Folie 1 - Universität Koblenz · Landau

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Zur Frage der Konsistenz
von Fehlermustern in der Bruchrechnung
Gerald Wittmann
Pädagogische Hochschule Freiburg
Mathematikdidaktisches Kolloquium, Universität Koblenz-Landau
28.11.2011
Gliederung
Empirische Studie
1 Fehlermuster – von der Theorie zur Forschungsfrage
2 Konzeption und Durchführung
3 Ergebnisse – von Daten zu Folgerungen
Einordnung
4 Fehleranalysen in der Bruchrechung
– qualitative und quantitative Forschung
2
1
Fehlermuster –
Von der Theorie zur Forschungsfrage
Wie alles begann ...
4
Wie alles begann ...
5
Wie alles begann ...
(Prediger & Wittmann 2009)
6
Wie alles begann ...
(Prediger & Wittmann 2009)
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Terminologie
■ Terminologie – erste Hinweise auf die Konsistenz
■ „typische Fehler“: überindividuell (Padberg 1986)
■ „systematische Fehler“: individuell (Padberg 1986)
■ Terminologie – Hinweise auf die Fehlerursachen
■ „Fehlerstrategie“, „systematische Fehlerstrategie“
(Herden & Pallack 2000)
■ Bezeichnung als „Strategie“ ist kritisch zu sehen –
andere Bedeutung in der Psychologie (vgl. Zimbardo 1992)
■ Im Folgenden: „Fehlermuster“ – ausgehend von Phänomenen
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Fehlermuster
■ Umfassende Dokumentation von Fehlermustern
■ Brüche (Hennecke 1999, Padberg 2008, …)
■ Dezimalbrüche (Heckmann 2006, Padberg 2008, ...)
■ Fehlermuster ...
■ sind ein Rechnen in Analogie zu anderen Verfahren,
sind Versatzstücke anderer Verfahren,
■ sind teilweise vereinfachte oder verkürzte Verfahren,
■ sind strukturell einfacher und intuitiver als richtige Verfahren,
■ können teilweise zu richtigen Ergebnissen führen
(und fallen dann nicht als Fehler auf).
9
Empirische Befunde
■ Generalisierende Angabe von Lösungsquoten (Padberg 2008)
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Empirische Befunde
■ „Schwierigkeitsmerkmale“ erlauben die Vorhersage von
Lösungsquoten (Lörcher 1982)
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Empirische Befunde
■ Rechengraphen zeigen vollständige Lösungswege (Hennecke 1999):
Vielzahl individueller Lösungswege, Einfluss von Zahlbeziehungen
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Empirische Befunde
■ Faktoren- und Clusteranalysen (Herden & Pallack 2000)
■ Addition und Subtraktion von Brüchen sind verschiedene
Cluster bzw. getrennte Faktoren
■ Bruchrechnung zerfällt in eine Vielzahl von Aufgabenklassen,
es gibt keine Hinweise auf latente Variablen
■ Einfache lineare Gleichungen (Tietze 1988)
■ „erwartungswidrig richtige / falsche Lösungen“
■ Lineare Gleichungen (Stahl 2000)
■ –6x = 9 ist fehlerträchtiger als 6x = –9
■ geringe Konsistenz von Fehlern bei der Umformung der
Gleichung –6x = 9, die teilweise zweimal auftritt
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Theoretisches Modell
Algebra
■ Schema-Theorien
■ bug-repair-Theory
(Tietze 1988)
■ Wahrnehmung
(Malle 1993)
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Empirische Befunde
(Wartha & Wittmann 2009)
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Forschungsfragen und Hypothesen
Forschungsfrage 1: Wie weiträumig (oder kleinräumig) sind die
Fehlermustern zugrunde liegenden Aufgabentypen zu fassen?
In welcher Weise lassen sich diese Aufgabentypen jeweils
charakterisieren oder gegeneinander abgrenzen?
Hypothese 1: Die Aufgabentypen sind relativ eng zu fassen;
insbesondere haben die gegebenen Zahlen Einfluss auf die
Fehlermuster und die Häufigkeit ihres Auftretens.
