Bremer-Erklaerung-2007_Entw_061022

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Bremer Erklärung von 2007 – Entwurf 22.10.2006
Initiative für einen Politikwechsel in Bremen
Die neoliberale Sanierung in Bremen ist endgültig gescheitert.
Gesellschaft und Staat in Bremen sind neu aufzubauen!
Jetzt Mut für eine Politikwende zeigen!
Bremen am Ende?
Gemessen an den 1993 formulierten Zielen, ist Bremen nach 14 Jahren
“Sanierungspolitik” endgültig gescheitert. Der öffentliche Haushalt Bremens steht
seit 2004 außerhalb des Grundgesetzes. Er ist verfassungswidrig.
Unter drei großen Koalitionen ist ein nie gekanntes eigenes Bremer Sanierungsregime
entstanden. Es ist gekennzeichnet durch massive Umverteilung von unten nach oben,
den Verkauf öffentlichen Eigentums, die Zerstörung weiter Bereiche der öffentlichen
Daseinsvorsorge, den Niedergang der Stadtplanung, durch Bildungszerstörung und
dramatisch wachsende Kinderarmut, die Vorbelastung künftiger Generationen durch
Wahnsinnsprojekte wie den Space-Park sowie die Entdemokratisierung durch
Verschiebung demokratischer Aufgaben in nicht kontrollierbare Gesellschaften.
Auch deshalb ist der Bremer öffentliche HÖffentliches Eigentum wurde im Umfang
von 1,3 Milliarden Euro verkauft.

Weite Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge sind privatisiert und
demokratischer Kontrolle entzogen.

Tausende Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sind vernichtet.

Die versprochenen Wirkungen der Wirtschafts- und Investitionspolitik auf
Arbeitsplätze und öffentliche Einnahmen blieben aus.

Bildung und Kultur sind in einem verheerenden Zustand.

Armut gehört mittlerweile zum Stadtbild. Jedes dritte Kind in Bremen lebt
heute in Armut!
Die Reaktionen der Parteien der großen Koalition
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Die Sanierungspolitik hat sich als ein Instrument der Umverteilung von
gesellschaftlichem Reichtum und Macht von „unten nach oben“ entpuppt. Deshalb
sind wir nicht einverstanden mit einer Fortführung des oben beschriebenen PolitikRegimes. Blind und taub für die realen Folgen ihres Handelns und unbeeindruckt
von jeder Kritik und jedem Protest, gab es für die Parteien der bisherigen großen
Koalition bis jetzt nur ein „Weiter so wie bisher“ und sogar „Noch mehr davon!“ –
die übliche Resistenz gegen die Erfahrung des Scheiterns der neoliberalen Politik.
Aber dieses „Weiter so!“ geht nicht mehr. Bremen ist an die Wand gefahren –
finanziell und sozial.
Jede Sympathie für Bremen in der Republik ist verspielt durch 12 Jahre
Verschwendung von Milliarden Euro für großmannssüchtige Event-Projekte,
genannt „Investitionen“. Viele Gutachter für das Bundesverfassungsgericht haben
das festgestellt. In die normalen Menschen dieser Stadt, ihre Bildungs-, Arbeits- und
Wohnbedingungen in den Stadtteilen, wurde nicht investiert, im Gegenteil.
Heute weiß keiner von den Verantwortlichen mehr einen Ausweg! Der Bund hat
keine Sanierungsmilliarden mehr zu vergeben. Und wegen der Föderalismus- und
Länderfinanzausgleichs-Reformen steht Bremen heute erst recht allein da, weil die
grundgesetzliche Solidarität des Bundes und der Länder immer weiter ausgehöhlt
worden ist. Gleichwertige Lebensbedingungen, wie das Grundgesetz sie fordert, sind
– auch durch die aktive Mithilfe Bremens bei den Föderalismus- und
Länderfinanzausgleichs-Reformen - in weite Ferne gerückt.

Die große Koalition hat schon heute die Investitionsmittel der nächsten 8 bis
10 Jahre praktisch ausgegeben. Damit sind jedwede Spielräume für Alternativen
verbaut und zukünftigen Generationen unverantwortlich hohe Lasten aufgebürdet.

