Tierklinik in Victoria

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Tierklinik in Victoria
Schon ein Jahr im voraus habe ich begonnen, mich um einen Praktikumsplatz in
Australien zu bewerben. Allerdings gestaltete die Suche sich etwas schwierig, da ich
niemanden kannte, der mir eine Klinik empfehlen konnte und die meisten Kliniken
auf meine Anfragen per email entweder nicht reagierten oder generell keine
Praktika für mehr als 6 Wochen vergeben. Der ersten Klinik, die mir einen
Praktikumsplatz für 8 Wochen angeboten hat, habe ich daher sofort zugesagt. Diese
Klinik habe ich über eine Website gefunden, die sämtliche Tierkliniken auflistet, die
Milchvieh behandelt. Die Klinik befindet sich in Terang, 50 km von Warrnambool
entfernt. Warrnambool ist eine mittelgroße Stadt am Start der Great Ocean Road
und somit ein beliebter Urlaubsort. Daher stand für mich fest, mich um ein Zimmer in
Warrnambool zu bemühen und den langen Arbeitsweg in Kauf zu nehmen.
Da ich schon einige
Tage vor
Praktikumsbeginn
angereist war, blieb
genug Zeit sich um
ein Auto und eine
Wohnung zu
kümmern. Bei der
Wohnungssuche
hatte ich sehr viel
Glück, denn von
Deutschland aus
gestaltete die Suche
sich als sehr
schwierig bis
unmöglich. In
Warrnambool
angekommen habe ich gleich am ersten Tag durch eine Anzeige im Internet
(www.gumtree.com.au) ein Zimmer in einer WG besichtigt. Am gleichen Abend
bekam ich die Zusage für das Zimmer in der 4-er WG. Meine Mitbewohner sind
Medizinstudenten aus Melbourne, Geelong und Tasmanien, also alle Australier. Ich
bin mir bewusst, wie viel Glück ich bei der Wohnungssuche hatte, denn ich habe
inzwischen mehrfach gehört, wie schwierig sich die Suche gestaltet, wenn man nur
für einige Wochen mieten möchte. Außerdem finde ich es toll, mit Australiern
zusammenzuleben und somit wirklich einen Einblick in den australischen Lebensstil
zu bekommen. Durch meine Mitbewohner habe ich auch sehr viele junge Leute
kennengelernt und wir haben oft Wochenendausflüge ins Umland unternommen.
Dadurch habe ich mich nie einsam gefühlt oder mir nie gewünscht, mehr Menschen
in der Stadt zu kennen.
Der nächste Schritt war natürlich der Autokauf. Nachdem ich ziemlich unter
Zeitdruck stand und nicht allzu viel Geld ausgeben wollte, war die Suche etwas
erschwert. Außerdem musste das Auto ja eine gültige rego (Regisitrierung) haben,
da ich es schon am ersten Praktikumstag brauchte. Leider konnte ich im Internet
oder in Backpacker Hostels nichts finden und ich musste zum
Gebrauchtwagenhändler und doch ein wenig mehr Geld ausgeben als geplant.
Dann brauchte ich natürlich noch eine australische Handynummer. Also habe ich mir
gleich eine SIM-Karte im nächsten Woolworth gekauft (Amaysim). Die Tarife sind
sehr günstig und sogar Anrufe nach Deutschland sind bezahlbar, auch wenn auf
Dauer natürlich Internettelefonate zum Beispiel mit Skype billiger sind. Allerdings ist
die Zeitverschiebung zwischen Deutschland und Victoria mit 8 Stunden denkbar
ungünstig. Somit musste ich morgens immer eine Stunde früher, also um 6 Uhr
aufstehen, wenn ich in Deutschland am Abend jemanden erreichen wollte.
In der Klinik in Terang arbeiten 5 Tierärzte und 4 Helferinnen. Die Klinik betreut zu
über 70 Prozent Rinderfarmen, hat aber auch eine Sprechstunde für Kleintiere. Ich
bin sehr froh, in einer Klinik gelandet zu sein, die sowohl Klein- als auch Großtiere
behandelt und somit ein sehr abwechslungsreiches Arbeitsfeld bietet.
