Alles Trauma oder was - Rhein

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Alles Trauma oder was ?
Theoretisches und Praktisches
zum Verhältnis von
Psychodynamischer
Psychotherapie und
Traumatherapie
Wolfgang Wöller
Rhein-Klinik Bad Honnef
Rhein-Klinik Bad Honnef
Alles Trauma oder was?
 Polarisierte und emotionalisierte Diskussion um
„Trauma“ und „Traumatherapie“
 Sorge um eine Inflationierung und Trivialisierung des
Traumabegriffs im öffentlichen Diskurs
 Teilweise polemisch geführte Auseinandersetzung um
die Frage einer Sonderstellung von „Traumatherapie“
innerhalb und außerhalb etablierter Psychotherapieformen
 Berufspolitische Dimension: Trauma-bezogene
Fachgesellschaften?
Rhein-Klinik Bad Honnef
Übersicht
 Begriffliche und wissenschaftshistorische Hintergründe der polarisierten Diskussion
 Gute Gründe für eine theoretische und praktische
Integration psychodynamischer und traumatherapeutischer Interventionen
 Konsequenzen für Therapieplanung und
Therapeutenausbildung
3
Ev.
1
Begriffliche und wissenschaftshistorische
Hintergründe der polarisierten
Diskussion
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Dilemma der Definition eines psychischen
Traumas
 Objektive Definitionen – klinisch wenig hilfreich
 kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von
außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu
bei jedem tiefgreifende psychische Belastung auslösen würde“ (ICD-10,
WHO 1994)
 Subjektive Definitionen – Gefahr der
Inflationierung des Traumabegriffs
 Überwältigung des Ich
 Zusammenbruch von Abwehr- und Bewältigungsmechanismen
 Zustände extremer Ohnmacht und Hilflosigkeit
Rhnef
Ursprung der Psychoanalyse als Wissenschaft
von psychischen Traumatisierungen
 S. Freud:
 „Zur Ätiologie der Hysterie“ (1896): Hysterische
Symptome als Folge frühkindlicher sexueller
„Verführung“
 Spätere Rücknahme der Verführungstheorie als
allgemeine Theorie de Neurosen
 jedoch keine grundsätzliche Leugnung des pathogenen
Einflusses frühkindlicher „Verführungen“
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Ursprung der Psychoanalyse als Wissenschaft
von psychischen Traumatisierungen
 „Jenseits des Lustprinzips“ (Freud 1920):
ökonomisches Modell des (ungenügenden)
Reizschutzes im Moment der Überraschung
 Durchbrechung des Reizschutzes durch
traumatische Erregungen/plötzlichen Schreck
 Wiederholungen dieser Erlebnisse, obwohl sie
unlustvoll waren, in der Form von Träumen oder
Handlungen
  „Wiederholungszwang“ als den Versuch des Ich,
die durch eine traumatische Einwirkung
entstandenen Reizmengen nachträglich zu
bewältigen (Freud 1920).
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Pierre Janet (1889, 1909)
 Reale Traumatisierungen als wichtigster
auslösender Faktor
 Dissoziation als „Desintegration und
Fragmentierung des Bewusstseins“ („idées
fixes“)
 Dissoziation als Mangel an integrativer
Kapazität
 Pierre Janet
_________________
 S. Freud
___________________
 Psychische Traumatisierung
als Ursache der Hysterie
 Unbewusster Konflikt als
Ursache der Hysterie
 Dissoziation als Hauptabwehr
 Verdrängung als
Hauptabwehr
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Entwicklung des Traumabegriffs in der