Ungeachtet des welt- und bundesweiten Versagens neoliberaler Politik, setzt
sie weiter auf Marktfundamentalismus. Sie betreibt mit der Fortführung des
Konzeptes der „Neuordnung der Aufgabenstrukturen“ (d.h. die Reduzierung der
staatlichen Aufgaben auf Polizei, Justiz und Finanzverwaltung), ihren Ausstieg aus
der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung.

Ungeachtet der Erkenntnis, dass damit nicht die Probleme im Bildungs- und
Erziehungsbereich gelöst werden können, werden Privatisierung, Selektion und
Elitebildung als Konzept für Schulen und Hochschulen durchgezogen. In der
personellen Ausstattung frühkindlicher Bildung und Erziehung steht Bremen im
Bundesvergleich schlecht da.

Ungeachtet wachsender Armut und schwindender Lebensqualität wird weiter
bei der Hilfe zum Lebensunterhalt, bei Jugend und Freizeiteinrichtungen, bei Kulturund Sportprojekten bis unterhalb existenzieller Grenzen gekürzt.
Bremen nach dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil: Staatskommissar, Übernahme
durch die Banken oder neues Wildwest?
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Auch dem Bundesverfassungsgericht ist nichts Neues mehr dazu eingefallen. In dieser
Situation kann man Bremen zum neoliberalen „Leuchtturm“ in Europa machen,
einer Art „Freiwirtschaftszone“, in der keine sozialen Schutzgesetze mehr gelten.
Bremen im verfassungspolitischen Ausnahmezustand. Man kann Bremen einem
Staatskommissar übergeben, der uns den Hahn weiter abdreht, uns aber nicht mehr
verantwortlich ist. Man kann uns denen geben, denen wir sowieso schon gehören, den
Banken, damit sie uns ihre Bedingungen aufzwingen.
Oder man kann jetzt in einer solidarischen Aktion gemeinsam den Mut entwickeln zu
einer grundlegenden Wende des Sanierungsregimes.
Es ist an der Zeit, dass in Bremen Alternativen zu diesem Politiksystem formuliert
und durchgesetzt werden.

Eine Politik, die den Menschen und seine Lebensbedürfnisse in den
Mittelpunkt der Investitionspolitik stellt und den Erhalt und die Stärkung regionaler
und lokaler Wirtschaftskreisläufe zum Ziel hat. Investieren in die Menschen und ihre
Lern-, Wohn- und Arbeitsbedingungen. Freizeit für die Menschen im öffentlichen
Raum ohne „Eventismus“ und Kommerz!

Eine Aufgaben-, Ausgaben und Verteilungspolitik die zukunftsfähige,
verlässliche und solidarische öffentliche Strukturen schafft.

Ein Politik, welche die Solidarität mit den Armen, Kranken und Schwachen
wieder ernst nimmt.

Eine Politik, welche den Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheit
unabhängig vom Einkommen ermöglicht und Kindern und Erwachsenen wieder eine
Zukunft bietet.