Die Tierärzte in der Klinik haben viel dafür getan, dass ich mich wohl fühlte. Gleich
in der ersten Woche war ich zum Dinner bei meinem Chef Zuhause eingeladen und
nicht nur einmal ging es nach Feierabend noch kurz in den Pub auf ein Bier. Somit
verging eigentlich kaum eine Woche, in der ich nicht zu einer Veranstaltung, einem
Footballspiel oder einem Dinner eingeladen war. Das ist ein sehr deutlicher
Unterschied zu Deutschland. In Australien ist es üblich, sein Privatleben nicht in
dem Maße von der Arbeit zu trennen wie in Deutschland. Der Freitagabend zum
Beispiel wird oft mit Arbeitskollegen und Familie im Pub verbracht. Äußerst
verwunderlich fand mein Chef auch, dass ich nicht einfach bei ihm wohne und auch
nach jedem Pubbesuch bekommt man mindestens 3 Übernachtungsmöglichkeiten
angeboten. Australier sind eben einfach ein wenig relaxter und unkomplizierter. Es
war für mich schon eine Umstellung, so in alles eingebunden zu werden, aber das ist
eben typisch australisch.
Vor Beginn des Praktikums hatte ich etwas
Angst davor, nicht in dem Maße selbst
Behandlungen durchführen zu dürfen, wie ich
es möglicherweise in Deutschland tun dürfte.
Es ist für Tiermediziner sehr schwierig nach
beenden des Studiums plötzlich alle
medizinischen Behandlungen und Operationen
die man teilweise nur aus Vorlesungen kennt
aber noch nie selbst durchgeführt hat, ohne
weitere Unterstützung durchführen zu müssen.
Und auch das Treffen von Entscheidungen, die
teilweise über Leben und Tod von Tieren
entscheiden, ist zu Beginn eine große
Herausforderung. Um nach dem 3.
Staatsexamen in ein paar Monaten nicht ganz
so ins kalte Wasser geschmissen zu werden, ist
es wichtig während dem großen Praktikum auch
selbst tätig werden zu können und nicht nur zu
assistieren oder gar nur zuzuschauen. Diese Sorge hat sich zum Glück als Unnötig
herausgestellt. Schon am ersten Tag durfte ich bei einer OP assistieren und
selbstständig die Hautnaht durchführen. Über die Wochen wurden die Aufgaben
immer anspruchsvoller und ich durfte auch ganze Behandlungen durchführen. Das
heißt Untersuchung, Besprechung mit dem Besitzer und Durchführung der
Behandlung. Auch gewisse Operationen durfte ich alleine Durchführen, wie
beispielsweise Kastrationen oder das Entfernen von Augen.
Mein Arbeitstag startete um 8.15 Uhr mit der Versorgung und Behandlung der
stationären Patienten. Gegen 9.00 Uhr ging dann der „Run-Call“ los. Das heißt, alle
Farmer die an diesem Tag einen Tierarzt auf ihrer Farm brauchen hatten sich bis 9
Uhr gemeldet und dann ging es los auf die Farmen. Ich bin immer abwechselnd bei
den verschiedenen Ärzten mitgefahren. Bei einigen durfte ich mehr helfen, bei
manchen meist nur assistieren oder zuschauen aber zwei von den Tierärzten ließen
mir auch auf den Farmen freie Hand und ich durfte richtig anpacken. Die Arbeit auf
den Farmen hat mir am meisten Spaß gemacht, auch wenn es wirklich eine sehr
harte Arbeit ist und man nicht zimperlich sein darf. Nachmittags waren dann
meistens noch einige Kleintierkonsultationen. Am Abend habe ich mich dann wieder
um die stationären Tiere gekümmert und wann immer Zeit war ein wenig geholfen
aufzuräumen oder zu putzen. Mein Arbeitstag endete normalerweise gegen 5.30
Uhr. Oftmals war es allerdings erheblich später, bis ich die Klinik verlassen habe,
aber das kenne ich bereits aus meinen Praktika in Deutschland und hat mich daher
nicht gestört.
Am spannendsten
waren natürlich die
unvorhersehbaren
Dinge wie zum
Beispiel die
Notfälle. Gegen
Ende meines
Praktikums hatte
gerade die
Kalbungszeit
angefangen. Da
hieß es dann
mehrmals täglich
zur Geburtshilfe auf
die Farmen
ausrücken. Die
Geburtshilfe bei der
Kuh ist eine körperlich sehr anstrengende Aufgabe und man weiß nie, was einen
erwartet wenn man auf der Farm ankommt. Leider ist in den meisten Fällen kein
lebendes Kalb mehr vorzufinden und oftmals ist das Kalb zu groß oder hat eine
abnormale Lage in der Gebärmutter, so dass der Tierarzt gezwungen ist, es zu
teilen. Aber jede Geburt ist anders und ich bin froh, viele miterlebt zu haben. Auch
wenn ich körperlich dabei manchmal an meine Grenzen gekommen bin.
