Patientenratgeber systemische Sklerose

Werbung
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 1
Patientenratgeber systemische Sklerose
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 2
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 3
Vorwort
5
Systemische Sklerose – Definition, Einteilung, Ursachen
6
Symptome
10
Diagnostik
19
Therapie
29
Allgemeine Verhaltenstipps
37
Leben mit systemischer Sklerose
39
Service – Adressen, Buchtipps, Internetseitentipps
40
Glossar
44
Anhang: Paul Klee – Patient mit systemischer Sklerose
51
3
Inhalt
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 4
Patientenratgeber
systemische
Sklerose
4
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 5
Vorwort
Liebe Patientin, lieber Patient,
diese Informationsbroschüre soll Ihnen helfen, die Krankheit systemische Sklerose (früher als auch Sklerodermie bezeichnet) besser
zu verstehen, das heißt, ihre Ursachen, Symptome und die therapeutischen Möglichkeiten.
Diese Patientenbroschüre soll Ihnen auch behilflich sein, allen Ihren
Fragen auf den Grund zu gehen, um besser mit der systemischen
Sklerose leben zu können. Bitte nehmen Sie sich Zeit, diese Information in Ruhe durchzulesen.
Die systemische Sklerose ist eine ernst zu nehmende und komplizierte Erkrankung mit unterschiedlichsten Erscheinungsformen und
als Laie fällt es oft schwer, den medizinischen Erklärungen zu folgen.
Dabei ist das Verständnis für seine eigene Erkrankung wichtig, um
die Unsicherheiten so gering wie möglich zu halten: Was ist das für
eine Krankheit, die ich habe? Wie macht sie sich bemerkbar und wie
wirkt sie sich aus? Warum wird welche Untersuchung gemacht und
welche Therapien sind für mich sinnvoll?
Im Abschnitt „Leben mit systemischer Sklerose“ werden Sie sehen,
dass dieses sehr gut möglich ist. Natürlich ist die Tatsache, eine
unheilbare Krankheit zu haben, erst einmal erschreckend, aber die
Therapiemöglichkeiten sind heute schon so weit, dass viele der einzelnen Beschwerden sehr gut gebessert oder sogar zum Stillstand
gebracht werden können. Viele Patienten mit systemischer Sklerose
können mit ihren Beschwerden sehr gut umgehen und den Alltag
genießen – diese Erfahrungen sollen in dieser Broschüre auch Ihnen zugute kommen.
Im Anschluss finden Sie nützliche Adressen wie die der Selbsthilfeorganisationen.
August 2008
Prof. Dr. med. Ulf Müller-Ladner
Lehrstuhl für Innere Medizin mit Schwerpunkt Rheumatologie
Justus-Liebig Universität Gießen, Abt. für Rheumatologie
und Klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim
5
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 6
Die systemische Sklerose
(früher
Sklerodermie)
Systemische Sklerose – Definition, Einteilung, Ursachen
Man schätzt, dass weit über 10 000 Deutsche an systemischer Sklerose leiden und rechnet mit 1 bis 2 Neuerkrankungen pro 100 000
Menschen pro Jahr (das entspricht etwa 1 600 Neuerkrankten ⁄ Jahr).
Frauen sind etwa viermal häufiger betroffen als Männer. Die Erkrankung tritt meistens im Alter von 30 bis 50 Jahren auf, Verlauf und
Schwere können von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein.
Der ursprüngliche Name Sklerodermie leitet sich vom Griechischen ab und bedeutet übersetzt „harte Haut“ skleros (= hart)
derma (= Haut). Die Sklerodermie ist von verschiedenen Verlaufsvarianten gekennzeichnet. Aber alle haben sie eines gemeinsam:
Es kommt zu einer Verhärtung des Bindegewebes.
Anstelle des alten Namens Sklerodermie (Verhärtung der Haut)
wird heute der Begriff „systemische Sklerose“ (engl. systemic sclerosis) genutzt, da hierbei die systemische (den ganzen Körper betreffende) Sklerose zum Ausdruck kommt.
Definition
Die systemische Sklerose (SSc) gehört zu den sogenannten Kollagenosen. Das sind Erkrankungen des Bindegewebes, die durch ein
fehlgeleitetes Immunsystem ausgelöst und gesteuert werden.
Bei der systemischen Sklerose kommt es zu einer starken Vermehrung des Bindegewebes, so dass sich die Haut oder Schleimhaut
verdickt und verhärtet. Die Bindegewebsverhärtung kann entweder
nur die Haut alleine oder aber die Haut und innere Organe wie
Lunge, Verdauungstrakt, Blutgefäße und Niere betreffen.
Einteilung
Es gibt zwei Grundvarianten der systemischen Sklerose: die auf die
Haut beschränkte Morphea (zirkumskripte Sklerodermie) und die
den ganzen Körper betreffende systemische Sklerose.
6
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 7
1. Die Morphea (zirkumskripte Sklerodermie)
Die Morphea, auch lokalisierte zirkumskripte (circumscripte = umschriebene) Sklerodermie genannt, besteht in begrenzten Arealen.
Sie beginnt mit kleinen roten Flecken an Gliedmaßen und Rumpf, die
sich langsam vergrößern und verhärten. Die Verhärtung beschränkt
sich nur auf das Bindegewebe und Unterhautfettgewebe der Haut.
Das ist zwar zum Teil sehr unangenehm, vor allem, wenn die Haut
im Bereich der Gelenke betroffen und die Bewegung somit eingeschränkt ist, aber sie ist nicht lebensbedrohlich. Meist verliert diese
Krankheit über die Jahre an Aktivität und „brennt aus“.
Die Morphea breitet sich oft an Stellen aus, an denen viel Druck
auf die Haut ausgeübt wird. Zum Beispiel im Bereich von BH- oder
Schulranzen-Trägern oder im Leistenbereich, wenn hier enge Hosen
permanent beim Sitzen drücken. In diesem Fall kann das Tragen
von leichten Kleidern das Voranschreiten der Krankheit verhindern.
2. Die systemische Sklerose (früher Sklerodermie)
Bei der systemischen Sklerose (SSc) sind neben der Haut auch das
Blutgefäßsystem und innere Organe in unterschiedlichem Ausmaß
betroffen. Die systemische Sklerose ist nicht heilbar, aber inzwischen
behandelbar, so dass der Krankheitsverlauf verlangsamt und teilweise
sogar gestoppt werden kann, also nicht voranschreitet. Deswegen
wird auf den Zusatz „progressive“ (= voranschreitende), wie es früher
üblich war (progressive systemische Sklerose) heute verzichtet und
einfach nur noch von einer systemischen Sklerose gesprochen.
Bei einigen Erkrankten sind die Veränderungen nur mit technischen Geräten messbar und werden vom Betroffenen gar nicht
wahrgenommen. Andere Erkrankte sind deutlich am ganzen Körper
betroffen und haben Verhärtungen im Gesicht und an den Fingern.
Auch kann die systemische Sklerose mit ernsthaften Beschwerden
bei der Atmung, dem Schlucken und der Verdauung verbunden
sein. Da die Krankheit sehr variantenreich ist, vergehen oft Monate
oder Jahre, bis bei einem Patienten die richtige Diagnose gestellt
werden kann.
7
Einteilung
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 8
Einteilung
Die systemische Sklerose wird nach der Hauptsymptomatik
in zwei Unterformen eingeteilt
2.1. Die limitierte (oder lokalisierte) systemische Sklerose (lSSc)
Sind nur die Hände oder Füße unterhalb der Ellenbogen- oder
Kniegelenke betroffen, spricht man von einer limitierten Form der
systemischen Sklerose. Die Verdickung der Haut bezieht sich auf
die so genannten Akren: hauptsächlich sind Finger, Zehen, Nase,
Wangen, Kinn und Ohrmuscheln betroffen. Eine Organbeteiligung
ist bei dieser Form seltener und meist leichter ausgeprägt.
Eine Unterform der limitierten systemischen Sklerose ist das CRESTSyndrom. Der Name leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der
Symptombezeichnungen ab. Denn bei CREST kommt es zu einer
Hautverkalkung (Calcinosis Cutis = verkalkte Haut), zu einem
Raynaud-Syndrom (siehe weiter unten) und zu einer Minderfunktion oder gestörten Beweglichkeit der Speiseröhre (Ösophagusmotilitätsstörung (Esophagus = Speiseröhre)). Außerdem sind die
Finger verhärtet, dünn und blass (Sklerodaktylie) und die oberflächigen Hautgefäße bleiben krankhaft erweitert (Teleangiektasien).
2.2. Die diffuse systemische Sklerose (dSSc)
Breitet sich die Sklerose über den ganzen Körper aus, wird von einer
diffusen systemischen Sklerose gesprochen. Sie schreitet schneller voran und führt bei manchen Patienten schon innerhalb eines Jahres zu
einer schweren Fibrosierung der Haut mit Beteiligung innerer Organe.
3. Sine Sklerodermie
Wenn nur innere Organe betroffen sind und die äußeren typischen
Merkmale fehlen, spricht man von einer „Sine (ohne) Sklerodermie“.
4. Sharp Syndrom
Beim Sharp Syndrom (ein rheumatologisches „Overlap“-Syndrom
genannt) überlappen sich verschiedene Bindegewebserkrankungen:
Raynaud-Syndrom und für die systemische Sklerose Hautverdickungen
sind hier mit rheumatischen Symptomen eines systemischen Lupus
8
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 9
Ursachen
erythematodes, einer Polymyositis oder einer rheumatoiden Arthritis
kombiniert.
Die genauen Ursachen der systemischen Sklerose sind nach wie
vor unbekannt. Als Auslöser der systemischen Sklerose wird eine
Fehlreaktion des Immunsystems (Autoimmunerkrankung) vermutet: körpereigene Zellen (hier des Bindegewebes) werden als fremd
oder fehlerhaft erkannt. Die Folge ist eine Entzündungsreaktion,
bei der sich die Bindegewebszellen (Fibroblasten) übermäßig vermehren, so dass es zu einer Fibrose (Bindegewebszellenanhäufung) mit einer hohen Produktion an Kollagen kommt. Die Kollagenanhäufung führt zur Sklerose (Verhärtung) der Haut und zur
Verengung von Blutgefäßen. Auch die Verengung selbst fördert die
Fibrosierung, deshalb sollten alle Patienten mit SSc das Aktiv- (und
Passiv-) Rauchen sofort einstellen.
Es ist nach wie vor unklar, inwieweit zusätzlich genetische Faktoren oder Störungen der Bindegewebsneubildung bzw. der Gefäßregulation ursächlich sind. Auch andere Faktoren, wie der Einfluss
von viralen oder bakteriellen Antigenen, UV-Licht, Umweltgiften,
Geschlechtshormonen, Medikamenten und bestimmten Tumoren,
könnten eine Rolle spielen.
Fest steht, dass bei der Entwicklung einer systemischen Sklerose
folgende Gegebenheiten wichtig sind:
• krankhafte Vermehrung des Bindegewebes (Fibrose)
• Schädigung der Blutgefäße (Vaskulopathie)
• Autoimmunerkrankung
• genetische Veranlagung
• vermehrte Bildung von Endothelin
Endothelin ist ein Stoff mit starker gefäßverengender Wirkung, der
in der Innenauskleidung von Blutgefäßen (Endothel) gebildet wird.
Endothelin spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Gefäßschäden: es verursacht Gefäßverengungen und trägt außerdem
zur Entstehung von Fibrosen und Entzündungen bei. Aus verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass bei
SSc-Patienten die Endothelin-Konzentrationen im Blut erhöht sind.
9
Diese Broschüre
bezieht sich
hauptsächlich auf
die systemische
Sklerose (SSc).
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 10
Symptome
Wie sehen die Krankheitsmerkmale aus?
Die verschiedenen Formen der systemischen Sklerose wirken sich
in unterschiedlichen Beschwerden aus.
Bei allen Formen der systemischen Sklerose entwickeln sich zusätzlich – häufig parallel zur Hautsklerosierung – Folgeerkrankungen wie
z. B. Muskelentzündungen, Beschwerden im Magen-Darm-Bereich
(gastrointestinale Beschwerden), Lungenfibrose oder Lungenhochdruck.
Im Folgenden werden einzelne Symptome beschrieben:
Haut
Kennzeichnend für die systemische Sklerose ist die Verhärtung und
Verdickung der Haut. Diese beginnt an Fingern, Händen, Füßen und
Gesicht. Später sind bei der diffusen Form auch Oberarme, Oberschenkel und Rumpf betroffen. Die Haut ist im Allgemeinen trocken,
wogegen die Hände feuchtkalt sind. Vorwiegend an den Händen
und Unterarmen tauchen manchmal Kalkablagerungen auf.
•
Die Finger sind zunächst geschwollen und gerötet („Wurstfinger“). Im weiteren Verlauf werden sie immer schmaler und zur
Spitze verdünnt („Madonnenfinger“) – die Fingerbeeren werden
kleiner und die Finger versteifen zunehmend. Zusätzlich ist das
Nagelwachstum gestört: Das Nagelhäutchen ist häufig verdickt
und auch schmerzempfindlich und manchmal treten Einblutungen auf. Diese charakteristischen Nagelhautveränderungen
können für erfahrene Ärzte bei der Diagnose hilfreich sein. Hier
findet als Hilfsmittel vor allem die Kapillarmikroskopie Einsatz.
•
Die Sklerose lässt die Haut straffer und glänzender aussehen.
Das Gesicht wirkt kleiner und nach unten spitzer, die Nase und
die Wangen schmaler. Nicht nur, dass die Stirn nicht mehr gerunzelt werden kann, sondern die gesamte Mimik kann verloren gehen. Betroffene haben eine Art „Maskengesicht“, weil die
Haut nicht mehr elastisch ist. Häufig kommen im Gesicht und
im Hals- und Brustbereich Teleangiektasien vor (mit dem Auge
sichtbare, erweiterte Kapillargefäße in der Haut).
