Der Flugverkehr und das Klima

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Stand: Oktober 2007
Der Flugverkehr und das Klima
1. Einleitung
Der Beitrag des Flugverkehrs zur globalen Klimaerwärmung spielt in den
Diskussionen im Kontext der Klimarahmenkonvention und der Internationalen
Zivilluftfahrt-Organisation seit Jahren eine wichtige Rolle – allerdings ohne den Erfolg
konkreter Maßnahmen. Auch die EU nahm mehrfach Anlauf, sich wirksamen
Maßnahmen für diesen Verkehrssektor zuzuwenden. Mit der Vorlage eines
Vorschlags zur Einbeziehung des Flugverkehrs in das seit 2005 bestehende EUEmissionshandelssystem und den aktuellen Debatten um den Klimaschutz stehen
die klimawirksamen Emissionen des Flugverkehrs zunehmend im Fokus der
öffentlichen Diskussion. Um wirksame Maßnahmen zu ergreifen, ist die Kenntnis der
wissenschaftlichen Hintergründe und der internationalen Zusammenhänge
wesentlich.
2. Der Flugverkehr setzt sein bereits in der Vergangenheit gezeigtes
starkes Wachstum auch künftig fort.
Kein anderes Verkehrsmittel wächst so stark und so schnell wie der Flugverkehr. Seit
1960 stieg die Passagierleistung jährlich um etwa 9 %. Während 1970 etwa 500
Milliarden Passagierkilometer im kommerziellen Flugverkehr zurückgelegt wurden,
stieg dieser Wert bis 2005 auf etwa 4.100 Milliarden Passagierkilometer an. In der
EU nahm die Verkehrsleistung zwischen 1990 und 2003 um etwa 70 % oder jährlich
um gut 4 % zu.
Das starke Wachstum, das der Flugverkehr in der Vergangenheit zeigte, wird auch
für die Zukunft prognostiziert. So erwartet Airbus in seinen aktuellen Vorhersagen1
bis 2015 eine weitere Zunahme der Verkehrsleistung um 5,3 % und bis 2025 um
4,4 %. Dies entspricht einer jährlichen Zunahme von knapp 5 % für die nächsten 20
Jahre. Für 2025 ist demnach eine Passagierleistung von über 10.500 Milliarden
Passagierkilometern zu erwarten. Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen
1
Airbus Market Forecast, 2006
1
Weltregionen. Führend werden Nord-Amerika, Europa und Asien sein. Die
Schwellenländer Indien und China spielen dabei aufgrund ihrer starken
wirtschaftlichen Entwicklung eine zentrale Rolle. Während beispielsweise bis 2003
die vier Länder China, Indien, Russland und Brasilien jährlich etwa 50 Flugzeuge
bestellten stieg diese Zahl 2005 auf über 500 an. Damit kommt über ein Drittel der
weltweiten Bestellungen aus diesen Ländern.
Dabei unterscheiden sich die für den Flugverkehr in den nächsten beiden
Jahrzehnten prognostizierten Zuwächse in den unterschiedlichen Publikationen nur
gering, d.h. allen Vorhersagen zufolge ist von einem derart starken Wachstum
auszugehen.
3. Mit dem Wachstum der Verkehrsleistung geht eine deutliche Zunahme
der Emissionen einher.
In Europa und weltweit spielt der Verkehr insgesamt eine zentrale Rolle, da dies der
Sektor mit den stärksten Wachstumsraten ist und nach der Energiegewinnung der
bedeutendste Sektor. Er ist heute bereits für 26 % des Energieverbrauchs
verantwortlich und der Flugverkehr ist dabei von wachsender Bedeutung.
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Flugzeuge emittieren bei der Verbrennung des Flugtreibstoffs hauptsächlich
Kohlendioxid und Wasser, aber auch Stickoxide, Schwefeldioxid, Partikel und
Kohlenwasserstoffe.
In der EU werden die flugbedingten Treibhausgasemissionen bis 2012 um über
150 % gegenüber 1990 zugenommen haben. Im Vergleich des Luftverkehrs mit
allen anderen Sektoren zeigt sich, dass die Treibhausgasemissionen des
Luftverkehrs in der EU von 1990 bis 2004 um über 80 % anstiegen, während die
anderen Sektoren zusammen insgesamt einen leichten Rückgang in diesem
Zeitraum verzeichneten.2
Weltweit werden die Emissionen des Verkehrs von etwa 5 Gigatonnen (Gt = 1
Milliarde Tonnen) auf etwa 12 Gt zunehmen. Die relativen Anteile des Seeverkehrs
und des Flugverkehrs sind dabei von steigender Bedeutung. In den Prognosen des
World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) wird 2050 über die
Hälfte der Emissionen, die für das 2 Grad-Ziel noch vertretbar sind, durch den
Verkehr erzeugt.3
4. Die Klimawirksamkeit des Flugverkehrs beruht nicht nur auf dem
Ausstoß von Kohlendioxid4.
