänge zwischen Spracherwerb und Erwerb anderer kognitiver
Fähigkeiten?
 Welche Arten der Sprachentwicklungsstörung gibt es und wie kann man sie erklären?
Erstspracherwerb
Wie kann ein derart komplexes System erworben werden?
Wie schnell wird das System erworben?
 invariant über Individuen?
 invariant über Einzelsprachen?
 invariant über Modalität?
Wann wird das System erworben? Gibt es eine „kritische Periode“? Ist diese einheitlich?
Gibt es einen festen Ablauf, wann was erworben wird?
Was ist das Verhältnis von Input und Output?
 Welche Rolle spiele An/Abwesenheit von Input?
 Wie sieht der Input aus? (Menge, Qualität,…)
 Gibt es „negative Evidenz“? Welche Rolle spielt diese?
Gibt es Dissoziationen im Erwerb?
 Klare Korrelationen mit dem Erwerb anderer Komponenten?
 Spezifische Erwerbsstörungen?
Dissoziationen und Erwerbsstörungen
Wie „unabhängig“ ist die sprachliche Komponente?  Dissoziationen
 Sprachliche Komponente vorhanden (oder normal erworben), andere nicht
 andere Komponenten vorhanden (o.n.e.), sprachliche nicht
Wie genau sollen wir die sprachliche Komponente modellieren?
 Muster von Sprachentwicklungsstörungen
3

Sprachentwicklungsstörungen bezüglich unterschiedlicher Teilbereiche der
Grammatik
Zweitspracherwerb
Andere Mechanismen im Erst- und im Zweitspracherwerb?
Unterschiede?
 Geschwindigkeit
 Einheitlichkeit
 Verlauf
 Resultat
Welche Einfluss haben Erstsprachen auf den Zweitspracherwerb?
Welche anderen kognitiven Komponenten haben Einfluss auf den Zweitspracherwerb
Verarbeitung und Produktion von Sprache
Wie hängen diese beiden Aspekte mit dem sprachlichen Wissen zusammen? Und wie
miteinander?





Wie individuieren wir Signale (Robustheit)?
Verarbeiten wir Sätze ganz oder „online“ (während der Äußerung)?
Top-down (Erwartungen) oder bottom up (Morphem für Morphem)?
o The horse raced past the barn fell.
o The person who cooks ducks out washing the dishes.
Welche Rolle spielt die Modalität (Lautsprache vs. Gebärdensprache) bei
Verarbeitung und Produktion?
Welche Aspekte des sprachlichen Wissens werden in der Verarbeitung und
Produktion sichtbar?
o Martina hat einen Mann mit einem Fernglas gesehen.
Neuronale Grundlagen
Wie sehen neuronale Grundlagen der Kognition aus? Und wie die der sprachlichen
Komponente?





Generelle Modelle neuronaler Struktur und Funktionen (Lokalisierung,
Informationsübertragung, „Zwischennutzung“)
neuronale Bereiche, die in scheinbarem Zusammenhang mit „Sprache“ allgemein
stehen
Lateralisierung (= neuroanatomische Ungleichheit und funktionale Aufgabenteilung
und Spezialisierung der Großhirnhemisphären) und Spracherwerb?
Korrelation: Plastizität des Hirns und Spracherwerb?
Korrelation: neuronale Bereiche und „Teile“ der „Sprache“?
 Unterschiedliche Testverfahren
4
 Sprachpathologien
Pathologien
Direkte Korrelation: Ausfall/Schädigung Teil X des Gehirns – Ausfall Teil Y der Sprache?



Feste Korrelationen?
Sprachtypologien und Unterschied zwischen Kompetenz & Performanz (Aphasietypen
etc.)
Sprachpathologien und Ebenen des sprachlichen Wissens (Phonologie, Syntax,…)
Tierkommunikation
Sprachliches Wissen = Teil der menschlichen Kognition
Kognition  neuronale Eigenschaften des Menschen
Menschliches Hirn = Produkt der Evolution (Adaption, Selektion)
Finden wir analoge Sprache auch bei anderen Tieren? Relevant wegen
 Evolution
 Dissoziation (Trennung)
 mögliche Gegenstücke (Korrelate)
dieser kognitiven Komponente
Finden wir „Teilbereiche“ einer analogen Sprache auch bei anderen Tieren? Relevant wegen:
 Komplexität
 Evolution
 mögliche Gegenstücke (Korrelate)
dieser kognitiven Komponente
Kognitionspychologie: Radikaler Behaviorismus und die kognitive Wende
Die Fragen, die wir beantworten müssen:
Chomsky (1986): Drei Fragen
1) Woraus setzt sich sprachliches Wissen zusammen?
2) Wie wird Sprache erworben?
3) Wie tritt sprachliches Wissen in Verwendung?
1 und 2 zentral für Kognitionspychologie  cognitive turn
Was meinen wir – naiv – mit Kognition?
Mentale Objekte/Prozesse – wie zugänglich?
1) mentale Objekte/Prozesse über Introspektion beobachtbar (direkte Beobachtung)
ABER
 häufige Kritik: Privatheit, Status?
5
 keine Daten bei Babys, anderen Tieren, …
 vielleicht nicht alle über Introspektion zugänglich?
2) das was „zwischen“ Input und Output (beides beobachtbar) liegt – indirekte
Beobachtung
Input  ???  Output
ABER könnte wieder zu „grob“ sein – nicht jedes mentale Objekt/jeder mentale
Prozess in beobachtbarem Verhalten reflektiert
Diese Datensätze sind nicht unbedingt inkompatibel. Methoden der Kognitionspsychologie
 fein bezüglich Output (Rolle der Introspektion beim Output)
Warum nehmen wir eigentlich an, dass es mentale Objekte/Prozesse gibt?
Hans geht im Wald spazieren. Er sieht eine Wildsau, die gerade aufwacht. Hand rennt davon.
 beobachtbarer Input: Licht fällt auf Hans‘ Linse, wird von dieser auf die Retina abgebildet.
 beobachtbarer Output: Hans rennt in eine Richtung.
Wie sieht eine Erklärung ohne „dazwischen“ aus?
 Direkte Verbindung von Sehnerv zu Nerven, die Muskelbewegung determinieren
 kein Bild eines Wildschweins (gewisse Lichtkonfiguration löst Rennbewegung aus,
andere Lichtkonfiguration nicht)
 keine Erwartungen bezüglich des Wildschweinverhaltens
 keine Möglichkeit der Variation wie hier:
Hans geht im Wald spazieren. Er hat gerade einen Brief von seinem Mann erhalten, der die
Beziehung beendet. Er sieht eine Wildsau, die gerade aufwacht. Hans rennt nicht davon.
Es muss also irgendetwas zwischen beobachtbarem Input und beobachtbarem Output
liegen!
Mehr Evidenz dafür:
 3-Dimensionalität – visuelle Wahrnehmung
 Perspektive – visuelle Wahrnehmung
 Objektivpermanenz
 Erwartungen bezüglich gewisser physikalischer Phänomene (ToBy – Theory of Body
Movement)
 Erwartungen bezüglich des Verhaltens anderer (ToM – Theory of Mind)
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Zwei große Debatten der Kognitionspsychologie
1. Wie komplex ist das „dazwischen“ (= die menschliche Kognition)?
Black Box
keine Repräsentationen
keine Mechanismen, die über solche
Repräsentationen operieren
Radikaler Behaviorismus
komplex
Repräsentationen
Mechanismen, die über solche
Repräsentationen operieren
Kognitivismus
2. Wie ist das „dazwischen“ aufgebaut?
allgemein
Geist = ein gleichmäßiges Ganzes, dessen
Funktionen ineinander übergehen
Aufgaben durch generelle Funktionen
bewältigt
domänenspezifisch
Geist besteht aus unterschiedlichen,
spezialisierten, strukturell idiosynkratischen
Modulen
Kommunikation mit anderen kognitiven
Strukturen nur in sehr beschränkter Weise
 diese Fragen sind natürlich auch Fragen des Erwerbs
ad 1. Entstehung des Behaviorismus
Psychologie Ende des 19. Jh.: Interne Objekte/Prozesse, über Introspektion beobachtbar
Psychologie = Wissenschaft des mentalen Lebens und von dessen Phänomenen (Gefühle,
Kognitionen,…) und deren Konditionen – William James
beginnend Anfang des 20. Jhd.: Behaviorismus ingesamt wendet sich in dreifacher Weise
davon ab:



Methode: Introspektion kann keine Daten liefern, nur sichtbares Verhalten
Gegenstand: nicht interne Objekte/Prozesse, sondern Gesetzmäßigkeiten des
Verhaltens – auch bei anderen Tieren
Hypothesen: es gibt keine (komplexen) internen Prozesse, keine Prozesse, die
interne Objekte manipulieren (B. F. Skinner, radikaler Behaviorismus)
Radikaler Behaviorismus
B.F. Skinner


um Verhalten zu erklären, brauchen wir keine mentalen Entitäten (Repräsentationen
und Prozesse, die über solche Prozesse operieren)
Geist = Black Box  hat keine spezifischen Eigenschaften und keine Prozesse, die auf
andere mentale Objekte/Prozesse Bezug nehmen – de facto:
7
Geist = simple Abbildung von Stimulus auf Response (Reaktion)


Verhalten (auch komplexes) allein über die Verstärkung (reinforcement) von Stimulus
– Response erklärbar
Verstärkung hat folgende Variablen:
o Anwesenheit verstärkender Stimuli (Belohnung)
o Abwesenheit dieser
o Frequenz
o Aufbau (Ablauf, …)
Illustration
Simples Verhalten:
Ratte sitzt in einer Kiste, in der ein großer Schalter angebracht ist neben einer
Klappe angebracht ist und eine Lampe. Wenn die Ratte den Schalter drückt,
kommt Futter aus der Klappe. Beim ersten Mal drückt die Ratte den Schalter
zufällig (?), nach einer Weile immer dann, wenn sie Hunger hat.
Komplexeres Verhalten:
Sobald die Ratte dieses Verhalten erworben hat, ändern sich die Bedingungen:
Futter kommt nur noch dann aus der Klappe, wenn das Licht blinkt und die Ratte
den Schalter drückt. Nach einer Weile drückt die Ratte den Schalter immer dann,
wenn das Licht blinkt (und sie Hunger hat).
 Skinner: Komplexes Verhalten erklärbar, wenn es in kleinere Einheiten zerlegt wird, die
alle nach diesem Muster funktionieren.
Probleme des radikalen Behaviorismus
Kritik vor allem durch Noam Chomskys „A review of Skinner’s Verbal Behavior“, aber auch
durch: Jerry Fodor, George Miller


theorieimmanent: Was zählt als Stimulus und was nicht? Also wo erwarten wir
Stimulus-Response-Muster und wo nicht?
Erklärungen: Mentale Objekte werden schon für relativ simples Verhalten benötigt.
a. Hans hat Kopfweh. Hans nimmt ein Aspirin.
b. Wenn Hand Aspirin nimmt, bekommt er Bauchweh.
(b) kann Einfluss auf (a) haben – auch wenn Hans zu dem Zeitpunkt, an dem er
Kopfweh hat, kein Bauchweh hat. (b) hat also Einfluss auf das Verhalten und muss
daher repräsentiert werden
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
Falsche Vorhersagen: Das „dazwischen“ hat (stabile) Eigenschaften – also eine
eigene Struktur.
o George Miller: The magical number 7, plus or minus 2
Skinners Verbal Behavior und Chomskys Rezension
B. F. Skinner: Verbal Behavior (1957) – hier ein spezifischer Punkt vereinfacht dargestellt:


Studien mit Ratten (Stimulus-Response + Verstärkung) können auf komplexes
menschliches Verhalten übertragen werden – zB. Sprache
komplexes Verhalten kann aufgesplittet werden in kleine Stimulus-Response +
Verstärkung-Stücke
Situation: X und Y am Tisch. Schinken steht bei Y
Verstärkung: Ereignisse in der Vergangenheit – wenn X „Gib mir den Schinken“ gesagt
hat, hat X den Schinken immer bekommen

Auch Spracherwerb kann so erklärt werden: Wenn das Kind grammatische Äußerung
macht, bekommt es nette Reaktion der Eltern, wenn es ungrammatische Äußerung
macht, nicht.
Chomskys Reaktion
Noam Chomsky: A Review of Skinners „Verbal Behavior“ (1959)  extrem wichtig für Abkehr
vom radikalen Behaviorismus
Hauptpunkte:




falsche Vorhersagen bei Stimulus-Response-Muster: bei gleichem Stimulus
formal/semantisch unterschiedliche Responses möglich
mangelnde Komplexität: kein geeigneter Stimulus für alle sprachlichen Äußerungen
 Kreativität!
falsche Vorhersagen bei „Black Box“: Sprache hat strukturabhängige Operationen –
sprachliches Wissen ist intern komplex
falsche Vorhersagen bei Erwerb: sagt vorher, dass Kinder nur endliche Anzahl von
Äußerungen erwerben (falsch!) und dass es für jede erworbene Äußerung einen
Stimulus gibt (falsch!  poverty of stimulus)
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Falsche Vorhersagen Stimulus-Response-Muster
X kommt ins Büro und sagt zu Y:
a) Heute habe ich was total Irres geträumt ...
b) Ich habe heute was total Irres geträumt …
c) Mann, habe ich heute was Irres geträumt …
 Bei gleichem Stimulus formal unterschiedliche Responses möglich. Skinner muss zu (a)
sagen, dass X die Äußerung deshalb macht, weil er damit eine positive Reaktion von Y
erwartet. Aber wieso kann X dann auch (b), (c) oder noch weitere Versionen davon sagen?
X kommt ins Büro, sagt zu Y:
a) Heute habe ich was total Irres geträumt …
b) Die Fußballergebnisse vom Wochenende sind echt der Horror …
c) Draußen regnet es …
 Bei gleichem Stimulus sind auch semantisch unterschiedliche Responses möglich.
Wenn Skinner die Stimuli nach Responses unterscheiden wollte, verlöre die Theorie ihre
Vorhersagekraft.
Mangelnde Komplexität


In vielen Situationen gibt es keinen klaren Stimulus für konkrete Äußerungen (wir
reden vor uns hin, Kinder reden vor sich hin, welche Äußerungen verwenden wir
konkret, …)
jeder Sprecher kann jederzeit einen Satz produzieren, den er/sie noch nie produziert
hat (analog zum Verstehen)  Kreativität NICHT ERKLÄRBAR mit Stimulus-Response
+ Verstärkung
Falsche Vorhersagen „Black Box“
Skinner nimmt den Geist als Black Box an, die eigenschaftslos ist (reine Abbildung von
Stimulusmenge nach Responsemenge via Verstärkung).
Dementsprechend sollte es keine mentalen Prozesse mit eigenen, also von StimulusResponse-Abbildungen unabhängige Eigenschaften geben. Miller zeigt anhand des
Kurzzeitgedächtnisses, dass dies falsch ist und Chomsky macht den analogen Punkt für
Sprache:


Sprache involviert strukturabhängige Operationen
o Dh. Operationen, die auf einer Struktur operieren, die nicht einfach die
lineare Wortfolge ist (Anmerkung: auch Operation über lineare Wortfolge
sind für Skinner wegen Segmentierung etc. nicht leicht erklärbar)
diese Struktur ist hierarchisch und nicht einfach aus der Wortfolge ablesbar – muss
also Teil eines mentalen Apparats sein, den Skinner ablehnt
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Strukturabhängige Operationen
Regel für das Deutsche, die folgendes Muster erklärt, kann nicht auf rein linearer Wortfolge
basieren:
a. Ich treffe heute einen guten Freund von Max hinter dem Rathaus
b. *Max ich treffe heute einen Freund hinter dem Rathaus.
c. *Ich von Max treffe heute einen guten Freund hinter dem Rathaus.
d. *Ich heute einen guten treffen Freund von Max hinter dem Rathaus.
Hypothese: vor dem finiten Element steht immer genau ein Wort  FALSCH!
*Von treffe ich heute einen Freund Max.
Hinter dem Rathaus treffe ich heute einen guten Freund von Max.
 Regeln operieren über hierarchische Strukturen (Konstituenten)!
analog für Bildung englischer Ja-Nein-Fragen:
John will call his boyfriend tomorrow.
Will John call his boyfriend tomorrow?
Hypothese 1: „will“ muss an den Satzanfang  FALSCH!
The man who will win the election never calls his mother.
*Will the man who win the election never calls his mother?
Hypothese 2: Viertes Wort darf nicht an den Satzanfang, zweites Wort muss an den
Satzanfang  FALSCH
My friend Peter will call his boyfriend tomorrow.
*Friend my Peter will call his boyfriend tomorrow?
 erneut: Regeln operieren über hierarchische Strukturen (Konstituenten)
Falsche Vorhersagen Erwerb
Nach Skinner läuft Spracherwerb nur über Stimulus-Response+Verstärkung.
Chomsky: FALSCH! Wir wollen erklären, dass ein Kind nach wenigen Jahren eine unendliche
Menge von Sätzen der Muttersprache verstehen/produzieren kann.