Forschungsfrage 2: In welchem Umfang sind Fehlermuster auf
individueller Ebene konsistent?
Hypothese 2: Bezogen auf einzelne Schülerinnen und Schüler sind die
Fehlermuster nicht konsistent; die Wahl der Lösungswege hängt
von vielen Einflussfaktoren ab und kann nicht nur durch den
Aufgabentyp erklärt werden, selbst wenn dieser eng gefasst wird.
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2
Konzeption und Durchführung
Testaufgaben
■ Aufgabensets mit je 6 Aufgaben
■ Addition Bruch/Bruch
■ Subtraktion Bruch/Bruch
■ Addition Bruch/natürliche Zahl
■ Multiplikation Bruch/Bruch
■ Aufgaben eines Sets unterscheiden sich ...
■ in der „Größe“ der gegebenen Zahlen
■ durch „geringe“ Variationen
(z. B. auch gleichnamige Brüche)
■ Methodische Grenzen
■ Wechselseitige Beeinflussung von Lösungen;
begrenzte Zahl von ähnlichen Aufgaben.
■ Der notierte Rechenweg muss nicht der
ursprüngliche sein.
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Testbögen und Testdurchführung
■ Testbogen mit 21 Aufgaben
■ 3 Aufgabensets mit je 6 Aufgaben
(in jedem Testbogen „fehlt“ ein Aufgabenset)
■ 3 sonstige Aufgaben als „Füllaufgaben“
■ Rotationsdesign zur ...
■ Vermeidung von Serieneffekten
■ Dekontextualisierung der Aufgaben
(von jedem Testbogen gibt es 9 Versionen, insgesamt 36)
■ Testdurchführung (Juli 2011)
■ Werkrealschule und Realschule (18 Klassen, N = 428)
■ Gelegenheitsstichprobe
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Kodierung: Beispiel Multiplikation
0 Nicht bearbeitet
1 Richtiger Lösungsweg, im Kopf oder schriftlich
(auch wenn dabei Einmaleins-Fehler auftreten)
3 Fehlermuster „Nenner beibehalten“
(bei ungleichnamigen Brüchen: vorher gleichnamig gemacht)
9 Sonstiges
(z. B. Fehlermuster „mit dem Kehrbruch multipliziert“)
20
2
9
 92  2992  00  0
Kodierung: Beispiel Multiplikation
■ Die Kodierung ...
■ erfolgt nach Lösungswegen, nicht nach „richtig“ und „falsch“
■ „vernachlässigt“ Verfahrensfehler oder Einmaleinsfehler
■ Die Kodierung folgt der Forschungsfrage.
■ Die Kodierung ist eine Interpretation!
■ Übereinstimmung von mehr als 99%
■ Grenzfälle
2 2
 0
9 9
2 2 22 0
 
 0
9 9 99 0
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3
Ergebnisse
– von Daten zu Folgerungen
Multiplikation (N = 315)
23
Multiplikation (gleiche Brüche; N = 315)
24
Multiplikation (N = 315)
25
Multiplikation (gleichnamige Brüche; N = 315)
26
Addition (N = 347)
27
Addition (N = 347)
28
Addition (N = 347)
29
Addition (N = 347)
30
Subtraktion (N = 309)
31
Subtraktion (N = 309)
32
Addition Bruch/natürliche Zahl (N = 313)
33
Addition Bruch/natürliche Zahl (N = 313)
34
Addition Bruch/natürliche Zahl (N = 313)
35
Addition Bruch/natürliche Zahl (N = 313)
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Ergebnisse I
■ Es gibt ...
■ jeweils wenige, häufig auftretende Fehlermuster,
■ zahlreiche weitere, nur selten vorkommende Fehlermuster.
■ Fehlermuster sind bei ...
■ einem kleinen Teil der Schüler(innen) konsistent,
■ einem erheblichen Teil der Schüler(innen) nicht konsistent.