10
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 11
Veränderungen am Mund bei systemischer Sklerose
Durch die Verhärtung der Haut entstehen um den Mund herum
senkrechte Falten und die Lippen verschwinden. Wegen des Aussehens wurde früher oft von einem Tabaksbeutelmund gesprochen. Vor allem kann der Mund nicht mehr weit geöffnet werden
(Mikrostomie). Dieses macht das Essen, aber auch die Kommunikation mühevoll und die Mundhygiene ist beschwerlich. Bei der systemischen Sklerose kann ein kleiner Schleimhautstrang am Unterrand der Zunge, das Zungenbändchen, von Bedeutung sein: Ist es
verdickt, so ist das ein Zeichen einer Beteiligung des Magen- und
Darmtraktes.
Raynaud-Syndrom bei systemischer Sklerose
Über 90 Prozent der von systemischer Sklerose Betroffenen leiden
an Schmerzen in den Fingerspitzen, vor allem bei Kälte oder bei
emotionalem Stress. Ein oder mehrere Finger werden dann weiß und
sind nicht mehr ausreichend durchblutet. Grund ist, dass sich die
Blutgefäße in den Fingern krampfartig zusammenziehen und keine
Blutversorgung mehr zulassen. Es kommt somit auch kein Sauerstoff in diese Bereiche, so dass sie sich bei längerem Gefäßverschluss
blau verfärben. Genauso plötzlich wie die Gefäße sich verengen, erweitern sie sich wieder und das Blut schießt hinein – die Finger werden rot und heiß und fangen an stark zu schmerzen. Dieser typische
Farbverlauf wird – in Anlehnung an die französische Flagge – als
„Trikolore-Phänomen“ und – vom Krankheitsablauf insgesamt – als
Raynaud-Syndrom bezeichnet. Bei dem mit der systemischen Sklerose assoziierten Raynaud-Syndrom spricht man auch vom sekundären Raynaud-Syndrom.
11
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 12
Symptome
Das Raynaud-Syndrom kann der Erkrankung viele Jahre vorausgehen.
Jedoch gibt es auch ein primäres Raynaud-Syndrom, dem keine systemische Sklerose zu Grunde liegt.
Digitale Ulzerationen
Digitale Ulzerationen sind schwer heilende, schmerzhafte Geschwüre
an den Fingern, die als Komplikation bei Patienten mit systemischer
Sklerose (SSc) auftreten können.
Digitale Ulzerationen sind eine häufige Komplikation bei SSc, unter
der ca. 30 % bis 60 % der Patienten mindestens einmal im Krankheitsverlauf leiden. Dabei gilt: Je jünger ein Patient ist und je früher
ein Raynaud-Syndrom aufgetreten ist, desto früher entsteht das
erste digitale Ulkus.
Digitale Ulzera
bei systemischer Sklerose
Häufig auftretend und rezidivierend
Starker Einfluss auf die Lebensqualität
extrem schmerzhaft
schwierige und
langsame Abheilung
Verlust der Handfunktion
Black C et al; ACR Congress 2002 Late Breaking Oral Abstract (LB01)
Keine Geschwüre
Geschwüre
20
Anzahl der Patienten (%)
Das Patientenalter
bei Eintreten der
Raynaud-Symptomatik ist für die
Entstehung eines
digitalen Ulkus
ausschlaggebend
[Gahhos et al.
J Hand Surg Am
1984; 9: 320-327;
Walker et al. Ann
Rheum Dis 2007;
66:754–765.]
15
10
5
0
0
10
20
30
40
50
Alter bei Ausbruch (Jahre)
12
60
70
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 13
Die Ursache für die Entwicklung von digitalen Ulzerationen ist eine
mangelnde Durchblutung (Ischämie) der Fingerarterien aufgrund einer krankhaften Veränderung und Fehlfunktion der Blutgefäße (Vaskulopathie). Die folgenden Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle:
•
•
•
•
Entzündung der Gefäßwand
Verengung kleiner Arterien durch eine erhöhte Bildung
von Endothelin
Gefäßkrampf durch das Raynaud-Syndrom
Blutgerinnsel (Thrombosen) in den Fingerarterien
Als Folge entzündet sich das umliegende Gewebe und aktiviert
das Immunsystem, bis so genannte Fresszellen die sterbenden
Gewebezellen abbauen (Nekrose). Auch die Knochen können durch
die Entzündung betroffen sein und werden porös, u. a. weil das
Kalzium aus den Knochen ins Gewebe zu den Entzündungsherden
wandert. Dort sammelt es sich in Kalkablagerungen, die deswegen
gehäuft an den Entzündungsstellen zu sehen sind.
Gelenke und Muskulatur
Schon durch die Hautverhärtung um die Gelenke herum, ist die Beweglichkeit eingeschränkt. Zusätzlich behindern die Entzündungen
die Muskulatur und die Gelenke. Muskelschmerzen (Myalgie) und
degenerative Erkrankungen der Muskulatur (wie Muskelschwäche
oder -rückbildung) sind relativ selten. Die Gelenkschmerzen sind
dagegen recht häufig und ähneln den Beschwerden einer rheumatischen Krankheit: sowohl in Ruhe als auch in Bewegung tun die
Gelenke weh und sind am Morgen steif.
Verdauungstrakt (Mund, Speiseröhre, Magen- und Darmtrakt)
Nahezu alle Patienten mit systemischer Sklerose haben auch Symptome am Verdauungstrakt, das heißt es können verringerter Tränen-/
Speichelfluss, Schluckbeschwerden, Blähungen, Sodbrennen und
Durchfall oder reduzierte Nährstoffaufnahme im Darm auftreten:
• Wenn die Speichel-/Tränendrüsen von der systemischen Sklerose betroffen sind, kann es zur Trockenheit im Mund und auch
13
Symptome
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 14
Symptome
•
•
in den Augen kommen. Teilweise fällt es dann z. B. schwer
oder ist gar nicht mehr möglich, trockene Speisen wie Brot zu
schlucken. In Verbindung mit einem verhärteten Zungenbändchen wird das Schlucken zusätzlich erschwert.
Oft ist auch die Speiseröhre nicht von einer Verhärtung verschont.
Die Speiseröhre kann dann die Nahrung nicht mehr richtig
transportieren (Ösophagusmotilitätsstörung). Außerdem kann
der Magenpförtner (Magenausgang) von der systemischen
Sklerose betroffen sein und nicht mehr richtig schließen, so
dass Magensäure in die Speiseröhre zurückläuft und Sodbrennen entsteht. Die Folge sind Schluckbeschwerden und eine
Speiseröhrenentzündung durch den Rücklauf des Magensaftes.
In der Regel ist auch der Darm beteiligt und es kommt zu
Durchfall oder Verstopfung und die Nährstoffaufnahme über
den Darm kann beeinträchtigt sein.
Aufgrund der Störungen im Magen-Darmbereich verliert der Patient
an Körpergewicht und -masse.
Lunge
Neben der Magen- und Darmbeeinträchtigung ist die Lunge
am Zweithäufigsten von der Krankheit betroffen. Die zwei wichtigsten Formen der Lungenbeteiligung sind die Lungenfibrose
(z.B. durch eine fibrosierende Alveolitis) und die Erkrankung der
Lungengefäße, welche zu arteriellem Lungenhochdruck führt
(pulmonal arterielle Hypertonie – PAH).
Durch den bindegewebigen Umbau im ganzen Körper, entwickelt
sich bei manchen Patienten eine Lungenfibrose, die einen Lungenhochdruck verursachen kann. Es kann aber auch ohne bindegewebigen Umbau zu einer Verengung der Lungenarterien und so zu einer
pulmonal arteriellen Hypertonie kommen. Dies erschwert die Sauerstoffaufnahme von der Atemluft in der Lunge ins Blut. Der Sauerstoff aus der Lunge ist aber wie der Sprit an der Tankstelle, den wir
als Brennstoff aufnehmen, um ihn in Energie umzuwandeln. Bleibt
der Brennstoff aus, macht sich das bei uns in Schlappheit und Kurzatmigkeit bei Belastung, z. B. Treppensteigen, bemerkbar.
14
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 15
•
•
Die Lungenfibrose tritt bei ca. 40 Prozent der Patienten mit
systemischer Sklerose auf. Bei der Lungenfibrose kommt es zu
einer vermehrten Bindegewebe-Ablagerung in den sonst sehr
feinen Wänden der Lungenbläschen, ebenso lagert sich Bindegewebe um diese und um die kleinen Luftwege herum ab und
führt so zu Kurzatmigkeit und Atemnot.
Der arterielle Lungenhochdruck (PAH) ist seltener als die
Lungenfibrose: etwa 8 - 16 % der Patienten mit systemischer
Sklerose entwickeln einen Lungenhochdruck. Dabei kommt es
durch eine Verengung und Bindegewebswucherungen (Fibrosierung) der Lungengefäße zu einem verminderten Blutfluss
in den Lungenarterien. Genau genommen ist PAH eine Rechtsherzerkrankung (siehe unten).
Herz
Bei 30 bis 50 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose ist
auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen: Entweder ist die Muskulatur teilweise durch die Sklerosierung geschwächt oder der
Herzbeutel ist verhärtet und somit die Pumpleistung des Herzens
vermindert, auch die Herzklappen können defekt sein. Selten ist
die Herzreizleitung betroffen, so dass echte Herzstörungen wie
Herzrhythmusstörungen auftreten.
Arterieller Lungenhochdruck (PAH)
Die systemische Sklerose kann auch die Blutgefäße der Lunge
betreffen: diese werden immer enger. Damit durch die verengten Lungengefäße eine ausreichende Blutmenge fließt, muss die
rechte Herzhälfte erheblich mehr leisten und gegen den Widerstand der Lungengefäße anpumpen. Im Laufe der Erkrankung
verhärtet sich das Gewebe der Blutgefäße in der Lunge immer
mehr und das Blut wird dadurch mit einem hohen Druck durch
die Gefäße gepumpt (pulmonal arterielle Hypertonie – PAH).
Die PAH ist eine schwere und seltene Erkrankung, die ohne Behandlung lebensbedrohlich sein kann. Kennzeichnend für die PAH
ist ein hoher Blutdruck in den Lungenarterien, also den Blutgefäßen,
die von der rechten Herzhälfte wegführen. Durch die ständig er-
15
Symptome
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 16
Symptome
höhten Druckwerte verschlechtert sich die Sauerstoffaufnahme
des Blutes, so dass die Energiezufuhr des Körpers beeinträchtigt
wird. Müdigkeit, Leistungseinbruch und Kreislaufstörungen sind
die Folge. Mit der Zeit verändern sich die Lungengefäße dauerhaft.
Ihre Wände werden härter und dicker, der Innenraum der Gefäße
kleiner. Der Körper kann immer weniger Sauerstoff aufnehmen.
Im fortgeschrittenen Stadium ist der Erkrankte selbst im Liegen
atemlos. Weil das Blut mit zunehmendem Druck durch die Lungengefäße gepumpt werden muss, vergrößert sich der Herzmuskel
immer mehr, bis das Maximum erreicht wird und das Herz zum
Schluss versagt.
Niere
Bei etwa 45 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose ist die
Niere mit betroffen und kann z. B. ihre Filterfunktion nicht mehr
vollständig ausüben (Niereninsuffizienz). Bei einigen wenigen Patienten kommt es zu einer renalen Krise, also zu einer akuten Verschlechterung, die mit einem steilen Anstieg des Bluthochdrucks,
möglichen Verlust der Niere und Folgeschäden in anderen Organen (z. B. dem Herzen) verbunden sind.
Die Symptome der chronischen Niereninsuffizienz (Nierenversagen) sind vielfältig. Der Verlust des funktionstüchtigen Nierengewebes führt zu einer verminderten Ausscheidung sogenannter
harnpflichtiger, über den Harn ausgeschiedener Substanzen.
Die Betroffenen leiden an Beschwerden im Magen-Darm-Trakt wie
Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen. Auch Sensibilitätsstörungen,
Konzentrationsschwäche und Verwirrtheit können auftreten. Bestimmte Hormone können nicht mehr vollständig ausgeschüttet
werden. Dieses beeinflusst das Blutbild. Zum Beispiel werden zu
wenige rote Blutkörperchen gebildet und eine Blutarmut (Anämie)
besteht. Das macht sich durch eine rasche Ermüdbarkeit, Blässe
und Schlappheit bemerkbar. Veränderungen im Knochenstoffwechsel führen zu Knochenschmerzen. Frauen klagen in einigen Fällen
über Zyklusstörungen oder das Ausbleiben der Menstruation, Männer hingegen leiden vermehrt unter Impotenz. Manchmal neigen
die Betroffenen zur verstärkten Ausbildung von blauen Flecken.
16
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 17
Weitere typische Symptome der Niereninsuffizienz sind Juckreiz,
Wadenkrämpfe und der Geruch der Betroffenen nach Urin (Foetor
uraemicus).
GERD
Erkrankung des Herzens
PAH und ILD
Renale Krise
DU
Häufigkeit von Organbeteiligungen bei systemischer Sklerose
(Schätzungen und/oder Literaturrecherchen)
Raynaud-Syndrom
ca. 99 %
Sklerose der Haut
> 90 %
Ösophagusmotilitätsstörungen
Gelenkbeschwerden
ca. 70 %
> 60 %
Digitale Ulzerationen
30 - 60 %
Herzbeteiligung
30 - 50 %
Nierenbeteiligung
ca. 45 %
Lungenfibrose
ca. 40 %
Arterieller Lungenhochdruck (PAH)
8 - 16 %
17
Symptome
Organbeteiligungen
bei systemischer
Sklerose: Systemische
Sklerose umfasst eine
Reihe organischer
Symptome. Digitale
Ulzerationen kommen
sowohl bei limitierter
wie auch bei diffuser
SSc vor. Bei diffuser
SSc ist die Häufigkeit
von digitalen Ulzerationen jedoch etwas
größer. (DU= Digitale
Ulzera, GERD = gastroösophagealen Refluxkrankheit, ILD= Interstit. Lungenerkr., PAH
= pulmonal-arterielle
Hypertonie ; Walker
et al. Ann Rheum Dis
2007; 66:754–765)
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 18
Symptome –
Übersicht
Symptom/Befund
Limitierte SSc
Diffuse SSc
Hautbefall
Gesicht, Hände,
Vorderarme, Füße,
Unterschenkel
auch an Oberarmen,
Oberschenkeln und
am Rumpf
Fortschreiten
des Hautbefalls
langsam über Jahre
rascher über Monate
Raynaud-Phänomen
meist Auftreten vor den Beginn meist erst
Hautveränderungen.
nach Auftreten von
oft schon jahrelang.
