PSA: Ein Wert ist kein Wert und ein Knick macht Klick

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PSA: Ein Wert ist kein Wert und ein Knick macht Klick
Marko P* und Koller M**
Prostataspezifisches Antigen (PSA) wird in der Praxis häufig durchgeführt beim
1.
Prostatakarzinomscreening (asymptomatischer Patient)
2.
in der Diagnostik (symptomatischer Patient):
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3.
des Prostatakarzinoms zur Unterscheidung zwischen benigner Prostatahyperplasie (BPH) und Prostatkarzinom (PCa)
im Falle von Miktionsstörungen oder Urogenitalinfektionen
bei unklarer Hämaturie oder Unterleibschmerzen
Entscheidung über Prostatapunktion/biopsie
zur Überwachung nach potentiell falsch-negativem Biopsiebefund
soll man Knochenszintigrapfie durchführen?
zur Bestimmung der Krebsprogression (mit oder ohne Therapie)
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beim abwarten und beobachten (watchfull waiting): zu welchem Zeitpunkt soll man, wenn überhaupt, nach Prostatakrebs-Diagnose mit einer Krebstherapie beginnen?
bei Rezidivdiagnose nach Therapie mit kurativer Absicht
bei der Entscheidung zum Wiederbeginn der Therapie nach Rezidiv
Problem: Die Bedeutung der PSA-Bestimmung wird vor allem beim Karzinom-Screening angezweifelt. 70-80 % der moderat (< 10ng/ml) und immerhin 30% der erhöhten (10-15 ng/ml) Werte sind nicht durch ein Karzinom aber durch eine Hyperplasie verursacht. Zudem können falsch erhöhte Werte
(Cave Präanalytik!) auftreten und zu unnötigen Biopsien führen, die unangenehm, nicht ohne Komplikationen und Gefahr und dazu teuer sind. Auf der anderen Seite entwickelt sich trotz eines noch „normalen“ Wertes (< 4,0 ng/ml) bei 15% der über 55-jährigen Männer in den nächsten 7 Jahren ein
Karzinom. Es handelt sich dabei häufig um noch kleine, prognostisch günstige Tumoren, bei welchen man jedoch eine kurative Therapie verpasst (1). Solche folgenschwere Irrtümer können vermieden werden wenn man folgendes beachtet:
1.
2.
Die empfindliche PSA-Präanalytik, welche zu falsch-erhöhten Werten führen kann
Entscheidungen, die auf einer einzelnen PSA-Messung beruhen sowie auf der Anwendung von Normgrenzen, die in Wirklichkeit nicht existieren
Lösungen:
1.
2.
Präanalytik – Man achtet und meidet folgenden störenden Einflüsse:
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Man vergleicht nur Ergebnisse derselben Methode, bestimmt im demselben Laboratorium.
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Auch Operationen ausserhalb des kleinen Beckens (z.B. Herz) können zum Übertritt von PSA ins Blut führen.
Das Blut sollte immer morgens nüchtern abgenommen werden.
Die Abstände von der Blutentnahme bis zur Probenverarbeitung und Bestimmung sollten konstant gehalten werden (jeweils Montag – Donnerstag = 24 Std.; Freitag = 72 Std.; Samstag = 48 Std.).
Jede Kompression der Prostata, ob physiologisch (Ejakulation), artefiziell (Velofahren, digitale rektale Untersuchung, Rekto-Sigmoidoskopie) oder pathologisch (Kathetrisierung, liegender Urinkatheter) kann durch Übertritt von PSA ins Blut temporär erhöhte Werte verursachen.
Die Halbwertzeit, mit der PSA aus dem Blut eliminiert wird, beträgt ca. 3 Tage. Daher sollte mit der PSA-Bestimmung in solchen Fällen bis zu einer Woche gewartet werden.
Harnverhalten, Entzündungen der Harnblase und Prostata können den PSA-Wert wesentlich erhöhen. Der PSA-Wert sollte frühestens 4 Wochen nach einer sicheren Abheilung der Entzündung oder nach Operation bestimmt werden.
Interaktion mit Medikamenten: Nicht nur Prostatamedikamente (Finasterid, alfa-Reduktase-Hemmer) und Geschlechtshormone, sondern z.B. auch Vitaminpräparate (Vitamin D3) und manche pflanzliche Medikamente vermindern den PSA-Wert im Blut.
Änderungen des Ernährungsstills (Vegetarismus) können sich auf das PSA auswirken.
Saisonale Änderungen: Im Sommer und Herbst steigt PSA, was einen 25%-Anstieg von unnötigen Biopsien verursachen kann (2).