■ Ein Fehlermuster tritt häufiger auf, wenn „große Zahlen“ gegeben
sind und das Fehlermuster das Rechnen einfacher gestaltet.
■ Auch die Nichtbearbeitung ist eine Reaktion auf „große Zahlen“
(z. B. wenn diese multipliziert werden müssen).
■ Gleichnamige bzw. gleiche Brüche werden bei allen Operationen von
einem Teil der Schüler(innen) anders behandelt:
■ „Herausfallen“ aus einem Fehlermuster
■ „Hineinfallen“ in ein Fehlermuster
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■ Sonstiges, andere Fehler
Ergebnisse II
■ Das „Sehen“ einer Lösung (bei Alltagsbrüchen) spielt nur bei
einem kleinen Teil der Schüler(innen) eine Rolle.
■ Es treten sehr viele unterschiedliche Bearbeitungsmuster auf;
die Annahme, dass Fehlermuster konsistent sind, klärt nur etwa
die Hälfte aller Bearbeitungen durch Schüler(innen).
■ Auch bei strukturell gleichen Aufgaben weicht ein Teil der
Lösungswege ab.
■ „Zahl plus Bruch“ wird nicht anders behandelt als „Bruch plus Zahl“
(auf der Ebene der Lösungswege);
der Einfluss gegebener Zahlen ist bedeutender.
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Folgerungen I
■ Einzelne Aufgaben besitzen nur eine eingeschränkte Aussagekraft in
Bezug auf die Kompetenzen einzelner Schülerinnen und Schüler
(z. B. bei Vergleichsarbeiten).
■ Fehlerquoten auf der Basis aller Bearbeitungen sind kritisch.
■ Kompetenz (Weinert 2001)
■ kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten
■ motivationale und volitionale Bereitschaften und Fähigkeiten
■ Lösungswege werden zumindest teilweise ad hoc gewählt oder
generiert, auch in Reaktion auf die gegebenen Zahlen
(falsche oder unkontrollierte Aufgabenadaptivität).
■ Traditionelle Konzepte von „Lösungsquoten“ oder
„Schwierigkeitsfaktoren“ sind zu einfach.
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Folgerungen II
■ Das bloße Rechnen von Aufgaben (im Sinne traditionellen Übens)
kann die Leistung einzelner Schüler(innen) nicht steigern.
■ Nötig sind ausgefeiltere Übungsformen:
■ Gezielte Automatisierung (z. B. Einmaleinsaufgaben)
■ Blick auf Aufgabenmerkmale und Lösungswege
■ Einbeziehen auch von „Sonderfällen“
■ Förderung des „Zahlenblicks“ (Marxer & Wittmann 2011)
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4
Fehleranalysen in der Bruchrechnung
– qualitative und quantitative Forschung
Fehleranalysen – klassische Idealtypen
■ Idealtyp I: Klassifizierung von Fehlerphänomenen
■ Beschreibung in stoffdidaktischen Kategorien mit inhaltsnaher
Terminologie
■ Ziel: Differenzierungskonzepte, Gegenmaßnahmen
■ Methode: Schriftliche Tests, Häufigkeitsanalysen
■ Idealtyp II: Suche nach Fehlerursachen
■ Beschreibung auf kognitionstheoretischer Basis
■ Ziel: Suche nach Fehlerursachen; Modellierung des Denkens
(Fehler lassen das Denken zutage treten)
■ Methode: Interviews
(Wellenreuther 1986; Lorenz 1987; Heink & Reitberger 1990)
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Weiterentwicklung von Fehleranalysen
Geänderte Sicht auf Lösungsprozesse
(konstruktivistische Lerntheorien)
Neue technische Möglichkeiten
(Clusteranalysen, Darstellung von Graphen, ...)
Betrachtung auch von Nicht-Kalkülaufgaben
(Grundvorstellungen als Norm)
Betrachtung von Lösungsprozessen
(nicht nur von Fehlern)
■ Weiterentwicklung von
■ Hintergrundtheorien
■ Forschungsmethoden
■ Forschungsgegenständen
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Diskussion, Fragen, Anmerkungen, …
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