Organspende: ja oder nein?

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DRK Krankenhaus Alzey
Allgemeine Zeitung Alzey vom 21.03.2014
Organspende: ja oder nein?
Weniger als 20 Prozent der Bürger haben einen Organspendeausweis.
Archivfoto: dpa
Von Carina Schmidt
TRANSPLANTATION Martina Weichert bereitet Angehörige von hirntoten Patienten auf die
Entscheidung vor
ALZEY - Ein Mensch hat einen Verkehrsunfall. Schwer verletzt wird er ins Alzeyer DRK-Krankenhaus
eingeliefert. Die Ärzte versuchen alles, was in ihren Möglichkeiten liegt, um den Menschen zu retten.
Trotzdem setzt seine Atmung aus. Ein Gerät wird angeschlossen, das ihn künstlich beatmet. Der Mensch
hat aber auch aufgehört zu schlucken und seine Pupillen reagieren bei Licht nicht mehr.
Nach intensivmedizinischen Untersuchungen wie Blutmessungen und Nerventestungen ist die Diagnose
„Hirntod“ traurige Gewissheit. „Jener Befund wird anhand des Ausfalls aller – das menschliche Dasein
bestimmenden Funktionen – gestellt, die auf den irreparablen Verlust von Groß-, Kleinhirn- und
Hirnstamm hinweisen“, erklärt Dr. Martina Weichert, Oberärztin in der Abteilung Innere Medizin am
DRK-Krankenhaus. „Ein Überleben ohne lebenserhaltende Maschinen ist also nicht mehr möglich.“
Hauptursachen für jene Diagnose seien aber nicht Verkehrsunfälle, sondern internistische
Erkrankungen, wie Bluthochdruckkrisen oder neurologische Beschwerden und Vergiftungen.
Neben der Problematik „Lebenserhaltung: ja oder nein?“ stellt sich für die Ärzte in solchen Situationen
aber noch eine ganz andere Frage. Nämlich die der Organspende. Martina Weichert ist am DRKKrankenhaus die Transplantationsbeauftragte. Zwar ist das Einsetzen von fremden Organen ein Eingriff,
der nur in großen medizinischen Zentren wie den Universitätskliniken Mainz und Heidelberg gemacht
wird. Die Organentnahme, sprich Explantation, führen Spezialteams zusammen mit Ärzten in Alzey
durch. Seit 2003 war das bei vier Patienten der Fall. Als Empfänger kamen wiederum 16 Menschen aus
ganz Deutschland infrage.
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Organspende ja oder nein 210314
DRK Krankenhaus Alzey
Weichert ist in solchen Fällen diejenige, die die Angehörigen auf das Thema vorbereitet. Eine Aufgabe,
bei der sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt ist, berichtet die Medizinerin: „Erst muss ich ihnen die
schreckliche Nachricht überbringen, dass ein von ihnen geliebter Mensch quasi tot ist, obwohl er atmet
und sich noch warm anfühlt. Dann konfrontiere ich sie mit der schwierigen Entscheidung, seine Organe
dafür freizugeben, andere Leben zu retten.“
Keinen Druck ausüben
Schwierig ist die Entscheidung für viele besonders deshalb, weil die hirntoten Patienten oft keinen
Organspendeausweis besitzen oder vorab ihre Haltung zu dem Thema nicht geäußert haben. „Alles, was
mit Tod zu tun hat, ist hochemotional belegt und wird selten Gegenstand von Kaffeegesprächen“, sagt
Martina Weichert.
Gemeinsam mit den Angehörigen versucht die Oberärztin dann zu ergründen, wie die Einstellung des
Betroffenen zum Leben und seinen Mitmenschen grundsätzlich war. Hat er sich gerne dafür engagiert,
dass es anderen gut geht? War er spendierfreudig?
Grundsätzlich ist die Spendebereitschaft keine Angelegenheit nach dem Motto „ganz oder gar nicht“. So
kann der Spender selbst etwa auf seinem Ausweis oder die Angehörigen im Gespräch mit den Ärzten
Einschränkungen von bestimmten Organen und Gewebe vornehmen.
Druck dürfe in diesem Entscheidungsprozess auf gar keinen Fall ausgeübt werden. „Wir geben so viel
Zeit, wie nötig ist.“ Wichtig sei es vor allen Dingen, den Verwandten plausibel zu vermitteln, woran der
Mensch gestorben ist, damit sie die Diagnose Hirntod nachvollziehen können.
Bei allen Gesprächen, die Weichert führt, ist bereits ein Mitarbeiter der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO) dabei. Seine Aufgabe ist es, den Ablauf zu koordinieren, sobald die
Entscheidung für die Organspende gefallen ist. Im DRK-Krankenhaus kommt dann Dr. Karl von Blohn
zum Einsatz, Chefarzt der Anästhesie, und zuständig für die Explantation, worum es im zweiten Teil
dieser Serie geht.
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IM DETAIL
Gespendet und übertragen werden können: Herz, Lunge, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse,
Darm und Teile der Haut (Organe) sowie die Hornhaut der Augen, Gehörknöchelchen,
Herzklappen und Teile der Blutgefäße, der Hirnhaut, des Knochengewebes und der Sehnen
(Gewebe).
Für die Spende gibt es keine feste Altersgrenze. Wichtig ist der Gesundheitszustand der Organe.
Spenden und Retten
In Deutschland sterben jeden Tag drei Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.
Weniger als 20 Prozent besitzen einen Spenderausweis. Knappheit gibt es auch beim Bedarf an
Blutkonserven: Insgesamt spenden nur knapp drei Prozent der Bevölkerung Blut.
Um die Versorgung langfristig und ausreichend abzudecken, müssten aber sechs Prozent der
Bevölkerung spenden.
Die AZ hat sich mit Alzeyer Medizinern über das sensible Thema der Spendebereitschaft und
den Ablauf einer Explantation unterhalten.
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