Facharbeit Korvin D. Lemke

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Fontane Gymnasium
des Landkreises Teltow-Fläming
Fontaneweg 24
15834 Rangsdorf
Facharbeit
Thema:
Die politischen Entscheidungen und administrativen Prozesse
während der Hyperinflation von 1918 bis 1923
Fach:
Geschichte
Kurs:
LK 13
Fachlehrer: Herr Wünsche
vorgelegt von: Korvin Lemke
Rangsdorf, im November 2009
"Ein an Gold angelehnter Währungsstandard ist ein Wachhund für ausgabefreudige Politiker."
(Warren Buffet)
Vorwort
Ich habe das Thema bewusst gewählt, weil
ich interessiert war an den makroökonomischen Zusammenhängen, welche
eine Volkswirtschaft zusammenhalten. Bei
meinen Recherchen zum Thema bin ich auf
interessante Beiträge gestoßen, welche mich
zum Nachdenken veranlasst haben. Auch
glaube ich, dass das Thema eine große
Relevanz hat und auch weiterhin haben wird.
Inflation kann in verschiedenen Perspektiven
gesehen werden; welche Entscheidung man
auch immer fällen möchte, man sollte genau
über die Konsequenzen nachdenken und
versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen.
2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
4
1.1. Inhaltliches und methodisches Vorgehen
1.2. Theoretische Einordnung
1.2.1. Definitionen
4
4
4
1.2.2. Einordnung in den Bereich der Wirtschaftswissenschaften
5
2. Die politischen Entscheidungen und administrative Prozesse
während der Hyperinflation von 1918 bis 1923
6
2.1.
Der ökonomische Teil
6
2.1.1.
2.1.2.
2.1.3.
2.1.4.
2.1.5.
2.1.6.
Die heutigen Theorien zur Inflation
Die Keynesianisten
Die Monetaristen
Die Währungsstandards
Die Entwicklungen und Auswirkungen einer Inflation
Die Arten einer Inflation
6
6
7
7
8
9
2.2.
Der historische Teil
9
2.2.1.
2.2.2.
2.2.3.
2.2.4.
2.2.5.
2.2.6.
2.2.7.
2.2.8.
2.2.9.
Die historische Entwicklung des Geldes
Die Reparationspolitik der Alliierten
Die herrschende Lehrmeinung
Die Operationsspielräume der Reichsregierung
Die Reichsbank
Die technische Umsetzung
Wechselkurseinwirkungen
Der Ruhrkampf
Die Auswirkungen
3. Fazit
9
10
11
12
13
14
14
15
16
17
Thesen
19
Quellenverzeichnis
20
Anhang
21
3
1. Einleitung
1.1. Inhaltliches und methodisches Vorgehen
Im Folgenden möchte ich mich mit der Fragestellung, welche wirtschaftlichen und
politischen Entscheidungen der Verantwortlichen in der Weimarer Republik im Zeitraum
von 1918 bis 1923 zur Hyperinflation führten, beschäftigen.
Dieses Thema habe ich Aufgrund meines Interesses an wirtschaftlichen Entwicklungen
gewählt und sehe interessante Entwicklungen in dieser wirtschaftlich einmaligen
Zeitperiode. Besonders interessant ist aus meiner Sicht die Frage der Schuld für den
extremen Wertverlust der Mark. Hierbei stieß ich auf mehrere Ansichten, weswegen
dieses Thema auch zukünftig kontrovers diskutiert werden wird.
Mein Hauptaugenmerk liegt auf der Analyse administrativer Abläufe und politischer
Prozesse
im
Inland.
Während
meiner
Arbeit
werde
ich
auf
die
einzelnen
Entscheidungsträger eingehen, wobei ich mich hauptsächlich auf die Institutionen
konzentrieren werde. Simultan zum Erkenntnisgewinn soll auch eine multikausale
Bewertung
der
Entscheidungen
erfolgen.
Dabei
geht
es
um
die
zwei
Hauptinterpretationsansätze welche aktuell existieren.
Glücklicherweise kann man von einer ausgezeichneten Quellenlage sprechen.
1.2. Theoretische Einordnung
1.2.1. Definitionen
Die enge Definition von Inflation:
Inflation (aus dem Lateinischen: „Aufschwellung“, „Aufblähung“) bezeichnet eine
signifikante, über mehrere Zeitintervalle anhaltende, Vermehrung der Geldmenge über den
volkswirtschaftlichen Bedarf hinaus. Daraus resultiert ein Preisanstieg, weil das
Warenangebot unterhalb der monetären Nachfrage liegt (Kaufkraftsenkung, da die
Währung weniger wert ist). Dies kann anhand eines breit gefächerten, repräsentativen
Warenkorbs statistisch nachgewiesen werden.
4
Die weite Definition von Inflation:
Inflation ist die Geldentwertung aufgrund der Ausweitung der Geldmenge, welche anhand
eines Warenkorbs statistisch nachgewiesen werden kann.
Inflationsrate:
Statistisch gemessene prozentuale Wertveränderung des Preisniveaus im Verhältnis zum
vorherigen Zeitintervall.
Hyperinflation:
Eine extreme Form der Inflation, welche häufig an einem prozentualen Wert von über
100% Wertverlust einer Währung während eines Jahres festgemacht wird. Dabei ist der
Übergang von einer Inflationsform zu einer anderen nicht klar definiert sondern schwankt
von Fachmann zu Fachmann.
1.2.1. Einordnung in den Bereich der Wirtschaftswissenschaften
Um sich verständlich in der Thematik auszudrücken, ist es aus meiner Sicht notwendig,
sich in Ansätzen auch mit
dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu befassen.
Überhaupt ist es schwierig,
hier
einen
zwischen
Trennstrich
beiden
Wissen-
schaften
einzufügen.
kann
im
Man
wirtschafts-
wissenschaftlichen
Bereich
nur auf Erfahrungen aus der
Vergangenheit zurückgreifen
und
Modelle
entwickeln,
welche, soweit wie möglich,
die
Erfahrungen
mit
einbeziehen. Daraus lassen
sich theoretische Erkenntnisse ableiten. Das Schema soll meinen Grenzverlauf etwas näher erläutern.