Die tatsächlichen Konstruktionen, die ein Kind hört, sind viel weniger als diese, die es
erwirbt (dh. produzieren/verstehen kann)  poverty of stimulus
Das Kind bekommt keine (oder selten) unterschiedliche Reaktionen auf
grammatische und ungrammatische Sätze (variiert je nach Individuum/Kultur) –
dementsprechend keine Verstärkung  lack of negative evidence
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cognitive turn
Arbeiten von George Miller zum Kurzzeitgedächtnis, von Noam Chomsky zur Sprache und
auch von Jerome Bruner zur Perzeption führten zu Abkehr vom radikalen Behaviorismus und
zum sogenannten cognitive turn.
Ein unabhängiger Faktor: Entwicklung der künstliche-Intelligenz-Forschung (artificial
intelligence) seit den späten 1930er Jahren, v.a. durch Alonzo Church und Alan Turing. Diese
Arbeiten beschäftigen sich mit symbolverarbeitetem System und zeigten, dass relativ simple
Systeme (Bsp. Turingmaschine) bereits komplexe Outputs liefern können.
 Lange keine direkte Verbindung zur Psychologie, in den 1950er Jahre wieder
aufgegriffen (u.a. von Chomsky)
cognitive turn:



Es gibt mentale Objekte/Prozesse (Prozesse, die über mentale Objekte operieren)
Erklärung von Input/Output bei Verhalten mittels dessen, was dazwischen liegt –
Kognition
Modellierung der Kognition – Aufbau, Eigenschaften, Prozesse
Spracherwerb
Wie erlernt man eine Sprache?
Theorie des Nativismus
 Alle Menschen sind in der Lage, eine oder mehrere Muttersprachen zu erlernen
o Vgl. Spracherwerb (man kann sich nicht dagegen wehren) und Lernen von
Dingen später (sucht man sich aus)
 Der (Erst)spracherwerb findet in einer begrenzten Zeit der Ontogenese statt
 Erwerb von Sprache folgt angeborenen Prinzipien – Hinweise darauf vorhanden
 Genetische Prädisposition, die uns zum Erwerb unserer Muttersprache befähigt =
Menge von interagierenden sprachlichen Prinzipien („Universalgrammatik“)
 dafür spricht vor allem das Poverty-of-the-Stimulus-Argument
Poverty-of-the-Stimulus-Argument (Argument vom schlechten Input)
Chomsky: The narrowly limited extent of the available data leaves little hope that much of
the structure of language can be learned by an organism initially uninformed as to its general
character.
Überlegung: Kann es sein, dass wir alle Sätze, die wir als Erwachsene sagen können, in der
Kindheit gehört und so gelernt haben? Reine Reproduktion?
 Antwort: NEIN! Wir können unendlich viele Sätze bilden
 Fehlen negativer Evidenz
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Sprachlernende Kind muss von positiver Evidenz ausgehen (dh. dass alles was es hört,
grammatisch ist)
Negative Evidenz = Informationen über ungrammatische Äußerungen (Bsp. wenn die Eltern
das Kind bei einer ungrammatischen Äußerung korrigieren)
Kind: other one spoon
Vater: other spoon!
Kind sagt es nach, sagt aber im Endeffekt wieder: other one spoon
 Fazit: Kind nimmt Korrekur nicht auf! Beweis dafür, dass Verlauf des
Spracherwerbs nicht extern steuerbar ist!
Kinder werden praktisch nur mit positiver Evidenz konfrontiert
ABER sie können ungrammatische und grammatische Sätze trotzdem unterscheiden
 Menschen müssen also über einen angeborenen und
sprachspezifischen Mechanismus verfügen, der Wissen über
Grammatik enthält (UG)
Kompetenz und Performanz
Kompetenz = sprachliches Wissenssystem, über das ein erwachsener Sprecher verfügt
 internalisiertes, oft idealisiertes Sprachwissen („idealer Sprecher-Hörer“)
Wodurch äußerst sich die Kompetenz?
 Sätze als grammatisch wohlgeformt oder ungrammatisch zu beurteilen
 Strukturell verwandte Sätze erkennen
 Syntaktisch mehrdeutige Sätze erkennen
Performanz = Anwendung von Sprachfähigkeit in einer konkreten Sprechsituation
 situativ gebundener Ausdruck von Sprache
Kinder sind ausschließlich mit Performanz, also „imperfekter“ Sprache konfrontiert
ABER sie erwerben dennoch ein kompetentes Sprachwissen in ihrer Muttersprache
Regelanwendung
Kinder können zu jeder Zeit des Spracherwerbs mehr linguistische Ausdrücke produzieren,
als sie gehört haben  sie abstrahieren also Regeln aus dem sprachlichen Input und können
diese dann anwenden
hierbei zu beachten: Kinder machen Fehler, die ebenfalls auf Anwendung von Regeln
hinweisen  Übergenerierung
o Beispiel: Fehler bei der Flexion
 flektierende Sprachen enthalten oft produktive (regelmäßige) und nicht
produktive (unregelmäßige) Flexionsmuster – ob ein Muster produktiv ist lässt sich
am Verhalten von i) neuen Wörtern und ii) nonce-Wörtern ablesen
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Bei Kindern bei Entwicklung der Flexion eine U-Kurve:
1) richtige Erlernung der unregelmäßigen Flexion (Bsp. singe – sang, mouse – mice)
2) ABER sobald sie die regelmäßige Flexion lernen  ersetzen aller unregelmäßigen
Formen durch regelmäßige; Übergeneralisierung ( singen – singte, mouse – mouse)
o geben – gegebt, lügen – gelügt (vgl. spielen – gespielt)
o Schläfst du? Ich schläfe. (vgl. Gähnst du? Ich gähne)
o das Schaf – die Schäfe (vgl. der Ball – die Bälle
3) später: Kind erkennt die Ausnahmen und verwendet wieder unregelmäßige Formen
für diese
 Fazit: Kind „sucht“ nach Regeln, Hypothesen (Generalisierung) auf Basis des Inputs ABER
unterscheidet noch nicht zwischen den Hypothesen
Beispiel: Erwerb von Ja/Nein-Fragen (Crain & Nakayama)
o Hypothese: syntaktische Regeln sind strukturabhängige Operationen (= Regeln
operieren über abstrakte Objekte)
o generelles Problem: wie erlernt das Kind solche Operationen?
o Hypothese der UG: Kind „weiß“, dass diese Operationen strukturabhängig sind,
Hypothesen/Suchbereich daher eingeschränkt  es wird z.B. nicht versuchen Regeln
auf der Basis der linearen Abfolge zu bilden
o Hypothese der allgemeinen Lernhypothese: Hypothesen/Suchbereich NICHT
eingeschränkt  Kind wird diejenigen Hypothesen bilden, die sich durch Input
anbieten, z.B. Regeln auf Basis der linearen Abfolge
Crain & Nakayama untersuchen den Erwerb von komplexen Ja/Nein-Fragen:
a.
b.
c.
d.
Der Mann ist hier.
Ist der Mann hier?
Der Mann, der hier ist, hat Hunger?
*Ist der Mann, der hier, hat Hunger?
a + b  erstes Tempus markiertes Element wird vorangestellt
ABER diese Regel generiert den ungrammatischen Satz d
Wie lautet die richtige Regel?
Experimente mit Kindern zeigen: Kinder machen zwar Fehler bei der Produktion solch
komplexer Ja/Nein-Fragen ABER NIE Fehler dieser Art!
 Fazit: Sprache ist regelabhängig und Kinder haben Zugang zu diesen Regeln!
Universalgrammatik
Annahme einer UG  alle Sprachen folgen gemeinsamen grammatischen Prinzipien & diese
sind allen Menschen angeboren
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Was ist notwendig damit sich aus diesen Prinzipien Sprache entwickeln kann? Sprachlicher
Input!
o Kinder, die während der kritischen Erwerbsphase keiner Sprache ausgesetzt sind,
können keine Sprache erlernen (Bsp. Kaspar Hauser, „Wolfskinder“)
Warum sprechen Menschen dann überhaupt unterschiedlich?
Sprachliche Prinzipien können parametrisiert sein – dh. sie können in den unterschiedlichen
Sprachen unterschiedliche Werte (=Parameter) annehmen (Prinzipien- und Paramete
Theorie von Chomsky)
Ein Beispiel für einen Parameter: pro drop
Prinzip: Alle Sprachen haben Subjekte (muss nicht ausgedrückt werden, repräsentativ reicht)
Parameter: Sprachen unterscheiden sich dadurch, ob sie Subjekte als unabhängiges
Pronomen [- pro drop] oder als verbales Affix ausdrücken [+ pro drop]
dt. Hans kann nicht schlafen, weil er schnarcht
frz. Jean ne peut pas dormir parce qui’il ronfle.
it. Gianni non puó dormire perché _ russa.
_ Non puó dormire perche _ russa.
Phasen des Erstspracherwerbs
Grundfrage: Wie wird das System Sprache (Kompetenz) erworben? Also wie wird die
kognitive Funktion Sprache spefiziert?
Opposition zweier Hypothesen:
 Spracherwerb über allgemeinen Lernmechanismus (keine spezielle genetische
Spezifizierung für Sprache)
 Sprachwerb modularisiert + spezielle genetische Spezifizierung für Sprache (UG)
Unterschiedliche Vorhersagen:
Spracherwerb über allgemeinen
Lernmechanismus
für SE relevante Daten nicht spezifiziert
SE analog zum Erwerb anderer kognitiver
Funktionen ( keine Dissoziationen)
relativ viel Input benötigt (wie viel genau –
hängt davon ab wie „a.LM.“ spezifiziert ist)
SE kann von Kind zu Kind variieren
(abhängig von Menge, Art etc. des Inputs)
Spracherwerb modularisiert
nur gewisse Daten relevant für SE
SE abgekapselt vom Erwerb anderer
kognitiver Funktionen ( Dissoziationen
möglich)
nicht so viel Input benötigt (wie viel und
welcher – hängt davon ab welche
Parameter angenommen werden)
SE bei allen Kindern gleich – fixe Stadien des
Erwerbs
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Wir finden fixe Stadien des ES bei allen Kindern ohne neurologische Aufälligkeiten –
unabhängig von sozialer Situation, Sprache, Kultur etc. des Kindes  „Meilensteine“
1. Pränatale Phase (vor der Geburt)
 3./4. Monat: Fötus hat funktionsfähiges Gehör ausgebildet – reagiert nachweislich
auf laute Umweltgeräusche
 in sehr gedämpfter Form Hören der Sprache der Mutter  wird vertraut mit
Sprachklang, prosodischen Eigenschaften der Sprache (Rhythmus, Akzent, Intonation)
– erzeugen Aufmerksamkeit jenseits der semantischen Ebene von Sprache
 wahrscheinlich auch Wahrnehmung starker, mit Sprache verbundener Emotionen
wahr
 Experimente mit Neugeborenen  Neugeborene erkennen nicht nur Stimme der
Mutter, sondern legen auch grobe rhythmische Raster ihrer jeweiligen Sprache an
2. Präverbale Phase (ca. 1. – 3. Woche nach Geburt)
 lautliche Äußerungen des Babys: Schreien
 2. Woche: bereits differenziertes Klangmuster, das unterschiedliche affektive
Zustände des Babys anzeigt (Hunger, Schmerz,…)
3. Gurren (2. – 3. Monat)
 Produktion
o erste silbenähnliche Verbindungen, die mit Verschlusslauten ( p t k b g d)
beginnen
o Gurrlaute
o vorgesprochene Vokale werden nachgesprochen
 Wahrnehmung
o die meisten der universal (= in allen natürlichen Sprachen) zur Differenzierung
benutzten Kontraste werden kategorial wahrgenommen – Bsp. stimmhaft vs.
stimmlos
o Experimente zur kategorialen Wahrnehmung phonologischer Kontraste bei
Babys: Langeweile bei zu langem Vorspielen der Wortsilben „bababa“ ABER
bei Variation Richtung „papapa“ nimmt Zuwendung abrupt wieder zu!
Relevanz prosodischer Information
Babies können phonologische Information nutzen  um syntaktische Eigenschaften der
Einzelsprache herauszufinden BEVOR sie über die lexikalische Bedeutung der Wörter lernen
(vor Ende des 1. LJ.)
Cinque (1993): Akzent der phonologischen Phrase  tiefsteingebettete syntaktische
Konstituente
Akzent rechts  kopfpinitial – Bsp. I read the book.
Akzent links  kopffinal – Bsp. Kitabi yazdim. (kitabi = Buch, yazdim = ich schrieb)
 Akzent auf dem Kopf des Satzes
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4. Expansion (3. – 6. Monat)
 produzierte Laute werden realen Sprachlauten immer ähnlicher
 Phase der stimmlichen Expansion – durch Spiel mit der Stimme wird Potenzial des
Stimmapparats ausprobiert
 deutlich mehr Vokale als Konsonanten produziert
5. Kanonisches Lallen / Babbeln (6. – 9. Monat)
 Vokaltrakt entwickelt sich  Absenkung des Kehlkopfes
 erste Konsonanten werden systematisch produziert und mit Vokalen kombiniert (ba,
ma, ga, da)
 redupliziertes Babbeln (mama, papa, gaga)
 kanonisches Lallen
o Fähigkeit des Kindes, alle in der Sprache relevanten phonologischen
Unterschiede zu machen; Produktion von von Erwachsenen nicht
unterschiedenen Sprachlauten nimmt ab
 Kind hat sich in Sprache(n) seiner Umgebung eingehört und passt sich ihr
an; beginnt diese Sprachmelodie nachzuahmen
6. Erste Wörter (10. – 14. Monat)
 phonologische Entwicklung mündet in Produktion erster Wörter, Großteil aber noch
babbling

Mitte 2. J.: Lexikon steigt sprunghaft von 50 auf 100 Wörter  Benennungsexplosion
o Entwicklung des Wortschatzes zuerst bei allen Kindern langsam
o Entwicklung beginnt im Alter von 1-2 Jahren
o 16. Monat: enorme Variationen ersichtlich
o in den darauffolgenden Jahren: durchschnittlich 10 Wörter pro Tag
o innerhalb weniger Jahre: Wortschatz wächst auf mehrere Tausend Wörter
Semantische Entwicklung


Unterextension: zu spezifisch – Bsp. Hund für genau ein Individuum (den eigenen
Hund)
Überextension: zu unspezifisch – Bsp. Hund für alle Tiere mit 4 Beinen und Fell
7. Holophrasen / Einwortsätze (12. – 18. Monat)
 Holophase: einzelnes Wort steht für Sinnzusammenhang des ganzen Satzes
 Bedeutung situationsabhängig
o Bsp. Kind will Schuhe anziehen – Schuhe; Was hat der Vogel getan? Weg;
Vater schließt die Tür – Tür.
8. Zweiwortsätze (18. – 24. Monat)
 auch: telegrafische Sprache (es kann viel ausgedrückt werden)
 keine Verbalflexion, keine funktionalen Kategorien
 teilweise Pluralformen und Genitiv
o Bsp. nein schlafen; papa auto; mama arm; auch essen
17
Weiterer Verlauf




ab dem 2. LJ.: 3- und Mehr-Wortäußerungen
2 – 2,6 LJ.: Aufbau einfacher Sätze, Beginn der Flexion (mama buch holt, eine amsel
gesingt, papa tullover vergessen)
2,6 – 4 LJ.: komplexere Syntax (Relativsätze, Ausbau der Flexion, Inversion,…)
ab 4 LJ.: noch komplexere Syntax (Passiv,…)
Annahme: Deutsch = SOV-Sprache (da Kind am Anfang Verb immer am Ende setzt)
Erwerb von Gebärdensprachen
Gebärdensprachen sind natürliche Sprachen
 werden natürlich erworben
 gehörlose Kinder lernen eine Gebärdensprache über das Auge sowie hörende Kinder
Lautsprachen über das Ohr
ideal für die Erwerbssituation:
 Eltern ebenfalls gehörlos und gebärden mit den Kindern
 ungesteuerter Spracherwerb
 fundierter, vielseitiger SE mit Syntax sowie Aufbau von Konversations- und
Diskursfähigkeiten
 kein Rückstand gegenüber hörenden Kindern im unbewussten bzw. ungesteuerten SE
Probleme für Erwerb einer Gebärdensprache: hörende Eltern, gehörloses Kind
 merken erst spät, dass Kind nicht hören kann (oft nach 1. LJ.)  1 Jahr des
Spracherwerbs geht verloren
o Wahrnehmung übers Auge konnte nicht gefördert werden
 familiär problematisch
 bis die Familie über weiteres Vorgehen entscheidet  vergeht noch mehr Zeit
 gehörlose Kinder oft jahrelang ohne Sprache – fatal für die allgemeine kognitive
Entwicklung!
Phasen des gehörlosen Spracherwerbs (Prinz & Prinz)
 Gestikulierphase (entspricht ca. Gurren): Kind übt mit seinen Sprechwerkzeugen
 Ein-Gebärden-Stadium
o 6 Monate früher als bei hörenden Kindern, da visuell-motorischer
Sprechapparat früher ausgereift ist als der auditiv-orale
o Ein-Wort-Gebärden = unflektierte Grundformen ohne morphologische
Angaben von Numerus, Aspekt, Modus, …
systematische phonologische Fehler beim Erwerb von Handformen abhängig vom
handmotorischen Schwierigkeitsgrad der Gebärde
 kein ganzheitlicher Erwerb von Gebärden, sondern Erwerb von Regeln!
18



Zwei- Gebärden-Äußerungen (Mitte des 2.LJ.): Inhaltsgebärde + Funktionsgebärde,
beide unflektiert, jedoch syntaktisch schon regelhaft
Erwerb morphologischer Regeln ab dem 3.LJ.  ebenfalls Übergeneralisierung
Erwerb von zunehmenden komplexen morphologischen und syntaktischen Formen
Sprachverarbeitung
Kompetenz  sprachliches Wissen
Performanz  Verarbeitung und Produktion sprachlicher Signale
Die Rolle von sprachlichem Wissen (Kompetenz) bei der Kommunikation
in jeder Kommunikationssituation verarbeiten & produzieren wir sprachliche Signale
 vereinfacht: Kommunikation = Weitergabe von Informationen
 nach Claude E. Shannon: Information als ein Abnehmen von Unsicherheit
(mathematisch quantifizierbar)
 bei Informationsübertragung üblicherweise Störungen in Form von Noise
(tatsächlicher Lärm, unvollständige Ausdrücke,...)
 ABER Sprache eignet sich trotz Noise erstaunlich gut zur Informationsvermittlung
Strategien zur Minimierung der Effekte durch Noise
 Redundanz: verteilt Kodierung und macht sie so weniger fehleranfällig
o Kongruenz, Kasusmarkierung,…
 grammatische Strukturen: erlauben es auf allen Ebenen, ein gestörtes Signal zu
rekonstruieren (dh. sie machen Informationsübertragung robuster)
o Silbenstruktur, syntaktische Struktur
Schema eines generellen Kommunikationssystems nach Shannon
Verhältnis zwischen Kompetenz und Performanz
wichtig: Sprachverarbeitung ist NICHT einfach eine direkte Externalisierung grammatischer
Regeln
Marr unterscheidet zwischen 3 Ebenen:
19
o komputationelle Ebene – was tut das System und warum tut es dies?
o algorithmische Ebene – wie tut das System das?
o Implementierungsebene – mit welchen Mitteln tut das System das?
Beispiel Registrierkasse – Addition
o was und warum? formale Eigenschaften, unabhängig vom Algorithmus (Boolsche
Eigenschaften)
o wie? Repräsentation und Algorithmus (zB. Stellenwertsystem, Basis 10,
Übertragsrechnung)
o mit welchen Mitteln? zB. Holzkugeln
Wie hängen die Ebenen mit der Linguistik zusammen?
o theoretische Linguistik  beschreibt die formalen Eigenschaften der
komputationellen Ebene
o Sprachverarbeitung (=Anwendung von sprachl. Wissen)  algorithmische Ebene
o wie ist das sprachliche Wissen repräsentiert? wie sieht der Algorithmus aus?
o 2 Faktoren zu beachten:
i) Können andere Systeme auf diese Ebene Einfluss nehmen?
ii) Können gewisse Faktoren der Sprachverarbeitung auch auf der
Ebene der Implementierung erklärt werden ?
 unser heutiges Beschäftigungsfeld: syntaktische Verarbeitung
Unterscheidung der Ebenen
komputationelle (1) und algorithmische Ebene (2) sind zwei unterschiedliche Ebenen der
Beschreibung
auf (1) Passivsatz syntaktisch komplexer als ein Aktivsatz
bzw. ein negierter Satz komplexer als ein nicht-negierter Satz


Die Maria schlägt den Hans. – Der Hans wird von der Maria geschlagen
Die Maria schlägt den Hans. – Die Maria schlägt den Hans nicht.
George Miller (1962): syntaktische Komplexität sollte zu größerer Komplexität in
Verarbeitung führen – sollte messbar sein!

