Rede zum 90. Jahrestag der Novemberrevolution - DKP

Werbung
Heinz Stehr, Vorsitzender der DKP
8. November 2008 in Kiel
Rede zum 90. Jahrestag der Novemberrevolution
Liebe Freunde,
Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
als der Dramatiker Rolf Hochhuth im Jahre 2004 aus Anlass der Aufführung seines
Theaterstücks zu McKinsey formulierte, aus seiner Sicht stände Deutschland in absehbarer Zeit vor neuen revolutionären Entwicklungen, hielten das viele für völlig undenkbar, und auch wir Linken – Kommunistinnen und Kommunisten – konnten diese
Aussage nicht nachvollziehen. Hatten wir doch unseren Lenin gelernt. Er beschrieb
revolutionäre Ereignisse als eine Situation, in der sich die gesellschaftlichen Widersprüche extrem zuspitzen, die Herrschenden nicht mehr in der Lage sind, die vorhandenen gesellschaftlichen Probleme zu lösen und in der die Beherrschten nicht
mehr bereit sind, die bestehenden sozialen wie die Machtverhältnisse zu dulden.
Sowohl das eine als auch das andere schien uns zu Beginn des dritten Jahrtausends
unserer Zeitrechnung ziemlich unwahrscheinlich. Die Niederlage des Sozialismus in
Europa steckte uns „in den Knochen“. Der Schmerz wurde zwar abgemildert durch
die Entwicklung in Lateinamerika, vor allem auf Kuba, neu in Venezuela und Bolivien,
aber die Zuversicht, selbst möglicherweise revolutionäre Entwicklungen in Europa
und in Deutschland zu erleben, war ziemlich gering.
Hat sich daran, ausgehend von den aktuellen Ereignissen, der tiefen Krise des Kapitalismus etwas geändert? Gibt es Gründe, optimistischer zu sein? Ist die Zeit neoliberaler Politik zu Ende? Und was kommt dann?
Manches können wir aus historischen Erfahrungen lernen. Zeiträume, in denen – wie
in der Novemberrevolution 1918 in Deutschland - die gesellschaftliche Entwicklung
beschleunigt wird und die geschichtsgestaltende Kraft der Klassen und Volksmassen
besonders deutlich zutage tritt, nannte Marx die Revolutionen „Lokomotiven der Geschichte".
In einer relativ kurzen Zeit kam es damals zu gewaltigen politischen Veränderungen.
Am 3. 11. demonstrierten bewaffnete Matrosen, Arbeiter und Soldaten in Kiel für die
Befreiung verhafteter Kameraden. Nachdem Soldaten auf die Demonstranten schossen, mündete die Volksversammlung auf dem Exerzierplatz der Stadt in einen bewaffneten Aufstand. Am 4.11. lag die gesamte zivile und militärische Macht in den
Händen des Kieler Arbeiter- und Soldatenrates. Am selben Tag noch kam es in
Stuttgart zum Generalstreik. Am 5. 11. weitete sich die Massenerhebung auf Lübeck
und Brunsbüttel aus. Am 6. 11. übernahmen Arbeiterräte in Hamburg-Altona, Bremen, Bremerhaven, Cuxhaven, Wilhelmshaven, Neumünster, Rendsburg, Flensburg,
Rostock und Oldenburg die Macht. Die revolutionäre Erhebung der Arbeiter und Soldaten breitete sich von Kiel auf ganz Deutschland aus. Am 9. November wehten
auch in Berlin rote Fahnen.
Jedoch noch am gleichen Tag trafen sich insgeheim maßgebliche Großindustrielle
mit rechten Gewerkschaftsführern und der rechte Sozialdemokrat Friedrich Ebert
verständigte sich mit der in Amt und Würden gebliebenen Obersten Heeresleitung
über die Liquidierung der Revolution.
Was waren die Ergebnisse der Revolution? Die Macht der Hohenzollern wurde gestürzt. Die Monarchien in den deutschen Teilstaaten wurden beseitigt. Erzwungen
wurde die Beendigung des Weltkrieges, der Achtstundentag erkämpft und die Tariffähigkeit der Gewerkschaften. Das Dreiklassenwahlrecht wurde durch die Einführung
der allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen zu allen deutschen Parlamenten für
Frauen und Männer erreicht. Die feudale Gesindeordnung wurde aufgehoben auf
dem Lande.