Eine weitere Erfahrung, über die ich sehr froh bin, sind all die Kaiserschnitte, die wir
in den letzten zwei Wochen meines Praktikums bei Hunden durchgeführt haben.
Hierbei war meine Aufgabe, die Erstversorgung der Welpen. Eine weitere Aufgabe,
die meistens mir überlassen war, war das einschläfern von herrenlosen Katzen oder
Greyhounds, die beim Hunderennen nicht mehr schnell genug waren. Zu Beginn
habe ich mich sehr schwergetan, diese gesunden Tiere zu euthanasieren. In
Deutschland gibt es zum Glück viele Organisationen, die sich um solche Tiere
kümmern, so dass ich später in meinem Beruf hoffentlich nicht mehr gezwungen sein
werde, solche Tiere einzuschläfern. Allerdings ist die Politik bei solchen Dingen in
Australien anders und, so ungern ich diese Aufgabe übernommen habe, es war eine
neue Erfahrung für mich und daher sehr wertvoll.
Wann immer mal wenig zu tun war, hat mein Chef sich eine kleine Denkaufgabe für
mich einfallen lassen, wie beispielsweise die richtige Behandlungsstrategie bei
erhöhter Zellenzahl in der Milch, die richtige Fütterung von Kühen vor der Kalbung
oder die richtige Menge an Infusionslösung für ein Kalb mit Durchfall. Oftmals
konnte ich die Fragen nicht auf Anhieb beantworten und musste erst ein paar Dinge
nachlesen. So gab es natürlich auch einige Abende an denen ich voller
Selbstzweifel heimgekommen bin. Nachdem ich aber am Ende des Praktikums ein
sehr gutes Feedback von meinem Chef bekommen habe, bin ich mir sicher, dass er
mich mit diesen Aufgaben einfach fordern wollte und mich anspornen wollte, mehr
über diese komplexen Themen herauszufinden. Somit bin ich sehr froh, dass der
Klinikbesitzer mir gelegentlich meine Wissenslücken aufgezeigt hat.
Wann immer ich mit meinem Chef unterwegs war, versuchte er mir die Unterschiede
zwischen Uni und Praxis aufzuzeigen. Bei jedem Fall den ich unter seiner Aufsicht
behandeln sollte, wollte ich stets vorher gewisse Labortests oder
Zusatzuntersuchungen zur Absicherung durchführen lassen. Dies ist für den Farmer
mit immensen Kosten verbunden und daher sicher die korrekte Vorgehensweise laut
Lehrbuch, aber nicht praxisrelevant.
Ein weiteres Problem, auf das mich mein
Chef immer wieder aufmerksam machen
musste, ist die Schwierigkeit als Tierarzt
aufzutreten und Diagnose und Behandlung
überzeugend und selbstsicher dem Besitzer
zu vermitteln. Im Moment fühle ich mich noch
zu sehr als Student um wirklich ohne
vorherige Absicherung bei meinem Chef
Entscheidungen zu treffen und
Behandlungen durchzuführen. Aber in einem
Jahr muss ich an diesem Punkt
angekommen sein und daher bin ich sehr
froh, dass mein Chef mich immer wieder
gezwungen hat, eine Diagnose zu stellen
und nicht nur „Vermutungen“ zu äußern.
Nicht immer war die Arbeit nur spannend und
schön. Da hier gerade der Winter losgeht ist
es sehr kalt und windig auf den Farmen und
es regnet fast jeden Tag. Auch kam es in den 8 Wochen einige mal vor, dass ein
Tag verging, an dem ich mehr oder weniger nur zugeschaut hab oder kleine
Assistenzarbeiten erledigt habe. Allerdings kann ich alles in allem sagen, dass mich
das Praktikum beruflich sehr viel weiter gebracht hat. Mein Wissensstand und vor
allem mein praktisches Können haben sich in nur 2 Monaten immens verbessert und
ich fühle mich nun wesentlich sicherer, bei dem Gedanken in ein paar Monaten die
Uni zu verlassen und eine Stelle als Tierarzt anzunehmen. Besonders was den
Großtierbereich angeht, wäre es sicherlich schwierig geworden, eine Praxis in
Deutschland zu finden, in der ich in der Zeit so viele Rinder behandeln kann. In
Australien ist eben alles größer, auch die Rinderfarmen.