Auswertung von PSA-Messungen:
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Das PSA wird auch in einer „normalen“, karzinomfreien Prostata produziert. Diese Produktion ist von der Grösse der Prostata abhängig und nimmt nur langsam, über Jahre zu (BPH). Prostatakrebszellen hingegen scheiden PSA ins Blut aus entsprechend ihrem exponentiellen
Wachstum. Daher ist der Absolutwert einer einzelnen Bestimmung, ausser bei klar erhöhtem Wert, als Grundlage für eine zuverlässige Diagnostik ungenügend - „Ein Wert ist kein Wert“. Isolierte PSA-Werte sind (nur für gewisse Zeit) aussagekräftig, wenn sie sehr tief ausfallen
(z.B. unter 1 ng/ml) oder wenn sie wesentlich über der sogenannten Grauzone (bis 10 ng/ml) liegen und vorausgesetzt die Präanalytik wurde beachtet (s. P. 1 oben). In allen anderen Fällen ist nur der PSA-Verlauf über einen kürzeren oder längeren Zeitraum von diagnostischem
und/oder prognostischem Wert. Eigentlich existieren für PSA keine Normgrenzen!
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Der Übergang von BPH zum PCa erscheint als Knick nach oben im PSA-Verlauf -„Ein Knick macht Klick“. s Bild.
Die PSA-Verdoppelungszeit und damit die des Tumors gibt die Wachstumsrate und Aggressivität des Karzinoms am besten wieder. Je schneller der Tumor wächst, desto kürzer seine Verdoppelungszeit. Sie kann mittels mehreren Werten zuverlässig, mit zwei Werten annährend
bestimmt werden (3):
Verdoppelungszeit = (t – t0) • Log 2 / (Log (PSA (t) - Log PSA (t0 ))
(t – t0) = Zeitintervall zwischen den Messungen in Monaten
Das Bild zeigt schematisch die verschiedenen Verdoppelungszeiten auf einer einfachlogaritmischen Scala. Mit der Zeit spielt der Beitrag der benignen
Hyperplasie immer weniger eine Rolle. Die Verdoppelungszeit wird genauer. Für eine therapeutischen Entscheidung braucht man jedoch selten den ganz
genauen Wert.
Führende Urologen benützen bereits die PSA-Verdoppelungszeit. Sie ist, zusammen mit dem biologischem Alter und Komorbiditäten (4), eine gute
Grundlage für die weiteren diagnostischen und therapeutischen Massnahmen.
Praktisches Vorgehen: Ein Wert ist über die „Normgrenze“ oder über die bisherigen Werte (s. Bild) erhöht. Erst überprüfen wir die Präanalytik und
betrachten andere Gründe für den Anstieg (s.o.). Finden wir keine solche Einflüsse, wiederholen wir die Bestimmung nach 1- 3 Monaten. (So viel Zeit haben
wir immer. Auch der schnell wachsende Tumor erlaubt uns diese Frist.) Steigt das PSA weiter, wissen wir seine Verdoppelungszeit und damit die
Geschwindigkeit, die Gefährlichkeit seines Wachstums.
Die Verdoppelungszeit hilft auch bei anderen Indikationen, vor allem bei der Wiederaufnahme einer Therapie und anderen diagnostischen und therapeutischen
Entscheidungen (s.o.).
Ende Oktober 2007 wurde bekannt, dass Israels Ministerpräsident Olmert Prostatakrebs hat. Um nicht nur menschliche, medizinische, aber auch politische
Folgen besser, genauer zu beurteilen wäre gut dessen PSA-Verdoppelungszeit zu wissen.
Es wäre vorteilhaft sicherheitshalber jeweils vor einer Transurethralen Prostataresektion (TUR) eine PSA-Verdoppelungszeit zu bestimmen, damit man ein
bereits wachsendes Karzinom nicht übersieht. Leider kann man diese Forderung in der Praxis nicht immer erfüllen (plötzliche Miktionsbeschwerden, Drang des
Patienten auf eine schnelle Lösung).
Lernpunkte:
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Um PSA zuverlässig zu bestimmen, muss man die Empfindlichkeit der Präanalytik beachten.
Der Zeitverlauf (Kinetik) der PSA-Werte ist wichtiger als ein Absolutwert.
Die PSA-Verdoppelungszeit ist die aussagekräftigste Grösse bei diagnostischen und therapeutischen Entscheidungen im Bereich der
Prostatakrankheiten.
Wenn wir uns daran halten, ersparen wir Leiden und Geld!
Sie können Text
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des Posters und
der Instruktionen für Patienten mitnehmen.
[email protected]
* Allgemeinmedizinische Praxis, Heinestrasse 26, 9008 St. Gallen;
** Institut für Klinische Epidemiologie, Universität Basel; [email protected]
Literatur:
1 Wilt TJ, et al: Clinically localised prostata cancer. BMJ 2006;333:1192-6.
2 Salama G, et al: Seasonality of serum prostate-specific antigen levels: A population-based study. Europ Urol 2007;52:708-14.
3 Cannon GM, et al: Prostate-specific antigen doubling time in the identification of patients at risk of progression after treatment and biochemical recurrence
for prostate cancer. Urology 2003;62(S 6B):2-8.
4 Kastner C, et al: The Charlson comorbidity score: a superior comorbidity asessment tool for pr the prostate cancer multidisciplinary meeting. Prostate Cancer
and Prostate Dis 2006;9:270-4
Ausführliche Literatur bei P. M. erhältlich.
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