Allerdings, die weiter gesteckten Ziele, die am Krieg schuldigen Klassen der Junker
und Kapitalisten zu entmachten, den Militarismus zu zerschlagen, ein sozialistisches
Deutschland zu schaffen, von den Russen zu lernen, wie es Rosa Luxemburg formulierte, diese Ziele wurden nicht erreicht. Der revolutionären Bewegung fehlte eine
entwickelte politische Strategie. Es fehlten auch notwendige organisatorische Voraussetzungen, um den revolutionären Kampf siegreich zu führen.
Zwar wurde unter dem Druck der revolutionären Massen der Reichskanzler zum Vorsitzenden des Rats der Volksbeauftragten; dies änderte jedoch nicht die Inhalte der
Politik. Der Rat setzte sich aus je drei Vertretern von SPD und USPD zusammen.
Karl Liebknecht lehnte es ab, in eine Regierung einzutreten, die von denselben Leuten gebildet wurde, die vier Jahre lang die kaiserliche Kriegspolitik betrieben hatten.
Gestützt auf den Organisationsapparat von SPD und USPD gelang es dem Berliner
Arbeiter- und Soldatenrat und auch den Reichsrätekongressen, eine neue antirevolutionäre Konzeption durchzusetzen. Die Rätekongresse beschlossen zwar einige
antimilitaristische Maßnahmen, verzichteten aber auf die Übernahme der Macht und
stimmten dabei der Tagung der Nationalversammlung am 19. Januar 1919 zu. Der
alte Staatsapparat blieb unangetastet. Mit der Ablehnung der Rätemacht, wie sie
Spartakusbund und andere Linke gefordert hatten, und der statt dessen einberufenen Nationalversammlung wurde die entscheidende Frage der Revolution, die
Machtfrage zu Gunsten der Bourgeoisie entschieden.
Als die KPD an der Jahreswende 1918/19 gegründet wurde, waren die Entscheidungen bereits getroffen. Die Konterrevolution marschierte. Revolutionäre wurden verfolgt, eingesperrt und erschossen. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wurden
durch Angehörige der reaktionären Freicorps mit Billigung und Geheiß rechter SPDPolitiker ermordet.
Im vergangenen Jahr rechtfertigte der Berliner NPD-Vorsitzende Hähnel in der Bezirksverordnetenversammlung von Lichtenberg die Ermordung von Luxemburg und
Liebknecht im Januar 1919 als „entschlossene Tat“ und „politisch geboten“. Jetzt
wurde er lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt
Ein Aufschrei ging dagegen durch den niedersächsischen Landtag, als eine Abgeordnete der Partei Die Linke auf die historische Verantwortung der SPD für die Morde
an Karl und Rosa verwies und dabei auf das Buch von Sebastian Haffner verwies.
Diese aktuellen Ereignisse unterstreichen, wie wichtig es ist, historische Tatsachen
zu kennen um daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können.
In der Weimarer Republik wurden von Anfang an auch durch die historische
Falschdarstellung der Novemberrevolution politische Voraussetzungen geschaffen,
die dann zur Niederlage der bürgerlichen Demokratie und zum Faschismus führten.
Für uns Kommunistinnen und Kommunisten, aber auch für die gesamte Linke in diesem Land bleibt es eine Aufgabe, die historische Wahrheit darzustellen, zu verbreiten
und sich gegen Lügen und Geschichtsverdrehungen zu wenden. Immer wieder muss
zudem gerade die revolutionäre Arbeiterbewegung Erfahrungen analysieren, die Bereitschaft haben, selbstkritisch und kritisch Schlussfolgerungen zu erarbeiten, die
dann kreativ in Politik umgesetzt werden. Zur kollektiven Debatte gibt es keine Alternative.
Liebe Freunde,
Genossinnen und Genossen,
In der Hamburger „Morgenpost“ vom 11. Oktober war eine Überschrift „Hatte Karl
Marx doch Recht?“. Die „FAZ“ vom 9. Oktober zitierte auf der Titelseite aus dem
„Manifest der Kommunistischen Partei“: „Die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die
moderne bürgerliche Gesellschaft ... gleich dem Hexenmeister, der die unterirdischen
Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor.“ Die „Frankfurter Rundschau“ titelte ebenfalls mit einem Bild von Karl Marx auf der ersten Seite.
