Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen Geschäftsunfähigkeit

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1.2 ​Rechtssubjekt und R
​ echtsobjekt
Geschäftsfähigkeit natürlicher Personen
Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähig ist (§ 104 BGB),
■ wer das 7. Lebensjahr nicht
vollendet hat.
■ wer sich in einem dauernden
Zustand krankhafter Störung
der Geistestätigkeit befindet.
Geburt
Beschränkte Geschäftsfähigkeit
Beschränkt geschäftsfähig ist,
■ wer als Minderjähriger das
7. Lebensjahr vollendet hat
(§ 106 BGB).
Vollendung
7. Lebensjahr
GESCHÄFTSUNFÄHIGKEIT
■ Willenserklärungen sind
nichtig (§ 105 BGB). Anstelle
des Geschäftsunfähigen
muss sein gesetzlicher
Vertreter (Eltern, Vormund)
handeln.
Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
■ Unbeschränkt geschäftsfähig
ist jeder Mensch, der das
18. Lebensjahr vollendet hat
(§ 2 BGB).
Vollendung
18. Lebensjahr
BESCHRÄNKTE
GESCHÄFTSFÄHIGKEIT
■ Willenserklärungen bedürfen grund-
sätzlich der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB).
–– Einseitige Rechtsgeschäfte sind
ohne schriftliche Einwilligung
nichtig (§ 111 BGB).
–– Zweiseitige Rechtsgeschäfte ohne
Einwilligung sind schwebend unwirksam. Mit Erklärung der Genehmigung gilt das Rechtsgeschäft als
von Anfang an wirksam, bei Verweigerung als nichtig (§ 108 BGB).
Tod
UNBESCHRÄNKTE
GESCHÄFTSFÄHIGKEIT
■ Willenserklärungen
sind unabhängig von
ihrer Tragweite uneingeschränkt rechtswirksam.
Rechtswirksame Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger
Nicht zustimmungsbedürftige Willenserklärungen
Ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters kann
der beschränkt Geschäftsfähige rechtswirksam
■ Willenserklärungen abgeben, durch die er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (§ 107 BGB),
■ Verträge abschließen, die er mit Mitteln erfüllen
kann, die ihm für den Abschluss solcher Verträge
oder zur freien Verfügung überlassen worden sind
(§ 110 BGB, sogenannter „Taschengeldparagraf“).
Beispiele:
■ Ein 12-jähriger Jugendlicher erhält von seiner
Tante ein Fahrrad geschenkt. Da sich aus dieser Schenkung keine Pflicht ergibt, z. B. Zahlung
eines Kaufpreises, Zahlung einer Fahrradsteuer,
kann der Jugendliche das Geschenk rechtsverbindlich ohne Einwilligung der Eltern annehmen.
■ Eine 16-jährige Jugendliche erwirbt 4 DVDs
zum Gesamtpreis von 50,00 EUR. Da sie die
DVDs von ihrem Taschengeld, das ihr vom
gesetzlichen Vertreter zur freien Verfügung
überlassen wurde (100,00 
EUR monatlich),
bezahlt, ist der Kaufvertrag auch ohne Einwilligung der Eltern rechtswirksam.
Erweiterung der beschränkten Geschäftsfähigkeit
Der beschränkt Geschäftsfähige ist unbeschränkt
geschäftsfähig für Rechtsgeschäfte, die im Rahmen
folgender Ermächtigungen liegen:
■ Er wird durch seinen gesetzlichen Vertreter mit
Genehmigung des Familiengerichts zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ermächtigt (§ 112 BGB).
■ Er wird durch seinen gesetzlichen Vertreter zur
Eingehung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses und zur Erfüllung aller sich daraus ergebenden Verpflichtungen ermächtigt (§ 113 BGB).
Ein Ausbildungsverhältnis ist kein Dienst- oder
­Arbeitsverhältnis im Sinne von § 113 BGB. Die
Eingehung eines Ausbildungsvertrags erweitert
die Geschäftsfähigkeit daher nicht.
Beispiel:
■ Eine 17-jährige Angestellte eröffnet für die bar-
geldlose Lohnzahlung ein Bankkonto. Da ihre
Eltern sie zur Eingehung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses ermächtigt haben,
kann sie selbstständig, ohne erneute besondere Einwilligung der Eltern, den Kontovertrag
mit der Bank rechtswirksam schließen.