Der kommerzielle Flugverkehr findet überwiegend in Flughöhen zwischen 9 und
13 km statt. Durch die bei der Verbrennung des Kerosins entstehenden Substanzen
trägt er zu der Erwärmung der Erdatmosphäre bei, wobei die Klimawirksamkeit nicht
nur auf Kohlendioxid beruht.
Folgende direkte und indirekte Wirkungen sind dabei vorrangig von Bedeutung:
•
Kohlendioxid trägt direkt zur Erwärmung der Erdatmosphäre bei. Der
Flugverkehr emittiert derzeit zwischen 2 und 3 % des weltweiten
Kohlendioxidausstoßes.
•
Stickoxide haben zwei verschiedene Effekte. Sie führen unter Einfluss der
Sonneneinstrahlung zum Aufbau von Ozon, das in Reiseflughöhe als starkes
Treibhausgas wirkt. Stickoxide führen außerdem zum Abbau des
2
Europäische Kommission, 2006
Internationale Energieagentur, 2005; World Business Council for Sustainable Development, 2004
4
IPCC, 1999; Tradeoff, 2004; Sausen, 2005
3
3
Treibhausgases Methan. Die beiden Effekte können dabei aus
wissenschaftlicher Sicht nicht miteinander verrechnet werden, da die
Reaktionsabläufe sich zeitlich und räumlich voneinander unterscheiden.
•
Der Ausstoß von Aerosolen (Partikeln) und von Wasserdampf führt zu einer
Veränderung der natürlichen Wolkenbildung. An den Aerosolen kann es zur
Kondensation von Wasser kommen, was in der Folge zur Bildung von
Kondensstreifen führt. Weiterhin kann es in der Folge zur Entstehung von
hohen, aus Eiskristallen bestehenden Wolken, sog. Zirruswolken kommen.
Diese Effekte führen zur Erwärmung der Atmosphäre.
Während die Wirkungen des Kohlendioxids, jene durch Stickoxide und der
Kondensstreifen inzwischen recht gut wissenschaftlich verstanden sind, ist die
Bedeutung von Zirruswolken noch Gegenstand intensiver Untersuchungen und es ist
noch unklar, wie hoch der Beitrag der gebildeten Zirruswolken zur Klimaerwärmung
ist. Er könnte allerdings genauso groß sein, wie alle anderen Effekte zusammen.
Durch die zusätzlichen Effekte ist der Klimabeitrag um den Faktor 2 bis 5 höher als
der von Kohlendioxid allein. Der Flugverkehr trug im Jahre 2000 – unter
Berücksichtigung der Zirruswolken – zwischen 3 und 8 % zum gesamten vom
Menschen verursachten Treibhauseffekt bei.
4
5. Der Flugverkehr macht einen Großteil der Minderungsbemühungen in
anderen Sektoren zunichte.
Die steigenden Emissionen des Flugverkehrs gleichen Minderungserfolge in anderen
Sektoren aus. Die Zunahme der Emissionen in Europa bis 2012 aus dem
internationalen Flugverkehr entsprechen einem Viertel der
Minderungsverpflichtungen der EU gemäß dem Kyoto-Protokoll5.
Längerfristig sind diese Auswirkungen weitaus gravierender. Das Tyndall Center6 hat
die Auswirkungen des Flugverkehrs Szenarien zur Begrenzung des gesamten
Treibhauseffektes aller Quellen gegenüber gestellt, die eine maximale Erwärmung
von 2 K verfolgen. Damit diese Obergrenze nicht überschritten wird, darf die
Konzentration von CO2 in der Atmosphäre 550 ppmv nicht überschreiten; andere
Wissenschaftler sehen sogar eine Obergrenze von 450 ppmv als gerade noch
akzeptabel an.