In stabilen Umfragen der letzten Monate noch vor der Krise sind 80 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass es sozial ungerecht zugeht. 75 Prozent sind gegen
weitere Privatisierungen. 80 Prozent gegen die Rente mit 67. 75 Prozent gegen den
Kriegseinsatz in Afghanistan. Nach dem Beginn der Krise zeigt die Mehrheit der Befragten eine Ablehnung der politischen Entscheidung zur Unterstützung der Banken
mit den 480 Milliarden Euro schön geredeten Schutzschirm. Stabil bleibt auch, dass
die Mehrheit der Bundesbürger Sozialismus gut finden, allerdings skeptisch bleiben,
ob er realisierbar ist. Unter Teilen der Jugend wächst das Interesse am Marxismus.
Die Hochschulorganisation der Linkspartei, SDS, hat erfolgreich „Kapital“Studienzirkel an verschiedenen Hochschulen gegründet, die bisher von Hunderten
Studentinnen und Studenten besucht wurden.
Selbstverständlich wissen wir, dass Umfrageergebnisse kein Ausdruck von Kampfbereitschaft und gesichertem Bewusstsein sind. Und wir wissen auch, wie schnell solche Meinungen änderbar sind und aus theoretischem Interesse an Marx allein noch
kein Handeln entsteht.
Dennoch bleibt es festzuhalten: Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland gab es stabile Mehrheiten gegen die Regierungspolitik über einen längeren Zeitraum. Nie zuvor war die Tatsache so erkennbar, dass Regierungsentscheidungen und Parlamente so eindeutig dominiert werden von Kapitalinteressen.
Nie zuvor gab es eine Krise in den bisher gesellschaftspolitisch tragenden Parteien
dieses Ausmaßes. Seit 1990 liefen der SPD die Hälfte aller Mitglieder weg, der CDU
ca. 40 Prozent. Bei Wahlen können die Parteien kaum Wählerinnen und Wähler neu
gewinnen, im Gegenteil, in der Regel verlieren beide Parteien.
Diese Tendenzen werden durch die Finanzkrise noch verstärkt. Und diese Finanzkrise wächst sich jetzt zu einer Rezession aus, so das „Handelsblatt“ am 28. Oktober,
während es am 14. Oktober dort noch in einer Überschrift auf „Bild“-Zeitungsniveau
hieß: „Die Rettung: Staaten greifen ein, Börsen jubeln“. Nun müssen die Lohnschrei-
ber des Großkapitals die ersten Folgen der Rezession beschreiben. Arbeitsplätze
und Standorte werden zunächst in der Automobilindustrie, jetzt in der Zulieferindustrie, aber auch in anderen Bereichen zerstört. Wurde noch am 1. November die
„Tatsache“ gefeiert, dass die Zahl der Arbeitslosen unter drei Millionen wäre, so weiß
doch jede und jeder, dass realistisch fünf Millionen Arbeit suchen und dass weitere
fünf Millionen derzeit in Minijobs tätig sind. Jede und jeder kann es nachlesen, wenn
es im OECD-Bericht vom 21. Oktober heißt: „Soziale Ungleichheit in Deutschland
wächst rasant. Die Kluft zwischen Arm und Reich reißt in Deutschland immer weiter
auf. Einer neuen OECD-Studie zufolge haben sich Einkommensunterschiede und
Armutsquoten drastisch verschlimmert, schneller als in den meisten anderen Industrieländern der Welt!“ (Spiegel-online, 21. Oktober)
Im Programm der DKP haben wir die Entwicklung des neoliberalen Kapitalismus
analysiert. In der Erklärung des Sekretariats des Parteivorstandes der DKP vom 10.
Oktober zur Finanzkrise haben wir unseren Standpunkt dargelegt. Die Krise hat einen Namen: Kapitalismus. Seit einigen Jahren haben wir beständig auch in der UZ
auf die sich entwickelnde Krise hingewiesen. Genossinnen und Genossen unserer
Partei haben dazu wissenschaftlich fundierte Beiträge erarbeitet. Das isw-Institut in
München hat für politisch links denkende Kolleginnen und Kollegen und selbstverständlich auch für uns eine hervorragende analytische, bewertende, schlussfolgernde politische Argumentation entwickelt.
