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G42362
ISSN 1436-798-X
State-of-the-Art
Markentransfer
Humor in der Werbung
Markenrevitalisierung
Akustische
Markenführung
1/2007
91 DER TOP 100 UNTERNEHMEN
ÖSTERREICHS SETZEN AUF A1.
WIR VERBINDEN, WAS SIE VERBINDET.
MIT DER ERFOLGREICHSTEN KENNZAHL IM BUSINESS.
Was die meisten Top Unternehmen Österreichs gemeinsam haben? Neben innovativem Denken, mutigen
Entscheidungen und unermüdlichem Einsatz teilen sie sich die Erfolgskennzahl 0664. Auch Porsche
Austria/Großhandel Audi setzt bei mobiler Kommunikation auf A1 und damit auf erfolgreiche Business
Verbindungen. Kristallklar und blitzschnell. Weitere Informationen unter www.A1.net/business
Quelle: NEWS Top 1000, NEWS 42A, 19.10.2006
Zeitschrift für Werbung,
Kommunikation und
Markenführung
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Markenartikel
Inhalt
G42362
Humor in der Werbung
Markenrevitalisierung
Akustische
Markenführung
1/2007
Franziska Völckner
und Henrik Sattler
Heribert Gierl
91 DER TOP 100 UNTERNEHMEN
ÖSTERREICHS SETZEN AUF A1.
Josef A. Mazanec
WIR VERBINDEN, WAS SIE VERBINDET.
MIT DER ERFOLGREICHSTEN KENNZAHL IM BUSINESS.
Was die meisten Top Unternehmen Österreichs gemeinsam haben? Neben innovativem Denken, mutigen
Entscheidungen und unermüdlichem Einsatz teilen sie sich die Erfolgskennzahl 0664. Auch Porsche
Austria/Großhandel Audi setzt bei mobiler Kommunikation auf A1 und damit auf erfolgreiche Business
Verbindungen. Kristallklar und blitzschnell. Weitere Informationen unter www.A1.net/business
Quelle: NEWS Top 1000, NEWS 42A, 19.10.2006
Zeitschrift für Werbung,
Kommunikation und
Markenführung
91 der Top 100 Unternehmen setzen auf A1.
Markentransfer: Der Stand der Forschung
6
Überzeugungswirkung von Humor als Stilmittel
in der Werbung
16
„Zauberlehrlings BeSEM“ – oder „Was Anwender 25
über Ge- und Missbrauch des Structural Equation
Modeling in der betriebswirtschaftlichen Forschung
wissen sollten“
Florian Keusch
Marktsegmentierung mittels CHAID und
logistischer Regression
31
Alexander Sova
Strategien einer erfolgreichen Markenrevitalisierung – Eine Untersuchung zur Wiederbelebung
marktabsenter Konsumgütermarken
36
Praxis
Ehrung von Prof. Günter Schweiger: Festschrift für 39
den Werbe- und Marktforscher zum 65. Geburtstag
Wolfgang Mayerhofer
und Adelheid Kremsner
Prognosen als wertvolles Planungsinstrument dar- 40
gestellt am Beispiel des österreichischen Weinmarktes
Werner Baudrexel
How to turn around a company?
44
Norbert Schrangl
B2B Branding – Mut zur Aufmerksamkeit
46
Sabine Hoffmann
BUZZ Marketing – Innovatives Jugendmarketing von A1 48
Herwig Kusatz
Wolfgang Mayerhofer
Florian Keusch
Peter Schnedlitz
Werbeforschung & Praxis 1/2007
Akustische Markenführung – Markenwerte gezielt
hörbar machen
50
Gutachterliste 2006
52
MAFO-Splitter: Vertrauen ist gut – Kontrolle
53
wäre besser! Ergebnisse einer empirischen Studie
zum österreichischen Versicherungsmarkt
einBLICK: Verdichtung von Information
55
Literaturservice
58
Buch des Quartals: Werbe- und Markenforschung
62
Best Paper 2006
62
Impressum
43
3
Service
Mit der von Saatchi &
Saatchi gestalteten Referenzkunden-Kampagne
zeigt A1 seine klare
Marktführerschaft im
Geschäftskundenbereich.
Porsche Austria, Casinos Austria, Red Bull,
Swarovski Kristallwelten, OMV, BIPA, Novartis/Sandoz, Wienerberger, das Verkehrsbüro, die Spar Gruppe
und BP zeigten durch
diese Kampagne klar:
sie setzen bei ihrer mobilen Kommunikation
auf A1 und damit auf
erfolgreiche Business
Verbindungen, genau
wie die meisten der österreichischen Top 100
Unternehmen.
0664 ist die erfolgreichste Unternehmenskennzahl - das zeigt die
Kampagne eindrucksvoll und doch mit Augenzwinkern.
4
Forschung
ISSN 1436-798-X
State-of-the-Art
Markentransfer
Neuer Herausgeberbeirat
Neuer Herausgeberbeirat
Karen Heumann
(Vorstand Jung von
Matt AG, Hamburg/
Deutschland)
Dr. Walter Neuhauser
(Geschäftsführer
Neuhauser Harnach
GbR, München,
Deutschland)
Priv.-Doz. Dr. Carsten
Baumgarth
(Marmara-Universität
Istanbul, Türkei)
Siegfried Högl
(Sprecher der Geschäftsführung GfK Marktforschung, Nürnberg,
Deutschland)
Prof. Bruce I. Newman
(DePaul University,
Chicago, USA)
Prof. Dr. Dirk-Mario
Boltz
(FHW Berlin School
of Economics, Berlin,
Deutschland)
Dr. Helene Karmasin
(Leiterin von Karmasin
Motivforschung, Wien,
Österreich)
Prof. Dr. Bodo
Schlegelmilch
(Wirtschaftsuniversität
Wien, Österreich)
Prof. Dr. Manfred
Bruhn (Universität
Basel, Schweiz)
Prof. Dr. Erich Kirchler
(Universität Wien,
Österreich)
Prof. Dr. Peter
Schnedlitz
(Wirtschaftsuniversität
Wien, Österreich)
Prof. Dr. H. Dahlhoff
(Universität Kassel,
Deutschland)
Prof. Dr. Guido
Kucsko (Rechtsanwalt
Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien,
Österreich)
Prof. Dr. Günter
Schweiger
(Wirtschaftsuniversität
Wien, Österreich)
Prof. Dr. F.-R. Esch
(Justus-Liebig-Universität Gießen,
Deutschland)
Prof. Dr. Wilfried
Leven (Geschäftsführer
der Agentur + Leven +
Hermann, Köln,
Deutschland)
Prof. Dr. Gerhard
Speckbacher
(Wirtschaftsuniversität
Wien, Österreich)
Prof. Dr. Hans-Peter
Liebmann
(Universität Graz,
Österreich)
Prof. Dr. Volker
Trommsdorff
(Technische Universität
Berlin, Deutschland)
Prof. Dr. Andrea
Gröppel-Klein
(Universität des Saarlandes, Saarbrücken,
Deutschland)
Prof. Dr. Josef Mazanec
(Wirtschaftsuniversität
Wien, Österreich)
Prof. Dr. Gerhard
Windischbauer
(Veterinärmedizinische
Universität Wien,
Österreich)
Prof. Dr. Arnold
Hermanns (Universität
der Bundeswehr,
Neubiberg,
Deutschland)
Prof. Dr. Hans
Mühlbacher
(Leopold-FranzensUniversität Innsbruck,
Österreich)
Prof. Dr. Gerhard
Wührer (Johannes
Kepler Universität
Linz, Österreich)
(Stand November 2006)
Michael Grabner (Stellvertr. Vorsitzender der
Geschäftsführung Verlagsgr. Georg v. Holtzbrinck GmbH, Stuttgart, Deutschland)
4
transfer
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WWG
Werbeforschung & Praxis 1/2007
5
Markentransfer
Franziska Völckner und Henrik Sattler
Markentransfer: Der Stand der Forschung
Marken stellen für die meisten Unternehmen einen herausragenden Vermögensgegenstand dar. Einen wichtigen Wertbeitrag liefern markenstrategische Optionen in Form von Markentransfers. Eine Markentransferstrategie ist durch die Übertragung einer etablierten Marke (z.B. Nivea) auf ein
neues Produkt (z.B. Nagellack) gekennzeichnet. Trotz ihrer sehr weiten
Verbreitung in der Praxis sind die Erfolgswirkungen einer Markentransferstrategie sehr unsicher. Als Folge hiervon hat sich die Forschung intensiv
mit der Erklärung des Markentransfererfolges beschäftigt. Der vorliegende
Beitrag gibt einen Überblick zum State-of-the-Art der Markentransferforschung und skizziert zukünftige Forschungsfelder.
1 Begriff und Relevanz
Eine Markentransferstrategie (synonym
Markendehnung, Markenerweiterung oder
Brand-Stretching) ist durch die Übertragung einer etablierten Marke (Muttermarke) auf ein neues Produkt (Transferprodukt)
gekennzeichnet. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Dehnung der
Marke Dextro Energy auf Müsliriegel. Ein
wesentliches Ziel von Markentransferstrategien besteht darin, vorhandene Wissensstrukturen in Form von Markenbekanntheit und -image auf das neue Produkt zu
transferieren und damit im Vergleich zur
markenstrategischen Hauptalternative (der
Neumarkenstrategie) Zeit- und Kostenvorteile zu realisieren.
Markentransferstrategien erfreuen sich
in der Praxis einer außerordentlichen Beliebtheit. Bei kurzlebigen Konsumgütern
werden national wie international in den allermeisten Kategorien mehr als 90 Prozent
der Neuprodukte unter Verwendung einer
Markentransferstrategie eingeführt. Eine
ähnliche Dominanz findet sich im Dienstleistungsbereich. Die Gründe für diese Entwicklung sind unter anderem darin zu sehen, dass die Hauptalternative zur Markentransferstrategie – die Entwicklung neuer
Marken – immer aufwendiger und kosten-
6
intensiver wird (z.B. Esch 2005, S. 30f.). Als
Folge hiervon konzentrieren sich Unternehmen auf ihre starken Marken und eliminieren B- und C-Marken. Die verbleibenden
starken Marken werden dann als Plattform
für Transfers verwendet. Unilever reduziert
zum Beispiel sein Markenportfolio von
1600 auf 400 Marken; als Folge hiervon
konnte der Anteil von Marken mit einem
Umsatz von mehr als 1 Mrd. E von 4 im
Jahre 1999 auf 14 Mrd. E Anfang 2003 gesteigert werden (u.a. Lipton, Knorr, Dove,
Axe und Rexona, vgl. Chwallek 2003).
Die weite Verbreitung von Markentransferstrategien erklärt sich aus einer Vielzahl von Chancen, die diese Strategie gegenüber einer Neumarkenstrategie bietet
(vgl. zusammenfassend z.B. Sattler und
Völckner 2006). An erster Stelle sind Zeitund Kostenvorteile zu nennen. Durch die
Übertragung der Wissensstrukturen der im
Markt etablierten Marke auf das neue Produkt besteht die Möglichkeit, relativ schnell
und kostengünstig einen verhältnismäßig
hohen Bekanntheitsgrad und ein positives
Image für das Neuprodukt aufzubauen
(Schweiger und Schrattenecker 2005, S.
93f.). Gemäß einer umfassenden Managerbefragung von Sattler (1997) umfassen die
marketingbezogenen Produkteinführungskosten eines Markentransfers bei typischen
kurzlebigen Konsumgütern lediglich circa
50 Prozent von denjenigen einer Neumarkenstrategie (zu prinzipiell ähnlichen Befunden vgl. Smith und Park 1992 sowie Sullivan 1992). Im günstigsten Fall profitiert
auch die Muttermarke von dem Markentransfer. Vorteilhafte Markenassoziationen
können verstärkt und die Marke kann darüber hinaus um neue Assoziationen erweitert werden. Ein Rückfluss positiver Imageund Bekanntheitseffekte stärkt zudem das
Vertrauen der Konsumenten in die Marke
und kann auf diese Weise zu einer Erhö-
Dr. habil. Franziska Völckner,
Mitarbeiterin am Institut für
Marketing und Medien,
Lehrstuhl für BWL –
Marketing & Branding,
Universität Hamburg.
[email protected]
Prof. Dr. Henrik Sattler,
Geschäftsführender Direktor
des Instituts für Marketing
und Medien, Lehrstuhl für
BWL – Marketing & Branding, Universität Hamburg.
[email protected]
transfer
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WWG
Werbeforschung & Praxis 1/2007
7
Markentransfer
hung des Markenwerts beitragen. Weiterhin
können positive Rückwirkungen von Transferprodukten dazu eingesetzt werden, Umpositionierungen der etablierten Marke beziehungsweise Verjüngungen des Markenimages vorzunehmen.
Den Chancen von Markentransferstrategien stehen erhebliche Risiken gegenüber
(vgl. zusammenfassend z.B. Sattler und
Völckner 2006). Dies zeigt sich unter anderem in den erheblichen Flopraten von Markentransfers. So sind im Bereich kurzlebiger
Konsumgüter Flopraten in Höhe von ca. 70
Prozent nicht ungewöhnlich (Wieking
2006). Mögliche Ursachen hierfür sind unter anderem ein zu geringer Fit zwischen
Transferprodukt und Muttermarke oder eine mangelnde Imagestärke der Muttermarke (vgl. Kapitel 3). Zudem zeigen Misserfolge wie zum Beispiel Ajax Waschmittel,
Kleenex Windeln, Levi’s Herrenanzüge oder
Xerox Computer, dass selbst bei bisher sehr
erfolgreichen Marken das Risiko eines möglichen Flops des Neuproduktes nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Aaker 1990, S.