Hautveränderungen
sichtbare Erweiterung
von kleinen Blutgefäßen in der Unterhaut
(Teleangiektasien)
bei ca. 90 Prozent
bei ca. 50 Prozent
Kapillarmikroskopie:
erweiterte und zerstörte Blutgefäßchen
erweiterte Kapillaren
kommen vor, selten
auch zerstörte
beide kommen vor
Lungenfibrose
meist nur leichtgradig
oft stärker ausgeprägt
Lungenhochdruck
bei 8 – 10 Prozent
bei 8 – 10 Prozent
Nierenbefall
bis 45 Prozent
bis 45 Prozent
VerdauungstraktBeteiligung
spätes Auftreten von
Ösophagusmotilitätsstörungen
frühes Auftreten
einer Magen-DarmBeteiligung
Antikörper
gegen Zentromere
bei 70 – 80 Prozent
bei ca. 2 Prozent
Antikörper
gegen SCL-70
bei ca. 15 Prozent
bei ca. 30 Prozent
18
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 19
Wie wird die systemische Sklerose erkannt?
Insbesondere im Anfangsstadium ist die Diagnose nicht immer
einfach und nicht selten, haben die Patienten eine wahre Odyssee
hinter sich, bis die Erkrankung erkannt wird.
Diagnose und Therapie sollten deshalb von einem Experten (internistischer Rheumatologe oder auf SSc spezialisierter Dermatologe)
durchgeführt werden, denn es handelt sich nicht um ein klares
Krankheitsbild, zumal verschiedene Organe auf unterschiedliche
Weise betroffen sein können und es wenig typische Erkennungsmerkmale gibt. Außerdem ist die systemische Sklerose eine seltene
Krankheit, an die – selbst, wenn es Hinweise gibt – nicht sofort gedacht wird. Häufige Diagnosen sind Durchblutungsstörungen oder
Gelenkbeschwerden. Doch diese sind in der Regel nicht mit den für
die systemische Sklerose typischen Gefäß- und Blutveränderungen
verbunden. Dabei ist eine möglichst frühzeitige Erkennung wichtig,
damit eine angemessene Therapie eingesetzt werden und ein Übergang auf andere Organe vermieden oder zumindest verlangsamt
werden kann.
Die frühen Anzeichen der Erkrankung sind Veränderungen in der
Farbe der Finger und Zehen, z.B. bei Temperaturschwankungen von
warm zu kalt (Raynaud-Syndrom). Zusätzlich kommt es zu Schmerzen und Geschwüren an den Spitzen der Finger. Die Haut der Finger- und Zehenspitzen wird zunehmend hart und glänzt im Licht.
Die Verhärtung der Haut breitet sich immer weiter aus. Geschwollene Finger und Gelenkschmerzen können früh in der Erkrankung auftreten und die inneren Organe in Mitleidenschaft gezogen werden.
Die Langzeitprognose hängt von der Art und dem Ausmaß des Befalls der inneren Organe ab. Es ist wichtig, dass alle inneren Organe
auf systemische Sklerose untersucht werden, sowohl durch Laboruntersuchungen als auch durch Funktionstests.
Die Diagnose der systemischen Sklerose wird anhand der klinischen
Symptome, der Untersuchung der Haut und des Blutes, vor allem
über Antikörper-Nachweise gestellt. Hilfreich ist auch die Untersuchung der Blutgefäße im Nagelbett mittels Lichtmikroskop
(Kapillarmikroskopie).
19
Diagnostik
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 20
Diagnostik
Welche klinischen Symptome treten auf?
Der Arzt betrachtet die körperlichen Symptome nach verschiedenen Fragestellungen.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Kommen die Hautverhärtungen am ganzen Körper vor,
inklusive Arme, Beine, Rumpf oder Kopf?
Sind nur Hände und Füße von den Verhärtungen betroffen?
Wie sehen die Finger aus?
Liegt ein Raynaud-Syndrom vor?
Tauchen Kalkablagerungen auf?
Gibt es Narben oder Weichteilverluste an den Fingerspitzen
oder an den Weichteilen von Zehen- und Fußsohlen?
Tauchen sichtbare Veränderungen an den Nagelhäutchen auf?
Ist das Zungenbändchen elastisch?
Wie sehen die Gelenke bzw. die Haut um die Gelenke aus?
Wie sieht die Haut aus?
• Das Auftreten von harter Haut weist auf die Diagnose systemische Sklerose hin. Beim Zusammenschieben der Haut mit den
Händen wirft die Haut kaum noch Falten.
• Bei der Morphea finden sich am Anfang rote oder violette
Ränder des betroffenen Hautareals: ein Hinweis auf die Entzündung der Haut. Später wird die Haut braun und oder auch
weiß. Bei dunkelhäutigen Menschen kann die Haut wie bei
einer Verletzung aussehen, bevor sie ebenfalls weiß wird.
• Um die Hautstruktur genauer zu untersuchen, wird oft (v. a. bei
Morphea) eine Biopsie gemacht: es wird ein Stück Hautgewebe
entnommen und mikroskopisch durchleuchtet.
• Eine weitere Untersuchungsmethode ist die Palpation („Streicheln“)
der Haut. Hierbei wird die Dicke der Haut in einer Skala von
0 (normale Dicke) bis 3 (schwerwiegende Hautdicke) beurteilt.
(Rodnan-Skin-Score)
20
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 21
Diagnostik
Welche Laboruntersuchungen sind von Bedeutung?
1. Antikörpernachweis
Bei der systemischen Sklerose handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit. Sie kann mit bestimmten, sogenannten antinukleären Antikörpern (ANA) nachgewiesen und auch eine Vorhersage
des Verlaufs der Krankheit (Prognose) gemacht werden.
Einzelne Antikörper-Subtypen entsprechen oft bestimmten Krankheitsbildern. Wahrscheinlich tauchen antinukleäre Antikörper schon
vor Ausbruch der Krankheit auf. Deswegen ist eine frühe Diagnose
mit dem Nachweis bestimmter Antikörper von hoher Bedeutung.
Bei etwa 90 Prozent der Patienten mit systemischer Sklerose gelingt
der Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA) in einer bestimmten
Untersuchungsmethode, der Immunfluoreszenz. Die Höhe der Antikörper-Titer sagt jedoch nichts über den Schweregrad der Erkrankung aus und beweist diese nicht.
Anti-Scl70
(Topoisomerase I)
Wichtige Antikörper für die Diagnose*
Autoantikörper gegen Überwiegende klinische Symptome
häufig
Topoisomerase I (Scl-70) schwere diffuse systemische Sklerose, früher
Befall innerer Organe, Lungenfibrose
(ca. 40 – 70 Prozent)
Zentromer
(ca. 45 – 90 Prozent)
limitierte systemische Sklerose, CREST, langsames Voranschreiten, Lungenhochdruck
RNA-Polymerase
(ca. 5 – 20 Prozent)
diffuse systemische Sklerose, häufig Herzund Nierenbeteiligung
selten
Fibrillin
schwere diffuse systemische Sklerose, häufig
Lungen-, Muskel- oder Magen-Darm-Beteiligung
To (Th-RNP)
Akrale Sklerodermie, häufig Lungenbeteiligung
U1-RNP
Sharp-Form (Overlap-Syndrom)
Pm-Scl
Sharp-Form (Overlap-Syndrom) mit
Arthritis, Myositis und Hautbeteiligung
Ku
Sharp-Form (Overlap-Syndrom) Myositis
*Die Bezeichnung der Antikörper folgt komplexen chemischen Namensschlüsseln und wird hier nicht näher erläutert.
21
Anti-Zentromer-AK
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 22
Diagnostik
2. Weitere Blutuntersuchungen
• Bei einem Drittel der Fälle ist der Rheumafaktor positiv.
• Oft ist die Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG)
erhöht und
• bestimmte Eiweiße (Immun-Globuline) sind vermehrt.
• Ein Differentialblutbild macht Aussagen über die zelluläre
Zusammensetzung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten).
• Über das Blut können Nierenwerte und der Urinstatus bestimmt werden.
Kapillarmikroskopie: Untersuchung des Nagelbettes
Die Beurteilung der Durchblutung der kleinsten Gefäße, also der
Mikrozirkulation, gelingt nicht mit den üblicherweise für die Gefäßdiagnose verwendeten Untersuchungsgeräten (UltraschallDoppler, Duplexsonographie, Oszillographie). Daher haben andere
Verfahren zur Beurteilung der Mikrozirkulation in den letzten Jahren ihren Platz in der Diagnostik gefunden.
Bei der Kapillarmikroskopie wird durch eine lichtmikroskopische
Einrichtung der Aufbau und der Blutdurchfluss der Kapillaren und
in der Haut betrachtet und beurteilt. Dazu eignet sich besonders
der Nagelfalz, bzw. das Nagelhäutchen der Finger, aber auch der
Füße, denn hier sind die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) in ihrer
gesamten Struktur erkennbar. So können organische Kapillarschädigungen oder -erkrankungen erkannt werden.
Über den Aufbau und die räumliche Verteilung dieser kleinsten
Gefäße, sowie aus dem erkennbaren Blutfluss, lassen sich Aussagen über Störungen der Mikrozirkulation und eine daraus folgende Mikroangiopathie treffen. Auch der Schweregrad einer
Hautdurchblutungsstörung ist mit dieser Methode erfassbar und
macht es möglich, das Risiko und die Prognose von Hautschädigungen abzuschätzen.
Welche inneren Organe sind betroffen?
Über die Hälfte der systemischen Skleroseerkrankten entwickelt
22
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 23
Diagnostik
eine Beteiligung der inneren Organe. Der Verlauf der Erkrankung
hängt eng mit dem Verlauf und dem Ausmaß der Organbeteiligung zusammen. Deswegen ist eine regelmäßige Kontrolle der
Organsysteme wichtig.
Überprüfung der Lungenbeteiligung
Aufgrund besserer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten hat sich
die Situation von Patienten mit systemischer Sklerose und Lungenbeteiligung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Je länger ein
Patient betroffen ist, umso größer wird das Risiko, dass seine Lunge
von der Krankheit beeinflusst wird. Atemnot, eine verminderte Belastbarkeit und Husten treten auf. Oft treten diese Beschwerden
recht spät auf, wenn die Lungengefäße bereits geschädigt sind.
•
•
•
•
Eine Lungenbeteiligung kommt bei mehr als 50 Prozent der
Patienten mit systemischer Sklerose vor, wobei die Art und das
Ausmaß des Lungenbefalls unterschiedlich sind (z. B. Lungenfibrose, PAH). Bei Diagnosestellung einer systemischen Sklerose
sollte der Patient deswegen auf eine Lungenbeteiligung untersucht werden (Lungenfunktionsprüfung, Röntgen der Lunge).
Es ist wichtig, die Therapie in einem möglichst frühen Stadium
des Lungenbefalls zu beginnen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich auch Patienten mit
systemischer Sklerose, die keine Lungenbeschwerden haben,
regelmäßig untersuchen lassen. Es wird empfohlen, bereits
nach 6 Monaten eine klinische (Symptome, körperliche Untersuchung) und lungenfunktionelle Kontrolle zu machen.
Gibt es auch dann keine Hinweise auf Lungenbeteiligung, wird
empfohlen, weiterhin jährlich die Lunge untersuchen zu lassen,
da Veränderungen an der Lunge oft erst spät im Röntgenbild
sichtbar werden.
Bei Hinweisen auf eine Lungenbeteiligung erfolgen weitere
vertiefende Untersuchungen (großer Lungenfunktionstest,
Computertomographie oder Lungenspiegelung), die möglichst
an einem erfahrenem Zentrum erfolgen sollten.
Mithilfe einer Röntgenaufnahme des Brustkorbes kann der Arzt
23
Röntgen-Thorax
Lungenbeteiligung /
bilaterale basale
Lungenfibrose
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 24
Diagnostik
das Körperinnere beurteilen; vor allem Lunge und Herz. Bei Lungenhochdruck können an diesen beiden Organen typische Veränderungen sichtbar werden.
Lungenfunktionsuntersuchung
Mit der so genannten Spirometrie kann das ein- bzw. ausgeatmete
Luftvolumen, das Atemvolumen, gemessen werden. Dabei muss
der Patient mittels eines Mundstücks über das Messgerät, das Spirometer, atmen. Für genauere Messungen benötigt man beispielsweise die Bodyplethysmographie. Sie ermöglicht eine Analyse der
gesamten Atemmechanik. Ein Bodyplethysmograph ist eine meist
700 bis 1 000 Liter fassende luftdicht verschließbare Glaskabine.
Mit ihm ist es möglich, sowohl das Atemvolumen als auch den
Widerstand des Bronchialsystems zu messen. Der Arzt kann dann
anhand der Messergebnisse entscheiden, ob und in welchem Umfang die Funktion der Lunge krankhaft verändert ist.
Belastungstest
Wenn die Ergebnisse des Lungenfunktionstests unauffällig waren, die
betroffene Person aber über Symptome bei Belastung klagt, kann eine
Spiroergometrie mit einem Laufbandbelastungstest weiterhelfen.
Eine weitere Möglichkeit zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist
der 6-Minuten-Gehtest: Der Patient wird gebeten, sechs Minuten
lang auf ebenem Boden möglichst weit zu gehen. Die zurückgelegte Wegstrecke wird in Metern gemessen. Das Ergebnis lässt sich mit
den Werten gesunder Menschen vergleichen bzw. kann bei wiederholten Tests Aufschluss geben, ob sich die körperliche Belastbarkeit
verschlechtert oder – während einer Behandlung – verbessert hat.