Die Krise kam eben nicht aus heiterem Himmel. Sie ist nicht das Produkt von Fehlern
und kriminellen Machenschaften von Finanzjongleuren. Sie ist nicht räumlich begrenzt auf die USA. Sie ist eine Krise, die zu diesem kapitalistischen System gehört,
allerdings auch durch die Bündelung unterschiedlicher Ursachen eine besonders
tiefgehende, außerordentlich gefährliche Entwicklungen ermöglicht.
Neben der Krise im Finanzsystem entwickelt sich jetzt eine durch Überproduktion.
bedingte Absatzkrise. Daneben haben wir es mit der weltweit wirkenden Nahrungsmittelkrise und den Herausforderungen der ökologischen Krise und mit einer zunehmenden Krise der Verfasstheit des bürgerlichen Systems zu tun. Die Tatsache, dass
Obama in dieser Zeit neuer US-Präsident werden konnte, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass auch die Bourgeoisie in dieser Situation zu außerordentlichen
Maßnahmen gezwungen ist.
Worauf müssen wir uns in dieser Situation einstellen? Unter uns sollte klar sein, dass
diese Krise nicht zum Zusammenbruch des Kapitalismus führen wird. Beim jetzigen
Kräfteverhältnis ist es fast vorprogrammiert, dass nach dem Willen der Großbourgeoisie deren „Lösungen“ durchgesetzt werden. Und das heißt konkret, eine außerordentliche Verschärfung der Situation für Hunger und Elend in der Welt. Hungern
heute bereits eine Milliarde Menschen, werden es demnächst noch mehr sein. 1,1
Milliarden Menschen haben laut Unicef keinen Zugang zu sauberem Wasser. 1,8
Millionen sterben jährlich durch Durchfallerkrankungen, 4.500 Kinder täglich an den
Folgen des Genusses von verschmutztem Wasser. Diese Opfer des Kapitalismus
werden potenziert. Durch die jetzt folgenden Einschnitte - noch weniger Lohn, weniger Arbeit, weniger soziale Unterstützung - werden die Lebensverhältnisse in der
Dritten Welt sich nachhaltig verschlechtern. Die Armut ist längst auch in den reichen
Ländern angekommen. Wir kennen nicht nur die Zahlen, sondern wir erleben es
selbst in der Nachbarschaft, unter Kolleginnen und Kollegen. Nicht wenige von uns
gehören zu den direkt Betroffenen.
Wenn das 480 Milliarden Euro-Programm der Bundesregierung von den Banken genutzt wird, wenn die jetzt geplante zusätzliche Subvention für die Automobilindustrie
gezahlt wird, dann wird all dies erneut zu Lasten der sozialen Leistungen und Rechte
gehen. Zum Widerstand dagegen benötigen wir jetzt in der Bundesrepublik
Deutschland und weltweit politische Bewegungen, Aufklärung, Aktionen gegen die
Subventionierung des Großkapitals, gegen die politischen und sozialen Folgen dieser Krise und für einen Politikwechsel im Land, in der Europäischen Union und weltweit. Kapitalismus ist untragbar. Er ist menschenfeindlich und letztendlich mörderisch. Karl Marx hat auch in dieser Frage Recht: Für 300 Prozent Profit gibt es kein
Verbrechen, das dieses System nicht bereit ist zu begehen. Es können Kriege und
Katastrophen drohen, die Mensch und Natur in der Existenz gefährden.
Ich möchte hier und jetzt nicht im Einzelnen auf notwendige politische Forderungen
eingehen. Nur so viel: Aus unserer Sicht bleibt es gerade in der jetzigen Zeit Aufgabe
vor allem der Marxistinnen und Marxisten, die Eigentumsfrage zu problematisieren
und die Veränderung von Eigentumsverhältnissen zu fordern. Die entscheidenden
Produktionsmittel müssen in gesellschaftliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle überführt werden, wenn politisch wirkungsvoll gesellschaftliche Verhältnisse
durchgesetzt werden sollen, die im Interesse des übergroßen Teils der Bevölkerung
sind. Gegen die Diktatur des transnationalen Kapitals muss die Macht und Demokratie der übergroßen Teile der Bevölkerungen gesetzt werden. Wer die ökonomische
Macht nicht ändern will, kann auch die politischen Machtverhältnisse nicht verändern.