Psychoanalyse
 Verbannung des Traumabegriffs aus dem
„Mainstream“ der Psychoanalyse
 vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Leugnung von Traumatisierungen
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Historisch-gesellschaftlicher Umgang mit
psychischen Traumatisierungen
 Kindesmisshandlung als weit verbreitetes Phänomen
in allen Kulturen und Epochen der Menschheitsgeschichte (Ariès 1972)
 Bis Mitte des 20. Jahrhunderts nahezu weitweite
Tabuisierung besonders der sexuellen Kindesmisshandlung (Ära der Verleugnung, Armstrong 1978). Inzest
„extreme Seltenheit“ (Weinberg 1955).
 Zunehmende gesellschaftliche Anerkennung seit den
1960er Jahren
 „Battered child syndrom (Kempe et al. 1972)
 Hinweise auf die Verbreitung sexuellen Missbrauch durch
die internationale Frauenbewegung (Herman 1969)
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Entwicklung des Traumabegriffs in der
Psychoanalyse
 Verbannung des Traumabegriffs aus dem
„Mainstream“ der Psychoanalyse
 Konzentration auf Abwehr- und Strukturtheorie als
Kerncharakteristika der Psychoanalyse
 Übertragung und Gegenübertragung als identitätsstiftende Paradigmen („Was ist analytisch?“)
 marginale Bedeutung psychischer Traumatisierungen
in der psychoanalyt. Ausbildung bis in die 1980er Jahre
 Leugnung des Beitrags psychischer Traumatisierungen
zur Entstehung schwerer Persönlichkeitsstörungen
durch namhafte Vertreter (Kernberg 1972)
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Entwicklung des Traumabegriffs in der
Psychoanalyse
 Psychoanalytische Traumatheorien als Seitenlinie
neben dem „Mainstream“
 Introjektion traumatischer Beziehungsmuster
und unbewusste Täteridentifikation (Ferenczi 1933)
 Trauma als Untergang der Repräsentanz des
guten, schützenden und tröstenden Objekts
(Hoppe 1962, Cohen 1985, Ehlert-Balzer 1996).
 Traumatische Erfahrungen können einen
Verlust der Fähigkeit zur Symbolisierung
bewirken – Trauma als „schwarzes Loch“ im
psychischen Erleben (Gubrich-Simitis 1984, Küchenhoff 1998)
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Entwicklung des Traumatherapien außerhalb
und innerhalb psychodynamischer Therapien
 Entwicklung von „Traumatherapien“ außerhalb der
psychoanalytischen Tradition mit eigenständiger
Identität seit den 1970er Jahren, insbes. in den USA
(Herman 1969, Courtois 1972)
 Rückkehr der Traumabewegung in die psychodynamische Therapie mit akzentuierter Abgrenzung
gegen „klassische“ psychoanalytische Therapie
(Reddemann u. Sachsse 1990)
 Akzentuierte Gegenabgrenzung der „klassischen“
psychoanalytischen Position (Ehlert-Balzer 1996)
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Argumentation aus traumatherapeutischer und
klassisch-psychodynamischer Perspektive
 Gefahren einer klassisch-psychodynamischen
Perspektive aus traumatherapeutischer Sicht
 Vernachlässigung des Einflusses der äußeren Realität
 Schuldzuweisung an Opfer
 Gefahren einer traumatherapeutischen Perspektive
aus klassisch-psychodynamischer Sicht
 Vernachlässigung intrapsychischer Faktoren
 Förderung einer Opferidentität und Verminderung der
Selbstverantwortlichkeit
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„Psychoanalytische“ und