Die Klinik in Terang hat
schon
öfters
deutsche
Studenten
aufgenommen,
allerdings bisher nur aus
Frankfurt. Ich hoffe ich habe
München in gutem Lichte
dastehen lassen und gehe
davon aus, dass auch
weiterhin
Studenten
aus
Deutschland
willkommen
sind. Jedem Tiermediziner,
der sich für ein Praktikum im
Ausland interessiert, kann ich
diese Klinik wirklich nur
empfehlen. Ich wurde mit so
einer Wärme empfangen und
alle waren so bemüht, mir
eine schöne lehrreiche Zeit zu
bereiten!
Vor meiner Abreise in Deutschland war ich mir noch sehr unsicher, ob ich später in
einer Groß- oder Kleintierpraxis arbeiten möchte. Nach meiner Zeit in Terang kann
ich sagen, dass ich denke, ich bin in einer Großtierpraxis besser aufgehoben, auch
wenn die perfekte Praxisform für mich immer noch die Gemischtpraxis ist, wie ich es
hier kennengelernt habe. Somit hat das Praktikum mich darin bestärkt, mich in den
nächsten Monaten mehr der Großtiermedizin zu widmen um hoffentlich meine erste
Stelle als Tierärztin in diesem Bereich finden zu können.
Eine weitere Sorge, die ich vor meiner Abreise hatte, war die Verständigung. Meine
letzte Englischstunde in der Schule liegt über 7 Jahre zurück und ich habe vor der
Abreise leider keine Zeit gefunden, einen Auffrischungskurs zu besuchen. Ich muss
zugeben, dass die ersten Tage etwas schwer waren. Das australische Englisch wird
sehr schnell gesprochen und besonders wenn man wir auf den Farmen unterwegs
waren, musste ich die ersten Tage des öfteren die Farmer bitten, etwas zu
wiederholen. Da ich immer gleich als eine Praktikantin aus Deutschland vorgestellt
wurde, war das allerdings nie ein Problem. Bei der Arbeit war die Sprache nie ein
Problem. Wann immer ich etwas nicht verstanden habe oder nicht wusste, wie der
korrekte englische Begriff ist, habe ich einfach den lateinischen Fachbegriff
verwendet.
Natürlich hatte ich noch tausend andere Bedenken, bevor es nach down under ging.
Jedoch wurde jede Einzelne von ihnen zerstreut, nicht zuletzt weil die Australier
äußerst hilfsbereit und freundlich sind. Es erstaunt mich immer noch, wie viel
Interesse die meisten Menschen an Deutschland gezeigt haben und wie viele
tatsächlich schon einmal da waren. Somit mangelt es nie an Gesprächsstoff, auch
wenn es mich am Anfang schon ein wenig irritiert hat, wenn wildfremde Menschen
plötzlich ein Gespräch mit einem anfangen. Wann immer ich ein Problem hatte
musste ich meist nicht einmal um Hilfe fragen, sie wurde einem einfach angeboten.
Somit kann ich jedem der mit dem Gedanken spielt ein Praktikum in Australien zu
absolvieren, nur darin bestärken. Es ist ein wirklich großartiges Land mit sehr
freundlichen, gelassenen und
hilfsbereiten Menschen mit
einem Hang dazu, einfach in
den Tag hineinzuleben, was uns
Deutschen manchmal ein klein
wenig fehlt. Allerdings darf man
sich nicht wundern, wenn
gerade diese relaxte Art dazu
führt, dass man manchmal ein
klein wenig länger auf
Dokumente oder klare Aussagen
warten muss. Aber ich sehe es
als gute Lektion für mich,
einfach mal zu versuchen, viele
Dinge nicht ganz so eng zu
sehen und nicht immer zu
verbissen an viele Aufgaben
heranzugehen. Besonders im
Hinblick auf das bevorstehende
3. Staatsexamen werde ich mir
diese Dinge sicher noch einige
male sagen müssen und
versuchen, mir ein Stück der
australischen Lebensweise mit
nach München zu nehmen.
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