Experiment: Sätze wurden durcheinander gemischt, Probanden sollten simplen
Deklarativsätzen syntaktisch komplexere Sätze zuordnen, hierbei wurde Zeit
gemessen
 Komplexitätsskala: Dekl < Passiv/Neg Dekl < Neg + Passiv Dekl
ABER Fodor & Garrett (1966): Experiment zeigt NICHT, was es zeigen soll!
 Negation verändert Bedeutung & Passiv ändert Wortstellung  die Komplexität
muss nicht der Auslöser für den Zeitunterschied sein!
 Fehler in der grundsätzlichen Annahme: Experiment nimmt an, dass Hörer mit
Verarbeitung eines Satzes warten, bis der Satz fertig ist – stimmt nicht!
i) Verarbeitung zu schnell
20
ii) man kann experimentell nachweisen, dass Hörer „online“ verarbeiten (dh.
bevor der Satz fertig ist)
 komputationelle und algorithmische Ebene sind unterschiedliche Ebenen der
Beschreibung!
Aber wie geht syntaktische Verarbeitung vor sich?
top-down oder bottom-up – beginnen wir mit Hypothesen über den ganzen Satz oder
setzen wir diesen Stück für Stück zusammen?


falls top-down: Welche Hypothesen werden gemacht? Und was sagen uns diese über
den Algorithmus? Welche Eigenschaften der Signale spielen eine Rolle bei der
„Formulierung“ der Hypothesen?
Rolle von Bedingungen anderer Systeme beim Algorithmus (zB. Kurzzeitgedächtnis)?
top-down  strukturelle Annahmen von oben nach unten
bottom-up  von unten nach oben, zusammensetzen der kleinsten Einheiten zu einer
Struktur
Was man dafür u.a. untersucht
Verarbeitung von Strukturen, die lokal ambig sind (dh. an gewissen Punkten noch mehrere
strukturelle Analysen zulassen) – Untersuchung über eingesprochene Daten und
Leseexperimente
Zu mir hat die Maria gesagt, dass man ihr Geld
beschlagnahmt hat.
anvertraut hat.
[[ihr Geld] beschlagnahmt]
[ihr [[Geld] anvertraut]
Welche Hypothesen werden an diesem Punkt gemacht – und welche nicht?
Was beeinflusst, welche Hypothesen gemacht werden? (Wortstellung, Wortbedeutung,
Prosodie,…)
The horse raced past the barn fell.
 wenn bei einer lokalen Ambiguität der falsche Weg gewählt wird und der Hörer eine
Reanalyse vornehmen muss: gardenpath-Effekt
 top-down deutlich erkennbar!
Warum gibt es bei manchen lokalen Ambiguitäten einen klaren gardenpath-Effekt und bei
anderen nicht? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Warum sind manche Strukturen, die von der Grammatik generiert werden können, kaum zu
verarbeiten?
Der Anwalt, den der Zeuge, den der Spion betrachtete, schnitt, überzeugte den
Richter.  Chomsky & Miller: multiples center-embedding
21
Wie werden sprachliche Signale verarbeitet – generell?
online! extrem schnell!
 kann man beweisen – Beispiel:


Probanden bekommen Satz Wort für Wort auf einem Bildschirm, sobald sie das
nächste wollen, müssen sie auf einen Knopf drücken, erstes verschwindet, zweites
erscheint
bei lokalen Ambiguitäten: Zeit deutlich länger bis zur Anforderung des nächsten
Wortes
 Fazit: Würde die syntaktische Analyse erst stattfinden, wenn der Satz fertig ist,
wäre dies nicht erklärbar! Es werden gewisse syntaktische Hypothesen gebildet –
wenn diese falsifiziert werden: gardenpath-Effekt  top-down!
Analyse des Beispiels: The horse raced past the barn fell.
Hypothese wird aufgestellt:
ABER dann kommt fell  raced kann also nicht das Verb sein! gardenpath-Effekt!
 Reanalyse
Es werden also Hypothesen über die syntaktische Struktur gebildet
Fragen, die dadurch aufkommen



Welche Faktoren haben einen Effekt auf die Bildung der Hypothesen?
Nach welchen Prinzipien werden Hypothesen gebildet? Welche Hypothesen werden
gebildet?
Was hat Einfluss darauf, wie schwierig es ist, solche Hypothesen zu verwerfen?
Welche Faktoren haben einen Effekt auf die Bildung der Hypothesen?
Anmerkungen: Effekte treten sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern auf
Experimente: Leseexperimente, Experimente mit gesprochener Sprache, Reaktion mittels
Knopfdruck oder eye-tracking
Alison ate the cake with
the butcher knife
the chocolate crust
Präpositionalphrase an Verbphrase adjungiert
PP an Nominalphrase adjungiert
22
bei „hit“ statt ate  Präferenz VP-Adjunktion
bei „liked“ statt ate  Präferenz NP-Adjunktion
 Fazit: Bedeutung spielt eine Rolle – Präferenz bei hit und like ändert sich messbar!!
außerdem noch Prosodie:
Allison ate the cake / with
Allison ate (/) the cake with
Präferenz VP-Adjunktion (knife)
Präferenz NP-Adjunktion (crust)
sowie referentielle Hinweise:
Put the apple on the napkin in the box.
 wenn nur 1 Apfel sichtbar – gardenpath-Effekt
 wenn 2 Äpfel sichtbar, einer auf einer Serviette – kein gardenpath-Effekt
Nach welchen Prinzipien werden Hypothesen gebildet?
Frazier & Fodor bzw. Frazier & Rayner: first-pass-parsing
 strukturelle Beschreibungen mit dem Vorkommen jedes Wortes zugeordnet, von
links nach rechts
 diese Strukturen sind jeweils syntaktisch komplett ABER immer noch offene slots für
die Wörter, die noch nicht gekommen sind
Welche Hypothesen werden gebildet?
Frazier & Rayner: Hypothesen werden nach folgenden Prinzipien gebildet:

principle of minimal attachment: einfachst-mögliche Struktur wird angenommen
(außer bei Gegenevidenz); jedes Wort wird mit minimalen strukturellen Aufwand in
existierende Struktur eingebettet
o daher gardenpath-Effekt bei: The lion paraded through the town escaped.

principle of late closure: jedes neue Element wird versucht, der Phrase zuzuordnen,
die gerade verarbeitet wird
o daher gardenpath-Effekt bei: Fiona discovered on Monday the penguin had
hurt ist foot.  on Monday wird eher VP zugeordnet
Was hat Einfluss darauf, wie schwierig es ist Hypothesen zu verwerfen?
viele lokale Ambiguitäten vorhanden ABER bei manchen gardenpath-Effekt stärker als in
anderen (dh. die Reanalyse scheint schwieriger zu sein als bei anderen)
 ein Prinzip, dass hierbei eine Rolle zu spielen scheint:
Faktor: Reanalyse der prosodischen Struktur
Bader: „prosodische Analyse scheint Effekt auf Schwierigkeit der Reanalyse haben“
23
 syntaktische Reanalyse ist dann schwierig, wenn sie eine Reanalyse der mit ihr
assoziierten prosodischen Struktur erzwingt
Leseexperiment
 24 Probanden (zwischen 20 und 30, monolinguale deutsche Muttersprachler)
 32 Testsätze, 80 Filler (damit Leute nicht nach Mustern antworten)
 Satz läuft über Bildschirm, alle Worte ursprünglich durch Striche ersetzt
 Proband muss Taste drücken für neues Wort, vorheriges verschwindet
 Computer misst Geschwindigkeit
 nach letztem Wort entweder ja/nein-Frage oder neuer Satz (jeweils 50%)
Ausgangspunkt: dieser Satz hat eine lokale Ambiguität (Possessiv vs. indirektes Objekt)
Zu mir hat die Maria gesagt, dass man ihr Geld
beschlagnahmt hat.
anvertraut hat.
[[ihr Geld] beschlagnahmt]
[ihr [[Geld] anvertraut]
Satzvervollständigungsstudien – welche Struktur bevorzugen die Probanden?
1) obiger Satz (mit/ohne Subjekt)
2) obiger Satz + „sogar“ vor ihr (mit/ohne Subjekt)
 in allen Fällen Präferenz für Poss-Struktur! sogar noch stärker, wenn „sogar“ vor ihr!
Frage: Finden wir messbare Verzögerung bei Reanalyse bei den Sätzen ohne „sogar“?
Zu mir hat die Maria gesagt, dass man ihr Geld
beschlagnahmt hat.
anvertraut hat.
[[ihr Geld] beschlagnahmt]
[ihr [[Geld] anvertraut]
 Nein! beide gleich schnell! syntaktische Reanalyse scheint nicht schwierig zu sein!
ABER die beiden Strukturen sind auch bis zum desambiguierenden Verb prosodisch gleich –
kompatibel mit unserer obigen Hypothese
Bader verändert die Sätze nun so, dass eine syntaktische Reanalyse eine prosodische
bedingen würde: Fokuspartikel sogar – assoziiert mit Fokus
Ich mag sogar PETER.
Fokus muss hierfür immer in Phrase, die auf sogar folgt, enthalten sein – sonst
ungrammatischer Ausdruck!
Der Hans sogar [IHR] [sein Pferd] gezeigt.
*Der Hans hat sogar [ihr] [ein PFERD] gezeigt.
Der Hans hat sogar [ihr PFERD] geschlagen.
Der Hans hat sogar [IHR Pferd] geschlagen.
24
erneuter Test: die Sätze von vorher mit „sogar“
Die Maria hat gesagt, dass man sogar [IHR] [Geld] anvertraut hat.
Die Maria hat gesagt, dass man sogar [IHR Geld] beschlagnahmt hat.
Fokus auf IHR: kompatibel mit beiden Strukturen, da Fokus jeweils in Phrase liegt, die auf
„sogar“ folgt
*Die Maria hat gesagt, dass man sogar [ihr] [GELD] anvertraut hat.
Die Maria hat gesagt, dass man sogar [ihr GELD] beschlagnahmt hat.
 Fokus auf GELD: Satz ist nur mit Possessivstruktur kompatibel! nur dann liegt Fokus in der
Phrase, die auf „sogar“ folgt!
Fazit: Je nachdem, wie der Proband den Fokus an dem Punkt in folgendem Satz setzt, sollten
wir einen gardenpath-Effekt bekommen oder nicht.
Die Maria hat gesagt, dass man sogar ihr Geld
beschlagnahmt hat.
anvertraut hat.
Was wir unabhängig davon wissen:
 Probanden bevorzugen Poss-Struktur
 Probanden setzen Fokus unmarkiert
Was ist ein „unmarkierter Fokus“?
 wenn Fokus auf Phrase mit mehreren Wörtern fällt, ist der unmarkierte Fokus auf dem
rechten Element (im Dt.)
Ich habe sogar [seine kleine SCHWESTER] eingeladen.
Probanden bevorzugen also Poss-Struktur mit unmarkiertem Fokus:
Die Maria hat gesagt, dass man sogar ihr GELD
beschlagnahmt hat.
anvertraut hat.  hier prosodische Reanalyse notwendig!
 wir sollten hier also nun eine messbare Verzögerung finden und das tun wir auch!!
Verarbeitungsprobleme bei generierbaren Strukturen
komputationelle Ebene: Strukturen wie center-embedding können generiert werden
ABER es scheint bei solchen Sätzen extreme Verarbeitungsprobleme zu geben!
Der Anwalt, den der Zeuge, den der Spion betrachtete, schnitt, überzeugte den
Richter.
 besser: Der Richter wurde von dem Anwalt überzeugt, den der Zeuge schnitt, den
der Spion betrachtete.
25
Phänomen taucht sprachübergreifend auf (unabhängig von Wortstellung,
Einbettungsmöglichkeiten etc.)  es liegt ein generelles Problem vor, dass nichts mit
grammatischen Eigenschaften sondern allein mit der Ebene der Verarbeitung zu tun hat!
Gibson & Thomas 1999: working-memory overload
Frage: Wie ist der Arbeitsspeicher auf der Verarbeitungseben zu charakterisieren?
Verbindungen zu anderen kognitiven Komponenten (Kurzzeitgedächtnis)?
26
Teil II: Sprachtypologie
Fragestellungen



Was ist Sprachtypologie?
Was macht „germanische Sprachen“ aus?
Was macht die Sprache „Deutsch“ und ihre Varietäten aus?
Anmerkungen:
 Wie viele Sprachen gibt es?  Schwierig, denn wo zieht man Grenzen? Ab wann ist
etwas eine eigenständige Sprache und kein Dialekt mehr? (Vgl. Luxemburgisch)
 Manche Sprachen ähneln sich mehr als andere (Vgl. von Deutsch zu Norwegisch,
Schwedisch, Niederländisch, Friesisch etc.)
Was ist Sprachtypologie?
Sprachtypologie vs. Universalienforschung
Universalienforschung = Suche nach Strukturmerkmalen, die (fast) allen Sprachen gemein
sind
Typen von Universalien
 Substantielle Universalien – sagen uns etwas über die Substanz, Struktur von
Sprachen
o Bsp. Alle Sprachen haben Substantive und Vokale.
 Universelle Implikationen – wenn das vorliegt, dann ist auch das
o Bsp. Wenn eine Sprache Genus-Kategorien für Nomen aufweist, dann tut sie
das auch für Pronomen. (Joseph Greenbergs „Universalie 43“)
o Wenn VO-Stellung – dann Nomen höchstwahrscheinlich vor dem Adjektiv
(„Universalie 17“)
Deutsch – VO- oder OV-Sprache? Nicht so leicht zu beantworten.
 VO: Ich lese ein Buch.
 OV: Was machst du heute? Bücher lesen.
Weitere Universalien: Alle Sprachen haben mindestens 2 Vokale. Alle Kulturen haben eine
Sprache. Alle Sprachen haben eine Deixis. Alle Sprachen haben Eigennamen. Alle Sprachen
mit Futur hat auch ein Präteritum, aber nicht umgekehrt. Es gibt in jeder Sprache
Präferenzen hinsichtlich Wortstellungstypen.
Sprachtypologie  Suche nach differenzierenden Strukturmerkmalen und die sich aus ihnen
ergebenden „Sprachtypen“
 Verschiedene Merkmale einer bestimmten Sprache werden bestimmt und dann ob
eine Sprache A diese Merkmale aufweist
27
Roelcke zur Sprachtypologie: Diejenige sprachwissenschaftliche Dispziplin, die sich mit einem
Vergleich von Sprachen unter besonderer Berücksichtigung systematischer gegenüber
genealogischen und regionalen Gesichtspunkten befasst.
Klassifikationskriterien der Sprachtypologie