„traumatherapeutische“ Position
Psychoanalytische Position
Traumatherapeutische Position
(Über-)betonung der inneren
Realität (Abwehr, Phantasien)
und Relativierung (Vernachlässigung) der äußeren Realität
Normale Erinnerungsverarbeitung auch schwerer Traumen
(Über-)betonung der äußeren
Realität und Relativierung
(Vernachlässigung) der inneren
Realität
Spezifische traumatische
Erinnerungsverarbeitung (PTSD)
Verbalisierende Behandlungstechnik
Durcharbeitung traumatisierender Beziehungsmuster in der
Übertragung
Spezifische traumatherapeutische Behandlungstechnik
Keine Durcharbeitung traumatisierender Beziehungsmuster in
der Übertragung
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2
Gute Gründe für eine theoretische und
praktische Integration psychodynamischer
und traumatherapeutischer
Interventionen
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Psychodynamische Krankheits- und
Therapiemodelle
Krankheitsmodell
Therapiemodell
Modell des
unbewussten Konflikts
(„Konfliktmodell“)
Modell des
strukturellen Defizits
(„Strukturmodell“)
Therapiemodell
„Bewusstmachung des
Unbewussten“
Therapiemodell
„Nachentwicklung von
Ich-Funktionen“
Psychodynamisches Konfliktmodell
Unbewusste intrapsychische Konflikte
(Wünsche, Affekte, Normen)
↓
Angst, Scham, Schuldgefühle und deren Abwehr
↓
Kompromissbildung
↓
Psychogene oder psychosomatische
Symptombildung
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Therapiemodell „Bewusstmachung
unbewusster Konflikte“
Freie Assoziation lockert die Abwehr
↓
Affekte als Tor zum unbewussten Konflikt
↓
Abwehranalyse
mittels Klarifikation, Konfrontation und Deutung
↓
Darstellung des Konflikts
↓
Kompromiss auf bewusster Ebene
Psychodynamisches Strukturmodell
Unterentwickelte Ich-Funktionen und
selbstschädigende äußere und innere
Objektbeziehungen
↓
Überflutende negative Affekte
↓
Dyfunktionale Verhaltensweisen mit unteroptimaler
regulatorischer Funktion
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Therapiemodell „Nachentwicklung
struktueller Defizite“
Klärende und konfrontierende Identifikation
struktureller Defizite und Vermittlung einer positiven
Beziehungserfahrung
↓
Nachentwicklung der Ich-Funktionen und Introjektion
der positiven Beziehungserfahrung
↓
Verbesserung der Emotionsregulierung und anderer
Ich-Funktionen
↓
Adaptive statt maladaptiver Bewältigungsmuster
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Wichtige Ansatzpunkte für Psychodynamische
Therapie bei Traumafolgestörungen
 Ansatzpunkte nach dem Konfliktmodell:
 verzerrte innere Repräsentanzenwelt (Selbstund Objektbilder)
 Intrasystemische Über-Ich-Konflikte (SchuldScham-Dilemmata)
 innere Verbote der Selbstfürsorge
 Ansatzpunkte nach dem Strukturmodell:
 Defizite der Emotionsregulierung
 Defizite anderer Ich-Funktionen
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Wichtige Ansatzpunkte für Psychodynamische
Therapie bei Traumafolgestörungen
 Ansatzpunkte für das psychodynamische
Beziehungsverständnis
 Typische Übertragungsmuster bei Traumapatienten
 Täter-Übertragungen
 Retter-Übertragungen
 Übertragung der nicht schützenden Bezugsperson
 Typische Gegenübertragungsmuster bei traumatisierten
Patienten

