Österreichische Energie- und Klimapolitik – Traum und Wirklichkeit

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Österreichische Energie- und Klimapolitik – Traum und Wirklichkeit
Copyright © 3. November 2014 by Christoph E. Mandl
Dieser Artikel basiert auf der Studie „European Smart City Initiative - Assessment of Best Practices to
Stimulate Market“, http://www.mlp.co.at/fileadmin/artikel/SC_assessment.pdf
Österreich war über viele Jahrzehnte Umwelt-Vorreiter. Der zügige Bau von Wasserkraftwerken bescherte Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Vorreiterrolle bei erneuerbaren
Energien. Im 21. Jahrhundert ging diese Strahlkraft Österreichs indes verloren. In Sachen Klimaziel
wurde aus dem Vorreiter Österreich ein Nachzügler. Österreich als klimapolitisches Vorbild existiert
nur mehr in unseren Träumen. Die Wirklichkeit sieht anders aus.
So einprägsam der Begriff Klimapolitik auch sein mag, er führt in die Irre. Denn Klima entzieht sich
jeder politischen Steuerung. Nur über Energiepolitik lässt sich das Zwei-Grad-Klimaziel erreichen.
Gemeint ist damit, die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Ursache des schädlichen Klimawandels sind die enorm angestiegenen Treibhausgasemissionen, welche bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, also Erdgas,
Erdöl und Kohle entstehen. Um daher das Zwei-Grad-Klimaziel zu schaffen, müssen die weltweiten
Treibhausgasemissionen und damit der Verbrauch von Erdgas, Erdöl und Kohle bis 2050 um mindestens 50 % sinken, in den Industrieländern um 80-95 %. Das ist die gewaltige Herausforderung, auch
für Österreich. Energiepolitik und Energietechnologiepolitik sind der Schlüssel zum Erreichen dieses
klimapolitischen Ziels.
Im 2006 erschienenen, bahnbrechenden Stern-Report (Stern Review on the Economics of Climate
Change) steht: „Die jährlichen Kosten des Klimawandels werden, wenn nicht gehandelt wird, dem
Verlust von wenigstens 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Die Schäden könnten
auf 20 % oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Hingegen werden die
jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration bei etwa 1 % des
globalen Bruttoinlandsprodukts liegen, wenn jetzt begonnen wird, zu handeln.“
In Erkenntnis über die schädlichen klimatischen Wirkungen der Nutzung fossiler Brennstoffe wurde
das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Kyoto-Protokoll) 1997
beschlossen. Die Europäische Union setzte dies 2002 in verbindliches europäisches Recht um. Damit
verpflichtete sich die EU, ihre gesamten Treibhausgasemissionen bis 2012 um 8 % unter den Wert des
Jahres 1990 zu senken. Vereinbart wurden auch die sogenannten flexiblen Maßnahmen: Länder, welche ihre Emissionsreduktionsziele nicht erreichen, haben Emissionsreduktionseinheiten kostenpflichtig zu erwerben. Ab 2002 musste somit politischen wie wirtschaftlichen Entscheidungsträgern Österreichs klar gewesen sein, dass die Nutzung von Erdgas, Erdöl und Kohle in Europa rückläufig zu sein
hat.
Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 8 % reicht allerdings bei weitem nicht aus, den Klimawandel zu stoppen und damit Schaden von der Industriegesellschaft abzuwenden. Deshalb beschloss 2007 die Europäische Kommission den Europäischen Strategieplan für Energietechnologie
(SET-Plan) mit dem bezeichnenden Titel „Der Weg zu einer kohlenstoffemissionsarmen Zukunft“. In
diesem ist festgelegt: Bis 2020 die Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20 % unter den Wert
des Jahres 1990; bis 2050 Reduktion der Treibhausgasemissionen um 60-80 % des Wertes des Jahres
1990. Damit ist seit 2007 auch für Österreich vorgegeben, dass der Verbrauch an Erdgas, Erdöl und
Kohle nicht nur unwiderruflich rückläufig zu sein hat sondern dass sich dieser Verbrauchsrückgang
beschleunigen muss.
Die Erkenntnisse des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) führten bei der Europäischen Kommission zur Einsicht, dass selbst die drastische Verringerung der Treibhausgasemissionen
um 60-80 % bis 2050 nicht ausreicht, massive Schäden von uns allen abzuwenden. Daher legte die EU
in ihrer 2012 beschlossenen Richtlinie zur Energieeffizienz fest, dass die Treibhausgasemissionen bis
2050 um 80-95 % gegenüber 1990 zu senken sind. Diese Richtlinie ist in nationales Recht umzusetzen
und betrifft daher Österreich genauso wie alle anderen EU-Mitgliedsländer. Unser weitgehender Ausstieg aus Erdgas, Erdöl und Kohle in den nächsten 35 Jahren ist beschlossene Sache. Das couragierte
Voranschreiten der Europäischen Kommission im Interesse des Wohlergehens der Bevölkerung EuroSeite 1
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pas und der Welt kann gar nicht hoch genug gelobt werden, denn der (passive) Widerstand seitens
Interessengruppen aber auch EU-Mitgliedstaaten ist massiv und Österreich gehört leider auch dazu.