Aus der schonungslosen Analyse der jetzt entstanden Situation ergibt sich die Notwendigkeit, die politischen Verhältnisse in einem Prozess zu verändern. Die Mehrheitspositionen müssen politisch wirksam werden. Wir setzen zur Durchsetzung
wichtiger Forderungen vor allem auf außerparlamentarische Tätigkeit, auf die Bildung
breitestmöglicher Bündnisse und gesellschaftlicher Allianzen. Wir setzen auf Aktionen, vor allem zurzeit vor und in Betrieben und Verwaltungen. Es muss uns darum
gehen, die Mehrheit der Bevölkerung zu mobilisieren. Dabei wissen wir, dass sich
politische Veränderungen dieses Ausmaßes nur in einem Prozess vollziehen lassen.
Aber wir wissen auch, wenn Marxistinnen und Marxisten, die Linke überhaupt, nicht
aktions- und mehrheitsfähig wird, dann kann es sehr schnell auch zu reaktionären
Entwicklungen kommen.
Bereits vor einiger Zeit formulierte Arnulf Baring in der CDU-Fraktion Hessen seine
Vorstellungen. Er warb für den Gedanken, jenseits der Parlamente durch Notverordnungen zu regieren. Dafür bekam er den Beifall der Koch-CDU. Kanzlerin Merkel und
ihr Innenminister Schäuble fordern jetzt eine Grundgesetzänderung zur Realisierung
eines möglichen Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. Geprobt wird dies seit langem. In Heiligendamm konnten wir bereits die Zusammenarbeit von Polizei, Geheimdiensten und Bundeswehr erleben. Und wir sollten auch nicht übersehen, dass in
verschiedenen europäischen Ländern Rechtspopulisten, die reaktionäre politische
Konzepte vertreten, schnell Zulauf bekamen und sogar, wie in Italien Berlusconi,
mehrheitsfähig wurden. Ein deutliches Signal setzte auch das Wahlergebnis für Faschistenfreunde in Österreich.
Marxistische Politik darf in dieser Situation nicht bei der Analyse stehen bleiben, nötig
sind jetzt Aktionen. Wir müssen vor allen Dingen Kolleginnen und Kollegen aus den
Gewerkschaften ansprechen, um sie dafür zu gewinnen. Dabei sollte uns die Her-
ausforderung klar sein: Gelingt es den linken Kräfte nicht, die Arbeiterklasse vor allen
Dingen in den Großbetrieben und in den Verwaltungen zu mobilisieren, so wird es
keine Chance geben, linke Politik mehrheitsfähig durchzusetzen und es wird die Gefahr wachsen für reaktionäre Politikkonzepte.
Vor kurzem hörte ich von Genossen den Hinweis darauf, dass es doch hoffentlich
jetzt nicht zu einer weiteren Zuspitzung der Krise kommen möge, weil die Linke und
auch unsere Partei, die DKP, überhaupt nicht darauf vorbereitet wären. In der Umkehr dieses Gedankens heißt das wohl, dass erst dann gesellschaftsverändernde
Politik auf die Tagesordnung kommen könnte, wenn es vorher revolutionäre Massenparteien gibt.
Weder haben sich in der Vergangenheit politische Entwicklungen nach dem Stand
der revolutionären Organisation gerichtet, noch wird das in Zukunft so sein. Auch in
Venezuela und Bolivien gab es keine organisierten revolutionären Massenparteien,
die als Voraussetzung die zu revolutionären Entwicklungen bereit standen. Es waren
vor allem politische Aktionen der Bevölkerung, die zunächst die alten Verhältnisse
aufbrachen, und jetzt wird daran gearbeitet, eine neue politische Zukunft zu gestalten.