Überidentifikationen, Rettungsimpulse

therapieschädliche Distanzierungen und unbewusst
feindseliges Therapeutenverhalten
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Lücken des psychodynamischen Interventionsrepertoires – nicht nur bei Traumafolgestörungen
 Problematik des Durcharbeitens:
 „Durcharbeiten“ in Ergänzung der Einsicht
 Einsicht: Erfassung der hinter der Abwehr verborgenen Ängste,
Schuld- oder Schamgefühle
 Durcharbeiten = die Konfliktdeutungen werden auf immer
weitere Verästelungen des unbewussten Konfliktes
ausgedehnt (Greenson 1981)
 Aber: Trotz Klärung, Konfrontation und Deutung
unbewusster Konflikte, erlittener Traumen und pathogener
Überzeugungen oft weiterhin Stressbelastung und Leiden!
 Liegt eine dysfunktionale Erinnerungsverarbeitung vor,
erweisen sich einsichtsfördernde Maßnahmen nicht als
ausreichend, um den Leidensdruck zu senken!
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Lücken des psychodynamischen Interventionsrepertoires – nicht nur bei Traumafolgestörungen
 Strukturelle Störungen
 Ich-Funktions-Defizite im Rahmen struktureller
Störungen lassen sich mit Hilfe klarifizierender
und konfrontierender Interventionen gut
identifizieren
 Aber: Genuin psychodynamische Interventionstechniken meist nicht ausreichend für eine
effektive Modifikation schwerer Störungen der
Emotionsregulierung usw.
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Traumatherapeutisches Krankheitsverständnis
bei komplexen Traumafolgestörungen
 Neuronale Netzwerke:
Lebenslange Möglichkeit der
Modifikation und Neuorganisation
neuronaler Verbindungen in
Abhängigkeit vom Gebrauch
(Huether et al.1999)
 Physiologisches
Informationssystem
 sorgt für Assimilation des
Erlebten
 integriert sensorische
Eindrücke in ein assoziiertes
Erinnerungsnetzwerk
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Traumatherapeutisches Krankheitsverständnis
bei komplexen Traumafolgestörungen
 Trauma stört das Informationssystem
 Gestörte Funktionen des Hippokampus  Störung der
Transformation der Erinnerungseindrücke in ein
integriertes semantisches Gedächtnis
 ursprüngliche Wahrnehmungen werden so
gespeichert, wie sie aufgenommen wurden, d.h. mit
den durch den Erregungszustand verursachten
Verzerrungen
 unverarbeitete Erinnerungen lösen dysfunktionale
Reaktionen aus und verhindern adäquates Lernen
(Shapiro 2002)
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Interventionen auf der Basis des Modell der
adaptiven Informationsverarbeitung
 Ziele:
 Stärkung und Aktivierung funktionaler
Netzwerke („Ressourcen-Netzwerke“):
Traumaspezifische Stabilisierung
 Verknüpfung der dysfunktionalen Erinnerungen
mit funktionalen Netzwerken:
Traumabearbeitung
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Rhein-Klinik Bad Honnef
Interventionen auf der Basis des Modell der
adaptiven Informationsverarbeitung
 Traumaorientierte ressourcenaktivierende Techniken
sind in der Lage,
 funktionale Netzwerke zu stärken
 die Aktivität und den Einfluss dysfunktionaler Netzwerke zu
verringern,
 insbesondere den Einfluss nicht integrierter Elemente
einer traumatischen Erinnerung
 State-Wechsel von negativer zu positiver Emotionalität
herbeizuführen
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Interventionen auf der Basis des Modell der
adaptiven Informationsverarbeitung
 Traumabearbeitende Techniken (z.B. EMDR) sind in
der Lage,
 nicht integrierte Elemente einer traumatischen Erinnerung




Bilder und Bildfragmente mit hohem Belastungsgrad
traumatische Affekte
irrationale Kognitionen über die eigene Person
negative Körpersensation
 so an funktionale Netzwerke zu assoziieren,
 dass sie im Kontext der neuen Informationen ihre
Bedrohlichkeit (Angst, Schrecken) verlieren,
 der hippokampale Transformationsprozess nachgeholt
werden kann
 und eine lebensgeschichtliche Einordnung der
Erinnerungen als etwas Vergangenes möglich wird.
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Interventionen auf der Basis des Modell der
adaptiven Informationsverarbeitung
 Eine Assoziation negativer Informationen an ein
adaptives Netzwerk (Ressourcennetzwerk) mit Hilfe
traumabearbeitender Verfahren (z.B. EMDR)
 muss sich nicht auf die Verarbeitung traumatischer
Erfahrungen i.e.S. beschränken;
 sie kann auch nützlich sein bei
 belastenden Erinnerungen mit normaler Informationsverarbeitung
 negativen Emotionen und selbstbezogenen Kognitionen
bei neurotischen und Anpassungsstörungen
zur Unterstützung des Durcharbeitens, wenn
einsichtsfördernde Maßnahmen die Stressbelastung nicht
ausreichend senken konnten.
Interventionen auf der Basis eines
psychodynamischen Grundverständnisses
 Beziehungsaufbau
 Identifikation und Handhabung traumatypischer
Übertragungen
 Wahrnehmung und Klärung traumathypischer
Gegenübertragungsmanifestationen
 Klarifizierung und Konfrontation von Ich-FunktionsDefiziten
 Identifikation verinnerlichter Verbote der Selbstfürsorge
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Ressourcenaktivierender Techniken im
Rahmen traumaspezifischer Stabilisierung
 Aktivierung ehemals hilfreicher Aktivitäten
 Aktivierung positiver Erinnerungsbilder
 Imaginative Techniken
 sind in der Lage, Lücken des genuin psychodynamischen
Interventionsrepertoires bei strukturellen Störungen zu
schließen
 um die Emotionsregulierung zu verbessern
 um die Ich-funktionale Defizite zu behandeln
 sollten dem psychodynamischen Interventionsrepertoire
erschlossen werden.
Als Ressource kann alles genutzt werden,
was einen positiven Körperstate
hervorruft!
Aufbau defizitärer Ich-Funktionen mit Hilfe
ressourcenaktivierender Techniken