50 ff.; Keller 2003, S. 599). Als Risiko wird
vielfach auch die Kannibalisierung der bisher unter der Muttermarke angebotenen
Produkte durch ein neues Transferprodukt
gesehen. In der Medienwirtschaft wurde
zum Beispiel bei möglichen Transfers von
Muttermarken aus dem Printbereich befürchtet, durch Angebote im Internet oder
Fernsehen das Kerngeschäft zu kannibalisieren (vgl. Caspar und Burmann 2005, S.
252). Dementsprechend scheuten sich viele traditionelle Medienunternehmen, ein
vollständiges Angebot ihrer Muttermarken
ins Internet zu stellen. Allerdings ist hier zu
prüfen, inwiefern Bedrohungen durch
Wettbewerber bestehen. Im Zweifel gilt
auch hier das Motto: „Kannibalisiere dich
selbst, bevor es andere tun!“ Hiervon unabhängig ist zu prüfen, inwiefern ähnliche
Kannibalisierungsprobleme
auftreten,
wenn anstelle eines Markentransfers eine
Neumarkenstrategie verwendet wird.
2 Forschungskonzeptionen zur Untersuchung des Markentransfererfolges
Die bisherige Forschung hat sich auf die
Analyse des Erfolgs von Markentransfers
konzentriert. Grundsätzlich lassen sich monetäre und nicht-monetäre Ansätze unterscheiden. Monetäre Ansätze versuchen, beispielsweise im Rahmen von Markenbewertungsansätzen (vgl. die Übersichten bei Esch
2005, S. 540ff., Sattler 2005), den Markentransfererfolg finanziell zu quantifizieren, etwa in Form der Bewertung einer markentransferstrategischen Option, also dem zukünftigen Wertschöpfungspotenzial, das
sich durch den Transfer einer Marke in neue
(Produkt-)Bereiche ergibt. Die Forschung
steht hier noch in den Anfängen (vgl. Kaufmann, Sattler und Völckner 2006). Dabei
muss berücksichtigt werden, dass markentransferstrategische Optionen häufig einen
erheblichen Wertbestandteil von Marken
ausmachen (vgl. Sattler 2000) und der Verzicht auf eine Bewertung implizit einer Bewertung mit Null gleichkommt, was in den
meisten Fällen vollkommen unrealistisch ist.
Grundlage monetärer Ansätze können
nicht-monetäre Ansätze darstellen. Letztere
können auf Forschungskonzeptionen aufbauen, die eher technologisch oder eher
Abb. 1
Forschungskonzeptionen zur Untersuchung des Markentransfererfolges
8
theoretisch orientiert sind (vgl. Abb. 1). Im
wissenschaftstheoretischen Sinn sind Technologien Lehren vom zielerreichenden Gestalten (Popper 1969, S. 36ff.). Technologien zielen in dem hier betrachteten Zusammenhang insbesondere darauf ab, konkrete Möglichkeiten, insbesondere in Form
von Entscheidungsunterstützungssystemen, zur Gestaltung des Markentransfererfolgs aufzuzeigen. Im diesem Sinn ist
beispielsweise von Sattler (1998) ein Entscheidungsunterstützungssystem zur Beurteilung der Erfolgschancen von Markentransfers entwickelt worden. Grundlage bilden hierbei zum einen Erkenntnisse der
bisherigen empirischen Markentransfererfolgsforschung (vgl. Kapitel 3), zum anderen verschiedene theoretische Ansätze.
Letztere haben insbesondere in Form von
Einstellungstheorien und gedächtnispsychologischen Theorien Verbreitung gefunden (vgl. Abb. 1).
Pionierarbeit im Bereich der Einstellungstheorien hat das Imagetransfermodell
von Schweiger (1982) geleistet. Die Übertragung positiver Imagekomponenten von
der Muttermarke auf das Transferprodukt
stellt den Kern eines Markentransfers dar.
Unter Image versteht Schweiger dabei ein
System konnotativer (emotionale bzw.
nicht-sachhaltige) Eigenschaften. Zentrales
Erfolgskriterium ist die Nähe zwischen der
Marke, dem ursprünglichen Produktbereich und dem Transferproduktbereich in einem mehrdimensionalen Wahrnehmungsraum. Ein Markentransfer ist dann Erfolg
versprechend, wenn Konsumenten zwischen dem Produktbereich der Muttermarke und dem Transferprodukt eine hohe technologische und emotionale Ähnlichkeit
wahrnehmen und zwischen Muttermarke
und Transferprodukt eine hohe emotionale
Ähnlichkeit vorliegt.
Zu den gedächtnispsychologischen
Theorien zählen beispielsweise Kategorisierungstheorien (zu weiteren Ansätzen vgl.
z.B. Esch 2005). Hier wird aufgezeigt, dass
Gedächtnisinhalte durch mentale Schemata
beziehungsweise Kategorien repräsentiert
werden, die unter anderem Lernprozesse vereinfachen können, indem sie als Denkschablonen eingesetzt werden. Stimmen einzelne Merkmale eines neuen Stimulus mit
dem Konzept einer bestehenden kognitiven
Kategorie überein, so muss der Stimulus
nicht für sich beurteilt werden, sondern
kann der jeweiligen Kategorie zugeordnet
und in Verbindung mit dieser „schematisch“
bearbeitet werden (z.B. Keller 2003, S.
transfer
3 Empirische Befunde zum
Markentransfererfolg
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten
Risiken von Markentransferstrategien (vgl.
Kapitel 1) hat sich die empirische Markentransferforschung intensiv mit der Analyse
potenzieller Einflussgrößen des Markentransfererfolges beschäftigt. Grundlage der
empirischen Untersuchungen bilden unterschiedliche Forschungskonzeptionen. Zumeist erfolgt eine theoriegestützte Ableitung
von Hypothesen zur Wirkung spezifischer
Erfolgsfaktoren von Markentransfers (z.B.
Qualitätseinschätzung bzw. Imagestärke der
Muttermarke oder Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt) auf einer nichtmonetären Ebene. Insgesamt wurden seit
1985 über 60 empirische Studien zur Wirkung von Markentransfer-Erfolgsfaktoren
veröffentlicht (vgl. z.B. die Übersichten bei
Völckner 2003; Völckner und Sattler
2006a; Zatloukal 2002).
Eine Übersicht über die wichtigsten von
der empirischen Forschung identifizierten
Einflussfaktoren des Markentransfererfolges ist in Abb. 2 zusammengestellt. Von den
in Abb. 2 aufgeführten Einflussgrößen gehören die Muttermarkenstärke und die
wahrgenommene Ähnlichkeit (der „Fit“)
zwischen Muttermarke und Transferprodukt zu den von der bisherigen empirischen
Forschung besonders häufig betrachtete Er-
Werbeforschung & Praxis 1/2007
folgsdeterminanten. Konsumenten nutzen
oftmals ihre mit einer Marke verbundenen
Kenntnisse und Vorstellungen als Qualitätsindikator, das heißt sie schließen von
dem Markennamen auf die Ausprägung der
Eigenschaften eines unter der Marke neu angebotenen Produktes. Auf diese Weise reduzieren sie durch den Kauf einer bekannten und als qualitativ hochwertig eingeschätzten Marke ihr wahrgenommenes
Kaufrisiko. Wird ein neues Produkt unter
einem etablierten Markennamen eingeführt, so ist zu vermuten, dass bisherige
(Qualitäts-)Assoziationen hinsichtlich der
Muttermarke zu einem gewissen Grad auf
das neue Produkt übertragen werden. Dabei ist gemäß den Erkenntnissen der Kategorisierungs- und Schematheorie davon
auszugehen, dass Konsumenten ihre Assoziationen hinsichtlich der Muttermarke eher
auf das Neuprodukt übertragen, wenn sie
zwischen diesem und der Muttermarke eine
Ähnlichkeit (d.h. einen „Fit“) wahrnehmen.
Die Befunde der zahlreichen empirischen Studien zum Einfluss der Muttermarkenstärke und des wahrgenommenen
Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt auf den Markentransfererfolg sind
allerdings nicht eindeutig. Betrachtet man
zum Beispiel die Studie von Aaker und Keller (1990) und ihre sechs Replikationsstudien von Sunde und Brodie (1993), Nijssen
und Hartmann (1994), Holden und Barwise (1995), Bottomley und Doyle (1996),
Nijssen und Bucklin (1998) sowie Lye, Venkateswarlu und Barrett (2001), so zeigt sich,
dass hinsichtlich der Erfolgsfaktoren „Fit
zwischen Muttermarke und Transferpro-
dukt“ und „Muttermarkenstärke“ nicht
eindeutig ermittelt werden kann, ob sie einen signifikanten Einfluss auf den Erfolg eines Transferproduktes ausüben oder nicht.
Die betreffenden Studien kommen jeweils
zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hier ist
zu vermuten, dass andere in den Studien
nicht betrachtete potenzielle Erfolgsfaktoren die Ursache für die widersprüchlichen
Befunde sind.
Im Rahmen der bislang umfassendsten
empirischen Untersuchung zum Markentransfererfolg analysieren Sattler, Völckner
und Zatloukal (2003) sowie Völckner und
Sattler (2006a, 2006b) die in Abb. 2 aufgeführten Erfolgsfaktoren erstmals simultan.
Grundlage der Untersuchung bilden unter
anderem zwei Konsumentenbefragungen
hinsichtlich hypothetischer Markentransfers (n = 917 Probanden, 90% Studenten)
und realer im Markt existierender Transferprodukte (n = 2.426 Probanden, deutschlandweit repräsentative Quotenstichprobe
von Käufern kurzlebiger Konsumgüter). Im
Mittelpunkt der Studien stehen die folgenden Forschungsfragen:
1. Welche relative Bedeutung kommt den
einzelnen Erfolgsfaktoren bei der Erklärung des Markentransfererfolges zu?
2. Welche Beziehungsstrukturen bestehen
zwischen den Erfolgsfaktoren?
3. In welchem Maße unterscheiden sich die
Wirkungen der Faktoren zwischen Produktgruppen?
4. Lassen sich die Befunde zur relativen Bedeutung der Erfolgsfaktoren über unterschiedliche Typen von Muttermarken generalisieren?
Abb. 2
Einflussfaktoren des Markentransfererfolges (Sattler und Völckner 2006)
9
Forschung
608f.). Dabei wird davon ausgegangen, dass
die Wahrscheinlichkeit der Zuordnung von
Objekten zur selben Kategorie umso höher
ist, je stärker die wahrgenommene Zusammengehörigkeit der Objekte ist. Es kann argumentiert werden, dass auch das Markenwissen im Gedächtnis durch mentale Kategorien repräsentiert wird (z.B. Boush und
Loken 1991, S. 17). Für die Beurteilung eines neuen Transferproduktes bedeutet dies,
dass die Konsumenten ihre Assoziationen
hinsichtlich der Muttermarke eher auf das
Neuprodukt übertragen, wenn sie zwischen
diesem und der Muttermarke eine Ähnlichkeit wahrnehmen.
Die Ausführungen verdeutlichen, dass
sich Einstellungstheorien und gedächtnispsychologische Theorien ergänzen und somit die Abgrenzung der beiden Ansätze fließend ist. So lassen sich wesentliche Elemente
beziehungsweise Annahmen einstellungstheoretischer Ansätze, beispielsweise des
Imagetransfermodells von Schweiger
(1982), in den gedächtnispsychologischen
Ansätzen finden und umgekehrt.
Markentransfer
5. Gibt es Unterschiede in der Erfolgsfaktorenwirkung zwischen Konsumentensegmenten?
6. Inwiefern lassen sich Befunde auf Basis
hypothetischer Transferprodukte auf
reale Markentransfers übertragen?
7. Inwiefern lassen sich Befunde auf Basis
von Studenten-Stichproben auf NichtStudenten übertragen?
Ad 1: Relative Bedeutung der
Erfolgsfaktoren:
Von den in Abb. 2 aufgeführten Erfolgsfaktoren kristallisieren sich sechs Faktoren mit einer deutlich überdurchschnittlichen Bedeutung heraus. Dabei handelt es
sich um den Fit beziehungsweise die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt, die vom Konsumenten wahrgenommene kommunikativen Unterstützung des Transfers (Werbedruck), die Handelsakzeptanz des
Transferproduktes (gemessen als die vom
Konsumenten wahrgenommene Erhältlichkeit des Transferprodukts im Handel),
das Involvement der Konsumenten gegenüber der Muttermarke, die Intensität der
Muttermarkenerfahrung und die wahrgenommene Muttermarkenqualität. Sämtliche übrigen Erfolgsfaktoren sind von eindeutig geringerer Relevanz. Des Weiteren
zeigt sich, dass moderierende Effekte (d.h.
Interaktionen zwischen den Einflussgrößen) nur eine untergeordnete Rolle spielen
(Völckner und Sattler 2006a).
Abb. 3
10
Ad 2: Beziehungsgeflecht der
Einflussfaktoren:
Wie aus Abb. 3 hervorgeht, erweisen sich
neben den direkten Effekten der Einflussgrößen auf den Markentransfererfolg eine
Reihe von Beziehungen zwischen den Einflussgrößen als statistisch signifikant.1 Die
identifizierten Einflussgrößen üben somit
neben einer direkten Wirkung verschiedene indirekte Effekte auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Markentransfers aus
(Völckner und Sattler 2006a). So zeigt sich
beispielsweise, dass der stärkste Bestimmungsfaktor des Markentransfererfolges,
die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen
Muttermarke und Transferprodukt, durch
die vom Konsumenten wahrgenommene
Marketingunterstützung des Transferproduktes positiv beeinflusst werden kann.