5
2. Die politischen Entscheidungen und administrativen
Prozesse während der Inflation von 1918 bis 1923
2.1. Der ökonomische Teil
2.1.1. Die heutigen Theorien zur Inflation
Es gibt unter den Wirtschaftshistorikern derzeit zwei große Inflationstheorien. Zum einen
die der Verfechter des Keynesianismus und zum anderen die Verfechter der Chicagoer
Schule. Grob gesagt, befürwortet die eine Seite eine gewisse Inflation und die andere
bekämpft sie.
2.1.2. Die Keynesianisten
John Maynard Keynes war ein berühmter Wirtschaftswissenschaftler, welcher sagte, dass
im Falle eines Nachfrageeinbruchs, die Geldmenge ausgeweitet werden muss, damit eine
höhere Umlaufgeschwindigkeit herrsche und die damit verbundene Nachfrageexpansion
korrelativ
eine
Ausweitung
des
Angebots nach sich ziehe. Jørgen
Pedersen und Karsten Laursen sind
die Verfechter dieser Theorie, welche
sie ihn ihrem Buch „The German
Inflation 1918-1923“ zum Ausdruck
brachten.
Dort
steht,
dass
die
deutsche Industrie- und Kapitalbasis
sich
während
der
Inflationszeit
qualitativ verbessert habe und die
inflatorische deutsche Wirtschaftspolitik eine wirtschaftliche Wiederbelebung mit einem hohen Grad an
Beschäftigung direkt nach dem Krieg
ermöglichte
[S.13/1].
Diese Theorie war
sehr umstritten und wurde von vielen
Ökonomen differenziert und abgewandelt. Unstrittig aber ist, dass kurz nach 1918 tatsächlich ein hoher Grad an
6
Beschäftigung erreicht wurde und einige Industriezweige gestärkt aus der Inflation
hervorgingen. Dies lässt sich an folgendem Schema erklären: wenn die Reichsbank (was
sie in der Zeit von 1918 bis 1923 tat) Kredite für die Industrie vergab, so kaufte sich diese
entsprechende Körperschaft eine Produktionsanlage oder ähnliche Investitionsgüter.
Wurde die Währung aber in der Folgezeit entwertet, so konnte die Körperschaft den Kredit
mit dem wertloseren Geld abbezahlen (Mark = Mark), wodurch sie günstig Investitionen
machen konnten [S.16/9].
Bis heute wird die Theorie aufrechterhalten, dass ein gewisses Maß an Inflation der
Wirtschaft hilft und nicht schadet. Die Hyperinflation wird allerdings von allen Anhängern
dieser Theorie als Sonderfall angesehen.
2.1.3. Die Monetaristen
Die Theorie der Monetaristen, rund um wirtschaftshistorische Schwergewichte wie
Bresciani-Turroni und F. D. Graham, ist die deutlich stärker anerkannte und allgemein
übliche
Theorie.
Sie
besagt,
dass
eine
verantwortungslose
Finanzpolitik
der
Reichsregierung, aber vor allem der Alliierten, welche indirekt verstärkt Einfluss auf die
Geldpolitik der Weimarer Republik hatten, zusammen mit den übertrieben hohen
Reparationsforderungen das wirtschaftliche Gleichgewicht ausgehebelt hatte, was zu einer
„destruktiven Vermögensumverteilung“
[S.14/1]
führte. Sichtbar wird diese Umverteilung in
der Vernichtung des Mittelstandes in finanzieller Hinsicht. Laut dieser Theorie hätte man
das Haushaltsdefizit der Reichsregierung verringern und die Reparationen senken
müssen. Dadurch hätte man ein Aufblähen der Geldmenge verhindert. Dies wurde jedoch
nicht umgesetzt. Grundsätzlich geht es darum, dass nur eine stabile Währung ohne
jeglichen Wertverlust ein vernünftiges Wirtschaften ermögliche, da eine Inflation den
Kreditmarkt hemme und ohne die Interventionen der Reichsbank die Unternehmen keine
Investitionen hätten machen können.
2.1.4 Die Währungsstandards
Es gibt vier zu berücksichtigende Währungsstandards, nämlich den Goldstandard, den
Goldkernstandard, den Golddevisenstandard und die freie Währung. Der Goldstandard
wurde 1817 in Großbritannien eingeführt. Auch die Goldmark zählt zu diesem Währungsstandard. Sie zeichnet sich durch geringe Flexibilität aber auch durch hohe Stabilität aus.
Aufgrund der wachsenden Wirtschaftsleistung und der zunehmenden deflationären
Wirkung des Goldstandards, sowie um die Kriegsausgaben zu finanzieren, wurde zu
7
Beginn des 1. Weltkrieges in vielen Ländern Europas, darunter auch im Deutschen Reich
der Goldstandard durch einen Goldkernstandard ersetzt. Die Papiermark zählt zu dieser
Gattung, denn sie war bis 1918 nur teilweise durch Gold gedeckt und musste auf
Verlangen nicht mehr in Gold
umgetauscht werden. Die letzte Stufe ist das
Währungssystem der freien Währung. Dazu zählen alle wichtigen heutigen Währungen
zum Beispiel der Euro (€),
der
Yen
(¥),
der
US-
Dollar($), aber auch die
Papiermark der Weimarer
Republik, die offiziell immer
Mark
hieß.
Diese
Freie Währung
Währungen müssen oder
mussten
ohne
eine
Golddevisenstandard
verknappende Bremse wie
Gold auskommen und die
Geldmenge
wird
allein
Goldkernstandard
Goldstandard
durch die Geldpolitik einer
staatlichen
zum
Einrichtung
Beispiel
Notenbank
-
einer
(Bundesbank,
Federal Reserve, EZB...) bestimmt [13].