Imaginative Techniken zur Mobilisierung
von Bewältigungskompetenzen

Wann in Ihrem Leben stand Ihnen diese
Kompetenz zur Verfügung?
Unterstützende Techniken zur Reduktion des
Bedrohungs- und Spannungserlebens

Bilaterale Stimulationstechniken

Klopftechniken der energetischen
Psychologie


(„Butterfly-Hug“)
Klopfroutinen mit Stimulation definierter
Akupunktur-Punkte (Gallo; TFT nach
Callahan etc.)
Gegenübertragung



Verständnis eigener emotionaler
Dysregulationen in der Gegenübertragung
als Resultat projektiv-identifikatorischer
Vorgänge
Selbstberuhigungstechniken, z.B. bilaterale
Stimulationstechniken („Butterfly-Hug“) oder
Klopftechniken der energetischen Psychologie zur Förderung der emotionalen Distanz
Klärung von Übertragungsängste
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Traumatherapeutische Interventionen
schließen Lücken des psychodynamischen
Interventionsrepertoires
 Imaginative und ressourcenaktivierende Techniken
 zur Stärkung von Ich-Funktionen bei strukturellen Störungen
 EMDR
 nicht nur wirksam bei PTSD (Wiss. Beirat Psychotherapie
2006), sondern auch bei Angsterkrankungen,
Schmerzerkrankungen, depressiven Störungen und anderen
Störungsbildern mit dysfunktionaler Erinnerungsverarbeitung
 Senkung der subjektiven Belastung durch
Alltagsstressoren
 Unterstützung des „Durcharbeitens“ nach
Konfliktklärung
 Modifikation negativer Überzeugungen von der eigenen
Person
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Psychodynamische Therapie und EMDR
 Förderung der freien Assoziation
 Freie Entfaltung des therapeutischen Prozesses
 PD: Mitteilung der Einfälle zur Erforschung der
sujektiven Realität
 EMDR; nur sehr begrenztes und ausschnittweises
Mitteilungen nach Abschluss eines Sets bilateraler
Stimulationen
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Rhein-Klinik Bad Honnef
Psychodynamische Therapie und EMDR
 emotionale Verarbeitung im Mittelpunkt
 Kognitive und emotionale Verarbeitung
untrennbar miteinander verbunden.
 „Emotionale Einsicht“ als ein zentraler Wirkfaktor
psychodynamischer Psychotherapie (Kris 1956, McCullough
et al. 1991).
 EMDR: gemeinsames Prozessieren der mit der
traumatischen Erinnerung verknüpften Emotionen,
Körperempfindungen und selbstbezogenen
Kognitionen
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Psychodynamische Therapie und EMDR
 Therapeuten greifen nur dann ein, wenn der
spontane Prozess durch blockierende Phänomene
behindert wird.
 PD: Interventionen, wenn Widerstands- oder
Übertragungsphänomene den frei assoziativen Zugang
zum konflikthaften Material versperren oder der
vereinbarte Therapiefokus verlassen wird (Greenson 1981,
Wöller u. Kruse 2010).
 EMDR: korrigierende Interventionen, z.B. durch kognitives Einweben, wenn der Prozess stockt und es zum
„Kreiseln“ kommt (Shapiro 1998).
EMDR-Modifikationen bei ich-strukturellen
Störungen

Ausgiebige Ressourcenaktivierung im Wechsel mit
ultrakurzer Traumaexposition

Pendeltechnik (Fine u. Berkowitz 2001; Levine 1998)

CIPOS (Constant Installation of Present
Orientation and Safety) (Knipe 2011)