Empirische Studien zeigen in diesem Zusammenhang, dass insbesondere die Betonung gemeinsamer Merkmale von Muttermarke und Transferprodukt und die Hervorhebung der Relevanz bestimmter
Muttermarkenassoziationen in der Transferproduktkategorie im Rahmen kommunikativer Maßnahmen eine Erfolg versprechende Strategie sein kann (z.B. Bridges,
Keller und Sood 2000).
Auffallend ist die Veränderung der relativen Bedeutung einzelner Erfolgsfaktoren
bei einer Berücksichtigung von indirekten
Einflüssen auf das Zielphänomen. So sinkt
beispielsweise die relative Bedeutung der
Handelsakzeptanz (d.h. der wahrgenom-
Beziehungsgeflecht der Erfolgsfaktoren von Markentransfers
(Völckner und Sattler 2006a)
menen Erhältlichkeit des Transferprodukts)
um gut ein Viertel von 20,9 Prozent auf 13,0
Prozent und die des wahrgenommenen Fit
um etwa ein Drittel von 32,4 Prozent auf
22,9 Prozent. Ein eklatanter Unterschied ergibt sich hinsichtlich der relativen Bedeutung des Faktors „Marketingunterstützung“
(wahrgenommener Werbedruck). Bei alleiniger Betrachtung der direkten Effekte ergibt sich eine relative Bedeutung von 9,4
Prozent. Diesem Wert steht ein Bedeutungsgewicht von 22,5 Prozent bei Berücksichtigung der totalen (= direkte + indirekte) Effekte gegenüber (Völckner und Sattler
2006a). Einfache einstufige Erklärungsmodelle laufen somit Gefahr, die relative Bedeutung der betrachteten Einflussgrößen erheblich zu unter- oder zu überschätzen. Dies
ist insofern problematisch, da die Gefahr einer Fehleinschätzung des Markentransfererfolges besteht. Konnte beispielsweise für
eine bestimmte Einflussvariable kein signifikanter direkter Effekt nachgewiesen werden, so würde man diese im Rahmen einstufiger Erklärungsmodelle aus der Erfolgsprognose ausschließen. Unberücksichtigt
bleibt hier, dass der betrachtete Faktor möglicherweise über andere Erfolgsfaktoren einen signifikanten Einfluss auf die Erfolgschancen eines Markentransfers ausübt.
Ad 3: Unterschiede zwischen
Produktgruppen:
Eine vergleichende Analyse der Erfolgsfaktorenwirkungen in verschiedenen Produktgruppen des kurzlebigen Konsumgüterbereichs zeigt, dass wesentliche Befunde
der bisherigen Forschung über Warengruppen hinweg weitgehend generalisierbar
sind. Unabhängig von der Produktgruppe
kann ein signifikant positiver direkter Effekt der Faktoren Markeninvolvement,
Handelsakzeptanz, Marketingunterstützung und Fit auf den Markentransfererfolg
nachgewiesen werden. Auch die wesentlichen Beziehungen zwischen den Erfolgsfaktoren lassen sich über Produktgruppen
hinweg generalisieren. Darüber hinaus besteht hinsichtlich der relativen Bedeutung
der Erfolgsfaktoren innerhalb der einzelnen
Produktgruppen eine hohe Gemeinsamkeit. Die Befunde bestätigen allerdings auch
die Vermutung, dass der Einfluss mehrerer
Faktoren innerhalb der einzelnen Produktgruppen variiert. So ist z.B. die Qualität der
Muttermarke in der Produktkategorie
Koch-, Back- und Bratzutaten von besonderer Bedeutung, während die Handelsak-
transfer
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Red Box
Werbeforschung & Praxis 1/2007
11
Markentransfer
zeptanz bei Süßwaren von wesentlicher Bedeutung ist. In keiner Produktgruppe können die Ergebnisse der Gesamtanalyse exakt
repliziert werden (Völckner und Sattler
2006a, 2006b). Im Rahmen einer Detailanalyse potenzieller Markentransfers empfiehlt es sich folglich, warengruppenspezifische Wirkungen der Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen.
Ad 4: Unterschiede zwischen
Muttermarkentypen:2
Ähnlich wie bei den Produktgruppenanalysen zeigt sich auch bei einer Analyse
über verschiedene Muttermarkentypen
hinweg, dass die Erfolgswirkung wesentlicher Einflussgrößen weitgehend generalisierbar ist. Teilt man die betrachteten Marken beispielsweise gemäß ihrer aus Konsumentensicht wahrgenommenen Markenpersönlichkeit (Aaker 1997) in zwei
Gruppen (Völckner und Sattler 2006b) ein
und nimmt dann die jeweiligen Analysen
separat für die beiden Gruppen vor, so ergeben sich relativ geringe (wenn auch signifikante) Unterschiede zwischen den
Gruppen hinsichtlich der Wirkung der Erfolgsfaktoren. Insbesondere zeigt sich, dass
die Qualität der Muttermarke und der Fit
über alle betrachteten Marken hinweg die
dominierenden Erfolgsfaktoren sind. Ein
ähnliches Ergebnis zeigt sich bei einer vergleichenden Analyse von prestigeorientierten und funktionalorientierten Marken
(Völckner und Sattler 2006b).
Ad 5: Unterschiede zwischen
Konsumentensegmenten:
Bei einer Analyse auf Konsumentensegmentebene zeigen sich deutliche Unterschiede in den Wirkungen der Erfolgsfaktoren. Im Ergebnis können über ein FiniteMixture-Modell drei Klassen identifiziert
werden, die in sich jeweils weitgehend homogene Bedeutungsgewichte für die einzelnen Erfolgsfaktoren aufweisen, wohingegen zwischen den Segmenten deutliche
Unterschiede auftreten. So dominiert im
ersten Segment (ca. 53% der Stichprobe)
eindeutig die wahrgenommene Qualität der
Muttermarke, mit deutlichem Abstand gefolgt von den Faktoren Art der transferierten Informationen und Fit. Im zweiten Segment (ca. 26%) weist hingegen der Fit die
eindeutig höchste Bedeutung auf, gefolgt
von der deutlich weniger wichtigen wahrgenommenen Qualität der Muttermarke
12
und nochmals klar weniger relevanten anderen Erfolgsfaktoren. Im dritten Konsumentensegment (ca. 21% der Stichprobe)
sind die Faktoren Fit und Muttermarkenstärke etwa gleich bedeutend. Je nach Konsumentensegment wirken die Erfolgsfaktoren also in deutlich unterschiedlicher Weise (Völckner und Sattler 2005).
Ad 6: Hypothetische versus reale
Transferprodukte:
Der weitaus größte Teil der empirischen
Studien zum Markentransfererfolg basiert
auf einer Betrachtung von für den Untersuchungszweck konstruierten, hypothetischen Transferprodukten. Ein Problem dieser Vorgehensweise kann darin bestehen,
dass durch die Verwendung hypothetischer
Markentransfers der Umfang der zur Transferproduktbeurteilung zur Verfügung stehenden Informationen stark begrenzt wird.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen realen und hypothetischen Markentransfers besteht darin, dass das Antwortverhalten der
Befragten im Hinblick auf die Beurteilung
des Markentransfers bei realen Transfers aufgrund eigener Erfahrungen gebildet wird,
bei hypothetischen hingegen auf vom Forscher vorgegebenen Beschreibungen beruht.
In der jüngeren Vergangenheit ist wiederholt
die Vermutung geäußert worden, dass insbesondere die herausragende Bedeutung des
Fit zwischen Muttermarke und Transferprodukt auf die Verwendung hypothetischer
Untersuchungsprodukte zurückzuführen ist
(z.B. Klink und Smith 2001, S. 326 f.; Swaminathan, Fox und Reddy 2001, S. 1f.).
Die Existenz eines solchen Untersuchungsdesign-Bias wird in der Studie von
Völckner und Sattler (2006b) erstmals explizit getestet. Zwischen den Analysen auf
Basis realer (d.h. in der Vergangenheit tatsächlich in den Markt eingeführter Transfers) und hypothetischer Transferprodukte
(d.h. bisher nicht in den Markt eingeführte Transfers) zeigen sich nur geringe Unterschiede. Der vermutete Untersuchungsdesign-Bias kann nicht bestätigt werden. Dieser Befund lässt darauf schließen, dass
Untersuchungsergebnisse auf Basis hypothetischer Markentransfers auf reale Markentransfers zu wesentlichen Teilen übertragen werden können.
Ad 7: Studentenstichproben versus
Konsumentenstichproben:
Eine vergleichende Analyse der Erfolgs-
faktorenwirkungen zwischen Studentenstichproben und Konsumentenstichproben
zeigt schließlich, dass wesentliche Befunde
der bisherigen Forschung auf NichtStudenten weitgehend übertragbar sind
(Völckner und Sattler 2006b), zumindest
sofern die Untersuchungsprodukte für Studierende relevant sind. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass
der überwiegende Teil der bisherigen Forschung auf Studenten-Stichproben basiert.
4 Fazit
Dieser Beitrag gibt einen Überblick zum
State-of-the-Art der Markentransferforschung. Es werden Forschungskonzeptionen zur Erklärung und Analyse von Markentransfers erläutert und empirische Befunde der bisherigen Forschung ausführlich
erörtert. Als wesentliche Befunde sind folgende Punkte festzuhalten:
• Von herausragender Bedeutung für den
Erfolg von Markentransfers sind der
Fit beziehungsweise die wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Muttermarke und Transferprodukt und die
wahrgenommene Muttermarkenqualität, darüber hinaus aber auch die kommunikative Unterstützung des Transfers (Werbedruck), die Handelsakzeptanz des Transferproduktes, das Involvement der Konsumenten gegenüber
der Muttermarke und die Intensität
der Muttermarkenerfahrung.
• Die identifizierten Erfolgsfaktoren üben
neben einer direkten Wirkung verschiedene indirekte Effekte auf die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Markentransfers aus. Durch die Vernachlässigung
indirekter Effekte kann es zu erheblichen Fehlinterpretationen kommen.
• Zwischen Produktgruppen kurzlebiger
Konsumgüter sowie Typen von Muttermarken kann die Wirkung der Erfolgsfaktoren variieren, die dominierende Relevanz der Faktoren Fit und
Qualitätseinschätzung der Muttermarke bleibt jedoch weitgehend erhalten.
Wesentliche Unterschiede treten hingegen in der Wirkung zwischen alternativen Konsumentensegmenten auf.
Trotz der intensiven empirischen Forschungsanstrengungen verbleiben – gerade
vor dem Hintergrund der erheblichen Relevanz und Unsicherheit in der Unternehmenspraxis – verschiedene zukünftige Forschungsfelder.
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the sixth sense of business™
Ein wichtiges Aufgabenfeld liegt in der weiteren systematischen Forschung zur Generalisierbarkeit von Befunden der bisherigen Markentransferstudien. So lassen sich Forschungsbefunde nur dann sinnvoll in der Unternehmenspraxis einsetzen, wenn sie hinreichend
generalisierbar sind. Vor diesem Hintergrund
gewinnt das Ziel der Generalisierung von Ergebnissen und damit auch der breiten empirischen Fundierung der theoretischen Basis zentrale Relevanz.
In einem engen Zusammenhang mit der Frage nach der Generalisierbarkeit beziehungsweise Stabilität von Forschungsbefunden steht die
Forderung, Studien der bisherigen Markentransferforschung zu replizieren. Während in
anderen Disziplinen – beispielsweise in den Naturwissenschaften – Replikationsstudien weit
verbreitet sind, werden in der Betriebswirtschaftslehre bislang nur sehr vereinzelt Replikationen durchgeführt. Eine nennenswerte
Ausnahme bildet im Marketing und speziell im
Bereich der Markentransferforschung die Studie von Aaker und Keller (1990) und ihre Replikation durch Sunde und Brodie (1993),
Nijssen und Hartmann (1994), Holden und
Barwise (1995), Bottomley und Doyle (1996),
Nijssen und Bucklin (1998) sowie Lye, Venkateswarlu und Barrett (2001). Diese Studien bestätigen nachdrücklich die Notwendigkeit von
Replikationen in der Markentransferforschung.
In zukünftigen Forschungsarbeiten sollte
darüber hinaus eine Weiterentwicklung von
Technologien zur Entscheidungsunterstützung
in konkreten Einzelfällen vorgenommen werden. Ein solches Entscheidungsunterstützungssystem wird beispielsweise von Sattler (1998)
vorgeschlagen.
Die bisherigen Studien nehmen entweder eine Single-Item Messung der Erfolgsfaktoren
vor oder operationalisieren die Konstrukte über
reflektive Indikatoren, das heißt über im Prinzip austauschbare Indikatoren. Zukünftigen
Forschungsarbeiten sollten neue, insbesondere
formative Konstruktoperationalisierungen vornehmen und auf diese Weise die unterschiedlichen Facetten der Erfolgsfaktoren detailliert erfassen. So kann beispielsweise das Konstrukt Fit
durch die Ähnlichkeit der Produkteigenschaften von Muttermarke und Transferprodukt, die
Ähnlichkeit des wahrgenommenen Qualitätsniveaus von Muttermarke und Transferprodukt, die vermutete Herstellungskompetenz,
die Markenkonzeptkonsistenz, die Komplementarität von Muttermarke und Transferprodukt, die Substituierbarkeit der Produkte und
durch den Fit zwischen Muttermarkenimage
und Transferproduktimage gebildet werden.