2.1.5. Die Entwicklungen und Auswirkungen einer Inflation
In einer Volkswirtschaft kann laut Quantitätstheorie folgende Grundgleichung aufgestellt
werden:
Geldmenge · Umlaufgeschwindigkeit = Handelsvolumen · Preisniveau
Die Geldmenge entsteht aus der Emission von Buchgeld (heutzutage Computergeld),
Banknoten und Münzen. Diese können dann bei einem Geldinstitut angelegt werden.
Danach kann das Geld, das auf den Konten liegt durch die Bank in marktfähige
Instrumente angelegt werden, zum Beispiel in Repogeschäfte oder in Geldmarktfonds.
Dies kann auch direkt durch den Besitzer der Banknote oder Münze geschehen. Wie auch
immer die Banknote weitergereicht wird, neues Geld kann nur durch Emission von Geld in
jedweder Form durch die Notenbank entstehen.
8
Die Umlaufgeschwindigkeit gibt an, wie schnell das Geld den Benutzer wechselt. Dabei
handelt es sich nicht um eine messbare Größe, sondern um eine reine Variable, die es
ermöglicht die anderen Größen in Beziehung zu setzen.
Dagegen kann das Handelsvolumen durchaus gemessen werden. Es handelt sich um den
Wert aller gehandelten Güter in einer Volkswirtschaft und korreliert stark mit dem BIP kann
aber nicht gleichgesetzt werden.
Das Preisniveau wird durch einen statistischen Warenkorb (CPI) ermittelt, wobei jedes
Jahr mehr oder weniger die gleichen Güter (zum Beispiel Brot) gekauft werden und grob
gesagt der Preis mit dem des Vorjahres verglichen wird. Dabei ist nur sicherzustellen,
dass der Warenkorb regelmäßig ermittelt wird, repräsentativ ist, und an aktuelle
Bedürfnisse angepasst wird [vergl. S.242-258/12].
2.1.6. Die Arten einer Inflation
Man unterscheidet generell zwischen der angebotsinduzierten und der nachfrageinduzierten Inflation. Die angebotsinduzierte Inflation lässt sich mit einem Anstieg in den
Produktionskosten oder den Gewinnmargen erklären, besonders bei Gütern auf die man
nicht verzichten kann.
Die nachfrageinduzierte Inflation entsteht, wenn die Nachfrage durch überhöhten Konsum
und verstärkte Investitionen sich derart erhöht, dass die Produktion ihre Kapazitäten nicht
schnell genug ausbauen kann und sich deshalb die Preise erhöhen. Die Inflation kann
auch durch verstärkte Nachfrage aus dem Ausland entstehen, wenn dadurch eine
Güterlücke im Inland entsteht [S.280-282/12].
2.2. Der Historische Teil
2.2.1. Die historische Entwicklung des Geldes
Im Deutschen Reich wurde nach der Reichsgründung die Goldmark als gesetzliches
Zahlungsmittel festgelegt und eine Mark mit dem 1395ten Teil eines Pfundes (500g) Gold
bewertet
[7].
Die Währung hieß offiziell Mark und leitete sich von der germanischen
Gewichtseinheit Mark ab
[13].
Diese Kurantmünzen konnten auch auf Grund der
Goldzahlung aus Frankreich hergestellt werden, welche das Land nach der Niederlage
1871 an das neue Deutsche Reich zahlen musste. Allerdings wurden nicht nur Münzen
sondern auch Scheine emittiert, welche nur zu einem Drittel mit Gold gedeckt werden
mussten. Am 03.08.1914 hat das Deutsche Reich Frankreich begründet mit vertraglichen
9
Verpflichtungen (Zweibundvertrag Deutschland-Österreich von 1879) den Krieg erklärt und
immense Aufrüstungsprogramme finanziert
[10].
Durch diese Ausgaben verschuldete sich
das Land und das trieb die Preise in die Höhe. Zusätzlich musste ab dem 31.07.1914
[vergl.S.23/2]
zur Finanzierung des Krieges, auf Initiative der Reichsbank, der Goldstandard
aufgehoben werden und ein zusätzliches „Geldsurrogat“ (Geldersatzmittel) emittiert
werden, die „Papiermark“. Die Papiermark erhielt ihren Namen, weil sie auf Papier
gedruckt wurde. Von behördlicher Seite wurde natürlich weiterhin von der Goldmark
beziehungsweise von der Mark gesprochen. Diese Entwicklung führte zu einer massiven
nachfrageinduzierten Inflation (demand-push inflation).
2.2.2. Die Reparationspolitik der Alliierten
Es hätte drei Wege gegeben, die Reparationsforderung der Alliierten zu begleichen. Zum
Einen hätten die Reparationen in Form von Waren oder Gütern erbracht werden können.
Dies wurde aber von den Industrieverbänden der Alliierten opponiert, da man die
Konkurrenz und den Preisdruck fürchtete
[S.13/11].
So hatten schon vor dem ersten
Weltkrieg deutsche Industriegüter gewisse Absatzerfolge in einigen Staaten der Alliierten.
Die zweite Option wäre gewesen, der deutsche Industrie bessere Exportchancen
einzuräumen. Allerdings wurde auch dies von alliierten Politikern nicht unterstützt, weshalb
hohe Zölle und Exportschranken für die deutsche Industrie weiter bestehen blieben [S.14/11].
Die die Inflation schürende Kreditaufnahme durch die Reichsregierung zur Beschaffung
von Devisen, war für die Reichsregierung der einzig verbleibende Ausweg die verlangten
Reparationsforderungen, welche aus Vorsicht durch die Alliierten in Goldmark ausgestellt
wurden, zu begleichen. Diese konnten dann eingesetzt werden, um eine echte
Wertübertragung vom deutschen Reich zu den Alliierten umzusetzen [S.13/11].
Anfangs
waren
Großbritannien
und
Frankreich
sich
über
die
Bedingung
der
wirtschaftlichen Schwächung Deutschlands einig, aber: "Großbritannien schloss eine
Revision des Versailler Vertrages schon aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht aus"
/10].
[S.58
In den darauf folgenden Verhandlungen nach Versailles setzte sich unter den
britischen Abgeordneten immer mehr die Ansicht durch, dass nur ein wirtschaftlich starkes
Deutschland die Reparationsforderungen überhaupt erfüllen konnte. Außerdem benötigte
man Deutschland als Absatzmarkt für britische Produkte
[vergl.S.58/10].
