Negative Anthropologie

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Prof. Dr. Simone Dietz, Sommersemester 2010
Einführung in die Philosophische Anthropologie
12.4.
19.4.
26.4.
3.5.
10.5.
17.5.
24.5.
31.5.
7.6.
14.6.
21.6.
28.6.
5.7.
12.7.
19.7.
Einführung: Was ist der Mensch?
Krone der Schöpfung oder Mängelwesen? (Herder, Gehlen)
Weltoffenheit u. exzentrische Positionalität (Scheler, Plessner)
wegen Krankheit ausgefallen
Film und Diskussion: Mensch und Tier
Die soziale Entwicklung des Geistes (Tomasello, Mead)
Pfingstmontag
Körper und Geist
Willensfreiheit und Hirnforschung
Anthropologie und Ethik: Natürlichkeit als Norm?
Zivilisierung des Menschen als Fortschritt?
Negative Anthropologie (Marx, Sartre, Anders)
Zusammenfassung
Klausur
Klausur-Ergebnisse u. Besprechung
1
Wiederholungsfragen
zur Vorlesung vom 21.6.
Wodurch unterscheiden sich Kants und Herders
Auffassungen der Geschichte der Menschheit?
1. Kant geht davon aus, dass der Mensch sich als
moralisches Vernunftwesen entwickelt, während
Herder den Menschen für korrumpierbar hält.
2. Für Kant gründet die Humanität der Menschheit
allein in der Vernunft, für Herder in Tradition und
organischen Kräften.
2
Wiederholungsfragen
zur Vorlesung vom 21.6.
Worin besteht der Unterschied zwischen
Geschichtsphilosophie und Evolutionstheorie?
1. Die Geschichtsphilosophie befasst sich mit der
Geistesgeschichte, die Evolutionstheorie mit der
Naturgeschichte der Menschheit.
2. Die Geschichtsphilosophie setzt einen metaphysischen Zweck oder Ziel der Menschheitsentwicklung
voraus, die Evolutionstheorie bietet nur ein abstraktes
Modell zur Rekonstruktion menschlicher Entwicklung.
3
Wiederholungsfragen
zur Vorlesung vom 21.6.
Wie verstehen Freud und Elias den Zivilisationsprozess der
Menschheit (des Abendlandes)?
1. Als Prozess der Unterdrückung: der Mensch wird zum
kontrollierten, regulierten und disziplinierten Wesen.
2. Als Prozess der Befreiung: die Beherrschung von Gewalt und
Triebimpulsen ermöglichen dem Menschen ein sicheres und freies
Leben in der Gesellschaft.
3. Als naturgesetzlichen Fortschrittsprozess: der zivilisierte
Mensch verwirklicht die Idee der Humanität.
4. Als fortschreitenden Tausch von Glück gegen Sicherheit.
4
Negative Anthropologie
Ontologisches Argument :
Die Frage nach dem Wesen des Menschen ist
sinnlos, weil es ein solches Wesen nicht gibt.
Epistemisches Argument:
Die anthropologische Definition des Menschen setzt
eine außermenschliche Perspektive voraus – die
den Menschen grundsätzlich nicht zugänglich ist.
5
Negative Anthropologie:
Günther Anders
„Die Selbstgefälligkeit der Was- und Werfrage ist
unüberbietbar. Würde man andere Spezies mit diesen
Fragen konfrontieren? Würde man fragen: ‚was ist das
Pferd?‘, also ‚philosophische Hippologie‘ treiben?