Geographisch: Arealität (Sprachbünde)
Genealogisch: Sprachgeschichte (Sprachfamilien)
Typologisch: Formale Charakteristika
Geographischer Ansatz – Beispiel: Sprachbund SAE
Wo sind Sprachen im Raum gelagert?  Sprachbund
 Bsp. SAE (Standard Average European)
Klassifizierungen von Sprachen aufgrund von 12 grammatischen Merkmalen – Fragestellung:
Wie ähnlich sind sich örtlich nebeneinander liegende Sprachen in diesen Merkmalen?
Beispiele dieser Merkmale:
 bestimmte Artikel? Wenn ja, wie viele
Genera?
 Perfektbildung mit Auxilia? Habenund/oder Sein-Perfekt?
 Durch diese Einteilung deutlich: andere
Gruppen als „germanische Sprachen“ & andere
Einteilungen – auch eigentlich als verschieden
betrachtete Sprachen können sehr viele
gemeinsamen Merkmale haben
28
Sprachgenealogische Ansätze
 geht nach historischen Faktoren wie Entstehung
Formale Charakteristika
Lautebene:
 Inventar an Vokalen und Konsonanten – segmentale Ebene
 Lautkombinationen innerhalb von Silben
 Intonation (freier und fester Wortakzent, Satzmelodien) – suprasegementale Ebene
Habe ich in einer Sprache die Möglichkeit durch Tonhöhe oder Tonverlauf die Bedeutung
eines Wortes zu ändern?
 Im Deutschen nicht – Deutsch ist keine tonale Sprache
 Bsp. für tonale Sprache: Thai: „kaa“ kann auf 5 verschiedene Arten ausgesprochen
werden mit je ganz unterschiedlicher Bedeutung  nur über den Tonverlauf wird
Bedeutung verändert
29
weiteres formales Charakteristikum: Kennzeichnung grammatischer Kategorien und
Relationen – z.B. Inkorporation, Isolation, Agglutination und Flexion
Traditionelle Klassifikation nach morphosyntaktischen Kriterien
isolierend („amorph“)
inkorporierend /
polysynthetisch
(„einverleibend“)
agglutinierend
flektierend (ähnlich wie
agglutinierend, nur
durchdringender)
 unveränderbare Wörter
 grammatische
Beziehungen werden durch
u. a. Serialisierung
(Reihenfolge) ausgedrückt
 1 Wort = 1 Morphem
Ein Satzteil (meist Prädikat,
dh. prädikative Sprachen)
nimmt die anderen „in sich
auf“  Satzwörter
Bsp. Chinesisch
Unveränderliche Stämmen,
an die unselbstständige (klar
abgrenzbare) Morphe
(Affixe) treten.
 Formveränderungen
innerhalb der Wortstämme
(Wurzelflexion = Ablaut,
Umlaut)
 Formveränderung durch
Endsilben, die an den
Stamm treten
Bsp. Türkisch
(ev = Haus, evim = mein
Haus, evler = die Häuser,
evlerimin = meine Häuser)
wurzelflektierend
Bsp. semitische Sprachen
wie Arabisch
Serialisierung im Englischen:
The woman is seeing the
man. vs. The man is seeing
the woman.
Bsp. Grönländisch
stammflektierend
Bsp. indoeuropäische
Sprachen wie Deutsch
(zumindest weitgehend)
Systeme morphologischer oder morphosyntaktischer Kategorien – welche Kategorien hat
eine Sprache?
 Z.B. verbalgrammatische Kategorien wie Tempus, Aspekt und Modus
Welche syntaktischen Konstruktionen gibt es?
 Z.B. Serialisierung (NS, HS), Possessivkonstruktionen, Komparativkonstruktionen
Synthetische Sprachen vs. analytische Sprachen


Synthetisch: Wörter sind aus zahlreichen Morphemen zusammengesetzt.
Analytisch: Morpheme werden durch Einzelwörter ausgedrückt.
Der Grad der Isoliertheit nimmt vom synthetischen zum analytischen Sprachbautyp zu.
 Beispiel Passivbildung: sie wurden gelobt (analytisch) vs. laudabantur (synthetisch)
Deutsch hat Züge von beiden Satzbauarten.
30
ABER Probleme bei Zusammenbringen dieser 2er-Kategorisierung mit der 4erKategorisierung vorher
 Segmentierbar (man kann Wörter in Bausteine unterteilen) vs. fusionierend
(einzelene unveränderte Wörter stehen nebeneinander)
 Polyfunktional vs. monofunktional
 Analyse vs. Synthese
Was können wir aus der Grafik z.B. ablesen?
 Isolierend passt sehr gut zu analytisch und inkorporierend zu synthetisch; die anderen
beiden sind Zwischenstufen
Lexikalisch-semantische Systeme
 z.B. Farbsysteme, Größen- und Mengenverhältnisse, „Körperteile“, spatiale
Dimensionen, Verwandtschaftsbeziehungen
 Bsp. Wo wird der Fuß unterteilt und benannt? Gibt es unterschiedliche Wörter für
Vater der Mutter und Vater des Vaters?
 WALS (World Atlas of Language Structures)  weitere Beispiele
Deutsch und andere „germanische Sprachen“
Einteilung der 3 Stunden:
1. allgemeine Informationen über Sprachtypologie
2. Deutsch genauer
3. Variation im Deutschen genauer
„Das“ Deutsche?
Deutsch  Wahrscheinlich vielgestaltigste Sprache Europas! Variiert sehr stark!
„das“ Deutsche – eine Vereinfachung um darüber sprechen zu könne
ABER eigentlich gelten viele Aspekte, die dem Deutschen zugeordnet werden, nur für
bestimmte Dialekte/die Standardsprache
31
Charakteristika geordnet in
 Phonetik/Phonologie
 Morphologie
 Syntax
 Variation
Phonetik/Phonologie
Vokalsystem der deutschen Standardsprache
Vokalistische Charakteristika der deutschen Standardsprache
 Besonderheiten des Deutschen auf der Lautebene (Vokale)

Unterscheidung zwischen Monophtongen und Diphtongen
o Im Deutschen Differenzierung zwischen Monophtongen (Laut bleibt gleich)
und Diphtongen (Laut verändert sich, kontinuierlicher Verlauf)
 Bsp. a-u vs. au
o Au, ei, eu – Diphtonge des Deutschen

Phonologisch distinktive Vokallänge (zumindest hinsichtlich Monophtongen) bzw.
gespannte versus ungespannte Vokale
o Langes i (i mit Punkten) vs. kurzes i (römisches i)
 Nicht nur Quantität (durch Punkte markiert) ist verschieden
32
SONDERN auch Qualität (siehe unterschiedliche i’s) – die beiden sind
verschieden gespannt (vgl. auch ihre verschiedenen Orte im Vokaltrapez)
o Unterschied zwischen lang und kurz ist bedeutungsunterscheidend! Wichtiges
Merkmal des Deutschen! (bieten vs. bitten)

Gerundete vs. ungerundete Palatalvokale
o Langes i vs. „ü“ – Unterschied nur Lippenrundung!
o Diese gerundeten Vorderzungenvokale in vielen anderen Sprachen nicht
vorhanden!
o Schön – „sche“  man nimmt die Rundung weg!

Tonhöhe nicht phonologisch
o Tonhöhenverlauf ändert nichts an der Bedeutung
ABER es gibt Dialekte des Deutschen (Bsp. Moselfränkisch), die wie das
Chinesische die Tonhöhe als differenzierendes Merkmal haben
Konsonantensystem der deutschen Sprache
 Andere Merkmale wie bei Vokalen:
 Stimmhaftigkeit: Konsonanten sind stimmhaft ODER stimmlos – Vokale sind IMMER
stimmhaft (man muss es also normal nicht erwähnen)
 Artikulationsweise: Bsp. plosiv
 Artikulationsort: Bsp. bilabial (zwischen den Lippen)
33
Konsonantische Charakteristika der deutschen Standardsprache
- Besonderheiten des Deutschen auf der Lautebene (Konsonanten)

Relativ wenig Nasale
o Im Deutschen nur 3 Nasale (m, n und n mit g-Haken unten) – sehr wenig im
Vergleich mit anderen Sprachen!

Viele Obstruenten
o Viele verschiedene Arten von Obstruenten: Plosive, Frikative, Affrikaten,
Glottal-Verschluss, …

Fortes vs. Lenes – phonologisch distinktiv
o Stimmhafte vs. stimmlose Plosive  bedeutungsunterscheidend! (Tier – dir,
Bein – Pein, Grippe – Krippe)

Auslautverhärtung
o Hund – geschrieben „Hund“ vs. gesprochen „Hunt“
Silbenstrukturelle Charakteristika des Neuhochdeutschen

Relativ komplexe Silbenstrukturen
o Neuhochdeutsch = „Wortsprache“
o Komplexer als Englisch, Französisch, ...
o Bis zu 7 Konsonanten in einer Silbe! max. 3 am Anfang und max. 4 am Schluss
o Bsp. strolchst – sehr komplexe Silbenstruktur K-K-K-V-K-K-K-K
 Zwar am Schluss 5 Buchstaben ABER 4 Laute – diese zählen!

Reduzierter Nebensilbenvokalismus
o z.B. im Vergleich zu Lat., Ahd. und Mhd.
o Althd. gilaubiu  nhd. glaube – verdeutlicht, was nur davon übrig geblieben
ist
o Bsp. bitter – r wird meist nicht gesprochen und e als reduzierter Vokal
ausgesprochen
o In Endsilben am Ende eines Wortes angehängte grammatikalische
Markierungen wie Plural (Bsp. s, e)  reduzieren wir dieses Wortende aber
geht der Sinn verloren!
o Lammes – wir sprechen Lamms
 Die Entwicklung des Wortes Lamm (Gen. und Akk. Früher klar unterscheidbar – heute
nicht mehr)
34

Keine Vokalharmonie (= Assimilation von Vokalen in Abhängigkeit von
Nachbarvokalen)
o ABER ahd. „i-Umlaut“ – dort gab es diese Vokalharmonie (vgl. machti –
Mächte)
Prosodisch-intonatorische Charakteristika des Deutschen

Wortakzent auf Stammsilbe – auch wenn Präfixe vor die Stammsilbe rutschen

Akzentzählung: Konstante Abstände zwischen betonten Silben
o Akzentzählende Sprache

Satzmelodie ist funktional gesteuert:
o Du gehst heute nach draußen – man kann Deklarativ- , Imperativ- und
Fragesatz durch Satzmelodie steuern
Morphologische und morphosyntaktische Charakteristika des Deutschen
Morphologisch (Bsp. nähme) vs. morphosyntaktisch (Bsp. ich würde nehmen) markiert

Konstruktionsbezogene Aspekte
o Welche formalen Mittel werden in welcher Art und Komplexität zum
Ausdruck grammatischer Kategorien herangezogen?

Inventarbezogene Aspekte
o Wie ist die Quantität und Qualität der grammatischen Kategorien, die zum
Ausdruck gebracht werden?
Konstruktionsbezogene Aspekte des Deutschen
35
 Fragen, die sich dazu stellen:
 Segmentierend oder fusionierend?
 Poly- oder monofunktional?
 Analytisch oder synthetisch?
Was ist das Deutsche?
 Synthetisch-analytischer Mischtyp mit segmentierbaren und fusionierenden sowie
polyfunktionalen Konstruktionen
 flektierende Sprache (hier: schwache Konjunktion und verbale Periphrasen) mit
schwacher Annäherung an inkorporierenen Typ (starke bzw. unregelmäßige
Konjugation) und vereinzelten isolierenden Elementen (Suppletivformen)
o inkorporierende Tendenzen im Deutschen (Bsp. Eingreifen in den Stamm um
durch Ablautung eine grammatische Kategorie zu markieren)
 nur Standardsprache allein schon sehr bunt!



Goethes Werk: synthetische Konstruktion (+ segmentierbar, + polyfunktional)
das Werk von Goethe / dem Goethe sein Werk: eher analytische Konstruktion
Goethewerk (Determinativkompositum): höchster Synthesegrad
36
Wortbildungsarten im Deutschen
 Große Fülle! Teilweise Überschneidung mit anderen Sprachen, teilweise nicht
 Beispiel
Unfruchtbarkeitsgottheiten
37
Inventar an grammatischen Kategorien des Deutschen
 Welche grammatischen Kategorien werden durch Flexion (Konjugation und Deklination)
überhaupt zum Ausdruck gebracht?
 Anmerkung: Einige Kategorien sind morphologisch (am Wort selbst), andere
brauchen syntaktische Mittel
Verben: Person, Numerus, Genus Verbis, Tempus, Modus
 Andere Sprachen haben weitere Modi (teilweise morphologisch, teilweise syntaktisch)
 Bsp. Optativ (erfüllbarer Wunsch) im Türkischen
 Bsp. Involuntativ (Versehen) bei westkaukasischen Sprachen
 Bsp. Energikus (nachdrückliche Behauptung) im Arabischen
Nomen: Genus, Numerus, Kasus
 andere Sprachen haben weitere Numeri
 Bsp. Dualis (Paare) im Slowenischen – 2 Hunde  eigene grammatische Markierung
 Bsp. Trialis (Dreiheiten) in ozeanischen Sprachen
 Paucalis (geringe Anzahl) im Arabischen
38
 andere Sprachen haben weitere Kasus:
Adjektive: Komparation
 Bsp. klug – klüger
 Etwas Besonderes des Deutschen
Zusammenfassung – welche grammatischen Kategorien kann man durch Flexion
ausdrücken?
 Verben: Person, Numerus, Genus Verbis, Tempus, Modus
 Nomen: Genus, Numerus, Kasus
 Adjektiv: Komparation
Wort- und Satzgliedstellung
Wonach werden Serialisierungsvarianten in den Sprachen der Welt betrachtet?
 Stellungrelationen von V (Verb/Prädikat), S (Subjekt) und O (direktes Objekt)
 bei den häufigsten 2 Typen steht Subjekt
sowieso immer vorne – die Stellung des Objektes
hingegen macht den Unterschied aus (OV oder
VO?)
 Objekt ist für Serialisierungstypen also wohl
wichtiger als Subjekt
39
Syntax der neuhochdeutschen Standardsprache
 im Deutschen alle Formen repräsentiert!
Deutsch OV oder VO?
 oberflächensyntaktisch betrachtet: Mischtyp, bei dem die Stellung von OV und VO
satzartenabhängig ist
 Stellung von unmarkierten Aussagesätzen: VO – drängt sich somit als Ansatz für
Grundwortstellung auf
ABER andere Argumentation unter Berücksichtigung hierarchischer Syntaxmodelle: VO als
Grundstellung! Man kann diese als Grundform annehmen, von der alle anderen abgeleitet
werden!
  Fazit: Schwierig das Deutsche einem Serialisierungstypen zuzuordnen!
Tabelle mit komplexen Prädikaten nocheinmal
Satzklammer im Deutschen! In Aussagesätzen: Hat .... geschrieben
Mittelfeld – dazwischen, Nachfeld – danach
Vgl. zu Englisch: diese Klammer dort nicht
40
Charakteristika des Deutschen im Sprachenvergleich
 in vs. ihn
 ein kleiner Hund vs. der
kleine Hund (vgl. English: the
little dog vs. a little dog)
 Topologische Felder – getrennt durch linke und rechte Satzklammer  wir können je
nach Position der Wörter in bestimmten Feldern Satztypen feststellen
Variationstypologie des Deutschen
Sprachtypologie = Analyse übereinzelsprachlicher Prinzipien anhand sprachübergreifender
Kriterien und einzelsprachlicher Daten
 Fokus: Variation von Sprachen
Variationslinguistik = Analyse einzelsprachlicher Variation anhand einzelsprachlicher
Kriterien und empirischer Daten zur Sprachvariation
 Fokus: Variation in einer Einzelsprache
Mischung aus den beiden: Variationstypologie = Analyse einzelsprachlicher Variation
anhand sprachübergreifender Kriterien und empirischer Daten zur Sprachvariation
Vokalische und konsonantische Besonderheiten „des Deutschen“?
 Ungerundete vs. gerundete Palatalvokale
 Tonhöhe nicht phonologisch
 Affrikaten – gibt es zB. in Englisch nicht
ABER große Variation beim Wort „müde“  innerhalb der Dialekte sehr häufig (50%) nur
entrundete Palatalvokale
ABER Moselfränkisch gehört zum Westdeutschen  Tonhöhenverlauf differenziert Wörter
ABER das Deutsche hat nur in bestimmten Räumen und dort nur in bestimmten Dialekten
Affrikate - vgl. die Hochdeutsche Lautverschiebung
 im Obd. Affrikaten, im Nd. nicht, im Md. ab und zu
41
42
 Rheinischer Fächer mit seinen
Isoglossen
Fazit des Ganzen: „typische“
Merkmale „des Deutschen“ nur in
bestimmten Dialekten und
hauptsächlich natürlich in der
Standardsprache
Silbenstrukturelle Charakteristika des Neuhochdeutschen
 relativ komplexe Silbenstrukturen
 reduzierter Nebensilbenvokalismus
 keine Vokalharmonie
ABER komplexe Silbenstrukturen  Merkmale des Neuhochdeutschen! Im
Althochdeutschen noch viel einfachere Silbenstruktur (CVCV-Struktur wie dada, lala) durch:
 beispielsweise Sprossvokale wie in „kale(schwa)f“ vs. Kalb  CVCVC viel leichter
auszusprechen als CVCC
43
 silbenoptimierende Prozesse
 Abschaffung des i-Umlauts: ahd. gasti  nhd. Gäste (aus a-i Kontrast wurde ä-ö
Kontrast – viel weniger artikulatorisch anstrengend)
 ahd. Gilaubiu  nhd. Glaube (Reduktion, von 3-Silber zu 2-Silber)
 Erst bei Nhd. Silbenoptimierung im Hintergrund – dafür Bedeutungsunterschied und
Rezipient viel mehr im Fokus!
 Silbenstrukturelle Merkmale also alle Merkmale des Neuhochdeutschen! Sah früher
anders aus!
Morphologische Variation
Die Wortarten – Tabelle
Flektierbar vs. unflektierbar
44
Beispiel:
wohl, ja, ..
 hier: Konjunktion als unflektierbar eingestuft
ABER im deutsschsprachigen Raum:
Phänomen der flektionierende Subjunktionen („complementizer agreement“)
Wo tritt es auf?
 Niederdeutsch: Westfriesisch und in den meisten Dialekten
 Oberdeutsch: Mittelfränkisch, Rheinfränkisch, Allemannisch, Südbairisch, …
Beispiele:
 „warumdses ned auf Urlaub fahrts“
 „warums ihr ned auf Urlaub fahrts“
 „i was ned obst morgen noch kommst“
 „wennsd mogsd“  wenn-2SG mög-2SG
 „wennds megds“  wenn-2PL mög-2PL
Karten zeigen: Flektionierende Konjunktionen bei Jüngeren noch häufiger als bei älteren
 Vorhersage: sehr stabiles Phänomen!
45
Syntax der neuhochdeutschen Standardsprache
Fokus auf komplexe Verbkomplexe am Ende
ABER Reihenfolge teilweise verändert
 dass er geschrieben hat vs. dass er hat geschrieben
46
Teil III: Variationslinguistik
Variationslinguistik 1
2 Modelle zum Varietätenbegriff vorhanden: traditonelles & modernes (Sprachdynamik)
Man geht von homogener Sprachform aus: Standardform des Deutschen („klassischer
Strukturalismus“)
ABER Realität: Sprache ist heterogen! wir sprechen auf verschiedene Arten (Uni, Alltag, … )
Chompsky: Der ideale Sprecher – produziert eine Form von Sprache, die perfekt für den
Linguisten ist (Untersuchungen geben sofort Ergebnisse) ABER dieser ist ein Konstrukt!
 Ziel: „Realistische Sprachtheorie“
Variationslinguistik sieht Sprache nicht als unmittelbaren homogenen Gegenstand, sondern
als komplexe Menge von sprachlichen Varietäten
Zur Einordnung der Variationslinguistik in der Sprachwissenschaft
 nicht trennbar, hängen
alle zusammen
Dialektologie: lange Forschungstradition, geht heute zum Teil in Variationslinguistik auf
Variationslinguistik: jüngere Richtung, geht von Dialektologie aus (Feststellung: es gibt nicht
nur räumliche Varianten  VL)
Zum Varietätenbegriff – Das traditionelle („statische“) Modell
47
Standardsprachen: für höchst offizielle Dinge
Umgangssprachen: heute „Alltagssprache“, Sprache für den täglichen Umgang miteinander
Verkehrsdialekte: Zusammenhang mit Pendlern, die aus Dörfern in große Städte pendeln
Basisdialekte: Dörfer
feste Grenzen durch Striche markiert = Idealisierung!
Übergang ist fließend – man kann nicht genau sagen, was Umgangssprache & was Dialekt ist
einheitliche Sprachform im Deutschen gibt es nicht!
 Begriff „Hochsprache“ sollte vermieden werden – führt zu Verbinden mit „hochwertig“
ABER Qualitätsunterschiede NICHT vorhanden – daher Begriff „Standardsprache“
 Regionale Umgangssprache = Regiolekt
 Niemand kann genau sagen, wie viele Umgangssprachen etc. im deutschen Sprachraum
sind – Faustregel: jede größere Stadt hat eine ABER Frage: was ist eine größere Stadt?
Dialekte
 Wells 1990
 Benrather Linie
 räumliche Gliederung
48
Einteilung von Varietäten
Anmerkung: Varietät (mehr Ergebnis) und Variation (mehr Tätigkeit) synonym verwendet