Bei diesen Indikatoren handelt sich um ein for-
Werbeforschung & Praxis 1/2007
Marken erfolgreich
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Markentransfer
matives Messmodell. Aus Praxissicht sind
formative Konstrukt-operationalisierungen
wichtig, da sie detaillierte Aussagen über die
Stellgrößen zur Beeinflussung des Markentransfererfolges erlauben.
Schließlich hat sich die bisherige Forschung primär mit Markentransfers im
kurzlebigen Konsumgüterbereich beschäftigt. Interessant wäre es zu untersuchen, inwiefern sich die hier ermittelten Befunde
auf andere Bereiche wie langlebige Konsumgüter und Dienstleistungen übertragen
lassen. Ähnlich wie bei kurzlebigen Konsumgütern stellen Markentransfers auch bei
Dienstleistungen die eindeutig dominierende Markenstrategie dar.
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1 Zur Operationalisierung der Erfolgsfaktoren vgl. Völckner und Sattler (2006a)
2 Die Ergebnisse zu Muttermarkentypen, Konsumentensegmenten und realen versus hypothetischen Transferprodukten basieren teilweise auf
einstufigen Auswertungen, während die Ergebnisse unter Ad 1 und Ad 2 auf komplexeren Kausalstrukturen basieren
Hinweis: Beiträge in der Rubrik „Forschung“ sind in einer Doppelblind-Begutachtung jeweils von einem Wissenschafter und einem
Praktiker bewertet und für die Veröffentlichung in transfer - Werbeforschung & Praxis empfohlen worden. Veröffentlichungen in der
Rubrik „Praxis“ sind vom Herausgeber bewertet und zur Veröffentlichung empfohlen worden. Sie müssen zur Unterscheidung vom
Autor in seinen Publikationslisten mit dem Zusatz „im Praxisteil von transfer - Werbeforschung & Praxis publiziert“ geführt werden.
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WWG
Werbeforschung & Praxis 1/2007
15
Humor in der Werbung
Heribert Gierl
Überzeugungswirkung von Humor als
Stilmittel in der Werbung
Die Ergebnisse der vorgestellten Experimente belegen, dass starke Sachargumente ihre Überzeugungswirkung nicht verlieren, wenn Humor in der
Werbung eingesetzt wird, dass Humor wirksamer ist (als es Sachargumente sind), wenn die Rezipienten der Werbung ein geringes situatives Involvement haben, und dass für utilitaristische ebenso wirksam wie für emotionale Low-Involvement-Produkte humorvoll geworben werden kann. Der
Praxis wird empfohlen, humorvolle Werbung einzusetzen, wenn zusätzlich
starke Sachargumente angeführt werden können, jedoch auf humorvolle
Werbung zu verzichten, wenn die Kontaktsituation durch ein hohes situatives Involvement gekennzeichnet ist.
ie Thematik, ob in Werbung Humor
eingesetzt oder darauf verzichtet werden sollte, wird in der Werbewirkungsforschung seit Langem kontrovers
diskutiert. Dabei steht weniger die Frage
im Vordergrund, ob humorvoll geworben
werden soll oder nicht, sondern es wird gefragt, unter welchen Bedingungen Humor
in der Werbung vorteilhaft oder nachteilig
ist. Das Ziel der Studie war es, drei derartige Bedingungen zu überprüfen. Erstens
wurde untersucht, ob es sinnvoll ist, Humor in der Werbung einzusetzen, wenn
entweder starke oder nur schwache Sachargumente für den Kauf des beworbenen
Produkts angeführt werden können. Zweitens wurde überprüft, ob die persuasive
Wirkung von Humor in der Werbung vom
situativen Involvement der Rezipienten der
Werbung abhängt. Drittens war es Ziel
der Analyse festzustellen, ob die Wirkung
von Humor in der Werbung davon ab-
D
hängt, ob für emotionale oder für utilitaristische Low-Involvement-Produkte geworben wird.
Effekt von Humor auf die Wirkung
von Sachargumenten
Die Frage, ob sich Humor als Stilmittel
in der Werbung positiv oder negativ darauf
auswirkt, wie die Empfänger von humorvoller Werbung ein Werbeobjekt bewerten
(Persuasionswirkung), wird in der Werbewirkungsforschung bereits seit Jahrzehnten
diskutiert. Meist wird angenommen, dass
Humor eine positive Wirkung besitzt, wobei die empirischen Ergebnisse diese Vermutung nicht generell stützen (Literaturüberblicke bei Sternthal/Craig 1973, Duncan 1979 und Weinberger/Gulas 1992).
Einerseits wird vermutet, dass humorvolle Elemente die Aufmerksamkeit für das
Werbemittel erhöhen (Madden/Weinber-
Der Autor dankt Frau Sonja Beckmann, Frau Julia Ebel, Frau Birgit Engelmayer,
Frau Katrin Husel, Frau Sevda Kolkiran, Frau Bianca Lampl, Frau Martina Maria
Messelhäuser, Frau Barbara Mittel, Frau Gülein Naz, Frau Katarzyna Sylwestra Szuba,
Frau Erika Viertl, Frau Anita Vojnovic, Frau Susanne Vukovic, Herrn Jan Gröne und
Herrn Michael Klickermann für die Mitarbeit an den empirischen Studien.
16
ger 1982 und 1984, S. 24; Duncan/Nelson
1985, S. 35; Weinberger/Campbell 1991).
Andererseits wird angenommen, dass humorvolle Elemente die Aufmerksamkeit für
die Sachargumente, die in einem Werbemittel enthalten sind, nicht zwangläufig
ebenfalls positiv beeinflussen (Spieker
1985, S. 17). Es wird als eine Gefahr angesehen, dass humorvolle Elemente von den
starken Sachargumenten ablenken bzw. ihre Verarbeitung unterbrechen, so dass die
Überzeugungskraft der Argumente sinkt
(Lammers et al. 1983). Für Anbieter, die lediglich schwache Argumente für ihr Produkt anführen könnten, wäre es hingegen
von Vorteil, wenn Humor von derartigen
Argumenten ablenkt (Cline/Altsech/Kellaris 2003).
Prof. Dr. Heribert Gierl,
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem
Schwerpunkt Marketing,
Universität Augsburg
[email protected]
transfer
werben. Nach Smith und Zhang ist es empfehlenswert, unabhängig davon, ob starke
oder schwache Argumente verwendet werden, humorvoll zu werben.
Da zumindest eine gewisse Gemeinsamkeit der bisher vorliegenden Befunde in
der Beobachtung besteht, dass sich durch
die Aufnahme eines humorvollen Elements
in die Werbeanzeige die Wirkung der Stärke der Argumente verringert (bei Smith:
7,62 - 6,78 < 6,76 - 5,09 und bei Zhang
1996: 0,52 – (-0,45) < 0,27 – (-0,85)), wird
in einer Studie die folgende Hypothese getestet:
H1: Die Verwendung von humorvollen
Elementen in der Werbung reduziert die
persuasive Wirkung von Sachargumenten.
Effekt von Humor in Abhängigkeit
vom situativen Involvement der
Rezipienten
In der Werbewirkungsforschung dominieren Dual-Process-Modelle, wie z.B. das
Elaboration-Likelihood-Modell von Petty/
Cacioppo (1986). Eine wichtige Erkenntnis dieser Forschungsrichtung lautet, dass
sich Personen von peripheren Reizen beeinflussen lassen und dass deren Wirkung
vergleichsweise stark ist, wenn die Rezipienten ein geringes (situatives) Involvement aufweisen. Humorvolle Elemente
könnten als periphere Reize aufgefasst werden. Folglich wird vermutet, dass die Wirkung von humorvollen Stilmitteln vom si-
Tab. 1
Ergebnisse zum Interaktionseffekt von Argumentstärke und Humor
Werbeforschung & Praxis 1/2007
tuativen Involvement der Rezipienten der
Werbung abhängt (Zhang 1996, S. 16).
Von Personen mit geringem situativen Involvement wird angenommen, dass sie besonders auf das „Gefallen“ der Werbung
achten und sich die Gefallenswirkung auf
die Produktbewertung positiv auswirkt.
Humorvolle Elemente könnten eine hohe
Gefallenswirkung haben (Gelb/Picket
1983, S. 39). Für Werbung, die sich an hoch
involvierte Rezipienten richtet, wird hingegen postuliert, dass es in diesem Fall unnötig wäre, Humor einzusetzen (Markiewicz
1974, S. 413). Basierend auf diesen Überlegungen wird Hypothese 2 formuliert und
getestet:
H2: Im Fall des geringen situativen Involvement ist der Effekt von Humor als Stilmittel auf die persuasive Wirkung von Werbung höher als im Fall des hohen situativen
Involvement.
Effekt von Humor in Abhängigkeit
von der Produktkategorie
Die zweite hier betrachtete Moderatorvariable ist die Art des beworbenen Produkts. Weinberger/Campbell (1991, S.
45f.) beziehen sich auf eine Produkttypologie von Vaughn (1986) und vermuteten
in Bezug auf diese Produkttypen eine unterschiedliche Wirksamkeit humorvoller
Werbung. In dieser Typologie werden Produkte nach dem Fehlkaufrisiko und nach
ihrer Funktion unterschieden. Produkte
mit hohem (geringem) Fehlkaufrisiko
werden als High- bzw.
Low-InvolvementProdukte bezeichnet.
In Abhängigkeit davon, ob Produkte gekauft werden, um
nützliche Produkte zu
besitzen oder um Vergnügen zu erlangen,
werden sie als funktional (utilitaristisch)
bzw. expressiv (hedonistisch) bezeichnet.
Tabelle 2 zeigt diese
Klassifikation.
Biel/Bridgwater
(1990, S. 43 f.) vermuten, dass sich Produkte aus dem Bereich
der „Yellow Goods“ in
besonderem Maße
eignen, humorvoll be-
17
Forschung
In der Literatur wurde der Interaktionseffekt zwischen der Stärke der Sachargumente und dem Humor (als Stilelement)
auf die persuasive Wirkung von Werbung
bereits einige Male in Laborexperimenten
geprüft. Meist wurden vier Versionen einer
Werbeanzeige konstruiert, die sich erstens
im Hinblick auf die Stärke der Sachargumente, die in der betreffenden Anzeige zugunsten des Werbeobjekts aufgeführt werden, und zweitens in Bezug darauf, ob ein
humorvolles Stilelement in der Anzeige enthalten war oder nicht, unterscheiden (experimentelles 2x2-Design). Tabelle 1 enthält die Ergebnisse dieser Studien zur Bewertung des jeweiligen Werbeobjekts.
Nach den Beschreibungen der Experimente, die in Tabelle 1 aufgeführt sind, wurde die Frage, ob Humor in der Werbung die
Wirkung von Sachargumenten senkt, bisher nur für den Fall des geringen situativen
Involvement untersucht. Dieses situative
Involvement ist gering, wenn Rezipienten
in der Kontaktsituation mit Werbung geringe Fähigkeiten oder geringe Motivationen besitzen, sich gedanklich mit der Werbung auseinanderzusetzen. In den Experimenten von Smith (1993) und von Cline/
Kellaris (1999) war zwar ein signifikanter
Interaktionseffekt zwischen Argumentstärke und Humor zu beobachten. Die Ergebnisse selbst sind aber uneinheitlich. Nach
Cline/Kellaris ist es vorteilhaft, im Fall
schwacher Argumente humorvoll und im
Fall starker Argumente ohne Humor zu
Humor in der Werbung
oder nicht, und ob der Effekt von humorvollen EleEine Klassifikation von Produkten nach dem Fehlkaufrisiko und der Produktfunktion
menten vom situativen Involvement der Empfänger
der Werbung abhängt. Für
dieses Experiment wurden
für verschiedene Marken
vier Versionen von Printanzeigen entwickelt, die
sich sowohl in Hinblick
auf die Stärke der Sachargumente (gering, hoch) als
worben zu werden. Die Vorteilhaftigkeit
H3: Die persuasive Wirkung von Wer- auch in Hinblick auf die Werbestrategie
von humorvoller Werbung für Low-Invol- bung mit humorvollen Elementen ist für (humorvoll, nicht-humorvoll) unterschievement-Produkte ließe sich damit begrün- emotionale Low-Involvement-Produkte den. Zur Auswahl humorvoller oder nichtden, dass sich Konsumenten auf Grund des stärker als für utilitaristische Low-Involve- humorvoller Versionen dienten Pretests.
geringen Fehlkaufrisikos grundsätzlich re- ment-Produkte.
Auch die Stärke der Argumente, die in den
lativ wenig für Sachargumente interessieren
Abbildung 1 fasst die formulierten drei Versionen variiert werden sollte, wurde in
und Werbung schätzen, die unterhaltsam Hypothesen in einem Untersuchungsmo- Vorstudien geprüft. Die Vorgehensweise
ist. Spotts/Weinberger/Parsons (1997, S. dell zusammen.
war analog zum Procedere der Autoren, de29) stellten auf Basis von Analysen der Werren Studien in Tabelle 1 dargestellt worden
Empirische Studien
bepraxis in den USA fest, dass Red Goods
waren.
am seltensten und Yellow Goods am häuZum Test von Hypothese H1 wurden
Zur Prüfung der Hypothesen wurden drei Experimente durchgeführt, wobei in
figsten humorvoll beworben werden. Sie
zeigen auch, dass die Recall-Werte ver- zwei Studien durchgeführt. Mit der ersten zwei Experimenten nur nach einen 2x2 Betgleichsweise hoch sind, wenn „Yellow Studie wurden H1 und H2 und mit der ween-Subjects-Design nach ArgumentstärGoods“ humorvoll beworben werden (S. zweiten H3 überprüft. Die Teststimuli, die ke und Humor (ja/nein) unterschieden
28). Die bereits vorliegenden Befunde zur Vorgehensweise und die Ergebnisse werden wurde und die Situation eines geringen situativen Involvement unterstellt werden
Frage, ob die Persuasionswirkung von hu- nachfolgend erläutert.
kann. Im dritten Experiment, mit dem auch
morvoller Werbung von der ProduktkateStudie 1: Sachargumente und situatives
H2 geprüft wurde, wurde zusätzlich gemäß
gorie abhängt, erweisen sich jedoch als ineinem 2x2x2-Design nach dem situativen
Involvement
konsistent (Brooker 1981, S. 35; Wu/
Involvement der Probanden unterschieden.