Im Londoner
Ultimatum vom 6. Mai 1921 wurde die Höhe der Reparationen auf 132 Milliarden
Goldmark (also „wertstabil“) sowie 26% des Wertes aller Exporte der Weimarer Republik
festgesetzt
[S.309/3].
Die Keynesianisten vertreten, wie ihr Lehrvater Keynes, die Position,
dass die Reparationen zu hoch angesetzt und vor allem zu schnell verlangt wurden.
10
Keynes schrieb in seinem Werk „Economic Consequences of the Peace”, dass die
Weimarer Republik für die Bezahlung der Reparationen die Alliierten mit solchen
Exportmengen hätte überhäufen müssen, dass dort zwangsläufig eine “importierte“
Deflation hätte entstehen müssen.
Die Meinung der Monetaristen ist dagegen, dass die Führung der Weimarer Republik die
Geldmenge absichtlich in die Höhe trieb, um dadurch den Reparationszahlungen zu
entgehen. „(...) The Germans blamed the Allied reparations demands and the efforts to
fullfill them for causing the galloping inflation and hyperinflation, while the French blamed
the Germans for ruining their currency deliberately in order to evade reparations, a view
wiedly held outside France as well (...)”
[S.309/3].
Diese Zahlung konnte die Weimarer
Republik jedenfalls bereits Ende 1921 nicht mehr erfüllen. Die deutsche Regierung erbat
nun die Alliierten um eine Abschwächung des Zahlungsplans. Im Gegenzug sollte die
Reichsbank unabhängiger werden und der Haushalt ausgeglichen werden. In Frankreich
stieß die Bitte auf Unverständnis und wurde daher vollständig abgelehnt, auch deshalb
weil der neu gewählte Präsident von Frankreich Poincaré eine schärfere Haltung
gegenüber den Deutschen forderte
[vergl.S.61/10].
Der Konflikt dramatisierte sich als
Frankreich am 09.01.1923 eine zu geringe Kohlelieferung für das Jahr 1922 feststellte und
zwei Tage später das Ruhrgebiet besetzte.
2.2.3. Die herrschende Lehrmeinung
Aus damaliger Sicht gab es für die breite Mehrheit nur drei Gründe, warum die Mark stetig
an Wert verlor: Erstens, die Reparationspolitik der Alliierten und damit das Budgetdefizit
der Reichsregierung. Dieses Argument wurde gerade von Vertretern der liberalen
politischen Richtung häufig zitiert, denn die Zahlungsverpflichtungen der Weimarer
Republik existierten und machten die Zeichnung weiterer Staatsanleihen erforderlich [S.49/1].
Zweitens wurden gerade aus konservativer Sicht, verbunden mit einer passiven
Handelsbilanz, die gestiegenen Ansprüche der Arbeiterschaft als Grund angesehen. Aber
aufgrund der Zollpolitik der Alliierten konnte auch die Handelsbilanz nicht ausgeglichen
werden [S.50/1][S.47/2].
Drittens wurde als wichtiges Kriterium der Wertstabilität eines Zahlungsmittels der innere
Wert angesehen. Da der Goldstandard nicht wieder errichtet werden konnte, sah man die
Inflation als unausweichliche Folge. Das Geld wurde durch keinen "Wert" dahinter
stabilisiert. Dies erklärt auch die Art, mit welcher die Reichsmark im Reichsgebiet
eingeführt wurde.
Die Mehrheit der Presse glaubte, die Inflation läge an der negativen Handelsbilanz [S.42/2].
11
2.2.4. Die Operationsspielräume der Reichsregierung
Rechnungsjahr
Ausgaben
der Reichsregierung
1914
9.651.000.000
1915
26.689.000.000
1916
28.780.000.000
1917
53.261.000.000
1918
45.514.000.000
Summe
163.894.000.000
(der Haushalt des Kaiserreiches [S.47/2])
Einnahmen
der Reichsregierung
8.149.000.000
23.207.000.000
22.815.000.000
35.215.000.000
31.590.000.000
120.976.000.000
Obige Tabelle zeigt eindrucksvoll die Ansammlung an Einnahmen und Ausgaben der
kaiserlichen Reichsregierung während des Krieges. Schon jetzt sammelte sich ein
gewaltiger Schuldenberg an, welchen man eigentlich den Gegnern nach dem Sieg
aufbürden wollte.
Rechnungsjahr
Defizite der Reichsregierung
(in Goldmark)
1920
6.053.600.000
1921
3.675.800.000
1922
2.442.300.000
1923 (April bis Dezember)
6.538.300.000
Summe
18.710.000.000
(die Defizite im Haushalt der Reichsregierung [S.93/2])
Ausgaben durch den Versailler
Vertrag (in Goldmark)
1.850.900.000
2.810.300.000
1.136.700.000
742.400.000
6.540.100.000
Jedoch kam anstatt des Sieges die Niederlage, weshalb nicht nur die schon bestehenden
Schulden samt Zinsen beglichen werden mussten, sondern auch die Zahlungsverpflichtungen der Alliierten. Dazu mussten die vielen Witwen und Waisen mit einer
kleinen Rente versorgt werden, und in bescheidenem Maße einige Gegenden
wiederaufgebaut werden. Dies alles schränkte den Handlungsspielraum der neuen
Weimarer
Republik
sehr
ein,
der
Schuldendienst
allein
lag
bei
126
%
der
Staatseinnahmen[vergl.5]. Zusätzlich "erhöhte [die Reichsregierung K.L.] ihre Ausgaben zur
Linderung
der
Bevölkerungsschichten"
sozialen
[S.64/10].
Nöte
überwiegend
einkommensschwacher
Dies führte zu einer Konsuminflation in welcher ein
Nachfrageüberhang die Preise in die Höhe trieb.