19
20
Der Vormund hat das Vermögen des
Mündels mündelsicher anzulegen.
Bestimmte Rechtsgeschäfte, die im
Namen des Mündels vorgenommen
werden, bedürfen der Genehmigung
des Familiengerichts (z. B. Kreditaufnahme, Übernahme einer Bürgschaft,
Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Verkauf und Belastung von
Grundstücken).
Ein Betreuer kann vom Betreuungsgericht bestellt werden,
wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
■ der Betroffene muss volljährig sein und
■ er kann seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht
besorgen.
Eine Vormundschaft wird gerichtlich
angeordnet, wenn ein Minderjähriger
nicht unter elterlicher Sorge steht.
Dies ist z. B. der Fall, wenn beide
Eltern verstorben sind oder beiden
Eltern die elterliche Sorge entzogen
worden ist.
Im Rahmen der Vormundschaft obliegt dem Vormund:
■ die Vertretung des Minderjährigen,
■ die Personensorge,
■ die Vermögenssorge.
Die Vertretungsmacht des Vormunds
ist weniger umfassend als die der
Eltern.
Für die Betreuung sind im Übrigen u. a. bestimmte Vorschriften
über die Vormundschaft (z. B. §§ 1803, 1805–1822 BGB) anzuwenden.
Einseitige Rechtsgeschäfte im Sinne des § 111 BGB sind nichtig (§ 1903 I, S. 2).
In Ausnahmefällen besteht ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 I
BGB). Dies bedeutet, dass eine Willenserklärung des Betreuten,
die eine erhebliche Gefahr für seine Person oder sein Vermögen
darstellen kann, der Einwilligung des Betreuers bedarf. Der Einwilligungsvorbehalt erfolgt auf Anordnung des Betreuungsgerichts. Im Falle des Einwilligungsvorbehalts steht der Betreute
einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen gleich,
d. h., die Willenserklärungen des Betreuten sind als schwebend
unwirksam anzusehen, bis der Betreuer die Rechtshandlung
genehmigt oder seine Zustimmung verweigert. Rechtswirksam
gem. § 1903 III sind aber immer Willenserklärungen, die sich
beziehen auf
■ geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens,
■ Erlangung eines rechtlichen Vorteils.
Der Betreuer darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in
denen eine Betreuung erforderlich ist. Er hat die Stellung eines
gesetzlichen Vertreters. Der Betreute ist grundsätzlich als (voll)
geschäftsfähig anzusehen.
Ursache dafür muss eine psychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung sein.
Betreuer (§§ 1896, 1902, 1903 BGB)
Vormund (§ 1773 BGB)
Die gesetzliche Vertretung durch Vormund, Betreuer und Pfleger
Ein Pfleger kann stets nur im Rahmen
der ihm gerichtlich zugewiesenen
Aufgaben und unter Beachtung der
ihm auferlegten Grenzen als Vertreter
tätig werden. Er legitimiert sich durch
eine Bestallungsurkunde.
Dabei handelt es sich
■ um eine Ergänzung der elterlichen
Sorge oder der vormundschaft­
lichen Fürsorge für geschäftsunfähige oder beschränkt geschäfts­
fähige Personen,
■ um die Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten voll geschäftsfähiger, aber abwesender
Personen oder
■ um die Sicherung des Nachlasses
bis zur Annahme einer Erbschaft.
Eine Pflegschaft wird vom Familiengericht angeordnet, wenn für die
Besorgung bestimmter einzelner
Angelegenheiten ein Fürsorge- oder
Schutzbedürfnis besteht.
Pfleger (§§ 1909 ff. BGB)
1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns​
Die gelieferte Sache ist mit einem
Sach- oder Rechtsmangel behaftet.
Unverzügliche und genaue Mängelrüge beim zweiseitigen Handelskauf.
1. Stufe (vorrangig):
Nacherfüllung, d. h. Beseitigung des
Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (Wahlrecht).
Zusätzlich, sofern Verschulden des
Verkäufers vorliegt:
Schadensersatz neben der Leistung
(Verzögerungsschaden).