Noch 2009 wird mit dem Bau des Gaskraftwerkes Mellach begonnen. Damit geht 2011 Österreichs
größter Einzelemittent von Treibhausgasen in Betrieb. 2014 wird Mellach wegen Unwirtschaftlichkeit
eingemottet. Die Kosten für Fehlinvestitionen der Verbund AG in Kraftwerke, welche fossile Brennstoffe verbrennen, belaufen sich gemäß einer Studie der Oxford University auf rund 1030 Millionen
Euro. Damit ist die „Strom aus 100 % Wasserkraft“ Verbund AG europaweit der Stromerzeuger mit
der dritthöchsten Wertminderung bei thermischen Kraftwerken.
Ebenfalls 2009 startet die österreichische Mineralölwirtschaft ihre sogenannte „Effizienz- und Klimaschutz-Initiative“, die den Umstieg von älteren auf neue Ölheizungen finanziell unterstützt. Zu diesem
Zeitpunkt waren in den Ballungsgebieten Dänemarks, insbesondere im Zentrum Kopenhagens, die
Neuanschaffungen von Ölheizungen bereits seit Jahren verboten und die Gebäude an Fernheizwerke
angeschlossen, die ihrerseits nicht mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
Im kürzlich beschlossenen österreichischen Bundes-Energieeffizienzgesetz, welches die Umsetzung
der EU-Richtlinie zur Energieeffizienz ist, kommt eine Zielgröße für CO2 Emissionsreduktion erst gar
nicht vor, der Begriff Treibhausgasemission wird nicht einmal erwähnt. In besagter EU-Richtlinie
steht indes: „Die Gebäuderenovierungsquote muss erhöht werden, da der Gebäudebestand der Einzelsektor mit dem größten Energieeinsparpotenzial ist. Außerdem sind Gebäude entscheidend dafür, dass
das Ziel der Union, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80-95 % gegenüber 1990 zu senken,
erreicht wird.“ Ein damit auch nur annähernd vergleichbarer Passus findet sich im BundesEnergieeffizienzgesetz nicht.
Die laxe Einstellung von Gesetzgeber und Managern gegenüber all den EU-Beschlüssen zeitigt ihre
Konsequenzen: Österreich hat sein Emissionsreduktionsziel für 2012 eklatant verfehlt. Statt der vereinbarten Reduktion um 8 % hat Österreich tatsächlich um 4 % mehr im Vergleich zum Wert des Jahres 1990 emittiert! Damit ist Österreich das einzige aller reichen EU-Mitgliedsländer, das im Vergleich mit 1990 keine Senkung der Treibhausgasemissionen zustande gebracht hat, und somit in bester
Gesellschaft mit Spanien, Portugal und Griechenland.
Zum Vergleich: Belgien hat seine Treibhausgasemissionen um 17 % unter den Wert des Jahres 1990
gesenkt, Finnland um 12 %, Schweden um 19 %, Dänemark und Deutschland um bewundernswerte 23
% und die EU insgesamt um 18 %. Auch Großbritannien senkte seine Treibhausgasemissionen um 22
%. Da erscheint die Ankündigung Österreichs, gegen die Subventionierung des geplanten britischen
AKW Hinkley Point vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen, in einem anderen Licht. Wer im
Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Treibhausgasemissionen 1990-2012
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Österreichische Klimapolitik – Traum und Wirklichkeit
Österreich hat mit seiner Energie- und damit Klimapolitik seine Glaubwürdigkeit als UmweltVorreiter verspielt. Wir alle tragen die finanziellen Konsequenzen: Österreich musste um rund 610
Millionen Euro Emissionsreduktionseinheiten erwerben, weil es seine Emissionsreduktionsziele verfehlt hat. Das sind 72 Euro pro Kopf. In keinem Land der EU müssen die Steuerzahler mehr dafür
aufwenden als wir. Diejenigen Länder, die neben Österreich noch am meisten dafür berappen müssen,
sind Niederlande mit 365 Millionen Euro bzw. 22 Euro pro Kopf und Spanien mit 382 Millionen Euro
bzw. 8 Euro pro Kopf.
Dänemark, Weltmeister in Sachen Emissionsreduktion, führt vor, wie es gehen kann: Seit 2013 ist die
Installation von Öl-Heizkessel und Erdgas-Kessel in Neubauten verboten. Ab 2016 wird die Installation von neuen Öl-Heizkessel in bestehenden Gebäuden, wo Fernwärme oder Erdgas zur Verfügung
stehen, verboten. Mit Fernwärme wird schon heute die Hälfte aller Gebäude Dänemarks beheizt.
Davon profitiert die dänische Wirtschaft enorm: Der Welt größter Anbieter von Windkraftwerken ist
das dänische Unternehmen Vestas Wind Systems mit rund 15.000 Mitarbeitern, entstanden als Folge
der Entscheidung der dänischen Regierung, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen.
Es ist Zeit, der harten österreichischen Realität in Sachen Energie- und Klimapolitik ins Auge sehen.
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