diatopische Variation (Raum)
diastratische (soziale Schicht)
diachronisch (Zeit)
diaphasisch (Situation)
diamesisch (Schriftlichkeit vs. Mündlichkeit) – neu!
Sprache der Nähe (mündlich) vs. Sprache der Distanz (schriftlich)
 man kann Familiengespräch, Brief etc. einordnen
 es gibt reine Sprachformen (zB. Gespräch) ABER je nach Bsp. Zusammensetzung aus
Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Die Einteilung von Varietäten genauer
räumliche Varietäten (diatopisch)
 Standardsprachen
 Umgangssprachen (Regiolekte)
 Basisdialekte
Substandard
49
soziale Varietäten (diastratisch)
 geschlechtsspezifisch
 altersspezifisch
Soziolekte
 gruppenspezifisch
 …
situative Varietäten (diaphasisch)
 formeller vs. informeller Kontext
 „Register“, „Stile“, „code switching“
historische Varietäten (diachronisch)
 rezente Dialekt (genetisch) – zB. Bairisch
 ahd. > mhd. > frnhd. > nhd. > Gegenwart
 Jugendsprache, Alterssprache
schriftliche/mündliche Varietäten (diamesisch)
 Varietätendimenson gesprochen/geschrieben
 mündliche Elemente in der Schriftlichkeit – zB. Füllwörter
 schriftliche Elemente in der Mündlichkeit – zB. Leseaussprache: Lu-eger statt Luoger
  Schrift- und Sprechsprache beeinflussen sich gegenseitig
Fazit



auch Standardsprache NICHT einheitlich
Bild der einheitlichen Standardsprache wurde ersetzt durch plurizentrische Sprache
Einteilung in mehrere Standardsprachen – warum nötig? es gibt für den Tag vor dem
Sonntag KEIN einheitliches Wort im deutschsprachigen Raum
Einteilung der Standardsprachen in D & Ö (Ammon 2004):
 wann Untersuchung von einheitliche auf
plurizentrische Sprache?
historisch kein großes Zentrum im dt. Raum
(vgl. Englisch: Londoner City-Englisch) – daher
verschiedene Zentren
50
Fazit: heterogene Varietät
„eine Menge an weitgehend übereinstimmenden prosodisch-phonologischen, morphosyntaktischen und lexikalischen Varianten, die verschiedene Sprecher in bestimmten
Situationen verwenden“ (Schmidt)
 Sprecher als Individuum in verschiedenen Situationen
 mehrdimensionaler Varietätenraum (drei Achsen: Zeit, Ort, Person)
 Einbeziehung der Pragmatik – Handeln mit Sprache („Machen Sie bitte das Fenster zu.“)
Codeswitching: Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen oder Varietäten
Sprachdynamik
Sprachdynamik = Wissenschaft von Einflüssen auf die sich ständig wandelnde komplexe
Sprache und den sich daraus ergebenden stabilisierenden und modifizierenden Prozesse
Mikrosynchronisierung = punktuelle, in der Einzelinteraktion begründete Modifizierung und
zugleich Stabilisierung des individuellen sprachlichen Wissens
 jemand ändert seine Sprache einmal
Mesosynchronisierung = Folge von gleichgerichteten Synchronisierungsakten, die Individuen
in Situationen personellen Kontakts vornehmen und die zu einer Ausbildung von
gemeinsamen situationsspezifischen sprachlichem Wissen führt
 mehrere gemeinsame Änderungen von mehreren Gleichgesinnten
(situationsspezifisch)  Gruppensprache
als einzige jedoch für die gesamtsprachliche Integration wichtig:
Makrosynchronisierung = Synchronisierungsakte, mit denen Mitglieder einer
Sprachgemeinschaft sich an einer gemeinsamen Norm ausrichten; tendenziell nehmen alle
Mitglieder einer Sprachgemeinschaft oder auch Mitglieder von Großgruppen (auch ohne
persönlichen Kontakt) die sprachlichen Veränderungen an
 solange bis fester Bestandteil der Sprache
 Mitglieder müssen nicht in persönlichem Kontakt stehen (Bsp. lecker)
 Veränderungen müssen aber nicht ewig sein (Bsp. buk)
wer die Sprache verwendet, gehört der Varietät an  Modell nicht an ein abstraktes System
etc. gebunden
51
 Schmidt/
Herrgen 2011
Arten von Variation
Phonetisch-phonologische Variation
 sp, sp: Inspektor
 Ch-: Chemie, Chirurg
 Fugen-s: der Advent(s)kalender  freie Variation (keine Regeln, wann es verwendet
wird – hängt rein vom Sprecher ab, oftmals phonologische Gründe: s als
Spracherleichterung)
 r-Vokalisierung (Bsp. stern vs. stean)
Morphologische Variation
 Dativ-e: in dem Sinn/Sinne
 Plural: die Wagen/die Wägen
 Fugen-s – kann man auch als morphologisches Kriterium sehen
 Variation in Silben, Wortstämmen, …
Syntaktische Variation
 Ersetzen von „denn“ durch „weil“ ohne Beachtung, dass sich dadurch der Satz ändern
sollte
 Was glaubst du, hat sie gewonnen?
Was glaubst du, dass sie gewonnen hat?
Was glaubst du, was sie gewonnen hat?
 …dass sie es zahlen müssen hat
…dass sie es müssen zahlen hat
…das sie es hat zahlen müssen
52
Lexikalische Variation – am auffälligsten
 diatopisch: Karotte – Möhre
 diastratisch: Marie – Geld
 diaphasisch: hamma – haben wir
 diamesisch:  - nichts, ohnehin – eh
Pragmatische Variation
 Grußformeln: Guten Tag, Grüß Gott, Hallo, Servus
Variationslinguistik 2
„Österreichisches Deutsch“  weist KEINE Einheitlichkeit auf
SONDERN ist Summe der zwar unterschiedlich verbreiteten, aber insgesamt für Österreich
charakteristischen sprachlichen Erscheinungen, die man als „Austriazismen“ bezeichnet
Ammon: nationale Varietät  problematisch, da der
Zusammenhang von Nation und Sprache selbst
problematisch ist
Deutschländisches Deutsch – auch problematisch; am
besten noch: „Bundesdeutsch“
Varietätenwörterbuch unterscheidet 4
Standardsprachen in Österreich (Ammon
2004) 
Besonderheiten des österreichischen Deutsch (im Vergleich zum deutschländischen
Deutsch)
in folgenden Kategorien:
53
Systemhafte Aussprachemerkmale
österreichisches Deutsch
weicher, schleifender Stimmeinsatz
(„weicher“ Klang)
in bestimmten unbetonten Silben:
voller, aber schwach betonter Vokal
- Bsp. reden: stark betontes, dann schwach
betontes [e] („Singsang“)
bei den Verschlusslauten d/t, g/k, b/p:
Unterschied zwischen stimmlosen harten,
scharfen Laut (Fortis) und stimmhaft
weichen Laut (Lenis) weitgehend für
stimmlosen weichen Laut aufgegeben
Unterschied in österreichischer Aussprache:
stärkere oder schwächere Druckstärke
beim S-Laut kein Unterschied zwischen
stimmhaft und stimmlos
betonte Silben in Fremdwörter auf –it, -ik,
-atik, -atisch: Aussprache mit kurzem Vokal
- Bsp. Granit, Politik
Kurzvokale i, u und ü werden in
geschlossener Silbe geschlossen gesprochen
-Bsp. Wille, müssen, uns
Lautfolge -er-: geschlossenes e
- Bsp. Mineral, operieren
Umlaut ä wird wie e gesprochen – Laut [ɛ]
fehlt
- Bsp. Medchen
Vor Nasalen und Lauten, bei denen die Luft
auf den Seiten des Mundes entweicht (zB. l,
r): Vokale in unbetonten Nebensilben fallen
weg (vor allem bei Endsilben -en und -len)
deutschländisches Deutsch
harter Stimmeinsatz
in bestimmten unbetonten Silben:
Schwa-Laut
- Bsp. reden: stark betontes [e] , dann
Schwa-Laut
bei den Verschlusslauten d/t, g/k, b/p:
klarer Unterschied zwischen Fortis und
Lenis
beim S-Laut klarer Unterschied zwischen
stimmhaft und stimmlos
Aussprache mit langem Vokal
Aussprache mit offenem Vokal
Aussprache als abgeschwächtes a
Umlaut ä wird mit offenem e, also [ɛ],
ausgesprochen
- Bsp. Mädchen
Aussprache mit Schwa [ə]
- Bsp. gehen [ge:ən]
54
- Bsp. gehen [ge:n]
r nach Vokalen wird vokalisiert (in der
Umgangssprache l auch)
- Bsp. fahren [fo:ɐ̯n], Schuld [ʃu:i ̯d]
auffällige Rundung
Adjektivendung -ig wird [-ik] ausgesprochen
(allerdings auch [-iç] bei ausgebildeten
Sprechern oder im Gesang)
Aussprache laut Norm (je nach Region
fallen r und l zwar oft weg, aber werden
nicht vokalisiert)
- Bsp. fahren [fa:rən], Schuld [ʃʊlt]
keine Rundung (außer im Norddeutschen
von -ir- zu -ür-; zB. in Kirche)
Aussprache [-iç] (allerdings auch [-ik] weit
verbreitet)
Charakteristische Einzelbeispiele oder Beispielgruppen
österreichisches Deutsch
Wörter auf -on:
- Bsp. Beton [-o:n]
Wörter mit dem Anlaut ch-:
Aussprache mit k
- Bsp. China, Chemie
französische Fremdwörter:
-e am Wortende und im Wortinneren nicht
ausgesprochen
- Bsp. Blamage, Chance
einige Wörter: mit kurzem Vokal
gesprochen
- Bsp. Arzt, Bart, Schwert, Husten
einige Wörter: langer Vokal
- Bsp. Bruch, Geruch, Rebhuhn
Fremdwörter mit st- im Anlaut:
Aussprache mit st-st- und -sp- in manchen Wörtern als -schgesprochen
- Bsp. Kasperl
Chef: langes und geschlossenes [e:]
-ier in Portier, Brigadier: deutsch
ausgesprochen
Forsythie: i statt y
deutschländisches Deutsch
Wörter auf -on:
- Bsp. Betong [ŋ] oder Betö [-õ]
Aussprache mit ch-
Aussprache mit -e am Schluss
Aussprache mit langem Vokal
Aussprache mit kurzem Vokal
Aussprache mit schtAussprache mit -s-
Aussprache mit kurzem und offenen [ɛ]
französisch ausgesprochen
Aussprache mit -ü- [y]
Wortbetonung (Intonation) des österreichischen Deutsch






französische Fremdwörter auf letzter Silbe – Bsp. Sakkó, Kaffée
Sonderfall: Mathematik
Erstbetonung bei Fremwörtern und Wörtern mit un- am Anfang – Bsp. Lábor,
únbekümmert
bei ungarischen Namen: á = Längezeichen, nicht Akzent – Bsp. Horváth
Trennung von -ie – Bsp. Zeremoni-e, Kopi-e
sich + Präposition: Betonung auf sích
55
Wichtig: Regionale Varianten sind nicht richtig oder falsch  Plurizentrismus! Gleichwertige
Varietäten mit verschiedener Regionalität!
Morphologische Besonderheiten des österreichischen Deutsch




die Zehe/der Zeh, die Schnecke/der Schneck
Genus: das Monat, das Joghurt, das Polster
Zahlen: der Einser/die Eins
Vorliebe für Diminutive (keine Einzahl möglich)!
o Diminutive auf -(e)l, -erl – Bsp. Würsterl
o spez. Diminutive: Pickerl, Stamperl
Wortschatz (Lexikon) des österreichischen Deutsch
 Merkt man am schnellsten (vgl. phonologisch (Bsp. Haus monophtongieren) merkt man
weniger)
Wichtig: Wortschatz macht nicht an der Landesgrenze halt!
Wiesinger unterteilt den Wortschatz in 6 Gruppen:
1. Oberdeutscher Wortschatz (Süddeutschland und Schweiz vs. Mittel- und
Norddeutschland)
 Bub – Junge, heuer – dieses Jahr, Rechen – Harke, Samstag – Sonnabend, …
2. Bairisch-österreichischer Wortschatz (Österreich und Altbayern)
 Maut – Zoll, Scherzel – Anschnitt, Kren – Merrettich, …
3. Gesamtösterreichischer Wortschatz – in erster Linie politischer,
verwaltungstechnischer, amtlicher und rechtlicher Wortschatz
 Nationalrat – Bundestag, Parlament – Bundeshaus, Ansuchen – Gesuch, …
4. Ost- vs. Westösterreichischer Wortschatz (Grenze etw. westl. OÖ, östl. Salzburger
Landesgrenze und Oberkärnten bis in Nordtiroler Unterland und der OsttirolerKärntner Landesgrenze
 Metzger – Fleischhauer, Fastnacht – Fasching, Mücke – Gelse, …
5. Regionaler Wortschatz (Bsp. Wien)
 Weinhauer – Winzer, Sturm – Staubiger, Möhre – Karotte
6. Einzelne Lexeme mit Sonderbedeutung in Ö
 Pension (in D nur für Beamte, sonst Rente), Bäckerei (Geschäft und süßes
Kleingebäck), gehören (im Sinne von gebühren)
56
Zum Wortschatz: Wörterbücher
Das Variantenwörterbuch – von Ulrich Ammon u.a.
 Sehr großer Erfolg! Zeichnete als erstes Werk diese Varianten auf!
Vergleich der verschiedenen Wörterbücher






Österreichisches Wörterbuch. 2006.
Österreichisches Wörterbuch. 2009.
Duden. Das große österreichische Schulwörterbuch. 2008.
Ebner, Jakob: Wie sagt man in Österreich? (Duden) 2009.
Zehetner, Ludwig: Bairisches Deutsch. Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern.
2005.
Ammon, Ulrich et. al.: Variantenwörterbuch des Deutschen
 Zeitraum der Veröffentlichungen: 2004 – 2009 (Median: 2007)
Beispiel 1) anhand des Lemmas „Pfütze / Lacke, Lache“:
 Ö. W. 2006: Pfütze und Lacke in Ö, Lache in D
 Ö. W. 2009: s. oben
 Duden 2008: nur Lacke und Lache in Ö
 Duden 2009: nur Lacke in Ö
 Bairisches Deutsch: Lacke in Bayern
 Variantenwörterbuch: genaueste Angabe!
 sehr unterschiedliche Ansichten, teils sogar in den verschiedenen Auflagen
Beispiel 2) anhand des Lemmas „die Akte/der Akt“:
 D: die Akte, Ö: der Akt
 alle stimmen überein
Anmerkung zum österreichischen Wörterbuch: früher *-Markierung von Wörtern als „in
Österreich nicht üblich“  sehr hart kritisiert: Sprachenpolitik! Man will den Leser
beeinflussen! – wurde daher abgeschafft
Einfluss aus Deutschland?
 Zuwanderung aus Deutschland (größte Zuwanderung!)  die Einwanderer
verwenden weiter gewohnte Sprache
 Handel mit Deutschland (Pute, Tomate, ...)
 Kindersendungen aus Deutschland
57
Fortsetzung: Besonderheiten des österreichischen Deutsch
Syntax


Erzählzeit = Perfekt (im gesamten Bairischen)
o vgl. im Mittelhd. Präteritum (ich kaufte mir …) vs. in Ö Perfekt (ich habe mir
eine Lederjacke gekauft)
o hat gestanden, hat gesessen, …
„hat müssen geben“ statt „hat geben müssen“
Pragmatik


Grußformeln: Grüß Gott, Servus
Grüßen beim Betreten und Verlassen einer Aufzugkabine – in D nicht üblich
Atlas zur deutschen Alltagssprache  erfasst aktuelle Vielfalt des Deutschen und stellt sie
anschaulich auf Karten dar
 schließt an „Wortatlas der deutschen Umgangssprachen“ von Jürgen Eichhoff an
 durch Vergleich der alten und neuen Sprachkarten  Entwicklung des
Sprachgebrauchs nachvollziehbar
 diese Daten als Grundlage für Aussagen zur aktuellen Variation sowie zu
Entwicklungstendenzen des Deutschen
 Bsp. lecker
58
Namenkunde
Ein Eigenname ist ein sprachliches Zeichen, allerdings mit anderen Ausprägungen
1. Merkmal von Eigennamen: Mono- und Direktreferenz
 Argument: Hund nennt eine Gruppe von Kategorien, Otto Schenk bezeichnet eine
bestimmte Person
 Gegenargument: Peter bezeichnet auch eine Gruppe von Leuten und Namen tragen
keinen Sinn (reine Konvention)
 ABER man kann doch auch aus Peter etwas ableiten ohne Peter selbst zu kennen: er
ist männlich, das Zeichen trägt also sehr wohl Inhalt
Mono- und Direktreferenz widerspricht jedoch der grundsätzlichen Semiotik: Sprachliche
Aussagen beziehen sich auf kognitive Vorstellungen und nicht direkt (!) auf die
außersprachliche Realität!
Vornamen (Erst in den letzten Jahren/Jahrzehnten im Fokus)
Anmerkung: Jährliche Namensvergebungslisten mit Vorsicht zu genießen – in D keine
amtlichen Feststellungen, sondern Umfragen (Bsp. Brigitte), außerdem wenig ergiebig, was
bringt mir die Information des beliebtesten Namen?
 Heute: Fokus auf größeren Zusammenhänge!