Computertomographie
Die Computertomographie der Lunge, insbesondere die Dünnschicht-Computertomographie (HRCT) ermöglicht die Darstellung
von Veränderungen des Lungengewebes, welche im konventionellen Röntgenbild nicht erkannt werden können. In der frühen, aktiven Phase des bindegeweblichen Umbaus finden sich bestimmte
typische Verschattungen, beim fortgeschrittenen Umbau unter
den deutlichen Veränderungen sichtbar.
24
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 25
Lungenspiegelung
Bei der Lungenspiegelung (Bronchoskopie) wird unter Lokalbetäubung und mit Gabe von Beruhigungsmitteln ein dünnes Kunststoffrohr den Luftweg entlang in die Lunge geführt. Von dort wird
etwas Lungensekret eingesammelt. Die Zellen dieser Flüssigkeit
werden dann unter dem Mikroskop untersucht. In der Frühphase
einer systemischen Sklerose finden sich vor allem aktive Immunzellen (z. B. Lymphozyten oder Granulozyten).
Im Rahmen der Lungenspiegelung kann auch eine Biopsie durchgeführt werden, bei der kleine Gewebestücke von der Lungenperipherie entnommen werden. Diese können dann unter dem Mikroskop analysiert werden.
Lungenbiopsie
Ein größeres Stück Lungengewebe kann durch eine offene von
außen oder eine thorakoskopische (durch die Luftröhre, mittels
videoassistierter Chirurgie) Lungenbiopsie entnommen werden.
Beide Eingriffe finden in Vollnarkose im Operationssaal statt.
Die Herzbeteiligung wird oft unterschätzt
Oft bleibt es unentdeckt, dass das Herz betroffen ist. Dabei ist das
Herz relativ häufig in der Symptomatik einer systemischen Sklerose
beteiligt. Zum Beispiel können, allerdings sehr selten, Herzrhythmusstörungen auftreten. Vor allem aber entwickelt sich bei Patienten mit
systemischer Sklerose relativ häufig (10 bis 40 Prozent) ein Lungenhochdruck. Lungenhochdruck ist, auch wenn der Name auf die Lunge hinweist, eigentlich eine Rechtsherzerkrankung, die die Herzlungengefäße betrifft. Kennzeichnend für den Lungenhochdruck ist ein
hoher Blutdruck in den Lungenblutgefäßen. Da Lungenhochdruck
insbesondere bei Patienten mit systemischer Sklerose relativ häufig
vorkommt, wird empfohlen, Patienten mit systemischer Sklerose jährlich auf Lungenhochdruck mithilfe einer Echokardiographie zu untersuchen. Zusätzlich muss eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung zu
Beginn die Diagnose sichern.
25
Diagnostik
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 26
Diagnostik
Elektrokardiogramm (EKG)
Das EKG gibt Auskunft über den Zustand des Herzens, d. h. über
Herzrhythmus und -frequenz und Störungen der Taktgeberfunktion (z. B. bei Herzrhythmusstörungen).
Im Herz befindet sich ein spezielles Reizbildungs- und -leitungssystem, in dem elektrische Erregung entsteht und sich ausbreitet. Dadurch wird das regelmäßige Pumpen des Herzens überhaupt erst
möglich. Diese elektrische Aktivität des Herzens wird mit Hilfe eines Elektrokardiogramms (EKG) gemessen und in Form von Kurven
aufgezeichnet. Dazu werden im Liegen auf den Armen, Beinen und
dem Brustkorb Elektroden angebracht. Die Aufzeichnung kann sowohl auf einem Bildschirm als auch auf Millimeterpapier erfolgen.
Echokardiographie: Screening auf Lungenhochdruck
Die Echokardiographie ist eine Herzuntersuchung per Ultraschall,
mit der beispielsweise die Herzgröße, die Dicke der Herzwände, die
Bewegung der Herzklappen und die Druckverhältnisse im Herzen
beurteilt werden. Sollte – typischerweise – die rechte Herzhälfte
bereits durch den Lungenhochdruck geschädigt sein, kann der Arzt
das mit dieser Methode erkennen. Außerdem lässt sich der Blutdruck in der Lungenarterie (siehe Blutgefäße) abschätzen, da die
Druckverhältnisse in der rechten Herzkammer ähnlich sind wie die
in der Lungenarterie.
Rechtherzkatheter-Untersuchung: Wirklich Lungenhochdruck?
Eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung ist notwendig, damit die
Diagnose „Lungenhochdruck“ ganz sicher bestätigt oder eventuell
ausgeschlossen werden kann. Diese Untersuchung ist ein bewährtes Verfahren. Es wird überwiegend in speziellen medizinischen
Zentren von erfahrenen Ärzten durchgeführt. Nur bei dieser wichtigen Untersuchungsmethode wird der Druck in den Blutgefäßen
der Lunge genau und direkt gemessen.
26
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 27
Funktioniert die Niere noch richtig?
Ein frühes Erkrankungsstadium und eine Therapie mit hoch dosiertem Kortison sind Risikofaktoren für eine Schädigung der Niere des
Patienten mit systemischer Sklerose. Schon kleine Störungen im
System „Niere“ können zu Bluthochdruck führen. Der Blutdruck
muss deshalb bei diesen Patienten engmaschig kontrolliert werden.
Bestimmung der Nierenfunktion
Wie gut arbeiten die Nieren noch? Wie kann man die Nierenfunktion
eines Patienten zuverlässig und genau bestimmen? Diese Fragen
wurden intensiv erforscht, denn die Messung der Nierenfunktion ist
nicht einfach. Verschiedene Messmethoden und Berechnungsverfahren wurden im Laufe der Zeit entwickelt. Hierzu zählen
• einfache Bestimmung des Kreatinins im Blut des Patienten (Serum)
• Urinsammelmethode mit Bestimmung der Kreatinin-Ausscheidung im 24 h Sammelurin
• nuklearmedizinische Methoden mit Tracer-Substanzen wie
z. B. DTPA (Diethylentriaminpentaessigsäure), die über die Niere
ausgeschieden werden (DTPA-Clearance)
• Berechnung der glomerulären Filtrationsrate
• Bestimmung der Kreatinin- oder der Cystatin C-Clearance
Wie wird eine Morphea (zirkumskripte Sklerodermie) erkannt?
Die Diagnose wird anhand der typischen Hautbefunde gestellt.
Die Morphea beginnt meist mit kleinen roten Flecken, vor allem an
Armen, Beinen oder am Rumpf. Diese vergrößern sich sehr langsam,
später verhärtet sich die Haut im Zentrum, umgeben von einem rötlichen Ring. Die Hautherde können band- oder ringförmig, länglich,
knotig oder geschwürig und von weißer, rötlicher oder – später –
brauner Farbe sein. In den meisten Fällen überschreiten die Flecken
nicht eine bestimmte Größe. Bei starker Ausprägung kann es zu beträchtlicher Narbenbildung und Schrumpfung von Haut und Unterhaut kommen, die v. a. im Bereich von Gelenken zur Einschränkung
der Beweglichkeit führen kann.
27
Diagnostik
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 28
Diagnostik
Manchmal kann die Morphea auch das Gesicht und die behaarte
Kopfhaut betreffen. Bei der zirkumskripten Sklerodermieform gibt
es in der Regel keinen Hinweis auf eine Autoimmunkrankheit.
Trotzdem werden bei Kindern mit Morphea in seltenen Fällen auch
ANA-Antikörper nachgewiesen. Die Bluttests sind in der Form
meist normal und die inneren Organe nicht betroffen.
28
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 29
Wie wird die systemische Sklerose behandelt?
Da die Ursache der systemischen Sklerose bisher nicht bekannt ist,
können nur die Symptome behandelt werden. Diese treten aber nicht
alle auf einmal oder in vollständiger Ausprägung auf. Experten empfehlen deswegen, zu Beginn der Erkrankung eine aufwendigere Untersuchung durchzuführen, um das individuelle, charakteristische Befallsmuster verschiedener Organe zu erkennen. Anhand dieser Befunde
lässt sich dann eine angemessene Therapie einleiten und eine sinnvolle Zusammenstellung von Kontrolluntersuchungen realisieren.
Derzeit gibt es noch keine Therapie bei SSc, die die Erkrankung
heilen könnte. Die Behandlung konzentriert sich daher zunächst
darauf, den Krankheitsprozess zu verlangsamen, die Beschwerden
zu lindern und die Beweglichkeit der Gelenke zu erhalten.
Wichtig sind daher:
•
•
•
•
•
Krankengymnastik
Ergotherapie
physikalische Therapie
Wärmebehandlung
Massagen
Ein weiterer Bestandteil der Behandlung ist die Gabe von durchblutungsfördernden und gefäßerweiternden Medikamenten, die
z. B. auch der Fibrose entgegen wirken. Dazu gehören EndothelinRezeptor-Antagonisten wie Bosentan, Prostazykline, PDE-5-Hemmer wie Sildenafil sowie Kalzium-Kanalblocker und ACE-Hemmer.
Der Verlauf der Erkrankung kann zudem mit Medikamenten verlangsamt werden, die die Reaktion des Immunsystems abschwächen.
Zu diesen Immunsuppressiva (s. u.) gehören im Anfangsstadium
Methotrexat (MTX) und bei Lungenbeteiligung Cyclophosphamid.
Für die Diagnosestellung und Therapieeinleitung in Ihrem speziellen
Fall wenden Sie sich am besten an ein Fachzentrum für systemische
Sklerose (siehe ab Seite 41).
29
Therapie
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 30
Therapie
Immunsuppression
Da die systemische Sklerose eine Autoimmunerkrankung ist, werden vor allem bei einem schnellen Verlauf mit hoher entzündlicher
Aktivität Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken. Hierzu gehören:
•
•
•
•
Methotrextat wird zur Unterdrückung der Gelenkentzündung
eingesetzt. Diese Substanz ist ein Folsäure-Antagonist (Gegenspieler).
Cyclophosphamid bei schwerer Lungenbeteiligung
Azathioprin ist eine Substanz, die u. a. die Vermehrung der
T- und B-Zellen des Immunsystems blockieren kann.
Ciclosporin A hemmt gezielt das Enzym Calcineurin. Dieses ist
an der Bildung eines bestimmten Botenstoffes beteiligt. Fehlt
dieser Botenstoff werden keine T-Lymphozyten mehr gebildet.
Raynaud-Syndrom
Das sekundäre Raynaud-Syndrom ist ein unangenehmes und oft
sehr schmerzhaftes, aber in den allermeisten Fällen nicht gefährliches Symptom der systemischen Sklerose. Medikamentös kann das
Raynaud-Syndrom noch nicht ursächlich behandelt werden, oft werden jedoch gefäßerweiternde Substanzen eingesetzt z. B. Kalziumantagonisten (siehe Kapitel Lungenhochdruck), ACE-Hemmer, aber
bei schweren Fällen auch Prostazykline (nicht zugelassen).
Sie selber können ebenfalls dazu beitragen diese Durchblutungsstörungen zu vermeiden oder zu mindern:
•
•
•
•
30
Den Körper, insbesondere die äußeren Körperteile (Hände,
Finger, Füße, Zehen, Nase, Ohren), vor Kälte schützen.
Nicht Rauchen und verrauchte Räume meiden.
Regelmäßig Sport treiben, um die Durchblutung zu verbessern.
Stressbewältigungsmethoden (z. B. Autogenes Training) erlernen.
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 31
Haut, Gelenke und Muskulatur
• Gegen die Gelenkschmerzen wirken nichtsteroidale Antirheumatika. Dieses sind Medikamente deren Wirkstoffe keine Steroide
sind, also nicht das typische chemische Baugerüst von Kortisonverbindungen oder Sexualhormonen haben. Hiermit grenzt sich
diese Medikamentengruppe von den Glukokortikoiden ab.
• Während der entzündlichen Schübe werden zum Teil kurzzeitig
Glukokortikoide (kortisonähnliche Substanzen) verschrieben.
Auch hier sind physiotherapeutische Behandlungen sinnvoll.
• Bei längerer Gelenkbeteiligung kommt wie beim klassischen
Rheuma Methotrexat zum Einsatz.
Physiotherapie
Da es sich um eingreifende Therapiemaßnahmen handelt, sind
häufig Klinikbehandlungen notwendig. Darüber hinaus sind regelmäßige krankengymnastische Übungen und LymphdrainageBehandlungen angezeigt. Auch Bindegewebsmassage, Kohlensäurebäder, Elektrotherapie und Wärmebehandlungen finden
Anwendung. Die physikalische Therapie ist sehr wichtig, um die
Schmerzsymptomatik zu lindern und eine frühe Bewegungsunfähigkeit zu vermeiden.
Digitale Ulzerationen
Zur Verminderung der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen (offene
Wunden an Finger- und Zehenspitzen), die sehr schmerzhaft sind
und im Extremfall bis zum Verlust der betroffenen Gliedmaßen
führen können, ist seit 2008 in Deutschland ein erstes Medikament
zugelassen worden.
Bosentan ist ein sogenannter dualer Endothelin-Rezeptor-Antagonist, der bereits seit 2002 zur Behandlung von Lungenhochdruck
eingesetzt wird (siehe Lungenhochdruck S. 15). Seit 2008 ist dieses
Medikament auch zur Reduktion neuer digitaler Ulzerationen (DU)
zugelassen. Der Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan kann bei
Patienten mit systemischer Sklerose, die an digitalen Ulzerationen
leiden, das Auftreten weiterer DU verhindern.
31
Therapie
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 32
Therapie
Wie wirkt Bosentan?
Der Wirkstoff Bosentan hemmt den natürlich vorkommenden Botenstoff Endothelin (ET). Dieser Botenstoff bewirkt eine Verengung
der Blutgefäße, eine chronische Entzündungsreaktion und auf Dauer einen Umbau in den Gefäßen. Dies geschieht, indem Endothelin
zunächst an zwei spezifische Bindungsstellen an den Zellen (so
genannte ETA- und ETB-Rezeptoren) andockt. Spezifisch bedeutet,
dass an diese Rezeptoren nur Endothelin binden kann, so wie ein
Schlüssel, der nur in zwei Schlüssellöcher in einem Haus passt.