EMDR im „umgekehrten“ Standardprotokoll (Hofmann
2001)


Beginn mit klar umschriebenen und gut
erinnerbaren Traumen oder belastenden
Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit
Arbeit mit persönlichkeitsspezifischen
Alltagsstressoren
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Bedeutung von Übertragung und
Gegenübertragung für die EMDR-Integration
 Idealisierende (Retter-)Übertragung:
 Gefahr des vorschnellen und schädlichen Einsatzes von
EMDR bei magischem Heilungswunsch des Patienten
 Unerkannte negativ (Täter-)Übertragung:
 Wunsch nach narzisstisch-masochistischer Verschmelzung
mit dem Therapeuten in der EMDR-Szene
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Bedeutung von Übertragung und
Gegenübertragung für die EMDR-Integration
 Negative Emotionen in der Gegenübertragung als
Folge einer nicht erkannten Projektiven
Identifizierung
 Gefahr des Ausagierens der deponierten Gefühle
von Ohnmacht und Hilflosigkeit in der Therapie
  Unfähigkeit zur strukturierten
Therapieplanung
  Selbstbefreiung aus der Ohnmacht und
Hilflosigkeit mit Hilfe einer nicht angemessenen
Entscheidung für EMDR-Einsatz
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Integration von EMDR in psychodynamische Therapie
 Gut möglich:
 Therapieverständnis mit Arbeit an unbewussten Konflikten
ohne Förderung von Übertragungen
 Übertragung wird analysiert, wenn sie zum Widerstand wird (Greenson 1981).
 Therapieverständnis der strukturbezogenen Psychotherapie
(Rudolf 2006)
 Arbeit an defizitären Ich-Funktionen
 Therapieverständnis der traumaadaptierten
psychodynamischen Ansätze (Reddemann 2011, Wöller 2006)
 Weniger gut möglich:
 „Modernes“ relationales psychoanalytisches
Therapieverständnis
 Fokus auf unvermeidlichen Beziehungs-„Verstrickungen“ zwischen Therapeut
und Patient
 gemeinsame Arbeit an den fortgesetzt entstehenden „ÜbertragungsGegenübertragungs-Szenarien“ (Mitchell 1988).
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Traumaorientiertes Arbeiten in der
Rhein-Klinik
 Phase 1: Beginn traumatherapeutischer Arbeit in der
Rhein-Klinik (D. Mattke, M. Niebecker, U. Moini-Afaschari, B. RothScheffler et al.)
 Mutige Einführung „exotischer“ Therapieformen in
ein psychoanalytisch geprägtes Ambiente
 Pionierarbeit mit vielen innovativen Ideen
 Edukatives kognitiv-behaviorales
gruppentherapeutisches Subsetting (St. Faber) für
PTSD- und dissoziative Patienten
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Traumaorientiertes Arbeiten in der
Rhein-Klinik
 Phase 2: Phase der Verunsicherung: Gibt es 2
Klassen von Patienten?
 Psychodynamische“ Patienten
 Freie Interaktion – Klarifikation, Konfrontation, Deutung
– Arbeit mit Übertragung und Widerstand – szenisches
Verstehen
 „Trauma-Patienten“
 Stabilisierung – Traumakonfrontation – Reintegration
 Kein Sprechen über Traumatisierungen
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Traumaorientiertes Arbeiten in der
Rhein-Klinik
 Phase 3: Von der Exotik zur Normalität – von
der „Enklave“ zur Integration
 Aufhebung der Zuweisung zu entweder
psychodynamischer oder edukativer Gruppentherapie
 Alle Patienten erhalten psychodyn.-interaktionelle Gruppentherapie
 Alle Patienten erhalten edukative ressourcenorientierte
Gruppentherapie
 Alle Patienten erhalten EMDR, wenn eine dysfunktionale
Erinnerungsverarbeitung vorliegt
 Zunehmende Integration systemischer
Interventionen (W. Pape)
49
Ev.
3
Konsequenzen
für die Konzeptualisierung der Therapie
bei komplexen Traumafolgestörungen
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Konsequenzen für die Konzeptualisierung der