Crocker/Rogers 1989, S. 660; WeinberIn der ersten Studie wurde untersucht, Die eine Hälfte der Personen, die am dritger/Gulas 1992, S. 55; Flaherty/Weinberger/Gulas 2004). Daher wird Hypothese 3 ob die Wirkung von Sachargumenten da- ten Experiment teilnahmen, bekam zu Bevon abhängt, ob humorvoll geworben wird ginn der Befragung die Information, die
getestet:
Studie diene der Anfertigung einer studentischen Diplomarbeit. Die andere Hälfte
wurde in einem einleitenden Text darüber
Abb. 1
informiert, dass eine bekannte WerbeagenDie in diesem Beitrag geprüften Hypothesen
tur die präsentierten Anzeigen erstellt hat
und dass ihre Meinung dafür ausschlaggebend sei, ob die Werbung in dieser Art und
Weise geschaltet wird. Um die Motivation
der High-Involvement-Gruppe, sich gedanklich mit der Werbung auseinander zu
setzen, zusätzlich zu erhöhen, mussten diese Personen auf eine offene Frage angeben,
worauf sie bei einem Kauf der jeweils beworbenen Produkte besonders achten. Die
Anzahl der Auskunftspersonen und die für
die Testzwecke ausgewählten Marken sind
nachfolgend angegeben:
• Experiment 1 (2x2-Design): 120 Auskunftspersonen (keine Studenten),
Testanzeigen für drei Produkte der unbekannten Marken Orion Autovermietung, Kinoworld Ticketreservierung und
Cosy Unterwäsche.
Tab. 2
18
transfer
Anzeige
WWG
Werbeforschung & Praxis 1/2007
19
Humor in der Werbung
• Experiment 2 (2x2-Design): 141 Auskunftspersonen (keine Studenten),
Testanzeige für Ketchup der bekannten
Marke Kraft.
• Experiment 3 (2x2x2-Design): 258 Studenten, Testanzeigen für Bier der unbekannten Marke Astra und für Zahncreme
der unbekannten Marke Oral fresh.
Welche Argumente als stark oder als
schwach empfunden werden, war in Pretests
ermittelt worden. Probanden beurteilten
vorgegebene Argumente anhand von Statements wie überzeugend, stark/schwach, nützlich, aussagekräftig und informativ (7-stufige Skalen).
Auch zur Identifikation der als humorvoll und der als nicht humorvoll empfun-
Abb. 2
denen Bildmotive dienten Pretests. Das zur
Prüfung von Humor verwendete Statement
in den Experimenten 1 und 3 lautete gar
nicht lustig/außerordentlich lustig (7-stufige
Skala). In Experiment 2 fanden die Statements humorvoll/nicht humorvoll, lustig/
nicht lustig und unterhaltsam/nicht unterhaltsam Verwendung (Chattopadhyay/
Basu 1990, S. 471). Auf die ausführliche Beschreibung der humorvollen und nicht-humorvollen Versionen aller Testanzeigen soll
hier verzichtet werden. Stellvertretend werden Bildmotive für die Werbung für Oral
fresh und Kraft angegeben. Abbildung 2 enthält beispielhaft fiktive humorvolle Versionen der Werbeanzeigen für Oral fresh in
Kombination mit schwachen und mit starken Sachargumenten. Der abgebildete
Exemplarisch ausgewählte, fiktive Anzeigen für Oral fresh
Humorvolle Werbung und schwache Argumente
Humorvolle Werbung und starke Argumente
20
Cartoon wurde von den studentischen Probanden als vergleichsweise humorvoll bewertet. In der nicht-humorvollen Version
war anstelle des Cartoons das beworbene
Produkt in Großaufnahme zu sehen.
Das humorvolle und das nicht-humorvolle Bildmotiv in der fiktiven Werbeanzeige für Kraft Ketchup ist in Abbildung 3 enthalten. In der als humorvoll identifizierten
Version schwenkt ein Würstchen angesichts
der „Bedrohung durch ein gnadenlos scharfes Ketchup“ die Weiße Fahne, in der nichthumorvollen Variante ist die Weiße Fahne
nicht dargestellt.
In den Experimenten 1 und 3 beurteilte jede Auskunftsperson drei bzw. zwei für
die Studie relevante Marken. Die Testanzeigen waren in Pufferanzeigen, die über die
Experimentalgruppen hinweg konstant
blieben, eingebunden. Experiment 2 fand
in Form einer Online-Befragung statt. Die
Datenerhebung erfolgte zwischen 2005
und 2006.
Zur Messung der Einstellung zur beworbenen Marke dienten die Statements interessant, attraktiv, sympathisch, überzeugend
(im Fall des Ketchup: ansprechend),
gut/schlecht und würde ich kaufen (im Fall
der Autovermietung: buchen). Die Probanden konnten entsprechend beschrifteten 6stufigen Skalen mehr oder minder zustimmen (Alpha = 0,911). Die Ergebnisse dieser Experimente sind in Tabelle 3 dargestellt. Sie fallen über die beworbenen
Marken hinweg betrachtet konsistent aus
und entsprechen für den Low-InvolvementFall dem Datenmuster, welches Zhang
(1996) für den Fall des geringen Need for
Cognition ermittelte.
In Hypothese H1 wurde die Behauptung
formuliert, die Verwendung von humorvollen Elementen in der Werbung reduziere die persuasive Wirkung von Sachargumenten. Für nur eines der sechs betrachteten Werbeobjekte (Kinoworld Ticketreservierung) konnte ein signifikanter
Interaktionseffekt zwischen Argumentstärke und humorvollem Stilelement ermittelt
werden. Die Wirkung der Argumentstärke
verringerte sich bei Einbeziehung des humorvollen Stilelements stärker als ohne Einbeziehung von Humor (4,70 – 3,64 > 2,33
– 2,19; FAxH = 4,439, p < 5%), was mit H1
konform ist. Da jedoch nur im Fall von einer Marke (bei sechs betrachteten Marken)
ein mit H1 stimmiges Ergebnis erzielt werden konnte, ist diese Hypothese lediglich
sehr schwach gestützt.
In Hypothese H2 war vermutet worden,
transfer
Abb. 3
Exemplarisch ausgewählte, fiktive Anzeigen für Kraft Ketchup
Humorvolle Werbung
Nicht humorvolle Werbung
chend konnten Probanden diverse Produktklassen anhand von fünf Statements
(7-stufige Skalen), die wie folgt formuliert
waren, bewerten: „(Produktklasse) ist mir
sehr wichtig/überhaupt nicht wichtig“, „Ich
genieße es, (Produktklasse) zu kaufen“, „Die
Marke, die eine Person bei (Produktklasse)
kauft, sagt viel über sie aus“, „Ich würde mich
ärgern, wenn ich die falsche Marke bei (Produktklasse) gekauft hätte“ und „Wenn ich vor
der Auswahl an (Produktklasse) stehe, bin ich
unsicher, welche Marke ich kaufen soll.“ Auf
der Basis der Angaben von 50 Auskunftspersonen wurden die vier Kategorien Körperpflegeartikel, Lebensmittel für den täglichen Bedarf, Bettwäsche und Schokoriegel als typische Low-Involvement-Produkte identifiziert.
Eine zweite Vorstudie diente dazu, die
ausgewählten Produktkategorien in utilitaristische (funktionale) und hedonistische
(expressive) Kategorien einzuteilen. Hierzu
dienten die Statements „sollen problemfrei
sein“ und „sollen nützlich sein“ bzw. „sollen
Genuss bereiten“, „sollen Spaß machen“ und
„sollen Freude bereiten“. Das Ergebnis, welches wiederum auf den Urteilen von rund
50 Auskunftspersonen beruhte, war, dass
Körperpflegeartikel und Lebensmittel des
täglichen Bedarfs als typisch utilitaristische
Low-Involvement-Produkte und Bettwäsche und Süßigkeiten als typische hedonistische Low-Involvement-Produkte interpretiert werden können.
Als bekannte Marken wurden für Körperpflegeprodukte dusch das und Rexona,
dass der Effekt von Humor als Stilmittel auf dukte. Gemäß Hypothese H3 wird erwardie persuasive Wirkung von Werbung im tet, dass humorvolle Werbung für emotioFall des geringen situativen Involvement nale Produkte wirksamer ist.
höher ist als im Fall des hohen situativen InEin erster Pretest diente dazu, diverse
volvement. Bei Gültigkeit von H2 müsste Low-Involvement-Produktklassen zu idenein signifikanter Interaktionseffekt zwi- tifizieren. Die hierzu verwendete Operatioschen Humor und Involvement auftreten, nalisierung des Produktklassen-Involveder anhand der Ergebnisse zu zwei Marken ment erfolgte in Anlehnung an die Vor(Astra und Oral fresh) überprüft werden schläge von Laurent/Kapferer (1985), die
kann. Im Fall der Werbung für Oral fresh er- nach den Komponenten „Interest“, „Pleaweist sich dieser Interaktionseffekt als sig- sure“, „Sign“, „Risk importance“ und „Pronifikant, und die Ergebnisse entsprechen bability of error“ einteilen. Dem entspreder erwarteten Richtung
(3,48 > 2,77, 3,58 > 3,11,
2,64 ≈ 2,41 und 3,07 ≈
Ergebnisse der Experimente mit Variation von Argumentstärke, humorvollen Stilmitteln
Tab. 3
3,24, FHxI = 3,870, p <
und situativem Involvement
5%). Daher kann auch
Hypothese H2 als durch
diese Studie schwach gestützt angesehen werden.
Studie 2: Hedonistische
und utilitaristische
Low-InvolvementProdukte
In der zweiten Studie
wurde untersucht, ob die
Wirkung von humorvollen Stilelementen in Werbung für hedonistische
Low-Involvement-Produkte höher ist als in Werbung für utilitaristische
Low-Involvement-Pro-
Werbeforschung & Praxis 1/2007
21
Humor in der Werbung
für Lebensmittel des täglichen Bedarfs Müller Milch, Weihenstephaner und du darfst, für
Bettwäsche Ikea und für Süßigkeiten die
Schokoriegel Snickers und Mars ausgewählt.
Das weitere Vorgehen zielte darauf ab,
für diese acht Marken jeweils zwei Versionen einer Printanzeige für einen Werbemitteltest zu gestalten. Die eine Version war für
die meisten der genannten Marken jeweils
eine originale, d.h. vom Werbetreibenden
tatsächlich eingesetzte Werbeanzeige, die allerdings zum Zeitpunkt des jeweiligen Experiments neu war, d.h. den Auskunftspersonen noch nicht bekannt war. Die andere
Version war jeweils eine für die Zwecke des
Experiments erstellte, fiktive Werbeanzeige.
Abb. 4
Exemplarisch ausgewählte Anzeigen für einen Vergleich der persuasiven Wirkung von humorvoller und nicht-humorvoller Werbung in Studie
Humorvolle Werbung
Humorvolle Werbung
22
War die originale Werbeanzeige humorvoll,
so sollte die fiktive Werbeanzeige nicht-humorvoll sein, war die originale Werbeanzeige hingegen nicht-humorvoll, so sollte die
fiktive Anzeige die humorvolle Version darstellen. Weitere Pretests dienten der Prüfung, ob die Anzeigenversionen in diesem
Sinne bewertet wurden. Die Auskunftspersonen bewerteten die beiden Anzeigenversionen (humorvoll, nicht-humorvoll) anhand der aus der Studie von Cline/Altsech/Kellaris (2003) entnommenen Statements „Die Anzeige ist sehr lustig …
überhaupt nicht lustig“ und „Die Anzeige ist
sehr amüsant … überhaupt nicht amüsant“.
Die für die Zwecke des Experiments selbst
erstellten Anzeigenversionen wurden so lan-
Nicht humorvolle Werbung
ge verändert, bis sich numerisch deutliche
Mittelwertunterschiede im Hinblick auf
diese zwei Statements ergaben. Die Anzeigenversionen sollten keine oder nur wenige
Sachargumente für die Produkte enthalten,
so dass der Effekt der Qualität der Argumente für diese Studie keine Rolle spielen
sollte.
Um den Effekt von humorvollen Stilelementen in der Werbung nicht mit dem
Effekt des Gefallens des konkreten Werbemittels zu vermengen, wurde durch zusätzliche Pretests (ca. 50 Personen in mehreren
Teilexperimenten) geprüft, ob die zwei Anzeigenversionen pro Produkt (d.h. die humorvolle Version und die nicht humorvolle Version) als annähernd gleich positiv bewertet werden. Dies geschah dadurch, dass
Auskunftspersonen die Originalanzeige
und die manipulierte Printanzeige für beiden Marken beurteilten. Die Personen
mussten hierzu sechs Statements auf siebenstufigen Skalen mehr oder minder zustimmen. Der positive Skalenendpunkt
war mit: „Die Werbung ist dynamisch, langweilig (rekodiert), originell, auffällig, ansprechend, lebendig“ beschriftet (Alpha =
0,867). Auch gemäß diesem Kriterium
wurde die fiktive Anzeigenversion gegebenenfalls jeweils modifiziert, so dass die beiden Versionen pro Marke sehr ähnlich im
Hinblick auf diese sechs Statements bewertet wurden.