Eine Politik, welche die Partizipation der Bürger und Bürgerinnen an allen
wichtigen politischen Entscheidungen fördert.
Eine Wahl steht wieder vor der Tür: Neue soziale Märchenstunde für die SPD
Die SPD hat sich seit langem geschickt für die anstehende Wahl positioniert: Henning
Scherf, der sich als besonders erfahrungsresistent erwiesen hatte und unter dem noch
ein Briefchen von Schröder mit einem Wert von 500 Millionen für zwei Jahre in den
Landeshaushalt eingestellt wurde, wurde rechtzeitig vor der Wahl in Pension
geschickt – um in Talkshows zu demonstrieren, dass man mit der Rente eines
Präsidenten des Senats auch als Grauer bunt leben kann.
Eines seiner teuersten „Baybies“ (Scherf), die er dem Bremer Steuerzahler
hinterlassen hat, ist die teuer eingekaufte „private“ „Elite“-Zweigstelle der
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texanischen Rice-University, die IUB. Privat sind die Professorentitel, die an so
weltbekannte „Wissenschaftler“ wie den gescheiterten Ex-Telekom-Chef Ron
Sommer verkauft wurden, vieles andere aber ist mit dreistelligen Millionenbeträgen
vom Bremer Steuerzahler öffentlich finanziert worden.
Böhrnsen und Sieling wollen nun die kleine Wende zu „Rot-Grün“. Böhrnsen baute
sich rechtzeitig als der neue starke Visionär auf, der eine Wende herbeiführt: mit
seinem Papier vom Januar 2006 wollte er angeblich die alten Investitonen und
Investitionsruinen der großen Koalition auf den Prüfstand stellen, diese Sonder„Investitionen“ will er nun moderat zurückfahren. So weit so gut. Aber die alte
„Sanierungs“-Formel vom „Sparen und Investieren“ behält er bei. Und nicht nur, um
beim BVerfG gutes Wetter zu machen. Ein Wende gegenüber 12 Jahren großer
Koalition ist nicht geplant und nicht erkennbar.
Zu Wahlen holt die SPD wieder ihr rotes soziales Mäntelchen heraus und gibt sich
links: Die offizielle Finanzplanung bis 2009 will uns weismachen, das wir 290
Millionen mehr Steuereinnahmen haben werden, so dass der starke Böhrnsen bis
dahin den sog. Primärhaushalt (den Haushalt ohne Zinsausgaben) ausgeglichen
haben will. Wahlzeiten als soziale Märchenstunde der SPD!
Tatsächlich war die Netto-Neuverschuldung bereits im Jahre 2005 1,1 Milliarden
Euro hoch. Die Hälfte davon floss direkt als Zinszahlungen an die Banken zurück. –
Verhältnisse wie in dem „Dritt-Welt-Land“ Brasilien Mitte der Achtziger.
Die Wahl wird eine Wende nicht bringen können angesichts der medialen Dominanz
der Herrschenden, aber es könnte eine Willensäußerung von unten für eine Wende,
den Einstieg in eine Wende geben.
Bremer Forum - Zukunft und Solidarität
Das kann kein Mensch, keine Organisation, keine Initiative, kein Verband allein
entwickeln und durchsetzen. Wir schlagen daher ein „Bremer Forum - Zukunft und
Solidarität“ vor. Ein Forum, dessen Charakter an dem der Welt- und den
Europäischen Sozialforen angelehnt ist.
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Ein Forum, das Protest artikuliert, vorhandene Alternativen weiter entwickelt
und bekannt macht sowie deren Umsetzung vorantreibt.
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Ein Forum das konkrete Verabredungen für gemeinsame Diskussion und
gemeinsames Handeln trifft.
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Ein Forum, das geprägt sein soll von der gegenseitigen Toleranz der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von der Erkenntnis, dass niemand die alleinige
Weisheit gepachtet hat.

Ein Forum, das deutlich macht, dass die Durchsetzung von
Partikularinteressen auf Kosten anderer Betroffener langfristig scheitern muss und
das herausstellt, dass die unterschiedliche Betroffenheit gemeinsame Ursachen hat.
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Eine Form, die die Sozialforen in Porto Alegre, Mumbay, Paris und Florenz so
erfolgreich gemacht hat. Ein öffentlicher und offener Raum in dem gefragt und
geantwortet wird, in dem der Konsens gesucht wird aber Unterschiede nicht
weggewischt werden, in den viel hingetragen wird – nur keine fertiges Ergebnis. Dass
wir dabei deutlich Bundes- und Landespolitik analysieren und kritisieren müssen
und dass wir Alternativen für alle Ebenen der Politik brauchen, ist uns klar. Aber
weder wollen wir die Politik der Bundesregierung ausblenden, noch darf auf
landespolitischer Ebene die Verantwortung für die Situation in Bremen nach Berlin
delegiert werden.
Wir, die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wollen öffentlich, in unseren
Organisationen oder als Einzelpersonen für ein solches Forum werben und es
möglich machen. Wir fordern alle, die wie wir mit der Politik der großen Koalition in
Bremen nicht einverstanden sind auf, sich uns anzuschließen. Wir sehen darin einen
Weg, gemeinsam für einen Politikwechsel in Bremen einzutreten.
(UnterzeichnerInnen)
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