Führt die 1. Stufe nicht zum Ziel:
2. Stufe (nachrangig):
1. Nachfrist und Rücktritt vom Kaufvertrag (nicht bei unerheblichen
Mängeln)
oder
2.Nachfrist und Minderung (auch
bei unerheblichen Mängeln)
Neben Rücktritt und Minderung
3.
Nachfrist und Schadensersatz
(Schadensersatz neben der Leistung; Schadensersatz statt der
Leistung) Voraussetzung: Verschulden des Verkäufers
oder
4. Nachfrist und Ersatz vergeblicher
Aufwendungen
Voraussetzung: Verschulden des
Verkäufers
Rechte:
Schlechtlieferung
mangelhafte Lieferung
mangelfreie Lieferung
Voraussetzungen
für den Eintritt
bestimmter
Rechtsfolgen:
Tatbestand:
Störungen:
Pflichten aus dem
Kaufvertrag:
Recht 2 und 3 sind
gleichzeitig anwendbar
1. Recht auf nachträgliche Lieferung und
Schadensersatz
wegen Verzögerung
der Leistung
2. Nachfrist und Schadensersatz statt der
Leistung
oder
Ersatz vergeblicher
Aufwendungen
3. Nachfrist und Rücktritt vom Vertrag
(auch bei unverschuldeter Leistungsverspätung möglich)
1.Fälligkeit der Lieferung
2.Mahnung
3.Verschulden des
Lieferers
Nicht-RechtzeitigLieferung bzw.
Lieferungsverzug
Nichteinhaltung des
Liefertermins
pünktliche Lieferung
Hinterlegung der Ware
auf Kosten und Gefahr
des Käufers und
1. Klage auf Abnahme
oder
2.Selbsthilfeverkauf
(Notverkauf bei leicht
verderblicher Ware)
Nichtabnahme der
bestellten und ordnungsgemäß gelieferten
Ware.
Annahmeverzug
Kunde nimmt Ware
nicht ab
Abnahme der Ware
Störungen bei der Erfüllung des Kaufvertrags
Forderung der Zahlung
und Verzugszinsen
5 Prozentpunkte über
dem Basiszinssatz.
Beim zweiseitigen Handelskauf beträgt der
Verzugszinssatz 9 Prozentpunkte über dem
Basiszinssatz
und
Ersatz des sonstigen
Schadens.
Beim bürgerlichen Kauf
und beim einseitigen
Handelskauf sind Verzugszinsen ab Verzug,
beim zweiseitigen Handelskauf ab Fälligkeit zu
zahlen.
Nichtzahlung 30 Tage
nach Fälligkeit und
Zugang der Rechnung.
Nicht-RechtzeitigZahlung bzw.
Zahlungsverzug
Kunde zahlt nicht
Zahlung des Kaufpreises
1.3 ​Rechtsgeschäfte
41
1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns​
Gutgläubiger Erwerb von Eigentum. An beweglichen Sachen kann man gutgläubig Eigentum erwerben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
■■ Der Erwerber muss den Veräußerer für den Eigentümer gehalten haben.
■■ Der Erwerber von Handelsware wird auch dann Eigentümer, wenn er zwar weiß, dass
ein Kaufmann nicht Eigentümer ist, ihn aber für verfügungsbefugt hält (§ 366 HGB).
■■ Die Übereignung erfolgt durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 BGB.
■■ Der Erwerber muss den Besitz an der Sache erlangen.
■■ Die Sache darf nicht abhanden gekommen sein.
Abhandengekommene Sachen sind solche, die dem unmittelbaren Besitzer ohne Willen aus dem Besitz gekommen sind. Dazu rechnen verlorene und gestohlene Sachen.
An Geld und Inhaberpapieren kann man auch gutgläubig Eigentum erwerben, wenn sie
abhandengekommen sind (§ 935 BGB).
Übersicht: „Gutgläubiger Erwerb“
1. Fall:
B ist nicht Eigentümer, aber rechtmäßiger Besitzer.
Wenn C gutgläubig ist, erwirbt er das Eigentum an dem
Fahrrad.