Durch diese Bindung können die Türen geöffnet und bestimmte
chemische Reaktionen bewirkt werden. Die beiden EndothelinRezeptoren ETA und ETB unterscheiden sich in denen von ihnen
ausgelösten Wirkungen.
Im gesunden Organismus gibt es ein Zusammenspiel zwischen
gefäßerweiternden und gefäßverengenden Stoffen, so dass der Körper je nach Bedarf die Blutzufuhr in den Gefäßen verringern oder
erhöhen kann. Im Krankheitsfall kann dieses Gleichgewicht jedoch
gestört sein. Es gibt verschiedene Strategien, dieses Gleichgewicht
wiederherzustellen. Eine ist zu verhindern, dass Endothelin an die
Rezeptoren dockt und seine Wirkung entfalten kann.
Das passiert z. B. durch Bosentan, dem sogenannten dualen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Antagonist = „Gegenspieler“).
Gemeint ist, dass anstatt des Endothelins nun Bosentan an die
Schlüssellöcher, sprich Rezeptoren, bindet. Anders als beim Andocken von Endothelin, kommt es beim Andocken von Bosentan zu
keiner chemischen Reaktion. Da der eine Rezeptor die Aufgabe des
zweiten übernehmen kann, bindet Bosentan an beide Rezeptoren,
deswegen dual.
Bei schweren Ulzerationen oder möglicher Infektion werden in der
Regel intravenös Prostazykline (nicht zugelassen) mit und ohne
Antibiotika eingesetzt.
32
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 33
Verdauungstrakt (Mund, Speiseröhre, Magen- und Darmtrakt)
• Die Gabe eines Prokinetikums kann die Beweglichkeit des
Magen-Darm-Trakts im Frühstadium dieser Begleitsymptome
Erkrankung verbessern. Die aggressive Wirkung der Magensäure kann durch Säureblocker (Protonenpumpeninhibitoren
in ausreichend hoher Dosierung bis zum Verschwinden der
Symptome) gedämpft werden.
• Beschwerden im Darmtrakt können je nach Art unter anderem
durch Zusatzernährung, mit Antibiotika, mithilfe eines Abführmittels oder eines Stopfmittels gemildert werden. Selbsthilfegruppen empfehlen zudem Biofeedbacktrainings des Schließmuskels.
Lunge
Je nach Beschwerden kann eine Atemschulung, Atemgymnastik,
Bindegewebsmassage, Inhalation mit entzündungshemmenden
Medikamenten oder Kortison helfen. Antibiotika können bei
Infektionen verschrieben werden.
Wichtig ist die rechtzeitige Behandlung einer Lungenfibrose und
des Lungenhochdrucks (der eigentlich eine Herzerkrankung ist).
Wie und wie lange eine Therapie durchgeführt wird und wie häufig die Kontrollen stattfinden, kann von Expertenzentrum zu Expertenzentrum variieren, je nachdem, welche Erfahrungen bisher
gemacht wurden. Zudem muss die Therapie an jeden einzelnen
Patienten individuell angepasst werden (je nach Alter, Krankheitsverlauf, Therapieziel).
Therapie einer Lungenfibrose
• Die Lungenfibrose verläuft zum Teil sehr unterschiedlich. Deswegen gibt es auch hier keine einheitliche Therapie. Eingesetzt
werden vor allem Medikamente, welche anti-entzündlich wirken oder solche, die auf das körpereigene Abwehrsystem wirken. Am häufigsten wird bei schweren Fällen Cyclophosphamid
in Kombination verabreicht.
Bei der Therapie ist eine regelmäßige Kontrolle des Blutbildes,
des Blutzuckers, der Organwerte und des Blutdruckes notwendig.
33
Therapie
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 34
Therapie
Herz
Ist das Herz beteiligt, werden je nach Diagnose entzündungshemmende oder das Herz entlastende Medikamente verordnet. Liegt ein Lungenhochdruck vor, muss eine spezifische Therapie eingesetzt werden.
Therapie eines Lungenhochdrucks
Zur Behandlung von Lungenhochdruck gibt es verschiedene mögliche Therapien
a) Basistherapeutika
• Mit der Sauerstofftherapie kann die Atemnot gelindert und das
Allgemeinbefinden verbessert werden. Die Therapie wird meist
in der Klinik eingeleitet und kann zuhause mit entsprechenden
Flüssiggassystemen fortgesetzt werden.
• Oft sind Blutgerinnsel bei der Entstehung aber auch im Verlauf
des Lungenhochdruckes beteiligt, die die verengten Gefäße zusätzlich zur Verengung verstopfen. Deswegen wird in diesem
Fall eine Behandlung mit Blutgerinnungshemmern empfohlen.
• Bei Lungenhochdruck kann es, wie bei anderen Herzerkrankungen, zu einem Rückstau von Flüssigkeit in den Körper kommen,
da das Herz nicht mehr in der Lage ist, das gesamte Blutvolumen zu pumpen. Damit die angesammelte Flüssigkeit wieder
aus dem Gewebe ausgeschwemmt wird, kann Ihnen der Arzt
Diuretika verschreiben. Die Flüssigkeit wird dem Gewebe wieder entzogen und mit dem Harn ausgeschieden, dadurch wird
das Herz wieder entlastet.
b) Spezifische Therapeutika:
• Kalziumantagonisten, die gegen den Körperbluthochdruck eingesetzt werden, können bei einigen Patienten mit Lungenhochdruck auch den Blutdruck in den Lungengefäßen senken. In der
Regel wird ein Lungenhochdruck mithilfe der Rechtsherzkatheteruntersuchung gesichert, bevor überhaupt eine Therapie eingeleitet wird. Bei dieser Untersuchung kann der Arzt testen, ob
die betroffene Person auf Kalziumantagonisten reagiert, d. h.,
ob sich bei ihr der Blutdruck in den Lungengefäßen damit vermindern lässt. Allerdings sprechen nur etwa 10 Prozent auf
Kalziumantagonisten an und können damit behandelt werden.
34
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 35
•
•
•
•
Prostazyklin ist eine im Körper natürlich vorkommende Substanz, die gefäßerweiternd wirkt. Bei Lungenhochdruck kann
Prostazyklin oder eine prostazyklinähnliche Substanz als Lösung
zum Inhalieren oder als Dauerinfusion verabreicht werden
Gefäßerweiternd wirken die so genannten Phosphodiesterase5-Hemmer (PDE-5-Hemmer). Ihre Wirkung kann sich besonders
in den verengten Lungengefäßen entfalten.
Beim Lungenhochdruck ist Endothelin in den Gefäßen in erhöhten Mengen vorhanden. Wie oben beschrieben, spielt Endothelin eine wichtige Rolle bei der Gefäßverengung, bei entzündlichen Prozessen und beim Umbau der Blutgefäße.
Deswegen werden Endothelin-Rezeptor-Antagonisten bei Lungenhochdruck eingesetzt.
Insbesondere, wenn sich der Lungenhochdruck unter Einsatz
von einem Medikament nicht wesentlich verbessert, oder sich
der Zustand verschlechtert, werden mehrere Medikamente eingesetzt. Jedes Medikament wirkt nach einem anderen Mechanismus. Mit der Kombinationstherapie können sich eventuell
mehrere Effekte günstig auswirken. Dies sollte unbedingt von
einem Experten in einem Zentrum für Lungenhochdruck entschieden werden, da größere Studien hierzu noch fehlen.
Niere und Bluthochdruck
Ist die Niere befallen, macht sich das an einer verminderten Nierenfunktion (der Kreatiningehalt im Urin ist ausschlaggebend) und
Bluthochdruck bemerkbar.
•
Blutdrucksenkende Medikamente aus der Klasse der sogenannten ACE-Hemmer sollen in der Lage sein, die Filterfunktion der
Niere zu verbessern. Diese müssen im Notfall sofort in hoher
Dosis eingesetzt werden. Sie haben in der Langzeittherapie zudem einen günstigen Einfluss auf den Bluthochdruck, so dass
sie sich zu den wichtigsten Therapeutika in der Behandlung
der Nierenstörung bei systemischer Sklerose entwickelt haben.
Zusammengefasst kann man sagen, dass es bisher keine ursächliche Therapie zur Behandlung von systemischer Sklerose gibt.
35
Therapie
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 36
Therapie
Allerdings können mit der symptomatischen Therapie, je nachdem
welche Beschwerden auftreten, Organschäden vermieden oder gemildert werden und der gesamte Krankheitsprozess kann positiv beeinflusst werden.
Die Therapie der systemischen Sklerose richtet sich in erster Linie
nach den Symptomen der Erkrankung
Hautsklerose
Hautpflege, kein Nikotin, Schwefel- oder CO2 Bäder, leichte Massagen
Raynaud-Syndrom
blutgefäßerweiternde Substanzen
Wundbehandlung, Reduktion der Anzahl
neuer digitaler Ulzerationen mit Bosentan,
Digitale Ulzerationen
in schweren Fällen Antibiotika und intravenös
Prostazykline
Lungenbeteiligung
Fibrose: eventuell Cycolphosphamid, PAH:
z.B. Iloprost oder Phosphodiesterase-Hemmer
oder Endothelin-Rezeptor-Antagonisten + unterstützende Maßnahmen
Magenbeteiligung
Protonenpumpenhemmer
Nierenbeteiligung
spezielle Bluthochdruckmedikamente
36
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 37
Was Sie selbst tun können!
Da die Ursachen dieser Krankheit unbekannt sind, gibt es keine
erprobten, vorbeugend (prophylaktisch) wirkenden Maßnahmen.
Die Symptome der einmal entstandenen systemischen Sklerose
lassen sich jedoch durch einige Maßnahmen mildern:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Bewegungstherapie bei Versteifung der Finger.
Leichte regelmäßige Bewegungsübungen lindern die Beschwerden.
Sorgfältige Hautpflege mit fettigen Cremes.
Gegen die Beschwerden seitens des Raynaud-Syndroms:
• Schutz vor Kälte durch warme Handschuhe und Schuhe,
gute Hautpflege. Neben Händen und Füßen ist auch der
Körper warmzuhalten (Unterhemd, langärmelige Kleidung).
• Während eines Raynaud-Anfalls: die Hände und Zehen
wärmen (Taschenöfen und Wärmepackungen können helfen).
• Aktive körperliche Betätigung lindert Kältegefühl und Schmerz.
• Es empfiehlt sich, den Jahresurlaub in den kalten Wintermonaten in südlichen Ländern zu verbringen.
• Gute Hautpflege und Schutz (Gummihandschuhe) beugen
Verletzungen vor.
Enge Kleidung, kratzende Stoffe oder Druckstellen meiden.
Pfefferminzhaltige Bonbons oder Kaugummis bessern die
Mundtrockenheit.
Häufige kleine Mahlzeiten erleichtern die Schluckbeschwerden.
Höhere Lagerung des Oberkörpers beim Schlafen kann den Reflux
von Speisebrei aus dem Magen in die Speiseröhre reduzieren.
Keine späten Abendmahlzeiten.
Bei der „Hautform“ wurde beobachtet, dass die Verhärtungen
besonders dort entstehen, wo Druck auf die Körperoberfläche
ausgeübt wird, etwa im Bereich von engen Hosen oder beim
BH. Das Tragen genug weiter Kleider kann das Voranschreiten
der systemischen Sklerose an diesen Stellen aufhalten.
Regelmäßige Impfungen (Grippe, Pneumokokken usw.).
37
Allgemeine
Verhaltenstipps
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 38
Allgemeine
Verhaltenstipps
Zusammengefasst:
Kälte meiden (Handschuhe, „Handschuhöfen“!)
Rauchen: NEIN!
Nicht im Liegen essen oder trinken
Haut- und Schleimhautpflege
Gefäßerweiternde Salben/Gele für Hände und Füße
Physiotherapie, Krankengymnastik, Massagen
Atemtherapie
Bei systemischer Sklerose mit Lungenbeteiligung sind zusätzlich
folgende Hinweise wichtig:
Körperliche Belastung
Bei körperlicher Belastung sollte eine Überlastung unbedingt vermieden werden, da es hierbei zu einem weiteren Druckanstieg in
den Lungengefäßen kommen kann. Das Symptom Luftnot ist entscheidend: Sobald Luftnot auftritt, ist dies ein Zeichen, die Belastung abzubrechen oder zu reduzieren. Allerdings haben kürzlich
durchgeführte Untersuchungen gezeigt, dass ein unter ärztlicher
Kontrolle angeleitetes, dosiertes Ausdauertraining auch zusätzlich
zu einer medikamentösen Therapie die körperliche Belastbarkeit
und die Lebensqualität bei pulmonal arterieller Hypertonie positiv
beeinflussen kann. Tägliche, langsam steigernde Spaziergänge sind
ein bewährtes Atemtraining, schützen vor Osteoporose und helfen
gegen depressive Verstimmungen.
Aufenthalt in großer Höhe:
Aufenthalte in Höhen über 2 000 m sollten bei pulmonal arterieller
Hypertonie vermieden werden, da durch die hier herrschende geringere Sauerstoffdichte der Sauerstoffmangel im Körper vergrößert
würde. Dieses kann auch auf die Benutzung von Verkehrsflugzeugen zutreffen, da der Kabinendruck in der Regel einer Höhe von
2 500 Metern entspricht. Die Gabe von Sauerstoff kann nach vorheriger Beratung durch den betreuenden Arzt hier ggf. sehr sinnvoll
sein, falls sich der Aufenthalt in der Höhe nicht vermeiden lässt.
38
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 39
Die systemische Sklerose kann man nicht heilen, aber den Verlauf
wesentlich beeinflussen und die Lebensqualität verbessern.
Das Erkrankungsbild ist bei jedem Patienten anders und tritt meist
nur mit einzelnen Symptomen auf, die sich relativ leicht „in Griff“
bekommen lassen. In der Regel wird nur ein Teil von dem, was Sie
über die Krankheit gelesen haben, auch auf Sie zutreffen.