Regionale/konfessionelle Unterschiede
o Bsp. Katholische Vornamen: Alois, Sebald, Herma
o Bsp. Häufigster VN im MA: Johannes  Vorbildwirkung (Johannes der Täufer)
 Jan, Hans, etc. – gehen auf Johannes zurück

Diastratische Unterschiede (nach sozialer Schicht)
o Bsp. „Ronny“ in der DDR
o vgl. auch bestimmte Namen „in bildungsfernen Schichten“: Vorbilder aus
Popmusik, Film etc. („Kevin“)
o vgl. ausgefallene Vornamen wie „Tassilo“
59
Familiennamen diachron (schon länger untersucht und aufbereitet)
Wodurch ergeben sich Familiennamen?
1. Herkunftsbezeichnung (Wiener)
2. Berufsbezeichnung/Benennung nach Ämtern (Müller, Meier, Schmidt)
3. Übernamen, die sich auf ein besonderes Charakteristikum beziehen
a. Charakterliche oder andere Eigenschaft des Trägers (verschlagen oder
rothaarig – Fuchs)
b. Eine besondere geistige oder körperliche Einheit (sehr lange Nase – Schnabel)
c. Ein (im Beruf verwendetes) Werkzeug oder Hilfsmittel (Hammer)
d. Eine Spottbezeichnung (Mehlwurm)
4. Wohnstätte (Auf der Mauer)
5. Patronymikum (nach dem Rufnamen der Person, Vaterbenennung – Werner, Ernst)
Erst ab 70er Jahren des 19. Jh.: Festlegung der Namen durch die Ämter – Familiennamen
konnten nicht mehr geändert werden
Familiennamen synchron
 Kartenbild: Verteilung von Maier vs. Meier
Sippennester – wo Familien sich vermehrten und
es daher auch zu Anhäufung ihrer Namen kam:
Variationslinguistik 3
Themen:
 Diatopisch (räumlich) definierte Varietäten
 Hochsprache vs. Dialekt
 Deutsche Dialekte
60
Was sind „Varietäten“?
sprachliche Varietät = Ausprägung einer Sprache auf einer der Dimensionen der sprachlichen
Variation:




räumliche Varietäten
o Standardsprachen
o Umgangssprachen (Regiolekte)
o (Basis)Dialekte
soziale Varietäten
o geschlechtsspezifisch
o alterspezifisch
o gruppenspezifisch
o …
situative Varietäten
o formelle vs. informelle Kontexte
o „Register“, „Stile“
Substandard
Soziolekte i.w.S.
funktionale Varietäten, Funktiolekte (Wissenschafts-, Fachsprachen, …)
Räumlich definierte Varietäten
Standardsprache: prinzipiell überregional
ABER praktisch auf allen Ebenen Unterschiede je nach dem jeweiligen Raum feststellbar:
o phonetisch-phonologisch – Bsp. Realisierung bestimmter Morpheme wie in
Täter
o morphologisch – Bsp. Kräne vs. Krane
o lexikalisch – Bsp. Möhre vs. Karotte
o Intonation
o Pragmatik
o …
Regiolekte, „Umgangssprachen“: landschaftsgebundene Varietäten „unterhalb“ des
Standards; letzlich von den jeweiligen Dialekten geprägt, aber mit mehr oder weniger starker
Ausrichtung auf den Standard
Dialekte: das „untere“ Ende des Varietätenspektrums; in räumlicher Hinsicht: sprachliche
Ausprägungen mit kleinstem Geltungsraum
Zur Definition von „Dialekt“
Anmerkung: Sehr viele Definitionen vorhanden, es kann aufgrund der vielen Merkmale aber
keine allgemein gültige geben!
Versuch einer Definition nach Bußmann:
61
Dialekt = Sprachsystem, das
a) zu anderen Systemen ein hohes Maß an Ähnlichkeit aufweist, so dass eine –
zumindest partielle – wechselseitige Verstehbarkeit möglich ist
b) regional gebunden ist in dem Sinne, dass die regionale Verbreitung dieses Systems
nicht das Gebrauchsgebiet eines anderen Systems überlappt
c) keine Schriftlichkeit bzw. Standardisierung im Sinne offiziell normierter
orthographischer und grammatischer Regeln aufweist
 In mehrfacher Weise kritisierbar:
a) „wechselseitige Verstehbarkeit“ bei den Dialekten des Deutschen nicht einmal
partiell gegeben
(Bsp. Dialektsprecher aus Osttiroler Bergregion vs. Ostseeküste)
b) ist überflüssig
c) ein Dialekt hat keine kodifizierte Schriftlichkeit – stimmt fürs Deutsche, aber es gibt
viele schriftlose Sprachen bzw. Sprachen ohne orthographische/grammatische Norm
Ein weiterer Versuch von Peter Wiesinger:
Dialekt =
untergeordnete,
lokal bis regional gebundene,
privat bis halböffentliche und damit beschränkt gebrauchte,
der Schriftsprache mehr oder minder fernstehende,
meist wenig geschätzte,
entwicklungsgeschichtlich auf natürlichem Weg aus einem Protosystem hervorgegangene
Sprachform
Eine Gegenüberstellung von Hochsprache und Dialekt
im Wesentlichen nach Löffler
Anmerkung: hier werden „prototypische“ Zuweisungen zu den beiden Polen der Skala
vorgenommen – Löffler referiert auf diese, ohne sie aber verabsolutieren zu wollen
a) Kriterium der Sprachbenutzer – welche Bevölkerungskreise/Personen verwenden
welche Sprachschicht?
b) Kriterium des Verwendungsbereiches – in welchen Situationen wird was verwendet?
c) Kriterium der räumlichen Erstreckung – wie weit erstreckt sich der jeweilige
Geltungsbereich? („klassische“ diatopische Fragestellung)
d) Kriterium der kommunikativen Reichweite – wie weit reicht die ohne Probleme
ablaufende Verständigungsmöglichkeit?
e) Kriterium der sprachgeschichtlichen Entstehung – wie stehen Dialekt und
Hochsprache sprachgeschichtlich zueinander?
f) Linguistische Kriterien – wie lassen sich die beiden Varietäten „innersprachlich“
voneinander unterscheiden?
a-e  außersprachliche Kriterien; nur f linguistisch
a) Kriterium der Sprachbenutzer
62

Hochsprache: Mittel- und Oberschicht, höhere Beamten, Unternehmer, akademische
Berufe des öffentlichen und kulturellen Lebens  „bildungsnahe“ Personen

Dialekt: Unterschicht (Arbeiter, Bauern, Handwerker, kleine Angestellte), Personen
mit geringer Bildung  „bildungsferne“ Personen
Fazit: stimmt, ist aber nicht die ganze Wahrheit!
b) Kriterium des Verwendungsbereiches

Hochsprache: öffentlicher Bereich, überörtlicher Bereich, mündliche und schriftliche
Rede, Literatur, Kunst, Wissenschaft, Gottesdienst, Schule, …

Dialekt: familiär-intimer Bereich, örtlicher Bereich, Arbeitsplatz, mündlicher
Sprachgebrauch
Fazit: kann man ebenfalls nicht verallgemeinern! (Bsp. Verwendung des Dialekts in der
Schweiz – Politik, Öffentlichkeit)
c) Kriterium der räumlichen Erstreckung


Hochsprache: überörtlich, räumlich nicht begrenzt, nicht landschaftsspezifisch
Dialekt: orts- und raumgebunden, landschaftsspezifisch
Fazit: keine Kritik daran
d) Kriterium der kommunikativen Reichweite

Hochsprache: unbegrenzte, optimale kommunikative Reichweite; größter
Verständigungsradius

Dialekt: begrenzte, minimale kommunikative Reichweite; geringster
Verständigungsradius
Fazit: Stimmt! Teilweise muss man nicht einmal sonderlich weit gehen, um
Kommunikationsprobleme aufzufinden!
e) Kriterium der sprachgeschichtlichen Entstehung
 sehr komplexe Materie!

andere Hochsprachen: kann man auf einen einzigen Dialekt (= ein einziges
Protosystem) zurückführen, der auf Grund seines hohen Prestiges in der Skala
aufsteigen konnte
o Bsp. Französisch, Englisch
63

Deutsche Schrift- und Standardsprache hingegen ist auf völlig anderen Grundlagen
entstanden; kompliziertes „Gemenge“ aus verschiedenen Herkünften
 deutsche Hochsprache lässt sich daher nicht auf ein einziges zeitlich vorgelagertes
Sprachsystem zurückführen – auch wenn manche Regionen als „Geber“ stärker
hervortreten als andere

deutschen Dialekte  Weiterenwicklungen jeweils eines Protosystems, ohne größere
regulierende und normierende Eingriffe (sie sind damit geschichtlich „linearer“
beschreibbar als dt. Standardsprache!)
Linguistische Kriterien
Frage, die sich hier stellt:
Ist es möglich, den Unterschied zwischen Hochsprache und Dialekt auch mit linguistischen
Mitteln zu beschreiben – abgesehen von den obigen außersprachlichen Kriterien?
 wir betrachten dazu 2 in der Wissenschaftsgeschichte diskutierte Möglichkeiten:
 sog. Defizithypothese in ihrer Anwendung auf Dialekte
 These von Jan Goossens
Defizit vs. Differenz
In Anlehnung an Basil Bernsteins „Defizithypothese“ könnte man den Unterschied
Hochsprache – Dialekt etwa so charakterisieren:
Hochsprache
Optimale Besetzung aller
grammatischen Ebenen
Maximales Inventar aller
grammatikalischen Kategorien
Reicher Wortschatz
Syntaktische Vielfalt mit allen
Möglichkeiten der logischen
Verknüpfung
Dialekt
Dürftige Besetzung aller grammatischen
Ebenen
Es fehlen ganze Kategorien
Bsp. im Oberdeutschen das Präteritum der
Verben
Reduzierter Wortschatz
Weniger syntaktische Pläne
und weniger Möglichkeiten der logischen
Verknüpfungen
Bernstein bezog sich mit seiner These zwar nicht primär auf Dialekt (sondern auf sprachliche
Sozialisation allgemein) – aber ein Zusammenhang könnte dich angesichts der typischen
dialektal sozialisierten Sprecherschicht aufdrängen:
Dialektsprecher  beschränkte kommunikative Möglichkeiten
Dialekt  defektives (fehlerhaftes) Sprachsystem
Anmerkung: Die Folgen (zB. in der schulischen Erziehung) kann man sich ausmalen.
64
heute: Defizithypothese überholt  sowohl Hochsprache als auch Dialekt decken alle
kommunikativen bzw. sprachlichen Bedürfnisse ab!
NICHT Defizit, sondern Differenz
 „Differenzhypothese“
These von Jan Goossens (1977)
Grundidee: zwischen den einzelnen Varietäten von Hochsprache bis Dialekt liegen Regeln
laut Goossens: Dialekt =
jenes sprachliche System,
dass von der Hochsprache
durch eine maximale Anzahl von Regeln getrennt ist
Fazit: Ansatz impliziert, dass es eine ganze Reihe von Zwischenstufen auf der Skala
sprachlicher Varietäten gibt (vom „tiefsten“ Dialekt bis zur Standardsprache), wobei deren
Unterschiede sehr wohl erfassbar und durch Regeln genau beschreibbar sind
 sehr interessant und fließender Übergang stimmt auch
ABER diese Regeln sind in der Praxis nur schwer vollständig und unzweifelhaft formulierbar!
Wichtige Anmerkung
abermals: Gegenüberstellung von Hochsprache muss in vielerlei Hinsicht relativiert werden!
Keine scharfen Grenzen zwischen Standardsprache und Dialekt vorhanden  Es handelt sich
bei diesem Spektrum um ein Varietätenkontinuum! Fließende Übergänge!
Deutsche Dialekte – ein knapper Rundblick
„Deutsche Dialekte“ lassen sich nicht auf einen einzigen Vorfahren zurückführen
 auf stammesgeschichtlichen Faktoren beruhen, besteht im deutschen Sprachraum von
vornherein eine Zweiteilung:


Nördlicher Teil: Niederdeutsch
Südlicher Teil: Hochdeutsch
65
 Deutscher
Dialektraum
bis 1945
66
 Deutscher
Dialektraum
der Gegenwart
Hauptmerkmal Niederdeutsch vs. Hochdeutsch: Zweite (Hochdeutsche) Lautverschiebung
Südlich der sog. „Benrather Linie“ um 500 n. Chr. Wandel der Konsonanten (und zwar der
germanischen Verschlusslaute p t k, b d g)
Im Niederdeutschen: keine Lautverschiebung (water, pund, maken)
Hochdeutsch: schon (wasser, pfund, machen)
Bemerkung: Bezeichnungen „Hochdeutsch“ und „Niederdeutsch“ haben mit Entfernung vom
Meeresspiegel zu tun (Hochdeutsch – Gebirge, Niederdeutsch – Flachland)
Weitere Merkmale des Niederdeutschen (gelber Teil auf 1. Karte)




Nasalschwund vor Frikativen: fif vs. fünf, gos vs. Gans (n schwindet)
Maskulines Personalpronomen: he vs. er
Fragewort „wie“ im nd. wo
Einheitsplural im Singular der Verben: wir/ihr/sie gebet bzw. geben (hd. Geben – gebt
– geben(t))
67
Hochdeutsch = Mitteldeutsch und Oberdeutsch
Mitteldeutsch vs. Oberdeutsch
Mitteldeutsch: umfasst Dialekte, die unmittelbar an das nördlich benachbarte
Niederdeutsche angrenzen
Gliederung in:
 Ostmitteldeutsch (Erfurt, Leipzig, Dresden, …)
 Westmitteldeutsch (Köln, Trier, Frankfurt, …)
Oberdeutsch: im Süden des deutschen Sprachraums
Gliederung in:
 Ostfränkisch (im Norden von Bayern: Würzberg, Bamberg)
 Alemannisch (im SW: deutschsprachige Schweiz, Vorarlberg, …)
 Bairisch (im SO: Österreich ohne Vorarlberg, Oberbayern, Niederbayern, Südtirol, …)
Wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Mitteldeutschen und dem
Oberdeutschen
Mitteldeutsch
Monopthierung der mhd. Diphtonge ie – üe
– uo (Merkspruch: liebe guote brüeder)
mhd. pp bleibt bestehen
Oberdeutsch
Diphtongierung
mhd. pp wird zu pf verschoben (hd.
Lautverschiebung ingesamt hier
konsequenter)
68
Präteritum (ich lachte) kann sich mündlich
behaupten
Diminutivsuffixe: -chen
Präteritum stirbt nach 1500 bald aus
Diminutivsuffixe: -lîn (-la, -li, -l, -erl, …)
 Überblick über die
bairischen Dialekte in Ö
mittelbairisch = gelb
südbairisch = dunkelorange
Übergangsraum
südmittelbairisch = helles
Orange
Variationstypologie 4 – Funktiolekte
Definition Funktiolekt (häufig auch: Funktionalstil)
Lekt (Pl. Lekte): künstlich geschaffene Bezeichnung, die als Überbegriff von Dialekt,
Soziolekt, Idiolekt etc. fungiert
Funktion: in der kommunikativ orientierten Sprachwissenschaft kommunikativer Zweck
sprachlicher Zeichen
Bsp. Alltagssprache als Funktiolekt beschreibbar
Funktiolekte