Diese Aufgaben, Alternativen und Perspektiven zu entwickeln, muss die marxistische
Linke jetzt leisten. Antikapitalistische und gesellschaftsverändernde Politik verlangt
eine Partei, wie es die DKP ist. Kommunistinnen und Kommunisten können ein politisches Konzept, wie es Teile der Führung der Partei Die Linke vertritt, nicht unterstützen. Wenn Gregor Gysi am 29. Mai 2006 verkündete: „Meine Partei kommt um die
Bereitschaft zu einer Regierungsbeteiligung nicht herum“, Vordenker Brie im „Spiegel“ 31/2007 ergänzt: „In der Perspektive müssen wir das Land gemeinsam mit der
SPD verändern“ und Oskar Lafontaine behauptet: „Demokratischer Sozialismus setzt
aber eine Wirtschaftsordnung voraus, die den Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, den Frieden bewahrt und die Umwelt schützt“, dann
im weiteren einen starken Staat fordert, so sagen wir: Dieses Konzept kann nur im
Kapitalismus bleiben. Ein Zusammengehen mit der SPD verlangt den vollständigen
Übergang zu reformistischen und neoliberalen Positionen. Eine Definition des Sozialismus als Teilhabe und den Weg dazu als „Transformationsprozess“ reicht uns nicht,
wenn es um die Zukunftsgestaltung geht. Die Macht muss in den Händen der Mehrheit sein und in diesem Sinne von ihr selbst gestaltet und entwickelt werden. Sozialismus ohne eine grundlegende Veränderung der Macht- und Eigentumsverhältnisse,
ohne demokratische Macht der Mehrheit der Bevölkerung ist nicht denkbar, genauso
wenig wie Sozialismus ohne Demokratie, Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Internationalismus geht.
Liebe Freunde,
Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
der 90. Jahrestag der Novemberrevolution findet in einer Zeit voller Herausforderungen, neuen Chancen, allerdings auch mit neuen Gefahren statt. Lasst uns gemeinsam mit vielen anderen öffentlichkeitswirksam aktiv werden. Das kann vom Protest
vor den Banken bis zur Aufklärungsveranstaltung über die Ursachen der entstandenen Situation, der Unterstützung des Tarifkampfes der IG Metall, zu Aktionen und
Maßnahmen gegen Arbeitsplatzvernichtung und Standortschließungen gehen. Lasst
uns Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leisten. Werben wir für unsere Gedanken
zu Alternativen und Perspektiven.
-
Lasst uns gerade anlässlich des bevorstehenden 70. Jahrestages der Reichspogromnacht all unsere Kraft zusammenführen, um gegen Neofaschismus und reaktionäre Politik zu demonstrieren und zu protestieren. Nazis wittern auch in dieser Zeit der Krise des bürgerlichen Systems Morgenluft. Gerade jetzt gilt es, die
Forderungen nach dem Verbot der NPD immer wieder öffentlichkeitswirksam laut
werden zu lassen.
-
Bereiten wir gemeinsam den 4. April 2009 vor, den 60. Jahrestag der Gründung
der Nato. Die geplanten Demonstrationen in Baden-Baden und Straßburg sollten
ein deutliches Antikriegssignal werden. Wir fordern, dass die imperialistischen
Mächte ihre Niederlage anerkennen und die Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan zurück ziehen.
-
Lasst uns gemeinsam die Bewegung gegen Demokratieabbau weiter unterstützen. Die Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren darf
nicht durchkommen.
-
Lasst uns die Ökologiebewegung unterstützen. In diesem Sinne grüßen wir die
jetzt in diesen Stunden stattfindende Großdemonstration in Gorleben. Hauptfeind
jeder ökologisch ausgerichteten Politik ist vor allem das Großkapital.
-
Lasst uns die Schülerinnen und Schüler unterstützen, die einen bundesweiten
Aktionstag und Streik gegen die Bildungsmisere durchführen. Kämpfen wir in Solidarität mit den Studentinnen und Studenten für die Abschaffung der Studiengebühren und dafür, dass Kinder aus Arbeiterfamilien die grundgesetzlichen Rechte
nach Bildung und Ausbildung wahrnehmen können.
Dieser Kampf für die konkrete Verbesserung der Lebenssituation muss verbunden
werden mit dem Kampf um Alternativen und Perspektiven. Brechen wir das faktische
Denk- und Diskutierverbot über die sozialistische Zukunft auf.
Der 90. Jahrestag der Novemberrevolution ist inspirierend in dieser Zeit.
-
Stärken wir linke marxistische revolutionäre Politik. Stärken wir die DKP!
Herunterladen