Eine gute Möglichkeit sich mit anderen Betroffenen über die Erkrankung auszutauschen sind Selbsthilfegruppen. Nicht nur, dass
Sie hier von Ihren Erfahrungen berichten, andere fragen und wertvolle Informationen erhalten können. Vor allem sind Sie unter anderen Menschen, mit denen Sie die seltene Erkrankung systemische Sklerose teilen. Dort sind Sie kein besonderer Fall, der seine
besondere Krankheit Außenstehenden erklären muss, sondern Sie
sind genauso „normal“ wie die anderen Betroffenen. Zudem erfahren Sie in den Gruppen, wo Sie in Ihrer Region die entsprechenden
Spezialisten (z.B. Rheumatologen, Pneumologen, Physiotherapeuten usw.) finden.
Die systemische Sklerose ist eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung, aber sie darf trotzdem – oder gerade deshalb – nicht Mittelpunkt Ihres Lebens werden. Pflegen Sie Ihre Freundschaften, Ihre
Hobbys (sofern sie nicht schaden) und machen Sie all das, was Ihnen bisher auch Freude bereitet hat. Behalten Sie Ihre Persönlichkeit und reduzieren Sie diese nicht auf die Krankheit, weil Sie sonst
sehr schnell alleine sind. Gehen Sie unter Menschen, weil sich
sonst Scheue und Angst einschleicht und Sie sich selbst in eine
Isolation abdrängen. Nehmen Sie fremde Hilfe in Anspruch wenn
es erforderlich ist, jedoch machen Sie alles selbst, so lange Sie es
selber können und Sie damit nicht überanstrengt sind – auch
wenn alles ein wenig langsamer geht. Elektrische Geräte (z. B. Geschirrspüler) können den Alltag erleichtern, und mit einem nicht
so ganz perfekten Haushalt lernt man umzugehen – Hauptsache
man überlastet und verausgabt sich nicht und behält den Spaß
am Leben.
39
Leben mit
systemischer
Sklerose
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 40
Wichtige
Adressen
Selbsthilfegruppen
Sklerodermie Selbsthilfe e.V.
Am Wollhaus 2
74072 Heilbronn
Tel. 07131 3902425
Fax 07131 3902426
E-Mail: [email protected]
www.sklerodermie-sh.de
Scleroderma Liga e.V.
Lena-Christ-Straße 65a
82152 Planegg
Tel. 089 8576408
E-Mail: [email protected]
www.scleroliga.de
pulmonale hypertonie (ph) e.V.
Bruno Kopp
Wormser Straße 20
76287 Rheinstetten
Tel. 0721 3528381
Fax 0721 3528880
E-Mail: [email protected]
Internet: www.phev.de
Deutsche Atemwegsliga e.V.
Im Prinzenpalais: Burgstraße 12
33175 Bad Lippspringe
Tel. 05252 933615
Fax 05252 933616
E-Mail: [email protected]
Internet: www.atemwegsliga.de
40
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 41
Wichtige
Adressen
Deutsche Sauerstoffliga LOT e.V.
Selbsthilfegruppen für Sauerstoff-Langzeit-Therapie
Frühlingstraße 1
83435 Bad Reichenhall
Tel. 08651 762148
Fax 08651 762149
E-Mail: [email protected]
Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V.
Maximilianstraße 14
53111 Bonn
Tel. 0228 766060
Fax 0228 7660620
E-Mail: [email protected] oder [email protected]
Internet: www.rheuma-liga.de
Deutsches Netzwerk systemische Sklerodermie (DNSS)
Das DNSS bietet sowohl Patienten als auch Ärzten, aber ebenfalls
anderen Interessierten Informationen zum Thema systemische
Sklerose.
Deutsches Netzwerk für Systemische Sklerodermie (DNSS)
Koordinierungszentrale
Klinik für Dermatologie und Venerologie,
Universitätsklinikum Köln
Kerpener Straße 62
50937 Köln
Tel. 0221 478-89311
Fax 0221 478-86916
E-Mail: [email protected]
www.sklerodermie.info
Fachzentren:
Auf der Webseite des DNSS www.sklerodermie.info finden Sie
eine Auflistung spezialisierter Kliniken
41
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 42
Buchtipps
Kollagenosen: Ein Ratgeber für Patienten mit Sklerodermie,
Lupus erythematodes, Dermatomyositis und Lichen sclerosus
von Stefanie Reich, Peter Altmeyer und Alexander Kreuter: 2007
W3L GmbH / Herdecke / Witten
ISBN 978-3-9371-3797-1
Kollagenosesprechstunde
von Peter Altmeyer, Thomas Dirschka, Roland Hartwig,
Sondereinband, Reha-Verlag,
ISBN 3-8823-9216-9
Paul Klee und seine Krankheit: Vom Schicksal geschlagen,
vom Leiden gezeichnet – und dennoch
von Hans Suttner;
Verlag: Stämpfli Verlag;
1. Auflage (Oktober 2006);
ISBN 978-3-7272-1106-5
42
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 43
Internet
MedizInfo: Medizin und Gesundheit
Progressive systemische Sklerodermie (PSS): Definition, Krankheitsbild Haut, Befall innerer Organe, Ursachen, Therapie
www.medizinfo.com/rheuma/pss.htm
Roche Lexikon Medizin
Das Roche Lexikon Medizin ist eine umfassende Informationsquelle
zu Medizin und Gesundheit. Die Online-Suche ermöglicht das
schnelle Auffinden von über 100 000 Stichwörtern und 40 000
englischen Fachbegriffen.
http://www.gesundheit.de/lexika/medizin-lexikon
Forum Gefäßmedizin
Informationen für Patienten zu Arterien,
Venen, Lymphgefäßen, Gefäßkrankheiten
www.angiologie-online.de/sklerodermie.htm
International Scleroderma Network (ISN)
A major worldwide resource for scleroderma medical and support
information, with 550+ pages in 14 languages.
www.sclero.org
http://www.sclero.org/lang/german/a-to-z.html
Informationsseite des Lungenhochdruck-Infocenters
Für betroffene Patienten ist es lebenswichtig, eine frühe Diagnose
und eine optimale Therapie zu erhalten. Hierbei möchte das Lungenhochdruck-Infocenter wichtige Hilfestellungen bieten. Dazu
gehören Informationen zum Krankheitsbild, zur Diagnostik und
zur Therapie des Lungenhochdrucks.
http://www.lungenhochdruck-infocenter.de
43
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 44
Glossar
ACE-Hemmer:
ACE aus dem englischen: Angiotensin-Converting-Enzyme (= angiotensinverwandelnde Enzyme) werden vor allem bei Bluthochdruck eingesetzt. Angiotensin ist
eine der stärksten blutdrucksteigernden Substanzen, die von der Niere produziert werden. ACE-Hemmer binden an diese Substanz und machen sie wirkungslos.
Akren:
Akren sind die endständigen Körperteile wie Hände, Finger, Zehen, Nase, Ohren.
Angiologie:
Die Angiologie ist ein Teil der inneren Medizin und befasst sich mit Gefäßerkrankungen.
Antigene:
Antigene sind in der Regel körperfremde Stoffe, die eine Immunreaktion hervorrufen. Viren und Bakterien können z. B. als Antigene wirken. Dringt ein Antigen in den
Körper ein, werden Antikörper gebildet, die exakt an das Antigen binden können.
Antikörper:
Antikörper sind Eiweißstoffe zur Immunabwehr im Blut. Sie gehören zu den
passiven Elementen der Immunabwehr und werden von sogenannten B-Zellen
gebildet. Die Antikörper binden in der Regel Fremdstoffe (Antigene) und werden
dann zum Antigen-Antikörper-Komplex. Der Komplex wird von aktiven Zellen des
Immunsystems erkannt und gezielt vernichtet. Der Antigen-Antikörper-Komplex
wird allerdings auch in bestimmten Zellen gespeichert, damit sie beim nächsten
Antigen-Eintritt sofort ausgeschüttet werden (Gedächtnisfunktion).
Antinukleäre Antikörper (ANA):
Antinukleäre Antikörper reagieren mit bestimmten Strukturen des Kerns körpereigener Zellen (griechisch: nukleus) und kommen bei Autoimmunerkrankungen
vor. ANA sind sogenannte Autoantikörper. Diese lösen mit körpereigenen Stoffen
eine Immunantwort aus. Bei Gesunden wird diese Autoimmunantwort unterdrückt. Bisher weiß man nicht, wie Autoantikörper entstehen. Man vermutet,
dass Umwelt- und Stressfaktoren Einfluss auf ihre Bildung haben.
Autoimmunerkrankung:
Normalerweise gehen die von unserem Körper gebildeten Antikörper gegen
körperfremde Stoffe vor, wie z. B. Bakterien oder Viren. Bei Autoimmunkrankheiten
greift das Immunsystem körpereigene Stoffe an und löst somit eine Entzündungsreaktion aus.
Bindegewebe:
Als Bindegewebe wird das Stütz- oder Gerüstgewebe bezeichnet, das in allen
menschlichen Organen vorkommt. Es hält im Grunde die einzelnen Organe
zusammen.
Blutgefäße:
Vom Herzen wegführende Blutadern heißen Arterien. In sie wird das Blut aus
dem Herzen regelrecht hineingepresst. Das Blut strömt dadurch in einer Druckwelle durch die Arterien, was als Puls gemessen werden kann. Deswegen sind
Arterien muskulös und dickwandig. Die Lungenarterie führt vom Herzen zur
Lunge und transportiert sauerstoffarmes Blut zur Lunge. Die Körperarterie
(Aorta) führt sauerstoffreiches Blut in den gesamten Körper. Blutadern, die zum
Herzen hinführen, heißen Venen. Sie sind dünnwandig und dehnbar und dienen
teilweise als Blutspeicher. In Venen herrscht ein sehr viel niedriger Blutdruck als
in den Arterien.
44
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 45
Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG):
Zur Bestimmung der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) wird Blut
in einem Röhrchen aufgezogen und senkrecht aufgestellt. Die festen Bestandteile des Blutes, also die Blutkörperchen, sinken langsam, durch die Schwerkraft
angezogen, auf den Boden des Röhrchens. Die Senkungsgeschwindigkeit ist
dabei vor allem von der Oberfläche der Blutkörperchen abhängig. Finden sich
im Blut vermehrt Eiweiße, welche die Blutkörperchen aneinander haften lassen,
ist die Geschwindigkeit erhöht. Das ist bei Entzündungen der Fall. Weitere Faktoren
wie Blutarmut (Anämie) können die BSG ebenfalls beeinflussen. Nach einer Stunde
wird abgelesen, wie weit die Blutkörperchen abgesunken sind. Prinzipiell gilt: Eine
erhöhte Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit ist ein Hinweis auf eine Entzündung. Allerdings kann auch bei gesunden Menschen oder durch andere, nichtentzündliche Erkrankungen die BSG erhöht sein.
Bronchoskopie:
Aus dem Griechischen: bronchus = Luftröhre, skopien = betrachten. Die Luftröhre
und ihre großen Abzweigungen (Bronchien) können mit einem flexiblen, etwa
bleistiftdicken Schlauch, in Spezialfällen mit einem starren Metallrohr betrachtet
werden. Die Bronchoskopie ist eine große Hilfe bei der Diagnose von Atemwegserkrankungen. Sie kann ebenso zur Behandlung eingesetzt werden, z. B. bei in die
Luftröhre geratenen Fremdkörpern, bei einer Blutstillung in den Atemwegen und
zum Absaugen von Sekret in den Bronchien.
Clearance:
Die Clearance (Klärfähigkeit) gibt das Plasmavolumen an, welches pro Zeiteinheit von der entsprechenden Substanz befreit wird. Die renale Clearance z. B. ist
ein Maß dafür, wie schnell die Niere bestimmte, zum Teil harnpflichtige Substanzen aus dem Blut entfernen kann.
Colchicin:
Das Gift der Herbstzeitlosen, das Colchicin, hemmt die Zellteilung und damit
auch die Vermehrung entzündungsfördernder Stoffe. Es wird oft bei Gicht eingesetzt.
Cystatin C:
Cystatin C ist ein sensitiver körpereigener Marker der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Da Kreatinin die GFR oft unzureichend widerspiegelt, wird alternativ
Cystatin C gemessen. Dieses hat sich als empfindlicher Marker bei leichten Einschränkungen der GFR erwiesen.
Cyclophosphamid:
Cyclophosphamid ist ein Medikament, das in der Krebstherapie angewendet
wird. Außerdem findet es Einsatz zur Behandlung bei besonders schwer verlaufender multipler Sklerose sowie zur immunsuppressiven Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus Erythematodes (SLE) oder der WegenerGranulomatose.
Diuretika:
Ein Diuretikum (Mehrzahl Diuretika) ist ein Medikament zur Ausschwemmung
von Wasser aus dem Gewebe.
Drüsen:
Drüsen sind anatomische Organe, die Stoffe abgeben, entweder nach außen als
Sekrete (wie z. B. die Speicheldrüsen, die Speichel in den Mund abgeben) oder
nach innen als Hormone (z. B. Insulin aus der Bauchspeicheldrüse, das über das
Blut transportiert wird).
45
Glossar
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 46
Glossar
Echokardiographie:
Die Echographie ist eine Form der Ultraschalluntersuchung und damit für den
Patienten ohne jegliches gesundheitliches Risiko und schmerzfrei. Dabei werden
Ultraschallwellen durch den Körper des Patienten gesendet. Die Schallwellen
werden von den Blutbestandteilen und Geweben reflektiert und dann vom Gerät aufgezeichnet. Bei der Echokardiographie wird das Herz per Ultraschall untersucht.
Fibrose:
Als Fibrose wird eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes in menschlichen und tierischen Geweben und Organen bezeichnet, dessen Hauptbestandteil Kollagenfasern sind. Dabei wird das Gewebe des betroffenen Organes verhärtet, es entstehen narbige Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium
zur Einschränkung der jeweiligen Organfunktion führen.
Fibrosierung:
Bindegewebsanhäufung.