Therapie bei komplexen Traumafolgestörungen
1. Polemisch zugespitzte Polarisierungen können nur
noch wissenschaftshistorisches Interesse
beanspruchen. Inhaltlich sind sie als überholt
anzusehen.
 Äußere wie innere Realität sind gleichermaßen bedeutsam.
 Nach schweren Traumatisierungen finden sich Elemente
traumatischer („amygaloider“) und „normaler („hippokampaler“) Informationsverarbeitung nebeneinander.
 Verbalisierung des Erlebten kann bei „normaler“
Informationsverarbeitung hilfreich sein, während bei
abgespaltenen Erinnerungsfragmenten traumaspezifische
Maßnahmen vorzuziehen sind.
51
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Konsequenzen für die Konzeptualisierung der
Therapie bei komplexen Traumafolgestörungen
2. Eine vereinfachende Zuordnung von Interventionen
zu Störungsbildern mit oder ohne Traumagenese
erweist sich als nur bedingt hilfreich.
 Konfliktorientierte und strukturorientierte psychodynamische Interventionen sind auch bei Traumafolgestörungen
indiziert.
 Interventionen, die geeignet sind, um dysfunktionale
Informationen an funktionale Netzwerke zu assoziieren,
können bei traumatischen ebenso wie nichttraumatischen
Störungsbildern nützlich sein.
52
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Psychodynamische Interventionsmodelle
Konfliktmodell
(„Bewusstmachung
des Unbewussten“)
Strukturmodell
(„Aufbau von IchFunktionen“)
Modell der dysfunktionalen Erinnerungsverarbeitung
Bewusstmachung
des „dynamischen
Unbewussten“, d.h.
des expliziten
(deklarativen)
Unbewussten
Neues Regulations- und
Beziehungs-Lernen
Assoziation bewusster
negativer Assoziationen an
adaptive Netzwerke
Einsichtsförderung
• Klarifikation
• Konfrontation
• Deutung
Vermittlung von Fähigkeiten des impliziten
Beziehungswissens
Ressourcenaktivierung
als Bewusstmachung des
impliziten (prozeduralen)
Unbewussten
Hilfen beim Auffinden
nicht zugänglicher
Regulations- und
Beziehungs-Prozeduren
Techniken zur Assoziation
bewusster negativer
Assoziationen an adaptive
Netzwerke (z.B. EMDR)
53
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Konsequenzen für die Konzeptualisierung der
Therapie bei komplexen Traumafolgestörungen
3. Damit sind auch Diskussionen, wie ein Trauma zu
definieren sei oder ob eine bestimmte Störung eine
Traumafolgestörung sei, auf ihre Sinnhaftigkeit zu
überprüfen.
 Klinisch bedeutsam ist die Frage, ob – allein oder zusätzlich
zur Konflikt- oder Strukturpathologie – eine dysfunktionale
Erinnerungsverarbeitung vorliegt.
 Sie ist anzunehmen,
 wenn eine PTSD- oder dissoziative Symptomatik vorliegt
 wenn das Durcharbeiten gewonnener Einsichten nicht
zu einer relevanten Belastungsreduktion führt.
54
Rhein-Klinik Bad Honnef
Konsequenzen für die Konzeptualisierung der
Therapie bei komplexen Traumafolgestörungen
4. Es wäre wünschenswert, wenn alle psychodynamischen Therapeuten alle 3 Perspektiven
einnehmen und entsprechend intervenieren
könnten:
 konfliktorientierte Perspektive
 strukturorientierte Perspektive
 Perspektive der dysfunktionalen Erinnerungsverarbeitung.
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Konsequenzen für die Konzeptualisierung der
Therapie bei komplexen Traumafolgestörungen
4. Dann könnte ...
 die Frage, ob ein psychodynamischer Psychotherapeut
auch Traumatherapeut oder „normaler“ psychodynamischer Therapeut ist, als wenig hilfreich der
Vergangenheit angehören
 ein Ende der Odyssee der Therapieplatzsuche für
traumatisierte Patienten in Sicht sein
 die geringe Zahl von Traumaspezialeinrichtungen den
schwerstkranken Traumapatienten vorbehalten bleiben.
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