Bakterien mit eigenem Kompass

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Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 04.03.2006, Seite 6
WISS
Bakterien mit eigenem Kompass
Mikroorganismen finden mit Magnetsinn das richtige Umfeld
Nicht nur Zugvögel, auch einige Wasserbakterien greifen auf das Magnetfeld
der Erde zurück, um sich zu orientieren.
Wie die Mikroben ihren Miniaturkompass bauen, haben deutsche Forscher
jetzt mit molekularbiologischen und mikroskopischen Methoden aufgedeckt.
Sie konnten zeigen, dass die Zellen ihre
magnetischen Eisenpartikel mit Hilfe eines Proteins zu stabilen Ketten aneinander reihen und am Zellskelett fixieren.
Durch diese Anordnung entsteht eine
nadelförmige Magnetitstruktur, so dass
sich das gesamte Bakterium wie eine
Magnetnadel verhält. Ähnlich organisierte magnetische Partikel in speziellen
Sinneszellen könnten auch die Grundlage für den Magnetsinn höherer Lebewesen sein, schreiben die Wissenschaftler
in einer Online-Veröffentlichung des
Magazins "Nature".
Die Forscher um Dirk Schüler vom
Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie untersuchten das spiralig gewundene Stäbchenbakterium Magnetospirillum gryphiswaldense. Wie andere
magnetotaktische Bakterien benutzt es
seinen Magnetsinn dazu, um optimale
Lebensbedingungen in bodennahen Zonen von Gewässern aufzusuchen. Die
Mikroben nehmen Eisen auf und bilden
daraus magnetische Magnetitkristalle,
die, von einer Hülle umschlossen, als
kleine Partikel, den Magnetosomen, in
der Zelle vorliegen. Nur wenn daraus
stabile Ketten entstehen, können sie die
Funktion einer Kompassnadel übernehmen. Am Aufbau dieser Struktur sind
25 bis 30 Gene beteiligt, wie die Bremer
Wissenschaftler bereits herausgefunden
hatten.
Jetzt haben die Forscher ein Gen mit der
Bauanleitung für ein Protein (MamJ)
identifiziert, das Bestandteil der Magnetosomenhülle ist. Mutanten, denen dieses Protein fehlt, bildeten zwar noch
Magnetosome, konnten sich aber nur
noch schwach im Magnetfeld ausrichten. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Kollegen des MaxPlanck-Instituts für Biochemie in Martinsried ergaben, dass die Magnetparti-
kel der Mutanten nicht mehr kettenförmig, sondern ungeordnet in der Zelle
vorlagen.
Mit einer speziellen Technik, der KryoElektronentomographie, machten die
Wissenschaftler schließlich eine überraschende Entdeckung: Sie fanden fädige
Strukturen in der Zelle, an die sich die
Magnetosomen anlagerten. Eine solche
zellskelettartige Struktur war bei Bakterien bisher unbekannt. Die Forscher vermuten, dass MamJ die Magnetpartikel
an das Proteinskelett anheftet. Kettenförmig angeordnete Magnetitkristalle
hat man auch in Geweben von Tauben
und Lachsen gefunden, die sich mit Hilfe des Magnetfeldes orientieren können.
Möglicherweise entstehen diese auf
ähnliche Weise wie die jetzt in den Bakterien beschriebenen Strukturen. wsa
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