Globuline:
Globuline sind eine Hauptgruppe von Proteinen, die in tierischen und pflanzlichen Geweben sowie den Körperflüssigkeiten weit verbreitet sind. Globuline
kommen im Blutplasma (alpha-, beta- und gamma-Globuline) und in der Lymphe vor. Im tierischen Organismus werden die meisten ihrer Vertreter in der Leber gebildet. Globuline dienen im Blutplasma u. a. dem Stofftransport, der
ph-Regulierung und der Abwehr pathogener Erreger.
Glomeruläre Filtrationsrate
Die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) gibt das Gesamtvolumen des Harns an,
das von allen Glomeruli (= die kapillaren Gefäßknäuel in der Niere) beider Nieren
zusammen, in einer definierten Zeiteinheit, gefiltert wird. Um die GFR ermitteln
zu können, wird die Clearance einer Markersubstanz betrachtet, die in der Niere
nicht dem Körper zurückgeführt, sondern mit dem Harn ausgeschieden wird.
Immunfluoreszenz:
Die Immunfluoreszenz ist eine diagnostische Methode zum Nachweis von Immunreaktionen. Bei ihr werden Antikörper mit einem fluoreszierenden Farbstoff
markiert. Diese markierten Antikörper bilden mit den Antigenen aus dem Blut
einen Komplex, der sichtbar gemacht werden kann.
Immunsystem:
Das Immunsystem ist für die Abwehr und Vernichtung von Krankheitserregern
(z. B. Viren, Bakterien), fremden Substanzen und fehlerhaften körpereigenen
Zellen zuständig. Mehrere Bestandteile gehören zum Immunsystem:
1. Die physikalischen Barrieren (z. B. Haut oder Schleimhäute).
2. Aktive Immunzellen (z. B. Makrophagen (Riesenfresszellen), Granulozyten
(kleine Fresszellen), Leukozyten, natürliche Killerzellen, T-Lymphozyten).
3. Passive, so genannte Plasmaproteine, die im Blut oder in der Lymph- bzw.
Gewebsflüssigkeit zirkulieren (wie z. B. Antikörper oder Antigene).
Kapillarmikroskopie:
Die Kapillarmikroskopie erlaubt als einzige einfache, nicht belastende Methode
die direkte Untersuchung und Beurteilung der Mikrozirkulation der Haut und
das Aussehen der Kapillaren. Bei Verwendung von Videotechnik bei der Untersuchung ist zusätzlich die Erfassung dynamischer Vorgänge in den Kapillaren
möglich. Aus dem Aussehen und der räumlichen Verteilung dieser kleinsten
46
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 47
Gefäße sowie aus dem ebenfalls erkennbaren Blutfluss lassen sich Aussagen
über Störungen der Mikrozirkulation (Mikroangiopathie) treffen. Besonders
hilfreich ist diese Diagnostik bei dem Raynaud-Syndrom und bei Bindegewebserkrankungen, wie auch bei rheumatischen Erkrankungen und bei der diabetischen Mikroangiopathie.
Kollagen:
Kollagen ist das Strukturprotein des Bindegewebes und bildet stützende Strukturen. Nicht nur in Haut und Haaren, sondern in allen Organen.
Kollagenosen:
In den 40er Jahren glaubte man, dass es eine Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen gibt, die auf Störungen des Bindegewebes zurückzuführen sei und der
Begriff Kollagenosen wurde für diese Erkrankungen eingeführt. Heute haben wir
ein anderes Verständnis für diese Krankheiten und wissen, dass ihnen komplexe,
zum Teil noch unbekannte krankheitsauslösende Mechanismen zugrunde liegen
und es sich um Autoimmunerkrankungen handelt.
Zu den Kollagenosen gehören systemischer Lupus Erythematodes (SLE), Polymyositis und Dermatomyositis, Sjögren-Syndrom, systemische Sklerose und SharpSyndrom.
Kortikosteroide:
(Moderne Schreibweise: Corticosteroide). Kortison ist ein körpereigenes Steroidhormon, welches in der Nebenniere produziert wird. Seit etwa 40 Jahren kann
man Kortison und kortisonähnliche chemische Verbindungen künstlich herstellen. Man nennt diese hormonähnlichen Substanzen „Cortikosteroide“ oder kurz
Corticoide. Sie sind stark entzündungshemmende und abschwellende Substanzen. Sie dämmen z. B. wirkungsvoll Entzündungen in den Bronchien ein, hemmen die Schleimabsonderung und verstärken die Wirkung anderer Medikamente. Bei ständiger Einnahme von Steroiden können Nebenwirkungen auftreten.
Kreatinin:
Kreatinin ist ein wichtiger Parameter in der Labormedizin. Es ist die Ausscheidungsform vom Kreatin, einer Substanz, die sich im Muskel befindet. Kreatinin
wird als Stoffwechselprodukt von der Niere fast vollständig filtriert und über die
Nieren mit dem Harn ausgeschieden. Wieviel Kreatinin ausgeschieden wird,
hängt von der Muskelmasse ab. Wenn die Nierenfunktion eingeschränkt ist, also
nicht mehr vollständig filtrieren kann, macht sich das u. a. am Kreatiningehalt
im Urin (Kreatinin-Clearance) bemerkbar: er wird niedriger.
Lupus erythematodes:
Lupus erythematodes (LE) ist eine Autoimmunkrankheit, die zu den rheumatischen Erkrankungen und dort zu den „Kollagenosen“ gehört. Es gibt zwei Hauptformen: Hautlupus und systemischer Lupus erythematodes (SLE).
1. Bei einem Teil der Betroffenen ist nur die Haut beteiligt. Vom Hautlupus gibt
es verschiedene Unterformen. Die häufigste Form ist der discoide LE, bei dem
charakteristische scheibenförmige rötlich-schuppige Hautveränderungen
auftreten. Bei etwa fünf Prozent der Betroffenen kann ein Hautlupus in einen
systemischen LE übergehen.
2. Das ist die häufigste Form des LE. Neben der Haut und den Gelenken können
weitere Organsysteme (innere Organe) betroffen sein. Die typische Hautrötung im Gesicht (Schmetterlingserythem) tritt nur bei weniger als der Hälfte
der SLE-Betroffenen auf.
47
Glossar
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 48
Glossar
Magenpförtner:
(Wird meistens kurz Pylorus oder Pförtner genannt). Der Magenpförtner bildet
den Magenausgang zum Zwölffingerdarm. Die kräftige und stark verdickte Ringmuskulatur bildet dabei einen engen, abschließbaren Übergang. Der Magenpförtner ist trotzdem kein Schließmuskel im eigentlichen Sinne, da er sich nicht
eigenständig öffnen und schließen kann.
Mikroangiopathie:
Sind bei der Makroangiopathie die großen Blutgefäße von Veränderungen betroffen, so sind es bei der Mikroangiopathie die kleinen Blutgefäße. Diese Blutgefäße sind so klein, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Allerdings
sind sie für die einzelnen Organe und Gewebe von großer Bedeutung, da sie aufgrund ihrer zahlreichen Verzweigungen jede einzelne Zelle des Körpers mit Blut
versorgen.
Mikrostomie:
Aus dem Griechischen: stoma für Mund. Mundverengung, Kleinheit des Mundes.
Morphea:
Die Morphea ist ein anderer Begriff für die zirkumskripte Sklerodermie, die lokal
begrenzt und oft nur vorrübergehend ist.
Nagelfalz:
Die Hauterhebung um den Nagel bedeckt den nicht sichtbaren Teil des Nagels
und gibt ihm Stabilität. Die Stelle, an der der Nagel sichtbar hervortritt, heißt
Nagelfalz. Eine Nagelhaut schützt Nagelwall und Nagelfalz vor Bakterien und
Verschmutzungen. Veränderungen durch Entzündungen und Erkrankungen sind
hier schnell sichtbar, weil die feinen Kapillaren sehr empfindlich sind und sofort
reagieren (Schwellung, Rötung, Erwärmung).
Nekrose:
(Aus dem Griechischen: Tod, Absterben). Medizinisch ist das Absterben einzelner
oder mehrerer Zellen an lebenden Organismen gemeint.
Ösophagusmotilitätsstörung:
Motilitätsstörung der Speiseröhre (Ösophagus). Der Begriff Motilität bezeichnet
die Bewegungsfähigkeit von Organen, die nicht willentlich beeinflusst werden
kann. Stattdessen geschieht die Bewegung als Reflex auf einen Reiz hin. Die
Nahrungsaufnahme z. B. ist ein Reiz für die Speiseröhre, dass sich ihre glatte
Muskulatur ringförmig von oben nach unten zusammenzieht und der Nahrungsbrei in wellenförmiger fortschreitender Bewegung transportiert wird. Ist
das Bewegungsvermögen der Speiseröhre eingeschränkt, spricht man von einer
Ösophagusmotilitätsstörung.
Penicillamin:
Penicillamin ist ein Vorstoff des Penicillins (eines der ältesten Antibiotika) und
weitgehend wirkungslos bei systemischer Sklerose.
Polymerase:
Die Polymerase ist ein Enzym, das langkettige Moleküle (Polymere) auf- und
abbaut.
Polymyositis:
Die Polymyositis ist eine Entzündung der Muskulatur, von der besonders symmetrisch die Extremitätenmuskeln im Becken- und Schulterbereich betroffen sind.
Es handelt sich mit recht großer Wahrscheinlichkeit um eine Autoimmunerkrankung. Die genauen Entstehungsmechanismen sind jedoch noch ungeklärt.
48
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 49
Treten zusätzlich fliederfarbene Hautveränderungen, besonders im Gesichtsund Dekolleté-Bereich auf, so bezeichnet man das Krankheitsbild als Dermatomyositis.
Proteinurie:
Eine vermehrte Ausscheidung von Eiweißkörpern im Harn ist ein Hinweis auf
eine Nierenerkrankung. Eine signifikante Proteinurie liegt vor, wenn die Eiweißausscheidung über 500 mg/Tag beträgt.
Prognose:
In der Medizin bedeutet Prognose die Vorhersage des zukünftigen Krankheitsverlaufes.
Prokinetikum:
Ein Prokinetikum ist ein Medikament, das die Muskeltätigkeit im Magen-DarmTrakt erhöht.
Raynaud-Syndrom (RS):
Beim RS kommt es zu vorübergehenden Gefäßspasmen (Krämpfen). Die Spasmen treten meistens an den Fingern und Zehen auf. Dadurch wird die Blutzufuhr des betroffenen Gebietes vermindert. Es treten schubweise nacheinander
Blässe, Blauverfärbung und Rötung der Finger oder Zehen auf. Schmerzen nach
Lösen des Anfalls sind nicht ungewöhnlich. Diese Attacken können Stunden
andauern. Es werden zwei Formen unterschieden: die erste Form mit unbekannter Ursache (primäres Raynaud-Syndrom) und die zweite, die bei anderen Erkrankungen wie beispielsweise systemische Sklerose, Lupus erythematodes
oder Überdosierung bestimmter Medikamente auftritt (sekundäres RaynaudSyndrom).
Rechtsherzkatheteruntersuchung:
Die Untersuchung kann ambulant oder im Rahmen eines kurzen Klinikaufenthaltes durchgeführt werden. Mit den Vorbereitungen dauert sie ungefähr eine
Stunde. Zur Untersuchung der rechten Herzhälfte punktiert der Arzt wie bei
einer Blutentnahme eine Vene in der rechten Leiste, Ellenbeuge oder am Hals
und führt dann einen dünnen Kunststoffschlauch, den so genannten Katheter,
in das Blutgefäß ein. Anschließend wird der Katheter in den Blutgefäßen bis in
die rechte Herzkammer und in die Lungengefäße vorgeschoben. Durch die
drucksensible Spitze des Katheters kann der Arzt den Druck im rechten Herzvorhof und in der Lungenarterie messen. Zusätzlich kann er röntgenstrahlendichtes Kontrastmittel über den Katheter einspritzen und damit den Verlauf
der Lungengefäße sichtbar machen und sogar eventuell verschleppte Blutgerinnsel in den Gefäßen entdecken. Ist die Untersuchung abgeschlossen, wird
der Katheter entfernt und die kleine Wunde per Druckverband verschlossen.
Die Herzkatheteruntersuchung ist eine gut verträgliche Untersuchung. In Einzelfällen kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen, die jedoch nur in ganz
seltenen Fällen lebensbedrohlich und durch Medikamente gut in den Griff zu
bekommen sind.
Rhesusfaktor:
Neben dem AB0-Blutgruppensystem ist der Rhesusfaktor ein wichtiger Bestandteil der erblichen Blutkörperchenmerkmale des Menschen (Blutgruppen). 85 Prozent der Bevölkerung haben das antigene Erythrozytenmerkmal Rh (Rhesusfaktor); sie sind Rh-positiv (Rh+). Bei 15 Prozent fehlt das Rh-Antigen; sie sind
Rh-negativ (Rh –), werden beim Kontakt mit Rh-positivem Blut sensibilisiert und
bilden leicht Antikörper gegen das Rh-Antigen.
49
Glossar
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 50
Glossar
Rheumatoide Arthritis:
Die rheumatoide Arthritis (RA, früher auch chronische Polyarthritis genannt) ist
die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke.
Sklerose:
Unter Sklerose wird die Verhärtung von Organen oder Geweben verstanden, die
aufgrund einer Bindegewebsanhäufung zustande gekommen ist. Die Sklerose
ist keine eigenständige Krankheit, sondern bezeichnet den Zustand nach, bzw.
die Folge einer Krankheit. Die Sklerosierung bezeichnet den Vorgang der Verhärtung.
Syndrom:
Mit einem Syndrom werden mehrere gleichzeitig auftauchende Symptome
bezeichnet, die typisch für ein bestimmtes Krankheitsbild sind.
Symptom:
Aus dem Griechischen: Begleiterscheinung, Krankheitsmerkmal.
Systemisch:
Aus dem Griechischen: das System betreffend. Als systemische Krankheiten
bezeichnet man alle Erkrankungen, die sich auf ein gesamtes Organsystem
auswirken.