Monetaristen wie Bresciani-Turroni wenden bei diesen Punkten allerdings ein, das die
Ausgaben für die Erfüllung des Versailler Vertrages im Endeffekt gut ein Drittel der
gesamten Neuverschuldung der Weimarer Republik ausmachte
[vergl. S.94/2]
und man
deshalb darüber nachdenken müsse, wieso sich ein derartiger Schuldenberg auftürmen
musste.
12
Anfangs profitierte die Weimarer Regierung von der inflationären Entwicklung
[S.64/10].
So
führte eine schwache Mark auf den internatonalen Devisenmärkten zu einem
Exportanstieg. Die effektive Schuldenlast der Republik verringerte sich, da zu dieser Zeit
die Schulden nicht an die inflationäre Entwicklung angepasst wurden wie heutzutage nach
dem Basel II Abkommen. Jedoch verlor mit steigender Geldmenge die Mark immer mehr
die
Funktion
eines
Zahlungsmittels.
"Aufgrund
des
Versagens
der
übrigen
Einnahmequellen wurde die Finanzverwaltung immer abhängiger von der Inflation"
[S.66/10].
Durch diese Entwicklung der Weimarer Finanzorganisation war die wirtschaftliche und
soziale Organisation des Staates in schwerer Schieflage.
2.2.5. Die Reichsbank
Aufgrund des Goldstandards hatten die Zentral- und Notenbanken der industrialisierten
Welt bis zum ersten Weltkrieg eine sehr geringe Einflussmöglichkeit auf die Geldpolitik, da
die maximale Geldmenge durch die verfügbaren Goldreserven bestimmt wurde. Dies
änderte sich im Deutschen Reich 1918, da der Goldstandard aufgehoben wurde.
Da allerdings die Reichsschatzanweisungen des Deutschen Reiches 1916 immer weniger
im freien monetären Publikum diskontiert wurden, musste die Reichsbank, um den Krieg
fortführen zu können, diese Anleihen annehmen. Das Ziel einer stabilen Währung blieb
dabei allerdings auf der Strecke
[vergl.S.63/10].
Sowohl die Monetaristen als auch die
Keynesianisten sehen in dieser Handlung durch die Reichsbank den Grundstein für die
Hyperinflation von 1923. Der von den Alliierten geforderten Unabhängigkeit der
Reichsbank
wurde
schnell
und
vollständig
entsprochen.
Autonomiegesetz der Reichsbank im Reichstag verabschiedet
So
wurde
[vergl.S.90/10].
1922
das
"Entscheidend
war die Tatsache, dass das Gesetz keine Grenze für die Verschuldung des Staates bei der
Reichsbank enthielt. Das Autonomiegesetz brachte nur die Verwirklichung einer in erster
Linie personellen und funktionellen
Unabhängigkeit der Reichsbank von der
Reichsregierung. Die finanzielle Unabhängigkeit blieb ihr verwehrt“
[S.96/10].
Des Weiteren
muss darauf hingewiesen werden, dass die Reichsbank keine andere Möglichkeit hatte als
weiterhin Anleihen zu diskontieren, da ansonsten die Weimarer Republik die Reparationen
nicht hätte begleichen können. Darauf wies schon 1921 der Reichsbankpräsident
Havenstein seinen Amtskollegen, den Gouverneur der Bank von England, hin.
13
Zeitraum
Geldzirkulation in % von Juli Ausstellungen von Anleihen in
1922
% von Juli 1922
Juli 1922
100
100
August 1922
124
108
September 1922
164
146
Oktober 1922
238
196
November 1922
379
272
Dezember 1922
637
485
Januar 1923
984
676
Februar 1923
1741
1165
März 1923
2727
2143
April
3250
2741
Mai
4223
3336
Juni
8557
7149
(Die Geldmengenausweitung im Vergleich zur Schuldenaufnahme [S.35/2])
Die Tabelle zeigt eindeutig, dass mit dem Anstieg der Diskontierung von Staatsanleihen
durch die Reichsbank die Geldzirkulation sich in einem ähnlichen Anstieg erhöhte. Das
liegt daran, dass die Inflation von 1923 technisch gesehen durch die Emittierung von
Staatsanleihen seitens der Reichsregierung entstand.
2.2.6. Die technische Umsetzung
Da die Geldscheine während der Inflationszeit zunehmend an Wert verloren, musste der
Nominalwert immer weiter erhöht werden, um dennoch einen Zahlungsverkehr zu
ermöglichen. Der höchste Wert war ein Geldschein, der auf 100.000.000.000.000 Mark
(100 Billionen Mark) ausgestellt wurde. Dabei wurden gar nicht mehr die Nullen, sondern
nur die Wertgröße in Worten aufgeschrieben. Um den wachsenden Bedarf an
Geldscheinen zu decken wurden bis zu 133 Fremdfirmen mit 1783 Druckmaschinen
beauftragt, Tag und Nacht neue Geldscheine zu drucken. Das dafür erforderliche Papier
wurde von 30 Papierfabriken und die Druckplatten von 29 Werkstätten hergestellt. Da
ständig neue Motive hergestellt werden mussten, waren am Ende rund 400.000
Druckplatten im Einsatz. Im Zeitraum von 1918 bis 1923 waren rund 30.000 Menschen an
der Herstellung von circa 10 Milliarden staatlichen Banknoten beteiligt [vergl.5].
2.2.7. Wechselkurseinwirkungen
Grundsätzlich ist eine Abwertung der eigenen Währung Inflation fördernd, da für die
ausländischen Güter ein höherer Preis erzielt werden muss. In der Weimarer Republik
wurde der Dollarkurs durch offizielle Raten von der Regierung fest vorgegeben. Dies sollte
14
verhindern, dass die Mark zu sehr abgewertet wurde. Es hatte allerdings nur einen
mäßigen Effekt, da der Wechselkurs in den anderen Staaten, vornehmlich den Vereinigten
Staaten, sich nach Angebot und Nachfrage richtete (floatete). Zusätzlich bildeten sich
Schwarzmärkte, auf denen ein höherer Wechselkurs für den Dollar herrschte
[vergl. 126/2].