Alltagssprache
Literatursprache (Dichtersprache)
Behördensprache
Pressesprache
Wissenschafts- und Fachsprache
 Ob diese alles abdecken fraglich, aber wir beschäftigen uns jetzt nur mit diesen
Alltagssprache (nach Hoffmann wie folgende ebenfalls)
Funktionale Charakteristik – was leistet die Alltagssprache?
 Alltag = Kommunikationsbereich, in dem Menschen privat, von dienstlichen oder
institutionellen Zwängen befreit miteinander kommunizieren
 Hauptfunktion: Kommunikationsmittel im privaten Umgang miteinander
Kommunikative Rahmenbedingungen der Alltagskommunikation
 Kommunikationspartner in ihren Alltagsrollen
69



vorwiegend mündlich
Beziehungen privat
keine spezifischen Kommunikationsgegenstände (Themen)
Literatursprache / Dichtersprache
Funktionale Charakteristik
 Hauptfunktion: Instrument zum Erzeugen von literarischen Werken  Rezipienten
sollen sich auf diese einlassen damit Kommunikation zu Kunsterlebnis werden kann
Kommunikative Rahmenbedingungen der poetischen Kommunikation
 Rezipienten: individuelle Sinnzuschreibung – es ist nicht definitiv entscheibar, worin
der Sinn des Mitgeteilten nun genau besteht
 schriftlich aber durch Rezitation, Lesungen, Inszenierungen auch mündlich möglich
(Drama prinzipiell für mündliche Präsentation konzipiert)
Behördensprache
Funktionale Charakteristik
 Hauptfunktion: Kommunikationsmittel bei allen Verwaltungsaufgaben sowie bei
Regelung von juristischen und offiziellen Angelegenheiten aller Art
Kommunikative Rahmenbedingungen der Behördenkommunikation
 Kommunikationspartner in spezifischen sozialen Rollen (Vetreter gesellschaftl.
Institutionen vs. Bürger)
 Beziehungen immer nichtprivat! (auch bei Einsprengsel von Alltagssprache wie bei
Verhandeln mit Bekannten)
 kommuniziert werden normal Maßnahmen, die diesen Dingen dienen
o Effektivitätssicherung bei Realisierung von Verwaltungsaufgaben
o Regelung des Zusammenlebens der Menschen, der rechtlichen Verhältnisse
 vorwiegend schriftlich
Pressesprache
Funktionale Charakteristik
 Kommunikationsform herausgebildet durch Zeitung
 Hauptfunktion: Mittel zur Informationsvermittlung und Meinungsbildung
Kommunikative Rahmenbedingungen der Pressekommunikation
 Ungleiche Kommunikation Journalisten als Produzenten (Institutionell) vs. Bürger als
Rezipienten (privat)
o Sozial heterogenes Masssenpublikum – innerhalb dessen evtl. besondere
Zielgruppen, die erreicht werden sollen
 Kommunikationsgegenstände müssen bestimmten journalistischen Anforderungen
entsprechen (Aktualität, Unterhaltsamkeit, …)
 schriftlich
70
Wissenschafts- und Fachsprache
Wie diese beiden zueinander stehen – nebeneinander oder hierarchisch – wird
unterschiedlich diskutiert  wir folgen einer vereinfachter Version:
Wissenschaftssprache als besondere Ausprägung der Fachsprache, auch als Theoriesprache
bezeichnet
 wird in erster Linie in der Forschung verwendet
 primär schriftlich (außer bei Kongressen etc.)
Wir
vereinfachen
Wissenschaftssprache unter
Theoriesprache
 schriftlich
 mündlich
Diagramm deutet an: es gibt innerhalb dessen, was als Fachsprache gilt, eine vertikale (von
oben nach unten, hierarchische) Gliederung innerhalb der Fachsprache
 Abstraktionsgrad bestimmt hierarchische Verteilung
Beispiele:
 von sehr fachlicher Sprache (Theoretiker) über Fachjargon (Ingenieur) bis
Verteilersprache (Verkäufer) – auch Kunde eingeschlossen
 Sprache im KH von Ärztesprache über Krankenschwester bis Betreuerin
Fachsprachen: zur Definition
Lothar Hoffmann (ein anderer als der vorherige):
„Fachsprache – das ist die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich
begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung der dort
tätigen Fachleute zu gewährleisten“
71
Anmerkungen
 Begriff „Fachsprache“ eigentlich nur im Plural Fachsprachen sinnvoll, da je nach Fach
sehr unterschiedliche Verhältnisse:
o Vgl. Fachsprache der Linguistik vs. die der Chemie vs. die der bäuerlichen
Viehzucht
 Problem: Abgrenzung von Fächern (=„horizontale“ Gliederung von Fachsprachen) –
welche Fachsprachen/Fächer gibt es eigentlich?
o Wir erörtern dies hier nicht – aber wichtig: Fächer können NICHT mit Berufen
gleichgesetzt werden (was ist überhaupt ein Beruf?)
Aus Lothar Hoffmanns Definition: „...die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel...“
 wichtiger Passus: es geht nicht allein um den Wortschatz (Terminologie), sondern darum,
dass Fachsprachen durch die sprachlichen Mittel auf allen sprachlichen Ebenen
charakterisiert sind!
Charakteristika der Fachsprache auf allen Ebenen
Lexik – am wenigstens umstrittene Komponente
 in jeder FS spezifische Wortsprachelemente (Chem. Oxidation, SpraWi. Aktant, …)
„Gütemerkmale“ solcher Fachwörter (stark vereinfacht, idealisiert)





Exaktheit – ein bestimmtes Fachwort soll klar definiert sein und sich nicht mit einem
anderen Begriff überschneiden
o Funktioniert in Realität aber nicht immer : Bsp. Kernsatz (Systemfeld und
Kern des Satzes)
Eineindeutigkeit (kein Tippfehler!) – genau eine Ausdrucksseite und genau eine
Inhaltsseite
o Realität: oft Homonyme und Synonyme - Bsp. Downsyndrom = Mongolie
Selbstdeutigkeit – Ähnlichkeitsrelation, Bedeutung zumindest teilweise erschließbar
(erklärt sich selbst)
o Realität: meist nicht gegeben – Bsp. Vernersches Gesetz (oft Benennung nach
Entdecker – Selbstdeutigkeit nicht gegeben!)
Knappheit – Vermeiden von Redundanz, zusammenfassend (ausdrucksökonomisch),
Begriff wird dadurch aber abstrakter
o Realität: meist wenig knapp – Bsp. Ultraschallwellengenerator (braucht man
jedoch wegen Selbstdeutigkeit und linearer Abbildung der hierarchischen
Stellung)
Ästhetische, expressive und modale Neutralität – Fachwörter sollten keine
besonderen Konnotationen mit sich tragen (Kindchen verniedlicht vs. Blutkörperchen
nur klein, nicht niedlich)
o Realität: sehr relativ
Morphologie
Flexion  relativ wenige Charakteristika
 Besondere Plurale/Singulare
72


o Bsp. Stäube als Plural von Staub – bei verschiedenen Staubarten; das Elter als
Singular von Eltern
Anderes Genus
o Bsp. Philosophie: der Kalkül; Germ: die Partikel
Verbflexion: gelegentlich schwache statt gemeinspr. starker Flexion
o Bsp. techn. saugen – saugte – gesaugt
Wortbildung
 Reiche Ausnützung des Prinzips der Komposition
 Derivation
o Präfigierung, Suffigierung – manchmal streng normiert, vgl. Medizin, Chemie
 Konversion (= Überführung in einen neue Wortart ohne Wortbildungsmorpheme)
o Bsp. brennen – das Brennen
 Abkürzungen
Syntax  in Fachsprachen häufig bestimmte typische Muster syntaktischer Gestaltung (oft
auch abhängig von Textsorte) – erst spät entdeckt



syntaktische Strategien zur Anonymisierung („man“, Passivkonstruktionen)
„explizite Spezifizierung“ (die Tatsache, dass ...; die Frage, ob ...  alltagsprachlich
eher nicht verwendet)
Kondensierung (= syntaktische Verknappung zB. durch Nominalisierung)
Text
Fachsprachliche Texte unterscheiden sich deutlich von nicht-fachsprachlichen Texten!


andere makro- und mikrotextuelle Verhältnisse (logische Gliederung, mit Überschrift
versehene Abschnitte, Fußnoten, Zusammenfassung, …)
bestimmte Verknüpfungsstrategien wie wiederholende Satzanfänge  im Privaten
vielleicht stilistisch „minderwertig“ ABER in Fachsprache normal
Graphematik, Orthographie

Vielfach Beibehaltung älterer Schreibungen, also Nichtbeachtungen von
Orthographiereformen (zB. ph- statt f-Schreibung)
Lautebene


Selten Besonderheiten
Bsp. Ost wird im Wetterfunk für die Hochseeschifffahrt lang ausgesprochen umd
Verwechslung mit Nord auszuschließen
73
Zur Herkunft des Fachwortschatzes
Bedarf an Fachwörtern gewaltig! Vor allem in „modernen“ Fachsprachen!
Absolute Neuschöpfung (Lautfolge ausdenken)?
NEIN - in Fachsprache nicht eher in Werbung etc.
 Bsp. Gas  lange für Neuschöpfung gehalten – kommt aber von Chaos – gaan
 Jede fachsprachliche Wortbildung lässt sich erklären – wenn auch ab und zu sehr
verschlungen
Möglichkeiten, mit denen der Bedarf an Fachwörtern gedeckt werden kann
a)
b)
c)
d)
e)
Mit Hilfe von Wortbildungsmitteln
Entlehnung, Lehnübersetzung
Transposition von Eigennamen
Metaphorisierung
Terminologisierung
ad a) Wortbildung


Hauptquelle!
Mittel: Präfigierung, Suffigierung (häufig streng normiert), Komposition,
Wortkürzung, …
Beispiele:
 verfüllen = (eine Baugrube) vollständig anfüllen
 Konjunktivitis = Bindehautentzündung
 Trapezgewindeschleifmaschine
 MPBetreibV = Medizinprodukte-Betreiberverordnung
Ad b) Entlehnung, Lehnübersetzung


Immer noch bedeutend: Übernahmen aus Griechischem und Lateinischem
Heute auch vermehrt andere Sprachen (Englisch!)
Entlehnungen: Diagnose, Ventrikel, Software, Langue/Parole
Lehnübersetzung: herunterladen (aus engl. downloaden)
Ad c) Transposition von Eigennamen
Beispiele:
 Gauß, Hertz
 in komplexen Wörtern bzw. Wortgruppen: Parkinson-Syndrom, Euklidische
Mathematik
 adjektivierte Personennamen als Attribute von Substantiven: Vernersches Gesetz
74
ad d) Metaphorisierung


Basierend auf Ähnlichkeitsrelationen in Bezug auf Form oder Funktion
Beispiele: Frosch (bei der Violine, hüpft), Auge, Zahn, Knie; math. Bündel, Halm; Keim
Ad e) Terminologisierung
Verwandt mit Metaphorisierung ABER mit Unterschied:


Begriff in Allgemeinsprache: oft unscharfe, schwer abgrenzbare Bedeutung  wird
auf einen ganz bestimmten semantischen Bereich eingeschränkt und mit ganz
genauen semantischen Merkmalen versehen ; gemeinsprachliche Merkmale werden
neutralisiert
Beispiel: Was ist Wärme in der Allgemeinsprache? Unklar!
 in der Physik: Wärme = jeder Temperaturzustand (auch absoluter Nullpunkt)
o gemeinsprachliches Merkmal „fühlbar nicht kalt“ wird neutralisiert
75
Teil IV: Soziolinguistik
Soziolinguistik 1
Ein „neues Fach“ entsteht: Die Soziolinguistik




„Bindestrich“-Philologie – eigentlich abwertend gemeint, weist aber auf
Interdisziplinarität hin (arbeitet mit verschiedenen Bereichen zusammen)
Verbindung Soziologie und Linguistik
Herausbildungen des Faches seit 1960 (einzelne Ansätze schon länger – Bsp. diverse
Äußerungen bei Wilhelm von Humboldt)
als wissenschaftliche Disziplin seit sog. Pragmatischer Wende (Anfang 1970er)
Grundannahme 1: Sprache existiert nicht im luftleeren Raum, sondern…




Sprache wird von Sprachteilnehmern verwendet  daher spielen die
außersprachlichen Faktoren wie deren soziale Stellung etc. eine wesentliche Rolle
vor „pragmatischer Wende“: Sprachsystem im Vordergrund (Phonologie, etc.)
Soziolinguistik behandelt die Rolle der Gesellschaft
zugleich: „Pragmatische Wende“ verlangt gesellschaftliche Relevanz der
Wissenschaften („Raus aus dem Elfenbeinturm!“)
Grundannahme 2: Natürliche Sprachen sind nicht homogen (Strukturalismus, Chomskys
„ideal speaker“), sondern heterogen: Varietäten



SL konzentriert sich auf gesellschaftlich bedingte Varietäten
„Soziolekt“ in Anlehnung an „Dialekt“ gebildet, bezeichnet Gruppensprache
SL arbeitet von Beginn an mit Methoden der Empirirschen Sozialforschung:
Fragebogen, Interviews, …
o Anfänge lagen in der Soziologie, nicht in der Philologie!
Sprachen sind Abbildung gesellschaftlicher Strukturen und Gebrauchshierarchien



Bsp. Standard – Substandard
o Standard hat nicht nur größte Verbreitung, sondern wird auch als
gesellschaftlich höchststehend angesehen – stimmt nicht!
o Begriff „Hochsprache“ sollte man daher nicht verwenden – Germanistik sollte
neutral sein
Vorstellungen/Konzepte von Wirklichkeit werden abgebildet (manifestieren sich in
der Sprache) – NICHT die Wirklichkeit selbst!
gesellschaftlicher Status „overt prestige“, vor allem in formalen, öffentlichen
Domänen
Domäne (laut Joshua Fishman) = Bündel von sozialen Situationen, die durch spezifische
Umgebungsbedingungen und Rollenbeziehungen zwischen den Interaktionsteilnehmern
sowie durch typische Themenbereiche gekennzeichnet sind
76
 Bsp. für soziale Situationen: Bankdirektor (Treffen mit anderen Bankdirektoren,
Museumseröffnung, Bankarbeit, internationale Konferenz, …)
 Sprache wird nicht als System, sondern als Interaktion gesehen
 was ist schon typisch? gemeint sind Kernbereiche – Bsp. Geld für Bankdirektor
 Domäne als Widerspiegelungen von sozialen Strukturen (Bankdirektor als Hochgestellter)
nicht-standardliche Domänen: typischerweise informelle Verwendungen (Bsp. Familie),
weniger Prestige
Anmerkung: es gibt auch halbinformelle Domäne (halb Standardsprache, halb Dialekt – Bsp.
VO hier)
Normen des Sprachgebrauchs: „Wer spricht mit wem wie zu welchem Zweck?“ – Joshua
Fishman  diese Frage wurde vor pragmatischer Wende fast garnicht behandelt
Gruppensprachen – Einflussfaktoren, die eine Rolle spielen:
 soziale Sicht
 Alter
 Geschlecht
 …
H-Varietät (high) vs. L-Varietät (low) – keine Wertung, sondern Beschreibung des
Sprachgebrauchs in der Gesellschaft!
Soziolinguistisches Varietätenmodell (Löffler)
 „Sprache“
meint hier
Varietät
 Bsp. für
Sondersprache:
Geheimsprache
 gesprochen vs.
geschrieben
 Punkte bei
Idiolekten:
hängen mit allem
zusammen
77
 man verändert die Sprache während seines Lebens ständig und auch die Sprache selbst
verändert sich ständig – was fällt als erstes auf? Lexik (Wortschatz)!
 verschiedene Ebenen: diachron vs. synchron, gesprochen vs. geschrieben
Arbeitsgebiete der Soziolinguistik (Bußmann)
Sprachkontakt = Kontakt zweier oder mehrer Sprachen innerhalb einer Sprachgemeinschaft,
deren Sprecher diese Sprachen situationsspezifisch oder diskursstrategisch verwenden
 früher kaum behandelt
 Bsp. Sprachinseln  Einfluss auf und durch sie umgebende Sprache – Bsp. eigene
Sprache in Italien, aber Lehnwörter durch Sprachkontakt
 Sprachkontakt überall dort, wo 2 Sprachen aufeinander treffen  Beeinflussung auf
verschiedenen Ebenen – Bsp. Deutsch & Ungarisch
Pidgin- und Kreolsprachen
 Pidgin: entsteht beim Kontakt von zwei odere mehreren Sprachen, deren Sprecher
kein gegenseitiges Sprachverständnis aufweisen  Vereinfachungstendenzen (zB.
Wortschatz, Struktur, …)
o meist geringes Prestige
o Bsp. Englisch in Kolonialstaaten: Ortsbevölkerung übernahm englische
Sprache – aber nicht in Standardform, sondern abgeändert!
o nicht einfach x-beliebiges Nebeneinander – es entwickeln sich Strukturen!
 Kreol: Pidgin als voll ausgebaute und zT. standardisierte Muttersprache
Sprachrevitalisierung bzw. -renaissance
 Bsp. der Sprachinseln: irgendwann wird die Sprache immer weniger  Specher
wehren sich dagegen
 Revitalisierung: künstliches Wiederbeleben der Sprache
 Renaissance: Muttersprachler nehmen wirklich wieder zu
Sprachtod
 Aufgeben einer Sprache in Sprachkontaktsituationen; ursprüngliche Sprachform wird
zugunsten einer prestigeträchtigeren aufgegeben
 Sprachtod findet nur bei Sprachinseln oder Minderheiten statt
Sprachveränderungen müssen sein – sonst sind Sprachen „konserviert“ wie Latein – ältere
Sprecher sehen diese Veränderungen aber als „Sprachverluste“
Sprachbarrieren
 ursprünglich soziale und gesellschaftspolitische Problemstellungen, weniger
linguistisch
 vgl. Sprachkontakt
 Bsp. Banker mit Familie vs. Schuhverkäufer mit Familie
o hier ohne Wertung – in der Realität aber sehr wohl mit Wertung verbunden
 H-Varietät vs. L-Varietät im Deutschen
78
„innersprachliche Barrienforschung“
 Gründer: Basil Bernstein (1924-2000)
o ab 1958 soziologische-linguistische Untersuchungen
 innerhalb einer Sprache sprechen nicht alle Menschen gleich
o Prestigezuordnung – zB. wird Sprechern des „Queen’s English“ besondere
Intelligenz und Vertrauenswürdigkeit nachgesagt
Basil Bernsteins Unterscheidung zwischen 2 Codes
Liste kann
man noch
fortsetzen
Fazit: Sprecher des r-Codes haben Nachteile gegenüber Sprechern des e-Codes
 Bsp. r-Code hindert an beruflichem Aufstieg: man muss zu notwendigen beruflichen
Fähigkeiten auch noch e-Coder lernen
 Defizithypothese
 führte zu bildungspolitischen Maßnahmen (Kompensation des restringierten Codes)
 Wertung!
Ablehnung von William Labov (einer der bedeutendsten ersten Soziolinguisten, *1927)
 Differenzhypothese
 die als minderwertig angesehene gesprochene Varietät der Afro-Amerikaner ist nicht
defizitär („vererbter Standard“), sondern folgt eigenen Regeln
 anders – aber nicht schlechter oder besser
 man kann in jeder Varietät dasselbe ausdrücken
 Wissenschaft darf nicht werten, nur beschreiben!
William Labovs „Beobachterparadoxon“


Ziel: wie sprechen Menschen, wenn sie nicht systematisch beobachtet werden?
Problem: wir können die notwendigen Daten jedoch nur durch systematische
Beobachtung erhalten
o man will die natürliche Sprache von jemanden ABER sobald man diesen
beobachtet verändert er seine Sprache und sein Verhalten
79