Der Vergleich, der sich auf die Treibhausgasemissionen der EU-25 bezieht, zeigt
dass im Jahr 2050 der Kohlenstoffausstoß des Flugverkehrs die gesamten
zulässigen Emissionen der EU für die Obergrenze 450 ppmv erreicht. Wird für die
gesamte Klimawirksamkeit des Flugverkehrs ein Faktor von 2,77 angesetzt, ist das
bereits für die Obergrenze von 550 ppmv der Fall.
5
Europäische Kommission, Mitteilung Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs, 2006
Tyndall Center, 2005
7
gemäß dem IPCC-Bericht „Aviation and the Global Atmosphere“, 1999
6
5
6. Die internationalen Bemühungen im Rahmen von UNFCCC8/ SBSTA9 und
der ICAO haben bislang zu keiner wirksamen Maßnahme geführt.
Maßnahmen und Konzepte zur Begrenzung der Klimawirksamkeit des Flugverkehrs
werden international auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert.
UNFCCC: Das auf der Klimarahmenkonvention von 1992 basierende Kyoto-Protokoll
nimmt den internationalen Flugverkehr von quantitativen Minderungsverpflichtungen
aus. Die Zuständigkeit für die Entwicklung von Maßnahmen wird an die UNSonderorganisation für den Flugverkehr, die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation
(ICAO) gegeben. Unter dem Tagesordnungspunkt „Emissionen des internationalen
Flug- und Schiffsverkehrs“ verhandeln die wissenschaftlichen Nebenorgane der
Klimarahmenkonvention (SBSTA) seither erfolglos, um Fortschritte bei der
Begrenzung der Klimawirksamkeit des Flugverkehrs zu erzielen. Hauptgrund hierfür
ist die Blockadehaltung verschiedener Staaten, allen voran die USA und die OPECStaaten, angeführt von Saudi-Arabien. Derzeit ist unklar, ob in einem KyotoFolgeabkommen der internationale Flugverkehr einbezogen ist.
Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO): Die ICAO ist die für den
internationalen Flugverkehr von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene
Sonderorganisation. Sie diskutierte in einer eigenen Arbeitsgruppe seit Ende der
90er Jahre – als Folge von Art. 2.2 Kyoto-Protokoll - unterschiedliche
marktwirtschaftliche Instrumente zur Begrenzung der klimawirksamen Emissionen
des Flugverkehrs. Im Vordergrund standen dabei streckenbezogene
Emissionsabgaben und Möglichkeiten eines Emissionshandelssystems für den
Flugverkehr. Für Emissionsabgaben wurden zwar Richtlinien erarbeitet, allerdings
scheiterten weitere Bemühungen wegen politischer Widerstände. Letztendlich fand
die Emissionsabgabe auch innerhalb der Europäischen Union kaum Unterstützung.
Die ICAO entschied sich auf dem 6. Treffen ihres Umweltausschusses (CAEP), dem
Emissionshandel den Vorzug zu geben. Diese Entscheidung wurde vom ICAO-Rat,
dem beschlussfähigen Gremium angenommen, und von der Vollversammlung im
8
United Framework Convention on Climate Change, Klimarahmenkonvention
Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice, Wissenschaftliche Nebenorgane der
Klimarahmenkonvention
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6
Herbst 2004 bestätigt. Seither hat eine Arbeitsgruppe aus einzelnen Staaten im
Rahmen der ICAO Richtlinien erarbeitet, die bei der Einführung eines
Emissionshandelsystems zu beachten sind. Bis zur Hauptversammlung im Herbst
2007 besteht ein Moratorium, dem zufolge bis zu diesem Zeitpunkt keine unilateralen
Maßnahmen in diesem Zusammenhang ergriffen werden dürfen. Es kommt im
Herbst deswegen darauf an, zu verhindern, dass der Einbeziehung des Luftverkehrs
in das Europäische Emissionshandelssystem (EHS) in der von der Kommission
beabsichtigten Weise ein Riegel vorgeschoben wird.
Europäische Union: Da international keine Fortschritte erzielt wurden, sind
regionale Lösungen zunächst der beste Weg. Nachdem die Kommission bereits
2001 damit scheiterte, einen Richtlinienvorschlag für emissionsdifferenzierte
Emissionsabgaben vorzulegen, ist die im Dezember 2006 vorgeschlagene
Einbeziehung des Flugverkehrs in das EHS derzeit der erfolgversprechendste Weg,
um zu einer Begrenzung des Klimabeitrags des Flugverkehrs zu kommen – auch
wenn es sich nur um einen regionalen Start handelt.
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