Weiterhin versuchte die Reichsregierung Mark auf neutralen Märkten zu kaufen, um die
Entwertung der Mark zu verringern
[vergl. S.131/2].
Dies belastete die Staatsfinanzen nur
zusätzlich, ohne einen nennenswerten Effekt zu erzielen.
2.2.8. Der Ruhrkampf
Am 11. Januar marschierten belgische und französische Truppen in das Ruhrgebiet.
Dieser Schritt wurde auf Seiten der Reichsregierung provoziert durch zu geringe
Kohlelieferungen an Frankreich, welche am 9. Januar in der Reparationskommission
gegen die Stimme Großbritanniens festgestellt wurde. Die französische Besetzung war
also nicht eine Reaktion auf die am 14. November 1922 an die Alliierten gesandte WirtNote, welche neben einem Sanierungsprogramm für die deutsche Währung auch eine
Neufestsetzung der Reparationsschuld enthielt, sondern war durchaus von deutscher
Seite provoziert. Wie falsch die Regierung Cuno die Auswirkungen der Ruhrbesetzung
einschätzte, wird in seiner Reichstagsrede am 13. Januar 1923 deutlich: "Für
Kohlenmengen, die wenige Prozent der seit dem Waffenstillstand tatsächlich bewirkten
Lieferungen
im
bisherigen
Gesamtergebnis
ausmachen,
für
Schnittholz
und
Telegraphenstangen unternimmt Herr Poincaré eine militärische Aktion, die Frankreich
Kosten unabsehbaren Umfangs verursachen muss und die in geradezu verhängnisvoller
Weise Mittel zu unproduktiven Zwecken bindet!"
[6].
Wie ernst es der französischen
Regierung mit der längst angedrohten Besetzung des Ruhrgebietes war, hätte der
Reichsregierung schon nach der im März 1921 vollzogenen Besetzung der Duisburg und
Düsseldorfs gewesen sein müssen.
Die Reichsregierung rief sofort nach dem Truppeneinmarsch per „Runderlass des
Reichsministers des Auswärtigen“ die Bevölkerung zum passiven Widerstand auf. Beamte,
Angestellte und Arbeiter weigerten sich, für die Besatzungsmächte zu arbeiten und deren
Anordnungen nachzukommen. Am 15 Januar wurden die Reparationszahlungen von
deutscher Seite vollständig eingestellt.
In den besetzten Gebieten begann „eine Periode kriegsähnlicher Verhältnisse, gerade
noch unter der Schwelle militärischer Auseinandersetzungen“
[S.32/4].
Der so genannte
Ruhrkampf bestand aus dem für beide Seiten schmerzhaften Generalstreik, vielerlei
Provokationen und einigen spektakulären Sabotageakten. Die französische Seite reagierte
15
mit über 150 000 verhängten Militärstrafen. Der Kampf forderte 137 Tote. Vor allem die
durchaus vorhersehbaren wirtschaftlichen Folgen waren katastrophal. Das unbesetzte
Reich war vom Kern der deutschen Stahl- und Kohleindustrie abgeschnitten. Die
Widerstandsmoral verschlechterte sich angesichts der rapiden Geldentwertung täglich. Die
Lohnerhöhungen konnten den sinkenden Wert der Mark nicht ausgleichen, die Bedienung
der Banknotenpresse trieb die Währung in die Hyperinflation. Die Reichsbank griff
vergeblich auf eigene Goldreserven zurück, die sie durch die Einbehaltung von
Reparationszahlungen behalten hatte. Die Entwicklung des amtlichen Dollarkurses im Juni
zeigt es
[vergl. Anhang].
Die patriotische Durchhaltemoral wurde mehr und mehr unterwandert,
im Ruhrgebiet begann man, sich mit den Besatzungsmächten zu arrangieren. ,,Die
Rheinländer kannten ihre Besatzung seit Jahren und wussten, dass sie auch nach einer
Räumung der Ruhr noch lange Zeit mit ihr auskommen mussten."
[S.39/8].
Die Beendigung
des Ruhrkampfes im September 1923 durch den Reichskanzler Stresemann war daher
eine längst überfällige Kapitulation.
2.2.9. Die Auswirkungen
Als wichtigste Auswirkung der Inflation muss der gigantische Vertrauensverlust der
Reichsregierung bei der Bevölkerung angesehen werden. So wurde bei den ersten
Staatsanleihen noch hoch und heilig versichert, diese würden definitiv wieder in Gold
auszahlbar sein, doch ab der fünften Kriegsanleihe konnte dieses Versprechen nicht mehr
gehalten werden. Daher versicherte die Regierung, dass die Anleihen in Mark auszahlbar
und die Anleihen mündelsicher seien, also der Wertverlust faktisch ausgeschlossen sei.
Dann kam allerdings die verstärkte Entwertung der Mark, wodurch die auch Anleihen
vollständig entwertet wurden. Nachdem die Rentenmark in der Weimarer Republik
eingeführt wurde, kam es zu einer Vielzahl an Klagen vor den Zivilgerichten über die
Frage, ob die Schulden der Kreditnehmer, noch im Wert der alten Goldmark, mit der
wertlosen Papiermark zahlbar sein dürften. Grundsätzlich gingen alle Urteile davon aus,
dass es sich bei der Inflation um einen Fall höherer Gewalt handele und damit das Risiko
der Gläubiger zu tragen habe
[S.78/1].
Jedoch entschied der V. Zivilsenat des
Reichsgerichts, dass eine rechtliche Möglichkeit der Aufwertung von Forderungen
insbesondere gemäß § 242 BGB (der Paragraph von Treu und Glauben) anzuerkennen
sei. Durch dieses Urteil wurde die Reichsregierung gezwungen, wollte sie nicht eine Flut
an
Ansprüchen
gegenüber
der
Bevölkerung
auszahlen,
dieses
Urteil
per
Steuernotverordnung außer Kraft zu setzen. Durch öffentlichen Protest musste die
Steuernotverordnung jedoch dahingehend erneuert werden, dass zumindest 15% des
16
ursprünglichen Goldbetrages aufgewertet wurden mussten. Wenngleich auch dies bereits
einen herben Verlust für alle Gläubiger bedeutete, wurden Staatsanleihen von dieser
Regelung ausgeschlossen
[S.79/1].