Lösung: Mittel und Wege, um die förmlichen Interviews durch Daten zu ergänzen
oder die Struktur der Interviewsituation auf die eine oder andere Art zu verändern
o heimlich? ethisch nicht akzeptabel
Beispiel: Die Artikulation von (r) in New Yorker City Kaufhäusern



Fazit



Thema: postvokalische r-Aussprache in forth floor
Informanten besuchten ausgewählte Kaufhäuser: Saks, Macy’s, S. Klein – werden
jeweils von einer bestimmten sozialen Schicht aufgesucht
Befragung der Verkäufer: Where is the … ? In the forth floor.
Artikulation des [r]  Prestigenorm, besonders von der obersten Schicht realisiert,
entfällt bei der untersten
besonders markant: jede Schicht weist charakteristischen Knick im Verlauf der
Stillagen auf  Übergang von Rede- zu Leseaussprache
Verlauf der Linie 6-8 (lower middle class)  weist als einzige 2 Einknickungen auf und
kommt über der Linie 9 (upper middle class) zu stehen
die untere Mittelschicht versucht die als „vornehm“ geltende Aussprache der Oberschicht
nachzuahmen, wodurch es zu einigen [r]-Aussprachen kommt, die die Oberschicht nie
verwenden würde  Hyperkorrektismen


Labov demonstrierte damit, wie sich soziale Verhältnisse auf die Sprache (hier:
Aussprache) auswirken können
sprachextern motivierter Sprachwandel
Diglossie vs. Bilingualismus
Diglossie: Zweisprachigkeit einer Gesellschaft – Bsp. deutschsprachige Schweiz
Bilingualismus: Zweisprachigkeit eines Individuums
80
Möglichkeiten:
 Gesellschaft UND Individuen sind zweisprachig
 Gesellschaft ist zweisprachig, Individuen sind es nicht
o Bsp. Deutschsprachige Schweiz, aber ich spreche nur Deutsch und kein
Schweizerisch
 Gesellschaft ist einsprachig, Individuen sind zweisprachig
o Bsp. Migrationsgesellschaft
 weder Diglossie noch Bilingualismus – sowohl Gesellschaft als auch Individuen sind
einsprachig
Sozio-Dialektologie

bis 1970er: nur areale Varietäten allein untersucht
Mittelrheinischer Sprachatlas von Bellmann, Schmidt und Herrgen (publiziert 1974-2002)
 Vorreiter, der als erster 2 Dimensionen berücksichtigte
 areale UND soziale Dimension der Sprache – erster zweidimensionaler Dialektatlas
 ansonsten: nur ältere, ansässige, bäuerliche Bevölkerung befragt – hier: diese vs. Pendler

Sozio-Dialektologie stellt Sprecher in den Vordergrund
o NICHT Sprachsystem wie im Strukturalismus
o „Sprecher-Dialektologie“, „Kommunikative Dialektologie“

Arbeitsgebiete (unter anderem)
o Dialekt-Standard-Diglossie
o Dialekt als Sprachbarriere (Diskussion
über Benachteiligung
dialektsprechender Kinder in der Schule
bis 1980er Jahre)
o Dialektkenntnis – Sprecher wissen über
ihren Dialekt Bescheid (hat nichts mit
oftmaliger Anwendung zu tun)
o Dialektzensus – Einstellung gegenüber
bestimmten Dialekten etc.
desto dunkler, desto mehr Dialektkenntnis 
nach Löffler, 2010 
81
Domänenverteilung der Dialekte
nach Sprachaltersstufen:
1. Primärer Spracherwerb
2. Schulische Spracherziehung
3. Beruf
4. Eheschließung
5. Kindererziehung
6. Ausscheiden aus dem Berufsleben
geschlechterspezifisch:
 reduzierter Dialektgebrauch von Frauen
nach Verwendungsbereich:
 öffentlich – privat
neues Dialektbewusstsein
 „Wir können alles außer Hochdeutsch“ – vgl. Aufsatz auf Moodle
Dialektrenaissance
 Bsp. „Plattdeutsch“ – Name kommt vom flachen Land, wurde dann aber als dumm,
nicht tiefsinnig abgewertet  heute: Renaissance dieser Varietät)
Stadt-Land-Gefälle
Dialektzensus – was halten die Sprecher von eigenen/anderen Dialekten? bestimmte
Eindrücke sind vorhanden!
 Umfrageergebnisse
sind nicht rational zu
interpretieren!
 Einschätzungen der
Sprecher sind
verbunden mit
außersprachlichen
Faktoren wie Politik
 interessanter: woher
rühren diese
Einschätzungen genau
her?
Sprachkontinuum
 Standard – Umgangssprachen (Regiolekte) – Dialekte
82




nicht klar getrennt, sondern fließende Übergänge
jeder Teilnehmer verfügt über gewissen Sprachgebrauch im Sprachkontinuum – je
nach Situation bestimmter Code
Codeswitching: übergangsloser Wechsel zwischen verschieden Stadien im
Sprachkontinuum
Codeshifting: abrupter Übergang vom Dialekt zur Standardsprache – Bsp. wenn in
der Schweiz ein Deutscher hinzutritt
 Soziolinguistik als
„innersprachliche
Sprachbarrierenforschung“
 nur wichtig: Labov &
Pernstein als Urväter
Soziolinguistik 2
Enzyklopädisches Wissen (Hauptstadt von Tschechien) vs. Interaktionales Wissen
(unterbewusst, nötig zur Interaktion mit anderen Menschen)
Interessen der Soziolinguistik sind sehr weit gesteckt
Man fragt sich zu Recht:
Wie kann man Sprachwissenschaft anders betreiben als mit explizitem Bezug auf den
Menschen, der Sprache in der Gesellschaft gebraucht? Dieser Ansatz ist erstaunlicherweise
ziemlich neu.
83
3 Themenblöcke, die mit der sprachlichen Interaktion von Menschen zu tun haben
I.
II.
III.
Was tun Menschen eigentlich interaktional, wenn sie miteinander ein Gespräch
führen?
Welche „Maximen“ steuern die Kommunikation?
Ein paar Worte zur Sprechakttheorie
ad I. Das Gespräch
Was tun Menschen in ihrer sprachlichen Kommunikation mit anderen, wenn sie miteinander
das sprachlich wohl „Prototypischeste“ tun, nämlich ein Gespräch führen?
Was ist eigentlich ein Gespräch? Dazu gehört eine Reihe von Faktoren:
a) eine (in der Regel gesprochene) sprachliche Interaktionsform, an der mindestens
zwei Partner beteiligt sind
Anmerkung: damit fällt das Selbstgespräch als Gespräch weg, es gibt aber außer diesem
Kriterium noch weitere, die dies ebenfalls belegen
b) dadurch gekennzeichnet, dass zwei oder mehr Partner bei ihrer sprachlichen
Interaktion zeitlich und räumlich unmittelbaren Kontakt haben (mit Ausnahmen, zB.
Telefongespräch)
c) dadurch gekennzeichnet, dass ein und derselbe Partner einmal Sprecher, einmal
Hörer ist  Gespräch ist durch Wechselrede bestimmt
Anmerkung: hier gehört dazu, dass der Hörer auch wirklich zuhört und dies auch zeigt (er
erschließt beispielsweise den Sprecherwechsel aus den Signalen des Gesprächs)
d) dadurch gekennzeichnet, dass ein Gesprächsthema vorhanden ist, das „im
Brennpunkt der kognitiven Aufmerksamkeit der Handlungsbeteiligten steht“ (ein
Thema, zu dem alle etwas beitragen können)
Sprachliche Produktion ist in Situationen gestellt und von diesen Situationen abhängig
Sprechakttheorie: Sprache = Reagieren eines Sprechers
ABER geht man vom Gespräch aus: aktive Beteiligung & Situation der Abwechslung wird
berücksichtigt
Sprecherwechsel
Grundeinheit des Gesprächs: Turn  auch im Deutschen: Sprecherwechsel = turn taking
Zwei Arten des Sprecherwechsels:
 Fremdwahl: jemanden wird auf die eine oder andere Art das Wort erteilt
o Bsp. Was denkst du dazu?
o verbal (Frage, Aufforderung,…) oder non-verbal (Geste, Körperzuwendung,…)
 Selbstwahl: jemand nimmt sich das Rederecht selbst
84
o entweder Sprecher hat seinen Turn beendet oder er wird ihn bald beenden
ohne dass ein nächster Sprecher gewählt ist  kompliziert: genau abschätzen
ob der Turn (fast) beendet ist oder ob noch nicht schon Fremdwahl war
(Sprecher hat schon jemanden angesprochen)
normalerweise Befolgen der Regeln des interaktionellen Wissens
ABER wenn man die Regeln nicht befolgt (Bsp. wenn jemand das Rederecht nicht wieder
hergibt) kommen Pannen etc. vor
 Beispiele für verschiedene Gespräche, die nicht prototypisch laufen


falsche Einschätzung des Ende des Turns  2 reden gleichzeitig  endet meist in
Entschuldigungsfloskeln
adhoc! ich muss dazu jetzt etwas sagen  Selbstwahl, eigentlich ist man nicht befug,
aber Sonderregel: Relevanz des Gesagten!
Zeitpunkt des Sprecherwechsels – einige charakteristische Typen

Sprecherwechsel ohne Pause (bzw. mit einer kurzen, kaum wahrnehmbaren
Sprechpause) zwischen den turns – sogenannter „glatter Wechsel“
o A wird umgewandelt in B
o gute Mitarbeit des Hörers  genaues Einschätzen muss vorhanden sein

Sprecherwechsel mit Überlappung
o Variante des „glatten Wechsels“
o noch keine Unterbrechung – Sprecher beendet ja seinen Turn!
o ebenfalls gute Mitarbeit des Hörers (Redesignale werden sehr genau
wahrgenommen)
o Sprecher nimmt Überlappung meist gar nicht wahr

Unterbrechung
o Art der Selbstwahl
o wird meist als sehr unangenehm wahrgenommen
o Sprecher hat Turn noch nicht bis zum Ende realisiert oder so weit, dass eine
Überlappung möglich wäre
o Rollenverteilung wichtig (Bsp. Prüfungsgespräch: Prüfer darf unterbrechen,
bei Prüfling wird es anders empfunden)
85
o es gibt übergangsrelevante Stellen, wo eine Unterbrechung weniger störend
ist (Bsp. nach einem Gedanken ist besser als mitten in einem Satz mit
Nebensatz) – zwar nicht zu rechtfertigen, wird aber mehr toleriert

Sprecherwechsel mit längerer Pause
o längere Pausen teilweise normal (Bsp. deutschsprachige Schweiz)
o gewisses Unbehagen kann vorkommen
o man muss die Norm kennen
allgemein wichtig: Handlungsbereich: privat (kürzere Intervalle, Unterbrechungen weniger
schlimm) – halböffentlich – öffentlich
Rolle des Sprechers


wenn man in einem Gespräch zum Sprecher geworden ist, hat man das sogenannte
Rederecht
wie lange man dieses in Anspruch nehmen darf, ist von vielen Faktoren abhängig
(Beziehung zwischen den Gesprächspartner, offiziell/privat, …)
Es gibt bestimmte Signale, mit denen der Sprecher zum Ausdruck bringt, dass er sein
Rederecht noch behalten will:
 bestimmte Intonationsmuster
 Erhaltung des Blickkontaktes zu den Hörern
 Gliederungssignale - Bsp. „und nun noch …“
 „aufmerksamkeitssichernde“ Signale – Bsp. „verstehst du?“
Es gibt aber auch Signale, die den Hörern anzeigen, dass das Ende des Turns bevorsteht
 diese sind wichtig für den Sprecherwechsel:
 leiser werdende Stimme
 deutlich fallende Intonation
 bestimme verbale Schlussphrasen – Bsp. nicht (wahr)?
Strategien, derer sich ein Sprecher bedient, wenn er nicht bereit ist, sein Rederecht
abzugeben:
 den anderen an Lautstärke übertönen
 Wiederholung des letzten Redeteils
 nonverbale Signale
 sich explizit gegen die Unterbrechung verwahren – Bsp. „lass mich doch ausreden!
einen Moment noch!“
Rolle des Hörers


vom Hörer werden bestimme Signale erwartet – ansonsten entsteht Verunsicherung
des Sprechers
er ist auch aktiv beteiligt – dazu gehören Signale verschiedener Art (Feed-back =
Rückmeldeverhalten):
o aufmerksamkeitsbezeugende Signale
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 Blickkontakt, Nicken, Lächeln, verbale, akustische Signale, …
o kommentierende Signale
 „ja, da hast du Recht!“, …
Phasen des Gesprächs
a) Eröffnungsphase
b) Kernphase („Gesprächsmitte“)
c) Beendigungsphase
Anmerkung: am meisten Platz für Individualität in der Kernphase, in Eröffnungs- und
Beendigungsphase lassen sich am leichtesten Konventionen ablesen – daher am
interessanten für die Forschung
ad a) Eröffnungsphase




ein Gespräch wird normalerweise sowohl nonverbal als auch verbal vorbereitet und
eröffnet (Bsp. Zugehen auf den anderen, Blickkontakt, Grußfloskeln, …)
kann sehr umfangreich sein
gesprächsfördernde Maßnahmen (Bsp. Kaffee anbieten)
bei weniger offiziellen Gesprächen: Eröffnungsphase sehr kurz (Bsp. Du, das Buch …)
o je privater die Kommunikation, desto weniger wichtig sind die ritualisierten
Abläufe (wie ist das Wetter? wie geht es dir?)
ad b) Kernphase
Zwei Typen:
 Gespräche, bei denen das Thema (meist 1) von vornherein festgelegt ist
 Gespräche, bei denen sich das Thema (meist mehrere) erst im Zuge des Gesprächs
ergibt
o natürlich auch Übergangsformen zwischen den beiden Typen
o Prüfungsgespräch in der Schweiz: Wechsel zur „Hochsprache“ in Kernphase
 „codeshifting“ markiert Phasen!
o „small talk“ (Gespräch um des Gesprächs willen) zeichnet uns als
kommunikative Wesen aus
ad c) Beendigungsphase
Typische Signale, dass die Kernphase in die Beendigungsphase übergeht:
 bestimmte verbale Signale („ich glaube, hätten damit alles“, …)
 bestimmte nonverbale Signale (Kaffee austrinken, Brille aufsetzen,
zusammenpacken, …)
ablaufende Vorgänge in der Beendigungsphase können sehr unterschiedlich sein und sehr
unterschiedlichen Umfang haben – eines scheint aber obligatorisch: Grußfloskeln!
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Fazit: Dreiteilung mag künstlich wirken, aber selbst bei einem sehr kurzen Gespräch sind
(fast) immer alle Phasen enthalten:
Beispiel eines extrem kurzen Gesprächs
A: „Servus, Otto!“
B: „Hallo, Doris!“
Eröffnung
A: „Du kaufst auch ein?“
B: „Muss wohl sein!“
Kernphase
A: „Also dann, mach’s gut!“
B: „Tschau!“
Beendigung
Was aber wäre, wenn A B nur „Hallo!“ zuruft und B ebenfalls mit einem Gruß reagiert?
Wir würden das nicht als Gespräch klassifizieren, sondern bloß als kontaktiven Akt zwischen
zwei Individuen.
 Warum? Thema fehlt und daher die Kernphase!
ad II. Welche Maximen steuern die Kommunikation
Die „Konversationsmaximen“ von Paul Grice
 System von imperativistisch formulierten Handlungsanweisen
 Katalog von Eigenschaften, die eine effiziente Kommunikation aufweist
 wer kommuniziert, hat in seinem interaktionalen Wissen diese Grundsätze enthalten
Das allgemeine Prinzip: Kooperationsprinzip
„Gestalte deine Äußerung so, dass sie dem anerkannten Zweck dient, den du gerade
mit deinen Kommunikationspartnern verfolgst.“
Dieses Kooperationsprinzip wird folgendermaßen konkretisiert:

Maximen der Quantität
o Mache deinen Gesprächspartner so informativ, wie es der anerkannte Zweck
des Gesprächs verlangt

Maximen der Qualität
o Versuche einen Gesprächsbeitrag zu leisten, der wahr ist
(Sage nichts, wovon du glaubst, dass es falsch ist;
sage nichts, wofür du keine hinreichenden Gründe hast)

Maxime der Relation
o Sage nur Relevantes
 Bsp. „Dahinten ist eine Tankstelle.“ ist irrelevant, wenn diese zum
Zeitpunkt der Aussage nicht offen ist.
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
Maximen der Modalität
o Vermeide Unklarheit
o Vermeide Mehrdeutigkeit
o Vermeide unnötige Weitschweifigkeit
o Vermeide Ungeordnetheit
Hörer nimmt an, dass Sprecher alle Maxime einhält – ansonsten entstehen
Missverständnisse (siehe Bsp. Tankstelle oben)
ad III. Bemerkungen zur Sprechakttheorie
in der Sprechakttheorie wird Sprechen als eine Tätigkeit, als Handeln angesehen.
„Die Tür ist offen.“
Nach John L. Austin werden mit der Äußerung eines jeden Satzes zugleich verschiedene
Teilhandlungen vollzogen:
1. Tatsache, dass man etwas sagt, also die Äußerung selbst = lokutiver Akt
2. Akt, der angibt, was mit dieser Äußerung getan werden soll (was sie bewirken soll;
zB. etwas versprechen, jemanden bitten, jemandem drohen, …) = illokutiver Akt
3. Akt, der die Wirkung auf den Hörer bezeichnet (zB. dass der Hörer sich zu einer
bestimmten Handlung veranlasst sieht, sich freut, …) = perlokutiver Akt
John R. Searle verfeinerte dieses Modell:
Fazit: Beim lokutiven Akt wird – im weitesten Sinne – auch eine Aussage über die Welt
gemacht, man bezieht sich auf Dinge in der Welt und sagt etwas über sie aus. Man äußert
eine Proposition. Darunter versteht man gewissermaßen den neutralen gemeinsamen
Nenner der Bedeutung von Sätzen.
außerdem: direkter (Wie spät ist es?) vs. indirekter Sprechakt (Weißt du, wie spät es ist? –
sagt wortwörtlich nur, ob man die Uhrzeit weiß)
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