Teleangiektasien:
Dauerhafte Erweiterung kleiner Blutgefäße direkt unter der Haut. Kommt vor
allem im Gesicht vor (z. B. durch Wetterbedingungen oder zu hohem Alkoholkonsum)
Topoisomerase:
Topoisomerasen sind Enzyme, die die DNS (Desoxyribonukleinsäure – unser Erbgutträger) aufwinden und entspannen. Wichtig ist dieses z. B. bei der Zellteilung,
wenn sich die DNS, die als spiralisierter Doppelstrang vorliegt, teilen muss.
Tracer:
Aus dem Englischen trace = Spur. Tracer ist eine künstliche, oft radioaktiv markierte körperfremde Substanz, die, nachdem sie in den Körper eingebracht wurde, am Stoffwechsel teilnimmt und damit für Laboruntersuchungen wichtig ist.
Zentromer:
Das Zentromer ist eine Einschnürung im Chromosomen. Dieses ist eine fädige
Struktur, auf der als Träger des Erbguts sämtliche Gene liegen. Jedes Chromosom
besteht aus zwei, durch das Zentromer verbundene Einzelsträngen, den Chromatiden.
Zytostatika:
Zytostatika stören die Stoffwechselvorgänge, die im Zusammenhang mit Zellwachstum oder Zellteilung stehen. Daher schädigen sie vor allem schnell wachsende Zellen des Epithels (z. B. Haarwurzelzellen, Schleimhautepithel von Mund
und Magen-Darm-Trakt). Zytostatika finden vor allem Einsatz gegen Tumorzellen, die eine besonders hohe Zellteilungsrate haben.
50
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 51
Der bekannteste Patient mit systemischer Sklerose
war der Maler Paul Klee.
Paul Klee (1879 –1940) war einer der einflussreichsten Künstler des
20. Jahrhunderts. Er war Mitglied der bekannten Künstlergruppe
„der Blaue Reiter“, die von Franz Marc und Wassily Kandinsky gegründet wurde. 1920 wurde er an das Staatliche Bauhaus nach
Weimar berufen.
1936 diagnostizierten die Ärzte bei Klee eine „rätselhafte, unbekannte Krankheit“. Der Begriff und das Krankheitsbild „Sklerodermie“
waren damals noch nicht bekannt. Es ist nicht mehr möglich, seine
komplette Krankengeschichte zu rekonstruieren, da sämtliche Krankenakten durch ein Feuer zerstört wurden. Anhand von Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, persönlichen Bemerkungen und Notizen
wurde jedoch versucht, die Anamnese vom Beginn der Erstsymptome bis hin zu seinem Tod zu rekonstruieren und zu analysieren, welchen Einfluss die Erkrankung auf sein künstlerisches Schaffen hatte.
Bekannt ist, dass er 1933 in privaten Briefen davon geschrieben hat,
dass ihm warmes Klima besser bekomme als kalte Temperaturen.
Dies könnte als ein Hinweis auf ein Raynaud-Syndrom als erstes
Frühsymptom der systemischen Sklerose gewertet werden. Außerdem klagte er über zunehmende Müdigkeit und Abgeschlagenheit,
Belastungsdyspnoe, Gelenkschmerzen und Schluckbeschwerden.
Von 1935 bis Januar 1938 ist in den Briefen von verschiedenen
Krankheiten zu lesen, die zunächst nicht in einem pathologischen
Zusammenhang gesehen wurden, aber im Nachhinein als typische
Zeichen für diverse Organmanifestationen bei systemischer Sklerose interpretiert werden können. Differenzialdiagnostische Überlegungen gingen zunächst in Richtung einer Störung der Hormondrüsen. 1938 wurde Klee eine „vasomotorisch-trophische Neurose“
diagnostiziert. Diese Bezeichnung spiegelt die am weitesten verbreitete Theorie des Krankheitsbildes der systemischen Sklerose
wider. Man hielt die systemische Sklerose für eine Erkrankung des
autonomen Nervensystems („Neurose“). Dieses hat im Krankheitsfall keine Kontrolle mehr über den gesamten Ablauf des Kreislaufssystems (Vasomotorik), weil die Gefäßnerven gestört sind, und die
51
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 52
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
* Kemperer P,
Pollak A, Baehr G.
Diffuse collagen
disease. Acute
disseminated lupus
erythematodes and
diffuse scleroderma.
JAMA 942;119:3312.
Ernährung (Trophik) des Bindesgewebes. Unser heutiges Verständnis der systemischen Sklerose als eine Krankheit des Bindegewebes
existiert erst seit 1942*.
Im Juni 1940 verstarb Klee laut Todesschein an akutem Herzversagen aufgrund einer Herzmuskelentzündung. Was die genaue Todesursache war, ob eventuell eine pulmonal arterielle Hypertonie zu
einer dekompensierten Rechtsherzinsuffizienz geführt hat, lässt
sich nicht klären, da keine Autopsie durchgeführt wurde.
Was Klees künstlerisches Schaffen anbelangt, so hat die Erkrankung
großen Einfluss auf sein Werk genommen. Ein weiterer starker Einflussfaktor war der Nationalsozialismus. Beides ist in seinen Bildern
ab 1933 zu erkennen: in seinen Werken findet sich nicht mehr die
fröhliche Stimmung der frühen Jahre. Viele Bilder geben Aufschluss
über sein Innerstes, seine Ängste und seinen Umgang mit der zerstörerischen Erkrankung. Nach 1936 sind seine Bilder durch einfache Pinselstriche als Ausdrucksmittel gekennzeichnet. Er benutzt
nun größere Pinsel. Durch die Sklerosierung der Finger konnte er
diese wahrscheinlich besser halten und führen. Allerdings lassen
sich die Art und das Ausmaß des Fingerbefalls heute nicht mehr
nachweisen. Ende 1937 verboten die behandelnden Ärzte Klee das
Geigenspielen, was zwar für eine Einschränkung der Fingerbeweglichkeit spricht, die ihn aber offensichtlich nicht in Malerei behinderte. Im Gegenteil: gerade in seinen letzten fünf Krankheitsjahren
schuf er über 2 500 Bilder.
Die Krankheitsgeschichte Paul Klees in Bildern
Eine Porträtaufnahme
von Paul Klee
aus dem Jahr
1889 als er
noch gesund
war.
Paul Klee mit der Katze
Fripouille, vor sich
die Ölfarbzeichnung
„AllerseelenBild“,
1921, 113,
Possenhofen 1921, 1921
Fotograf: Felix Klee Zentrum
Paul Klee, Bern, Schenkung
Familie Klee
© Klee-Nachlassverwaltung, Bern
52
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:53 Seite 53
Der erste symptomatische Krankheitsbefall ist wahrscheinlich 1935
bei Paul Klee aufgetreten. 1939 sind ihm die Krankheitsspuren
deutlich anzusehen.
Als ihm Ende 1937 das Geigenspielen von den Ärzten verboten
wurde, waren nun auch seine Hände in Mitleidenschaft gezogen.
Daraus lässt sich auf eine Arthritis oder ein Raynaud-Syndrom
schließen. Die folgende Aufnahme seiner Hände stammt aus dem
Jahr 1939. Eine deutliche äußere Einschränkung ist darauf nicht zu
erkennen, aber die linke Hand wirkt versteift.
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
Paul Klee zeichnend,
Dessau, 1931
Fotograf: Anonym
Zentrum Paul Klee,
Bern, Schenkung
Familie Klee
© Klee-Nachlassverwaltung, Bern
Jetzt begann eine intensive Schaffensphase von Paul Klee. Viele Bilder entstanden zu seinen Symptomen und Gefühlsschwankungen
im Zusammenhang mit seiner Erkrankung.
Beide Selbstporträts des
Malers zeigen ein maskenartiges Gesicht mit spitzer
Nase und schmalem Mund:
Paul Klee
Maske Schmerz,
1938, 235
Kreide auf Papier auf
Karton
Zentrum Paul Klee,
Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
53
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 54
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
Paul Klee
das Auge, 1938, 315
Pastell auf Jute
45/46 x 64,5/66,5 cm
Privatbesitz Schweiz,
Depositum im Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
links:
Paul Klee
mit Hering?!, 1939, 658
Bleistift auf Papier auf Karton
29,5 x 21 cm
Privatsammlung
rechts:
Paul Klee
nie mehr jene Speise!, 1939, 659
Bleistift auf Papier auf Karton
36 x 19 cm
Privatbesitz, Schweiz
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
In der ersten Zeichnung des Bildes ist ein Monster zu sehen, das einen Hering voller Vorfreude betrachtet, den er essen möchte. In der
zweiten Illustration erscheint das Monster mit mahnendem Finger:
nie wieder jene Speise. Zu dieser Zeit litt Paul Klee unsäglich unter
seinen Schluckbeschwerden und thematisierte sie.
54
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 55
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
Paul Klee
vergesslicher Engel,
1939, 880
Bleistift auf Papier auf Karton
29,5 x 21 cm
Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Der Engel blickt traurig, die Hände
zeigen die Zeichen der fortgeschrittenen systemischen Sklerose.
Paul Klee
plötzlich starr, 1940, 205
Kreide auf Papier auf Karton
29,6 x 21 cm, Zentrum Paul Klee,
Bern, © VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Klee illustriert in „plötzlich starr“
seine kranke, steife und verdickte
Sklerodermiehaut.
Er fühlt seinen Körper nicht mehr als Gesamtheit, bestimmte Teile
gehören gar nicht mehr zu ihm, sind quasi schon abgestorben.
Dieses macht ihm Angst, wie die folgenden beiden Bilder zeigen.
Paul Klee
Angstausbruch III,
1939, 124
Aquarell auf Grundierung auf Papier
auf Karton
63,5 x 48,1 cm
Zentrum Paul Klee,
Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Paul Klee
Angstausbruch II, 1939, 110
Feder auf Papier auf Karton
66,5 x 48 cm, Zentrum Paul Klee,
Bern, Schenkung Livia Klee
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
55
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 56
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
Paul Klee im Zwispalt zwischen Hoffnung und Todesgedanken
Klees Krankheit verlief schubweise. Er hatte bis kurz vor seinem Tod
immer die Hoffnung, noch geheilt zu werden.
Paul Klee
besseres naht, 1939, 204
Bleistift auf Papier auf Karton
29,7 x 20,9 cm
Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
„Besseres naht“, 1939: Mit diesem Bild wollte er wohl die aufkommende Hoffnung auf Heilung darstellen, die er bis kurz vor seinem
Tod hatte.
Oder er wollte der Krankheit trotzen, wie z. B. im folgenden Bild:
Paul Klee
Übermut, 1939, 1251
Ölfarbe und Kleisterfarbe auf Papier
auf Jute; originale Rahmenleisten
101 x 130 cm
Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Das Motiv zeigt das Spiel mit dem Schicksal. Die Figur jongliert
übermütig auf einem schmalen Seil über dem dunklen Abgrund
und streckt dem düsteren Schicksal die Zunge heraus.
Bei Schüben überkam Klee dann
immer wieder die Angst und er
setzte sich mit dem Sterben auseinander. Er schien sich zwischen
Leben und Tod zu fühlen. Symbolisch hierfür ist sein Bild „Schellenengel“.
Paul Klee
Schellen-Engel,
1939, 966
Bleistift auf Papier auf
Karton, 29,5 x 21 cm
Zentrum Paul Klee,
Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
56
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 57
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
1940 spürt Klee, dass sein Tod nahe ist. Die folgenden Bilder beschäftigen sich mit seinem anstehenden Ende:
Paul Klee
Wettrudern, 1940, 172
Bleistift auf Papier auf Karton
21 x 29,5 cm
Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Der Ruderer befindet sich im Überlebenswettkampf (mit dem Tod?)
Paul Klee
Abfahrt des Abenteurers,
1939, 735
Aquarell und Bleistift auf Papier
auf Karton, 21,5 x 27 cm
Privatbesitz, Deutschland
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
„Abfahrt ins Abenteuer“, 1940: Das Segel enthält ein K für Klee.
Die Seefahrt wird abenteuerlich werden und das kleine Boot wird
dem Sturm nicht trotzen können. Der Seefahrer (Paul Klee?) winkt
uns zum Abschied.
Paul Klee
Tod und Feuer,
1940, 332
Öl und Kleisterfarbe auf Jute;
originale Rahmenleisten
46,7 x 44,6 cm
Zentrum Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Ein Mensch verlässt die Welt. Die Kugel ist sein Lebenswerk, das
er hinterlässt. Mund, Nase, und Augen werden zu signifikanten
Buchstaben geformt: TOD.
57
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 58
Paul Klee –
Patient mit
systemischer
Sklerose
Paul Klee
Ohne Titel
(Todesengel),
um 1940
Ölfarbe auf Leinwand
51 x 66,4 cm
Privatbesitz Schweiz,
Depositum im Zentrum
Paul Klee, Bern
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
„Ohne Titel“, posthum „Todesengel“ genannt: Das Bild ist in Klees
Todesjahr entstanden. Möglicherweise weist es auf Todesahnungen aber auch Todessehnsucht im Sinne von Erlösung von seinen
Leiden hin. Denn trotz der düsteren Farben wirkt es beruhigend.
Paul Klee
Ohne Titel
(Letztes Stillleben),
1940
Ölfarbe auf Leinwand
100 x 80,5 cm
Zentrum Paul Klee, Bern,
Schenkung Livia Klee
© VG BILD-KUNST, Bonn 2008
Das Bild ist ein Abschiedsgruß von Paul Klee an seine Freunde.
Es enthält dramatische Motive, z. B. eine Speiseröhre und Teile des
Magens als Symbol für sein Leiden, verwelkte Blumen und ein
Engel deuten auf den Tod hin.
Am 29. Juni 1940 stirbt Paul Klee.
58
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 59
act_patientenratgeber_systemische_sklerose_act_patientenratgeber_systemische_sklerose 13.05.11 10:54 Seite 60
EX-Mktg-0170-20082008c
Impressum
Herausgeber: Actelion Pharmaceuticals Deutschland GmbH, Freiburg
Layout: Jungbluth Digital+Print, Freiburg
Herunterladen