Durch diese Regelung entschuldete sich der Staat
komplett. Hatte er noch 1918 eine Schuldenlast von 167 Mrd. Mark (Goldmark) aufgrund
des Krieges, so betrug die Schuldenlast 1923 185,71 Mrd. Mark (Goldmark). Nach der
Währungsreform zahlte der Staat allerdings nur ungefähr 0,19 Mark (Rentenmark) an
seine Gläubiger zurück
[vergl.5].
Dies wurde von der Bevölkerung jedoch nicht
wahrgenommen, da den allergrößten Teil der Anleihen die Reichsbank diskontiert hatte
und folglich den Anspruch auf die 19 Pfennige besaß.
Des Weiteren schmolzen die Ersparnisse der Bevölkerung zusammen und einige Anlagen
verloren viel an Wert, besonders die Geldmarktfonds Anleihen.
3. Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Zeit von 1918 bis 1923 als eine
wirtschaftshistorisch außergewöhnliche Zeit zu betrachten ist. Die Erkenntnisse daraus
sind unterschiedlich, je nachdem welcher ökonomischen Überzeugung man anhängt.
Die Monetaristen sehen die Inflation als ein Schreckensszenario, dessen Auswirkungen
alle Wirtschaftsteilnehmer schwer trafen und die Weimarer Republik kurz vor den
Zusammenbruch brachte. Als Begründung ziehen sie die Verarmung der Gläubiger und
des arbeitenden Mittelstandes heran, da die Löhne, wenn überhaupt, nur verschoben an
den Preisanstieg angepasst wurden. Auch die Staatsfinanzen haben während der Inflation
schwere Verluste hinnehmen müssen, schließlich konnten die Steuern nicht in dem Maße
angehoben werden, wie der Geldverfall die Einnahmen wertlos machte. Für alle
Monetaristen ist es eindeutig, dass die Entwicklung ein Ende nehmen musste, da das
monetäre öffentliche Publikum nicht mehr bereit war, den wachsenden Bedarf an
Schuldscheinen seitens der Regierung und Industrie trotz hoher Zinsen von teilweise bis
zu 90% mit Geld zu decken [vergl. S.77/1].
Dagegen halten die Keynesianisten die ungleich stärkeren Auswirkungen einer Deflation
im Vergleich zu einer Inflation für das geringere Übel. Dazu fügen sie an, dass eine stark
expandierende Wirtschaft tendenziell immer etwas inflationär ist, da der steigenden
Güterproduktion ein entsprechendes Geldmengenwachstum entgegenstehen muss.
Außerdem wird von diesem Lager gern betont, dass bis 1922, also dem Jahr der massiven
Geldmengenausweitung, welche ein historisch einmaliger Vorgang war, es in der
Deutschen Volkswirtschaft quasi Vollbeschäftigung gab. Die extreme Hyperinflation von
17
1923 wurde durch die Besetzung der Ruhr durch die Franzosen herbeigeführt, da es der
deutsche Volkswirtschaft nun nicht mehr möglich war, die Reparationsforderungen der
Alliierten anders zu decken. Die Inflation führte allerdings zu einer Neuausrichtung und
Konzentration der deutschen Wirtschaft, speziell der Industrie und dem Bankenwesen, von
der diese später durchaus profitierte.
Abschließend ist es schwierig, ein klares Urteil über die Inflation zu fällen, besonders zur
Frage, ob eine Inflation oder eine Hyperinflation überhaupt vermeidbar gewesen wäre.
Besonders schwierig ist die Frage, inwieweit die Reichsregierung die Möglichkeiten
ernsthaft ausgeschöpft hatten, die Inflation aufzuhalten.
Auf
der einen
Seite
halten
Monetaristen
den
Standpunkt aufrecht,
dass
die
Reichsregierung bewusst, beziehungsweise zusätzlich zu den Verpflichtungen des
Londoner Ultimatums, neue Schulden aufnahm und dadurch ihre Währung absichtlich
ruinierte, also sehr wohl hätte aufhalten können. Besonders muss in diesem
Zusammenhang die Frage gestellt werden, wieso eine Währungsreform nicht früher hätte
geschehen können. Es wäre durchaus möglich gewesen, den Wertverlust durch eine neue
Währung zu unterbinden. Dies geschah jedoch erst, nachdem das Vertrauen der
Bevölkerung in die Währung komplett zerstört worden war. Zusätzlich war der
Hauptverlierer der Inflation der gewöhnliche Sparer und Arbeitnehmer. Man könnte sogar
sagen, dass diese Bevölkerungsschichten durch die Arbeit der Regierung schwer von der
Weimarer Republik enttäuscht worden sind und sich deshalb (rechts)extremen
Vereinigungen anschlossen.
Der Ruhrkampf wurde durchaus auch kritisch gesehen und nach genauerer Betrachtung
lässt sich sagen, dass der Ruhrkampf ökonomisch gesehen keinen Sinn gemacht hat.
Weiterhin ist es meiner Ansicht nach auch nicht gerechtfertigt zu sagen, dass der
unausgeglichene Haushalt hauptsächlich aus den Verpflichtungen der Reichsregierung
gegenüber den Alliierten resultierte. Man kann auch nicht die geringen Kriegsschäden als
Grund ansehen, da der Krieg zum Großteil in Frankreich geführt wurde und deshalb
französische Landstriche hauptsächlich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Dazu kommt
der ungenutzte Verhandlungsrahmen der Reichsregierung mit den britischen Alliierten,
welche eine Reform des Versailler Vertrages sich durchaus vorstellen konnten. Alles in
allem ist es daher meiner Ansicht nach dem Verhalten der Reichsregierung anzulasten,
das die Inflation derartig ausartete.
18
Thesen
1. Die Reichsregierung hatte keine andere Möglichkeit, als neue Schulden zu machen,
um ihren Verpflichtungen gemäß des Londoner Ultimatums gerecht zu werden.