In Abbildung 4 sind für zwei ausgewählte Marken (Rexona und Ikea) die Printanzeigen, deren Wirkung getestet wurde,
dargestellt. Die originale, humorvolle Wer-
Nicht humorvolle Werbung
transfer
bung für das Deodorant Rexona zeigte eine stellung zu den beworbenen Marken dienSMS mit erotischen Anzüglichkeiten, wel- ten zehn Statements, denen die Personen
ches eine SMS-Versenderin offenkundig auf siebenstufigen Skalen mehr oder minirrtümlich versandt hat. In der nicht-hu- der zustimmen konnten. Dies Statements
morvolle Variante wurde das Produkt in lauteten: „Das Produkt (der Anbieter) hat ein
Großaufnahme dargestellt. Die humorvol- gutes/schlechtes Preis-Leistungsverhältnis“;
le, originale Ikea-Werbung stellte zwei Bild- „hat eine gute/schlechte Qualität“; „ist hochmotive gegenüber: links ein verängstigtes wertig/geringwertig“; „ist sympathisch/unkleines Mädchen, das in einem Bett liegt, sympathisch“; „ist attraktiv/unattraktiv“; „ist
über welches eine Maus läuft (Überschrift: einzigartig (außergewöhnlich)/gewöhnlich“;
„Problem:“), rechts dasselbe, nun aber „ist interessant/wenig interessant“; „ist gut/
glücklich lächelnde Mädchen in einem Bett schlecht“; „ich werde … häufig/selten (auf jemit Bettüberzug, auf dem Katzenmotive ab- den/auf keinen Fall) kaufen“; „ich werde …
gebildet sind (Überschrift: „Schwedische häufig/selten weiterempfehlen“ (Alpha =
Lösung:“). In der nicht-humorvollen Vari- 0,715). Die Mittelwerte der Bewertungen
ante war das Kind nur in dem Bettbezug mit auf diesen Skalen sind in Tabelle 4 zusamKatzenabbildungen zu sehen, und der Slo- mengefasst.
gan wurde in „Für schöne Träume“ abgeHypothese H3 besagte, dass humorvolle Werbung anstelle von nicht-humorvoller
wandelt.
Um die Auskunftspersonen möglichst Werbung für hedonistische Low-Involvewenig auf den Untersuchungszweck, näm- ment-Produkte vorteilhafter ist als für utilich die Analyse der Wirkung von Humor litaristische Low-Involvement-Produkte.
in der Werbung, aufmerksam zu machen, Die vorliegenden Ergebnisse können diese
wurden die Testanzeigen in Foldern, beste- Vermutung nicht generell stützen. Humorhend aus mehreren Anzeigen (Testanzeige volle Werbung erwies sich in der Tendenz
und ablenkenden Pufferanzeigen) gezeigt. für beide Produktklassen gegenüber nichtDie Pufferanzeigen, die diese Folder ent- humorvoller Werbung als vorteilhaft (Verhielten, waren pro Experiment konstant. besserung um 0,33 Skalenpunkte bei utiliAn sechs Experimenten beteiligten sich je- taristischen und um 0,42 Skalenpunkte bei
hedonistischen Low-Involvement-Produkweils unterschiedliche Auskunftspersonen:
ten auf einer 7-stufigen Skala). Allerdings
• Experiment 1: 187 Auskunftspersonen
(keine Studenten), Anzeigen für Snickers war im Fall der utilitaristischen Güter in
zwei Fällen (dusch das und Rexona) keine
und Mars.
signifikant positive Wirkung der humor• Experiment 2: 68 Studenten, Anzeigen
vollen Werbung – verglichen mit der nichtfür Ikea und Müller Milch.
humorvollen Werbung – zu beobachten,
• Experiment 3: 98 Studenten, Anzeige
und in einem Fall (Müller Milch) erwies sich
für dusch das.
sogar die nicht-humorvolle Werbung als
• Experiment 4: 78 Studenten, Anzeige
wirksamer. Der stärkere Effekt humorvoller
für Weihenstephaner.
Werbung – verglichen mit nicht-humor• Experiment 5: 65 Auskunftspersonen
(keine Studenten),
Anzeige für Rexona.
• Experiment 6: 160
Tab. 4
Ergebnisse der Experimente in Studie 2
Studenten, Anzeige für
du darfst.
voller Werbung – für utilitaristische Güter
war allein auf die positive Wirkung der humorvollen Werbung für du darfst zurückzuführen.
Die Ergebnisse legen somit den Schluss
nahe, dass für utilitaristische Low-Involvement-Produkte ebenso wirksam humorvoll
geworben werden kann wie für hedonistische Low-Involvement-Produkte, so dass
diese Studie Hypothese H3 nicht stützen
kann. Es ist allerdings anzumerken, dass es
im Einzelfall schwieriger sein kann, geeignete humorvolle Stilelemente für Werbung
für utilitaristische Produkte zu identifizieren. Humor in der Werbung erscheint jedoch für beide Produkttypen ein wirksamer
peripherer Reiz zu sein. Die Gültigkeit dieser Aussagen einschränkend ist anzumerken, dass einige Probanden wussten, welche Werbestrategie für die ausgewählten
Marken in der Praxis eingesetzt wird. Teilnehmer des Experiments, die eine Werbeanzeige sahen, die von der aktuellen Werbestrategie abwich, könnten irritiert worden sein; der sich hieraus ergebende störende Effekt wurde in dieser Studie nicht
kontrolliert.
Empfehlungen für die Praxis
Der Einsatz von Humor in der Werbung
ist für die Werbepraxis eine interessante Option, weil derartige Werbung nach Ansicht
vieler Forscher besonders aufmerksamkeitsstark ist. In diesem Beitrag wurden einige
strittige oder noch kaum erforschte Aspekte der Wirkung von humorvoller Werbung
theoretisch analysiert und durch empirische
Studien geprüft.
Eine erste Frage lautete, ob die Über-
Diese sechs Experimente fanden im Zeitraum zwischen 2001 und
2005 statt. Ein Teil der
Probanden bekam pro
Marke humorvolle Werbung und ein anderer Teil
die
nicht-humorvolle
Werbung zu sehen, d.h.
keine Person sah beide
Versionen der Anzeigen
für ein und dieselbe Marke. Zur Messung der Ein-
Werbeforschung & Praxis 1/2007
23
Humor in der Werbung
zeugungskraft (persuasive Wirkung) von
Sachargumenten in der Werbung sinkt,
wenn humorvoll geworben wird. Die bisherige empirische Forschung lieferte hierzu uneinheitliche Ergebnisse. In den neu
durchgeführten Experimenten ergab sich
nur im Fall einer Marke von sechs betrachteten Marken eine Reduktion der
Wirkung starker Sachargumente durch
den Einsatz von Humor. Die Empfehlung
lautet also, Humor auch im Fall starker
Sachargumente einzusetzen. Eventuell ist
es möglich, die Sachargumente im Werbemittel so auffällig zu platzieren, dass nicht
befürchtet werden muss, dass Humor die
Wirkung starker Sachargumente zunichte
macht.
Die zweite Frage war, ob die Wirkung
von Humor in der Werbung vom situativen Involvement der Rezipienten der Werbung abhängt. Aus den Experimenten war
folgende Antwort abzuleiten: Liegt ein geringes situatives Involvement der Rezipienten vor (was den Normalfall einer Kontaktsituation mit klassischer Werbung darstellt), so erweisen sich die Werbevarianten
„starke Sachargumente & Humor“ und
„schwache Sachargumente & Humor“ als
erst- und zweitbeste Versionen. Sind die Rezipienten der Werbung hingegen als hoch
involviert zu bezeichnen, so stellen die Werbevarianten „starke Argumente & kein Humor“ und „starke Argumente & Humor“
die erst- und zweitbeste Version dar. Humor in der Werbung ist somit nicht grundsätzlich vorteilhaft.
Die dritte Frage bezog sich auf das Problem, ob humorvolle Stilelemente in Werbung für utilitaristische Low-InvolvementProdukte dieselbe persuasive Wirkung haben wie in Werbung für hedonistische LowInvolvement-Produkte. Die hierzu erzielten
Ergebnisse legen die Folgerung nahe, dass
der Erfolg humorvoller Werbung für Konsumgüter nicht von dieser Differenzierung
abhängt.
Limitationen
Die vorliegende Studie 1 ergab, dass Humor in der Werbung im Fall des geringen
situativen Involvement vorteilhaft ist, nicht
jedoch im Fall des hohen situativen Involvement der Rezipienten, sofern die Anbieter auch starke Sachargumente zugunsten
des Kaufs des Produkts anführen können.
Studie 2 zeigte, dass Humor in Werbung
für Low-Involvement-Produkten (unbedingt) eine positive Wirkung hat, sofern
24
keine Sachargumente in der Werbung aufgeführt werden. Die Ergebnisse aus den
Studien 1 und 2 sind insofern konsistent,
als nicht nur die Ergebnisse aus Studie 2,
sondern auch die Befunde aus Studie 1 für
den Fall des geringen situativen Involvement zum Einsatz von Humor (im Fall des
Einfach-Kontakts mit Werbung) raten.
Denn auch in Studie 1 erwies sich – wie in
Studie 2 ermittelt – der Einsatz von Humor
als vorteilhaft, unabhängig davon, ob es sich
um Werbung für ein hedonistisches LowInvolvement-Produkt (in dieser Studie:
Astra Bier) oder um Werbung für ein utilitaristisches Low-Involvement-Produkt (in
dieser Studie: Oral Fresh Zahncreme) handelte.
Für die weitere Forschung zur persuasiven Wirkung von Humor ist jedoch zu empfehlen, die Einsatzbedingungen „geringes
versus hohes situatives Involvement der Rezipienten“, „utilitaristische versus hedonistische Produkte“ bzw. „Low- versus HighInvolvement-Produkte“ und „keine/schwache/starke Sachargumente“ vollständig zu
unterscheiden. Denn mit den hier vorgelegten Experimenten wurde hieraus nur ein
Ausschnitt betrachtet.
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transfer
„Zauberlehrlings BeSEM“ – oder „Was
Anwender über Ge- und Missbrauch des
Structural Equation Modeling in der betriebswirtschaftlichen Forschung wissen sollten“
Strukturgleichungsmodelle stellen der betriebswirtschaftlichen Forschung
ein mächtiges Analyseinstrument zur Verfügung. Die Interpretation der
Ergebnisse mag zuweilen über das Ziel schießen. Abgesehen von der gern
verdrängten Frage der kausalen Interpretierbarkeit nennt diese Gedankenskizze noch fünf weitere Fallgruben, die bei unkritischer Anwendung auftreten. Ein Anwendungsbeispiel über die Suche nach Satisfaktoren und
Hygienefaktoren in der Zufriedenheitsforschung illustriert die Notwendigkeit zur Vorsicht bei der praktischen Interpretation.
1. Kausalität und konzeptionelle
sowie technische Probleme mit dem
Structural Equation Modeling (SEM)
Welches Methodenfeld würden etablierte oder angehende Magier, sagen wir ein David Copperfield oder Harry Potter, für betriebswirtschaftliche Zauberkunststücke
wählen? Der Strukturmodellansatz (SEM;
Kausalmodelle; latent-variable-multipleindicator-Modelle … über die Etikettierung wird sogleich zu reden sein) ist ein heißer Tipp. Kaum anderswo lassen sich weiße Kaninchen so trefflich aus dem Zylinder
zaubern und selten liegen Erkenntnisfortschritt und Nonsense-Anwendung näher beieinander.
Die unernste Einleitung soll keineswegs
den Fortschritt verniedlichen, den die
SEMs in die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Theoriebildung gebracht haben.
Aber auch ein Airbus A380 verlangt mehr
Kontroll- und Sicherheitskreise sowie Pilotierungswissen als ein VW Golf, und dies
gilt analog für den Umgang mit fortgeschrittenen Analyse- und Modellierungsinstrumenten.
Werbeforschung & Praxis 1/2007
Ein wichtiges Datum im historischen
Rückblick auf die betriebs- bzw. absatzwirtschaftliche Strukturgleichungsforschung war, auch für die damalige deutschsprachige BWL, das Erscheinen von Richard Bagozzi’s Causal Models in Marketing (Bagozzi, 1980).
Der Beginn der Popularisierung der
‚Kausalmodelle’ ist damit festgelegt. Die
deutschsprachige BWL hat bald erkannt,
dass hier ein lang ersehntes Werkzeug zur
Bekämpfung der Beliebigkeit von Operationalisierungen verfügbar wurde, und dass
somit theorie- und messsprachliche Teile eines Hypothesensystems der gleichzeitigen
Kritik ausgesetzt werden können (vgl. Gabele, 1982; Mazanec, 1982a, b).