Hätte Scheler, der bekanntlich ein Buch ‚Die Stellung
des Menschen im Kosmos‘ geschrieben hat, auch eines
unter dem Titel ‚Die Stellung des Pferdes im Kosmos‘
geschrieben?“
(G. Anders: Die Antiquiertheit des Menschen, Bd. II, 1980, S. 129)
6
Karl Marx:
Historische Anthropologie
„Die in der menschlichen Geschichte – dem
Entstehungsakt der menschlichen Gesellschaft
– werdende Natur ist die wirkliche Natur des
Menschen, darum die Natur, wie sie durch die
Industrie, wenn auch in entfremdeter Gestalt
wird, die wahre anthropologische Natur ist.“
(Marx, Ökon.-Philos. Manuskripte (1844), MEW Erg., S. 543)
7
Karl Marx:
Thesen über Feuerbach
„Das menschliche Wesen ist kein dem
Individuum innewohnendes Abstraktum. In
seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der
gesellschaftlichen Verhältnisse.“
(Marx, 6. These über Feuerbach, MEW 3)
8
Marx / Engels:
Historischer Materialismus
„Man kann die Menschen durch das Bewusstsein, durch
die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren
unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren
zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre
Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre
körperliche Organisation bedingt ist. (…) Wie die
Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen
Bedingungen ihrer Produktion.“
(Marx/Engels: Deutsche Ideologie (1845), MEW Bd. 3, S. 21)
9
Karls Marx: Drei Motive
im Blick auf den Menschen
1.
Prinzipielle Offenheit des Menschen
( Sartre)
2.
Gesellschaftliche Strukturen als prägende
Bedingungen ( Foucault)
3.
Entfremdung des Menschen von sich selbst
( Adorno)
10
Jean-Paul Sartre (1905 – 1980)
„Die Existenz geht der Essenz voran.“
„Der Mensch ist nichts anderes als das,
wozu er sich macht.“
11
Jean-Paul Sartre
• Essenz als Wesenbestimmung: was etwas ist
Konstante Gesamtheit von Eigenschaften
• Existenz als Dasein: dass etwas ist
effektive Anwesenheit in der Welt
12
Sartre: Sein als Freisein
„Der Mensch ist keineswegs zunächst, um
dann frei zu sein, sondern es gibt keinen
Unterschied zwischen dem Sein des
Menschen und seinem ‚Freisein’.“
„Der Mensch ist verurteilt, frei zu sein.“
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Negative Anthropologie:
Th. W. Adorno
„Je konkreter Anthropologie auftritt, desto trügerischer
wird sie, gleichgültig gegen das am Menschen, was gar
nicht in ihm als dem Subjekt gründet sondern in dem
Prozess der Entsubjektivierung, der seit unvordenklichen
Zeiten parallel lief mit der geschichtlichen Formation des
Subjekts.“
(Adorno, Negative Dialektik, 1966, S. 130)
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Negative Anthropologie:
Th. W. Adorno
„Was der Mensch sei, lässt sich nicht angeben. Der
heute ist Funktion, unfrei, regrediert hinter alles, was als
invariant ihm zugeschlagen wird, es sei denn die
schutzlose Bedürftigkeit, an der manche Anthropologien
sich weiden. Die Verstümmelungen, die ihm seit
Jahrtausenden widerfuhren, schleppt er als
gesellschaftliches Erbe mit sich. Würde aus seiner
gegenwärtigen Beschaffenheit das Menschenwesen
entziffert, so sabotierte das seine Möglichkeit.“
(Adorno, Negative Dialektik, 1966, S. 130)
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Foucault: Der Mensch
„Eines ist auf jeden Fall gewiss: der Mensch ist nicht das
älteste und auch nicht das konstanteste Problem, das
sich dem menschlichen Wissen gestellt hat.“
„Der Mensch ist eine Erfindung, deren junges Datum die
Archäologie unseres Denkens ganz offen zeigt. Vielleicht
auch das baldige Ende. Wenn diese Dispositionen (…)
ins Wanken gerieten, (…) dann kann man sehr wohl
wetten, dass der Mensch verschwindet wie am
Meeresufer ein Gesicht im Sand.“
(Foucault: Die Ordnung der Dinge, 1966, S. 462)
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Foucault: Das Ende des Menschen
„Wenn die Entdeckung der Wiederkehr das
Ende der Philosophie ist, ist das Ende des
Menschen dagegen die Wiederkehr des
Anfangs der Philosophie. In unserer heutigen
Zeit kann man nur noch in der Leere des
verschwundenen Menschen denken. Diese
Leere stellt kein Manko her, sie schreibt keine
auszufüllende Lücke vor. Sie ist nichts mehr und
nichts weniger als die Entfaltung eines Raums,
in dem es schließlich möglich ist, zu denken.“
(Foucault, Die Ordnung der Dinge, 1966, S. 412)
17
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