2. Die Weimarer Republik hatte allerdings ihre Möglichkeiten zur Reduktion der
Reparationsforderung zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig ausgeschöpft.
3. Der ökonomisch unsinnige Ruhrkampf hatte die wirtschaftliche Stabilität der
Weimarer Republik gefährdet.
19
Quellenverzeichnis
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1914 bis 1924 - Colloquium Verlag. Berlin
2 Bresciani-Turroni, Constantino (1968): The Economics of Inflation – John Dickens & Co.
Ltd.. Northampton
3 Feldman, Gerald D. (1993): The Great Disorder, Politics, Economics and Society in the
German Inflation, 1914-1924 – Oxford University Press
4 Harbeck, K.-H (1968): Die Akten der Reichskanzlei - Boppard am Rhein
5 Kunzel, Dr. Michael (mk), Wissenschaftliche Mitarbeiter des DHM (o.J.): Die Inflation von
1914 bis 1923 <http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/cuno/index.htmhttp://www.dhm.de/lemo/html/we
imar/innenpolitik/inflation/index.html> Deutsches Historisches Museum GmbH (Stand:1998-12-31) (Zugriff 2009-10-19).
6 Kunzel, Dr. Michael (mk), Wissenschaftliche Mitarbeiter des DHM (o.J.):
Ansprache des Reichskanzlers Wilhelm Cuno anläßlich der Besetzung des Ruhrgebiets
durch französische und belgische Truppen <http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/cuno/index.html> Deutsches Historisches Museum GmbH (Stand:1998-12-31) (Zugriff 2009-11-15).
7 Merk, Dr. Gerhard, Universitätsprofessor (2008): Goldmark <http://www.ad-hoc-news.de/goldmark--/de/Boersenlexikon/16330960> Universität Siegen (letztes Update 2008) (Zugriff 2009-10-20).
8 Pabst, Klaus(1972): Der Ruhrkampf, in: Först, Walter (Hrsg.): „Zwischen Ruhrkampf und
Wiederaufbau“, Köln und Berlin
9 Pandel, Hans-Jürgen (1988): Inflation und Arbeitslosigkeit: Wirtschaftliche Krisen der
Weimarer Republik - Ernst Klett Verlag. Stuttgart
10 Reinhardt, Simone (2000): Die Reichsbank in der Weimarer Republik - Europäischer
Verlag der Wissenschaften
11 Schuller, Stefan (1998): Determinanten und Wirkungen der „Bankenmacht“ während
der Weimarer Republik - Logos Verlag. Berlin
12 Seidel, Horst, Temmen, Rudolf (2002): Grundlagen der Volkswirtschaftslehre –
Bildungsverlag eins. Gehlen
13 Wetzlar, Philipp (2009): Die Goldmark - <http://de.wikipedia.org/wiki/Goldmark> Wikimedia Foundation Inc (Stand 2009) (Zugriff 2009-10-19).
20
Anhang
(Der Wertverlust der Mark anhand des Devisenkurses [1])
Jahr
Messziffer des Dollarkurses in Berlin Aktienindex
Jan. 1919
1,49
0,97
Feb. 1919
2,17
0,98
Mär. 1919
2,48
0,97
Apr. 1919
3
0,96
Mai. 1919
3,06
0,91
Jun. 1919
3,34
0,96
Jul. 1919
3,59
1
Aug. 1919
4,48
0,99
Sep. 1919
5,73
1,12
Okt. 1919
6,39
1,24
Nov. 1919
9,12
1,25
Dez. 1919
11,14
1,27
Jan. 1920
15,43
1,66
Feb. 1920
23,6
2
Mär. 1920
19,97
1,96
Apr. 1920
14,2
1,84
Mai. 1920
11,07
1,6
Jun. 1920
9,32
1,67
Jul. 1920
9,4
1,87
Aug. 1920
11,37
2,04
Sep. 1920
13,81
2,2
Okt. 1920
16,23
2,45
Nov. 1920
18,39
2,6
Dez. 1920
17,38
2,74
Jan. 1921
15,46
2,78
Feb. 1921
14,6
2,6
Mär. 1921
14,87
2,65
Apr. 1921
15,13
2,75
Mai. 1921
14,83
2,77
Jun. 1921
16,51
2,99
Jul. 1921
18,26
3,37
Aug. 1921
20,07
3,89
Sep. 1921
24,98
4,92
Okt. 1921
35,76
6,44
Nov. 1921
62,64
9,36
Jan. 1922
45,69
7,43
Feb. 1922
49,51
8,41
Mär. 1922
67,7
9,86
Apr. 1922
69,32
10,18
Mai. 1922
69,11
7,73
Jun. 1922
75,62
8,23
Jul. 1922
117,49
8,97
Aug. 1922
270,26
11,56
Sep. 1922
349,18
12,62
Okt. 1922
757,73
20,62
Nov. 1922
1.711,08
50,7
Dez. 1922
1.807,83
88,81
Jan. 1923
4.281
224,29
Feb. 1923
6.650
451,07
Mär. 1923
5.048
336,35
Apr. 1923
5.826
501,83
Mai. 1923
11.355
951,29
Jun. 1923
26.202
3.520,44
Jul. 1923
84.186
13.493,53
Aug. 1923
1.100.632
124.700
Sep. 1923
23.549.000
5.300.000
Okt. 1923
6.017.000.000
1.713.000.000
Nov. 1923
522.286.000.000
237.000.000.000
Dez. 1923
1.000.000.000.000
269.000.000.000
21
Index der Lebenshaltung
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
8,47
9,56
10,42
11,02
10,83
10,65
10,23
10,15
10,71
11,18
11,58
11,79
11,47
11,38
11,27
11,2
11,67
12,5
13,33
13,74
15,04
17,75
20,41
24,49
28,97
34,36
38,03
41,47
53,92
77,65
133,19
220,66
446,1
685,06
1.120,27
2.643
2.854
2.954
3.816
7.650
37.651
586.045
15.000.000
3.657.000.000
657.000.000.000
1.247.000.000.000
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