Die Namensgebung der Modellklasse ist
bis heute umstritten. Eine umfassende Bestandsaufnahme des Structural Equation
Modeling im Marketing durch Baumgartner und Homburg (1996) ergab, dass 93
Prozent von insgesamt 147 Aufsätzen Querschnittsdaten analysierten. Auch die heutigen, fortgeschrittensten SEM-Anwendungen im Marketing, die trachten, unbeobachtete Heterogenität der Konsumenten
abzubilden, vertrauen auf Querschnittsdaten (Jedidi, Jagpal und DeSarbo 1997). Angesichts dieser Tatsache zogen Baumgartner
und Homburg die bis heute typische
Schlussfolgerung: „ …special care [should
be] exercised in causally interpreting results
…“; diese Schlussfolgerung führte direkt zu
der Empfehlung, die Bezeichnung causal
modeling überhaupt zu vermeiden (Baumgartner und Homburg, 1996, S. 141). In
derselben Ausgabe des International Journal of Research in Marketing berichteten
Hulland, Chow und Lam (1996) über eine
zweite Bestandsaufnahme, der 186 Aufsätze zu Grunde lagen. Ohne jede weitere Diskussion hielten sich diese Autoren an den
Terminus causal models wie er von Bagozzi (1980) eingeführt wurde. Offensichtlich
wählte Richard Bagozzi diese Bezeichnung
o.Univ.Prof. Dr. Josef A.
Mazanec, Institut für Tourismus und Freizeitwirtschaft an
der Wirtschaftsuniversität
Wien
[email protected]
25
Forschung
Josef A. Mazanec
Strukturgleichnngsmodelle
nicht unüberlegt. Sein Buch enthält eine
ausführliche Auseinandersetzung mit den
wissenschaftstheoretischen Grundlagen
kausaler Analyse. (In der Folge wird hier das
international gebräuchliche Akronym SEM
beibehalten.)
Aus heutiger Sicht resultiert eine unbefriedigende Situation: Die überwiegende
Mehrheit der betriebswirtschaftlichen Forschungsarbeiten verfolgt den Anspruch, der
Verbesserung der Entscheidungsqualität im
Management zu dienen. Eine betriebswirtschaftliche Theorie oder ein Modell darf
sich dann nicht in (unbedingten) Prognosen erschöpfen, sondern verlangt wesentlich mehr. Erwünscht ist eine Vorhersage
der Reaktionen des modellierten Systems
auf Interventionen. Diese Art von Prognose ist jedoch nur unter einer kausalen Interpretation der analysierten Zusammenhänge möglich.
Eine ganze Generation betriebswirtschaftlicher Forscher/innen ist in der Überzeugung der elementaren sozialwissenschaftlichen Methodenlehre (siehe etwa
Kerlinger, 1986) aufgewachsen, dass aus
Querschnittsdaten lediglich assoziative,
aber keine kausalen Zusammenhänge ableitbar seien. In der Interpretation von
SEM wird daher das Attribut ‚kausal’ sorgsam vermieden. Auf diese Weise erhalten
die Entscheidungsträger als Adressaten der
Forschungsergebnisse die ‚heiße Kartoffel’
der kausalen Interpretation zugeschoben.
Sie mögen die Befunde kausal interpretieren, wenn sie wollen; die Forscher/innen
haben dies nicht ausdrücklich angeraten …
Dass nicht-experimentelle Daten und sogar Querschnittsdaten mehr zu bieten haben als lediglich Assoziationen und einer
kausalen Interpretierbarkeit verblüffend
nahe kommen können, lehrt das in der Betriebswirtschaftslehre bisher kaum beachtete Forschungsgebiet der Inferred Causation Theory.1 Eine hinreichend informative Darstellung dieses Gebiets ist hier
nicht angestrebt.2 Indessen werden weitere Anknüpfungspunkte zur besseren praktischen Beurteilung von SEM-Analysen
angeboten. Sie verstehen sich als kurze
Übersicht über ergänzende Thesen zur
Kennzeichnung möglicher Fehlentwicklungen und Fallgruben in der Anwendung
von latent-variable-multiple-indicatorModellen.
Die Übersicht spricht fünf weitere Problemfelder des Einsatzes von SEM in der
zeitgenössischen betriebswirtschaftlichen
Forschung an, die nach Meinung des Ver-
26
fassers einer intensiven und offenen Diskussion bedürfen.
sehr großen Stichproben ist eine behutsame Interpretation der erzielten Ergebnisse
angezeigt.
2. Weitere Fallgruben in Stichworten
2.1. Wissentliche oder unwissentliche
Vernebelung des explorativen oder konfirmatorischen Charakters eines SEM
Modellanpassung ist eine überaus beliebte Spielvariante in SEM und auch legitim, solange sie nicht als Modelltest verpackt wird. Instrumente wie die Modifikationsindizes in populären Softwarepaketen
verleiten zu Trial & Error-Verhalten mit
dem einzigen Zweck der Steigerung des Modell-Fit. Ein konfirmatorischer Einsatz von
SEM verlangt zumindest eine randomisiert
abgezweigte Teilstichprobe wenn schon
nicht einen völlig neuen und explorativ
noch unbearbeiteten Datensatz. Dass auch
in sehr großen Stichproben überraschende
Ergebnisse hinsichtlich der vermeintlichen
Stabilität der geschätzten Parameter auftreten können, illustriert das Anwendungsbeispiel in Abschnitt 3.
2.2. Überschätzung der konfirmatorischen Eignung von SEM
Bereits im Fall von mäßig komplexen
Modellspezifikationen wird häufig übersehen, dass sich ein und dieselbe beobachtete Kovarianzmatrix durch mehrere bis viele unterschiedliche Relationensysteme
gleich gut reproduzieren lässt. Zur Überprüfung gibt es logisch untrügliche Diagnosemechanismen. Die ‚Äquivalenzkriterien’ in Gestalt der Theoreme 1.2.8 und
5.2.6 von Pearl (2001, S. 19 bzw. S. 145)
bestimmen klar, wann Modelle beobachtungsmäßig ununterscheidbar sind. Die
Hypothesensysteme der Betriebswirtschaftslehre besitzen höchst selten die hohe
Plausibilität oder Bewährungsgrade, um
trotzdem einer dieser äquivalenten Spezifikationen eindeutigen Vorrang zu verleihen.
Es lässt sich daher vollen Ernstes bezweifeln, ob die Modellklasse der SEMs überhaupt ein taugliches Instrument der konfirmatorischen Analyse darstellt. (Siehe dazu Pearl’s Chapter 5 über Causality and
Structural Models (Pearl, 2001, S. 133171), das eine außerordentlich erhellende
und eindrucksvolle Abwägung dieser Frage
enthält.) Der Rat zur Vorsicht anlässlich der
inferenzstatistischen Interpretation wird
durch das nachfolgende Anwendungsbeispiel (Abschnitt 3) untermauert. Auch bei
2.3. Verführung zu verschleierten
Tautologien
Der freie Lauf der Imagination und der
Zwang zur wissenschaftlichen Innovation
verleiten dazu, auf der theoretischen, abstrakten Ebene der Strukturbeziehungen
immer neue, kunstvoll voneinander abgegrenzte Konstrukte zu erfinden. Ein kritischer Blick auf die Korrespondenzregeln
und die zugehörigen beobachtungssprachlichen Variablen lässt häufig Zweifel
über die faktische Unterscheidbarkeit aufkommen. Wenn also z.B. der ‚Internationalisierungserfolg’ eines Unternehmens
durch dessen ‚Internationalisierungsfähigkeit’ erklärt werden soll, mag die Verlockung groß sein, zur Messung letzterer u.a.
auch erfolgreiche Internationalisierungsmaßnahmen der Vergangenheit heranzuziehen. Der Tautologievorwurf in der
Erfolgsfaktorenforschung wurde nicht
von ungefähr im DBW-online-Dialog vor
kurzem erhoben und heftig diskutiert
(siehe http://www.dbwnet.de/dialog/dialog.htm).
2.4. Formative vs. reflektive Indikatoren
Bereits die Standardlehrbücher über
SEM weisen darauf hin, dass man zwischen
formativen Indikatoren (observables), die
eine latente Variable (theoretisches Konstrukt) ‚erzeugen’ und so genannten reflektiven, die als Manifestationen der latents
aufzufassen sind, unterscheiden muss (siehe etwa Bollen, 1989). Den formativen Fall
finden wir beispielsweise dann, wenn der
Marktforscher ein neues Personenmerkmal
‚Sozialer Status’ aus den drei Teilmerkmalen Bildungsniveau, Beruf und Einkommen
‚erzeugt’ (definiert). Reflektive Indikatoren
sind in jenen Fällen unbestritten, in denen
ein nicht direkt beobachtbarer psychischer
Zustand oder Prozess (z.B. Wissen, Emotion, Erregung) anhand seiner Auswirkungen
(korrekte Antworten auf Wissensfragen,
Zuordnung von emotional geladenen Bildreizen, physiologische Messgrößen der Aktivierung) indirekt beobachtet wird. Die
fast ausschließliche Fixierung auf reflektive
Indikatoren steht häufig im Widerspruch
mit den theoretisch-konzeptionellen Argumentationen und ist lediglich durch die bequeme Handhabbarkeit vorhandener Soft-
transfer
ware motiviert. In jüngster Zeit haben John
Rossiter im Rahmen seines C-OAR-SEVorschlags (Rossiter, 2002) sowie Söhnke
Albers in einer Rede anlässlich seiner Ehrenpromotion an der Universität Frankfurt
(vgl. http://www.ecommerce.wiwi.unifrankfurt.de/epalbers/Albers_Vortrag.pdf )
unmissverständlich auf dieses Defizit hingewiesen.
2.5. Messniveaus und Verteilungsannahmen
Die Basisversion eines SEM unterstellt
intervall- oder höher skalierte und zumindest approximativ normalverteilte Beobachtungsvariablen. Mit den üblichen Ratingskalen sind diese Annahmen, jedenfalls
für Daten demoskopischer Herkunft, selten
erfüllbar. Erst die Analysesysteme für Modelle mit latenten Variablen ‚der zweiten
Generation’ (insbesondere Bengt Muthén’s
Mplus; vgl. Muthén und Muthén, 2001)
bieten robuste Schätzer und ermöglichen
die effiziente Verarbeitung von ordinalen
(ordered categorical) oder nominalen Variablen. Dies gelingt, indem sie für die Messmodelle (normalverteilte) latente Hintergrundvariablen unterstellen und für diese
Schwellenwerte (thresholds) schätzen. Diese Schwellenwerte bestimmen in den manifesten Variablen jene Punkte, wo der Übergang von einer kategorialen Ausprägung zur
nächsten eintritt. Um die Folgen der messtechnischen Entscheidungen beurteilen zu
können, sind Analysen mit unterschiedlich
stringenten Hintergrundannahmen des
Messvorgangs von Vorteil. Ein Vergleich
macht bekanntlich sicher. Er sollte im Rahmen der Interpretation der Analyseergebnisse von jedem argwöhnischen Auftraggeber verlangt werden. Das folgende Anwendungsbeispiel zeigt eine mögliche Vorgehensweise.
det. Um jedes Missverständnis im Sinn des
obigen Punktes 2.2 zu vermeiden, versteht
sich diese Analyse als exploratives Vorgehen.
Sie will der Frage nachgehen, ob sich im
praktischen Anwendungsgebiet der Seilbahnwirtschaft unter den Faktoren der
Kundenzufriedenheit Anzeichen für das
Auftreten so genannter Satisfaktoren und
Dissatisfaktoren finden lassen.
3.1. Theoretisch-inhaltliches Anliegen
Die Herzbergsche Unterscheidung von
Zufriedenheits- und Hygienefaktoren wurde seit langem aus der Arbeitszufriedenheits- in die Kundenzufriedenheitsforschung übernommen. Sie ist heute ein Wissensbaustein in der elementaren Marketinglehrbuchliteratur. Eine Konsequenz
dieser Unterscheidung ist das Auftreten
nichtlinearer Beziehungen zwischen einzelnen Zufriedenheitsfaktoren und der Gesamtzufriedenheit und/oder ihr nachgelagerter Variablen wie z.B. Loyalty oder Wiederkaufabsicht. Mittal, Ross und Baldasare
(1998) liefern mit einfachen Regressionsanalysen empirische Evidenz für Asymmetrie- und Nichtlinearitätseffekte in den Produktklassen Automobile und Medizindienstleistungen. Matzler, Bailom, Hinterhuber, Renzl und Pichler (2004) zeigen,
ebenfalls anhand der Automobilindustrie
und einfacher Regressionsanalysen mit
Dummy-Variablen, dass nichtlineare Zusammenhänge vorliegen und die naive Anwendung der beliebten Importance-Performance-Diagnose daher irreführende
Schlussfolgerungen nach sich zieht. Ein
praktisches Beispiel zur Gegenüberstellung
von expliziten und zufriedenheitsbeeinflussenden (impliziten) Wichtigkeitsurteilen über die Eigenschaften alpiner Reiseziele erläutern Fuchs und Weiermair
(2004).
Die theoretische Diskussion erscheint
keineswegs abgeschlossen und insbesondere die Frage der empirischen Aufdeckung
nichtlinear wirkender Zufriedenheitsfaktoren erhielt erst in jüngster Zeit neue Impulse. Paulssen und Sommerfeld (2006) berichten über einen methodisch anspruchsvollen Anlauf zur Untersuchung der Nichtlinearitätseffekte im Rahmen eines
Strukturgleichungsmodells. Eine simple
Modellierung mit linearen und quadratischen Effekten direkt beobachteter Zufriedenheitsfaktoren auf eine latente Gesamtzufriedenheit wird im folgenden Anwendungsbeispiel skizziert.
3.2. Praktischer Einsatzfall
Die österreichische Seilbahnwirtschaft
beobachtet im Rahmen eines kontinuierlichen Satisfaction Monitoring ihrer Kunden
mehr als 40 Zufriedenheitsindikatoren.3
Für die Wintersaison 2004/2005 stehen zu
diesem Zweck knapp 27.000 schriftliche
Fragebögen zur Verfügung. Die Repräsentativität dieser durch ein Gewinnspiel geförderten Befragungsaktion ist hier nicht
weiter zu diskutieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dieses Projekt in der Lage ist, symptomatische (Un-)Zufrieden-
Abb. 1
Wirkungsbeiträge von vier ausgewählten Zufriedenheitsfaktoren
3. Ein praktisches Beispiel aus der
Kundenzufriedenheitsforschung
Das folgende Beispiel zeigt, in welcher
Weise vertrauensbildende Maßnahmen zur
Stärkung der Glaubwürdigkeit von SEMBefunden gesetzt werden können. Es handelt sich um eine simple Modellspezifikation, die sich von der einfachsten Form einer
Mehrfachregression nur durch die korrelierten unabhängigen Variablen (Prädiktoren) und die Definition der abhängigen Variablen ‚Gesamtzufriedenheit’ als latentes
Konstrukt mit drei Indikatoren unterschei-
Werbeforschung & Praxis 1/2007
27
Strukturgleichnngsmodelle
heitsursachen für 27 österreichische Skiregionen verlässlich aufzuzeigen. In diesem
Analysebeispiel nutzen wir die auf sechsstufigen Ratingskalen direkt abgefragten Zufriedenheitswerte für acht Leistungsbereiche
(‚Bereichszufriedenheiten’) und die indirekt
gemessene Gesamtzufriedenheit. Letztere
manifestiert sich in den – reflektiven, siehe
Punkt (1.4) oben – Indikatoren ‚Zufriedenheit mit dem gesamten Angebot im Skigebiet’ sowie ‚Zufriedenheit mit dem gesamten Urlaubserlebnis’ und ‚Bereitschaft zur
Weiterempfehlung’. Ausgangspunkt ist die
Vermutung, dass sich unter den acht
Bereichszufriedenheiten sowohl (normale)
Leistungsfaktoren (auch Performance-Faktoren oder Satisfaktoren genannt), wie auch
Begeisterungsfaktoren (Excitement-, Delight-Faktoren) und Dissatisfaktoren (Hygienefaktoren) befinden.
Die Nichtlinearität resultiert daraus, dass
Begeisterungsfaktoren bei schwachem Vorhandensein die Gesamtzufriedenheit wenig,
bei üppigem Vorhandensein jedoch überproportional stark beeinflussen. Umgekehrtes gilt für die Dissatisfaktoren: Ihr Fehlen
stört erheblich, ihre intensive Ausprägung
verbessert hingegen die Gesamtzufriedenheit nicht spektakulär. Der einfachste Weg
zur Abbildung nichtlinearer Wirkungen
führt über die gleichzeitige lineare und quadratische Aufnahme der Zufriedenheitsfaktoren in die Modellspezifikation. Im Fall eines Begeisterungsfaktors müsste der Koeffizient des quadratischen Terms signifikant
positiv, bei Dissatisfaktoren signifikant negativ und bei Leistungsfaktoren insignifikant sein.
Ein besonderes Anliegen dieses Beispiels
ist die möglichst kritische Absicherung gegen Artefakte auf Grund von restriktiven
Modellannahmen. Vor allem die messtechnischen Hintergrundhypothesen sind von
Belang. Die für alle Variablen verwendeten
sechsstufigen Ratingskalen erzeugen wegen
der Bevorzugung der besten Bewertungen
natürlich keine (approximativ) normalverteilten Beobachtungen. Selbst ein gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsannahme robustes Schätzverfahren schafft
möglicher Weise keine wirksame Abhilfe.
Als Software-System dient Mplus von Bengt
und Linda Muthén (2001; Release 3.13). Es
ist das derzeit anspruchsvollste Paket zur Bearbeitung von Modellen mit latenten Variablen. Fehlende Werte der Variablen werden
nicht einfach univariat durch Mittelwerte
ersetzt, sondern durch das Multiple-Imputation-Verfahren nach Little und Rubin
28
(2002)4 – bei paarweisen Kovarianzabdeckungswerten, die in diesen Daten deutlich
höher als 0,90 sind – geschätzt.
In einer ersten Analyse mit sämtlich als
metrisch unterstellten Variablen erweisen
sich mit Ausnahme der Zufriedenheit mit
der Gestaltung des ‚Kassenbereichs’ alle linearen Effekte und nur einer der quadratischen als signifikant (siehe Spalte 2 in
Tabelle 1). Die zu Grunde liegende Modellspezifikation mit allen Effekten – acht
linearen plus acht quadratischen untereinander korrelierten exogenen Variablen
xi´= (xi1,…, xi16), einer latenten Variablen
Gesamtzufriedenheit ηi mit drei Indikatoren yi´ = (yi1, yi2, yi3) – hat für eine
Auskunftsperson i (=1,…, n) folgendes
Aussehen:
ηi = xi´γ + ζi
yi = ηi´λ + εi
wobei die Messfehler εi mit anderen Variablen unkorreliert sind.
Die graphische Darstellung in Abbildung 1 verdeutlicht die Unterschiede im
Einfluss der Zufriedenheitsfaktoren auf die
Gesamtzufriedenheit. Der gleichzeitig lineare und quadratische Einfluss ist für den
nichtlinear wirkenden Faktor ‚Gastronomie’ zwecks Ermittlung des kombinierten
Wirkungsbeitrags zusammengefasst. Alle
anderen ausgewählten Wirkungsverläufe
beruhen auf der signifikanten linearen Beziehung. Danach entpuppen sich die Zufriedenheitsurteile in Bezug auf die Anreise
in das Schigebiet, dessen Erscheinungsbild
(strichliert in Abb. 1), die Seilbahnen und
Lifte (punktiert in Abb. 1), die Beschaffenheit der Pisten, die Qualität der Services und
das Schipassangebot (strichpunktiert) als
‚normale’ (linear wirkende) Leistungsfaktoren. Die Ausstattung des Kassenbereichs der
Liftanlagen schlägt sich im Gesamturteil
nicht signifikant nieder. Die Zufriedenheit
mit der ‚Gastronomie im Schigebiet’ (die parabolische, durchgezogene Linie in Abb. 1)
wäre auf Grund ihrer quadratisch gebremsten Wirkung ein Dissatisfaktor (Hygienefaktor). Unter den Zufriedenheitsfaktoren
erzeugt keiner excitement oder customer delight mit steigenden ‚Grenzerträgen’ der
Schifahrer im Rahmen ihrer Gesamtzufriedenheit.
Wie vertrauenswürdig ist dieses Ergebnis? Im nächsten Schritt wird die Messniveauannahme für die beobachteten Variablen korrigiert; alle observables seien als ordinal mit den sechs ursprünglichen Rang-
stufen („eher enttäuschend“, …, „äußerst
begeistert“) aufgefasst. In dieser Version mit
ausschließlich qualitativen Variablen sind
keine quadratischen Effekte möglich (vgl.
auch die Kritik von Paulssen und Sommerfeld (2005, S. 130) am Dummy-Regressionsansatz von Matzler et al. (2004). Hingegen lässt sich abschätzen, wie sehr die Koeffizienten der linearen Zufriedenheitsfaktoren durch eine Entschärfung der Messannahmen beeinflusst werden. Zum Vergleich muss natürlich auch eine Analyse
ohne nichtlineare Effekte auf Basis der
Ratingskalen erstellt werden. Die Spalten 3
und 4 der Tabelle 1 fassen die Ergebnisse des
Analysenvergleichs zusammen.
Die Berechtigung eines allenfalls bestehenden Misstrauens in die Robustheit des
Schätzers bei Ratingdaten lässt sich anhand
einer Gegenüberstellung der beiden Schätzversuche für ausschließlich lineare Effekte
beurteilen. Bei kategorialer Interpretation
erhält jede Ratingvariable eine normalverteilte (latente) Messgröße zugeordnet, deren
geschätzte Schwellenpunkte (thresholds)
die beobachteten Besetzungen der Skalenstufen bestmöglich reproduzieren. Da auch
die unabhängigen Variablen kategorial sind,
ist ein rechenaufwendiges numerisches Integrationsverfahren zur Parameterschätzung erforderlich5. Die in Tabelle 1 unstandardisiert wiedergegebenen Parameterwerte sind nicht direkt mit den metrischen
Analysen vergleichbar. Allerdings interessieren ohnehin nur die relativen Unterschiede
der Koeffizienten innerhalb der nichtmetrischen Lösung und diese vermitteln ein den
metrischen Ergebnissen beruhigend ähnliches Bild. Beispielsweise erhält die Gastronomie im Schigebiet sowohl in Spalte 3 wie
auch in Spalte 4 von Tabelle 1 einen etwa
dreifach so hohen Wert wie die Anreise in
der jeweiligen selben Spalte; Pisten und Services hingegen erzeugen jeweils innerhalb
der Spalten 3 und 4 nahezu gleich hohe Koeffizienten.
3.3 Reanalyse im Split-half-Verfahren
Die bislang ungetrübte Freude über das
Auffinden eines so interessanten Effekts wie
eines Hygienefaktors sei noch einer weiteren Kontrolle unterzogen. Die Analyse (metrische Variante) wird in zwei Hälften der
zufallsmäßig geteilten Stichprobe wiederholt. Da es sich immer noch um zwei sehr
große Teilstichproben handelt, würde man
ein hohes Ausmaß an Übereinstimmung der
beiden Schätzergebnisse erwarten.
transfer
Im Großen und Ganzen erfüllt sich diese Erwartung (siehe Tabelle 2). Die ‚Gastronomie’ behält ihren Charakter. Hingegen gelingt es nicht, die Wirkungszurechnung bei den schwachen Faktoren ‚Pisten’
und ‚Services’ zu reproduzieren. In diesen
Fällen ‚korrigiert’ gleichsam der nichtlineare Term die zu niedrige Schätzung des
linearen Wirkungsbeitrags nach oben.
Stünde nur jeweils eines dieser beiden Teilsamples zur Verfügung, wäre die Gefahr
voreiliger Interpretationen in Bezug auf Begeisterungsfaktoren nicht von der Hand zu
weisen.
4. Fazit
Das einleitende Plädoyer zugunsten einer äußerst behutsamen Interpretation von
Ergebnissen aus Struktur- oder Kausalmo-
dellen findet auch im praktischen Anwendungsbeispiel aus der Seilbahnwirtschaft
Bestätigung. Gerade die Suche nach Satisfaktoren und Dissatisfaktoren lässt sich
blendend verkaufen und wird in naher Zukunft die Aufmerksamkeit der Beratungsbranche finden. Als Klient oder Anwender
sollte man kritische Fragen stellen. Die Untersuchung nichtlinearer Effekte ist in der
Marketingforschung ein ‚heißes’ Thema
und findet Eingang in die weltweiten Spitzenjournale (siehe etwa Agustin und Singh,
2005). Es bleibt auch noch reichlich Platz
für phantasievolle konzeptionelle Erweiterungen. Man denke beispielsweise an hybride Zufriedenheitsfaktoren, die bei niederen Werten wie Dissatisfaktoren und bei
hohen Werten wie Begeisterungsfaktoren
wirken (und durch kubische Terme abbildbar wären) …
Tab. 1
Ergebnisse des Analysenvergleichs
Selbst bei zurückhaltender Deutung der
Befunde erscheint es plausibel, auch im
Konsumfeld der Schiläufer und der Seilbahnwirtschaft auf nichtlineare Wirkungen
einzelner Zufriedenheitsfaktoren gefasst zu
sein. Insbesondere scheint der ‚Gastronomie im Schigebiet’ die Rolle eines HygieneElements zuzukommen. Ein starker zufriedenheitsbestimmender Einfluss des Gastronomieangebots erwies sich auch in mehreren anderen, hier nicht wiedergegebenen
Analysevarianten als nachhaltigster Befund.
Dies gilt insbesondere für MehrgruppenAnalysen, deren Gruppenbildung (theoriegestützt) anhand von Wichtigkeitsurteilen
über die Angebotselemente vorgenommen
wurde. Es gilt ebenso für Analysen unter
Annahme unbeobachteter Heterogenität,
in denen die Reaktionen der Schiläufer (datengetrieben) in einem kombinierten Latent Class-SEM untersucht werden.
Im oben gezeigten Seilbahnbeispiel
könnte man leicht der Versuchung unterliegen, die insignifikanten Zufriedenheitsfaktoren aus der Modellspezifikation zu entfernen und danach die Beiträge zur
Gesamtzufriedenheit erneut zu schätzen.
In der Tat würde man in einer solchen
‚Modellanpassung’ Beispiele für alle Typen
von Zufriedenheitsfaktoren ‚entdecken’.
Ein derartiges Vorgehen wäre jedenfalls explorativ und nicht als Modelltest zu verstehen. Tatsächlich würde man bei kritischer
Sichtung der Literatur so manchen als (impliziten) Modelltest ‚verkaufte’ SEM-Einsatz als explorative Studie und Modellanpassungsübung entlarven. Skepsis bleibt angebracht und vermehrte Bemühungen um
Kontroll- und Vergleichsanalysen unter
wechselnden Modellannahmen – insbesondere der messtechnischen Prämissen – sind
in betriebswirtschaftlichen SEM-Anwendungen höchst wünschenswert.
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1 vgl. die beiden Hauptwerke Spirtes, Glymour und Scheines (2000) und Pearl (2001).
2 An Kurzdarstellungen interessierte Leser/innen seien auf Pearl und Verma (1991) oder Mazanec (2006) verwiesen.
3 Siehe den SAMON-Ansatz unter http://www.manova.at/produkte/samon.
4 Siehe auch den aktuellen Methodenvergleich von Lemieux und McAlister (2005).
5 sieben Stunden Ausführungszeit auf einem Arbeitsplatzrechner mit einem Athlon 1700-Prozessor und 512 MB Memory
30
transfer
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