Leihvertrag
A
B
Fahrrad
Verkauf
Fahrrad
C
2. Fall:
B ist nicht Eigentümer und unrechtmäßiger Besitzer
(verbotene Eigenmacht). C kann, auch wenn er gutgläubig ist, nicht das Eigentum am Fahrrad erwerben, da das
Fahrrad gestohlen bzw. abhandengekommen ist.
Diebstahl
A
B
Fahrrad
Verkauf
Fahrrad
C
Diebstahl
A
B
Inhaberaktie oder
B ist nicht Eigentümer und unrechtmäVerkauf der Inhaber100,00-Euro-Schein
ßiger Besitzer (verbotene Eigenmacht).
aktie bzw. Zahlung mit
C wird Eigentümer der Inhaberaktie
100,00-Euro-Schein
bzw. des Geldscheins, da Inhaberwert- C
papiere, Geld und versteigerte Sachen
auch dann gutgläubig erworben werden können, wenn sie gestohlen oder
abhandengekommen sind.
3. Fall:
4. Fall:
Leihvertrag
A
B
Fahrrad
B ist nicht Eigentümer, aber rechtmäßiVerkauf unter Vereinbager Besitzer. Auch wenn C gutgläubig
rung eines Besitzkonstituts
ist, erwirbt er das Eigentum an dem
– keine Übergabe –
Fahrrad nicht, da gutgläubiger Erwerb C
nur bei Übergabe der Sache möglich ist.
44
1.3 ​Rechtsgeschäfte
Arten der Bürgschaft. Bei der BGB-Bürgschaft steht dem Bürgen bei Nichtleistung des
Schuldners die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) zu, d. h., der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers so lange verweigern, bis feststeht, dass eine Zwangsvollstreckung
gegen den Hauptschuldner ergebnislos ist. Die Zwangsvollstreckung bezieht sich nur auf
die beweglichen Sachen des Schuldners (§ 772 BGB).
Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (§ 773 BGB) verzichtet der Bürge auf die „Einrede der Vorausklage“. Der Gläubiger kann sich bei Fälligkeit unmittelbar an den Bürgen
halten, selbst dann, wenn der Hauptschuldner den Gläubiger befriedigen könnte. Die
Bürgschaft eines Kaufmanns ist immer selbstschuldnerisch (§ 350 HGB). 1
Übersicht1
Veräußerungsgeschäfte (→ Erwerb von Sachen oder Rechten)
Kauf
§§ 433 ff. BGB
allgemeines Kaufrecht
§§ 474 ff. BGB
Verbrauchsgüterkauf
Schenkung
§§ 516 ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Beispiele:
Sachkauf:
Verkäuferpflicht:
Übereignung der Sache ohne Sachmangel
Käuferpflicht:
Zahlung des Kaufpreises
Verkauf von Sorten,
Goldmünzen
Rechtskauf:
Verkäuferpflicht:
Verschaffung des Rechts ohne Rechtsmangel
Käuferpflicht:
Zahlung des Kaufpreises
Ankauf einer
Forderung
→ Einseitig verpflichtender Vertrag
Pflicht des Schenkenden
Übertragung des Schenkungsgegenstandes
(Die Vermögenszuwendung ist unentgeltlich!)
Gebrauchsüberlassungsgeschäfte
(→ zeitweilige Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung)
Mietvertrag
§§ 535 ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Beispiele:
Pflicht des Vermieters:
Gebrauchsüberlassung auf Zeit
Pflicht des Mieters:
Zahlung des Mietzinses
Safe-Vermietung
Pachtvertrag
§§ 581 ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Brauerei verpachtet
Gaststätte
Pflicht des Verpächters:
Gebrauchs- und Ertragsüberlassung
Pflicht des Pächters:
Zahlung des Pachtzinses
1 Vgl. „Typologie der vertraglichen Schuldverhältnisse“, WISU-Studienblatt, 6. Juni 1975; Beilage der Zeitschrift: Das Wirtschafts­
studium – WISU, Tübingen/Düsseldorf 1975.
51
1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns​
Übersicht (Fortsetzung)
Gebrauchsüberlassungsgeschäfte
(→ zeitweilige Überlassung eines Gegenstandes zur Nutzung)
Leihe
§§ 598 ff. BGB
→ Einseitig verpflichtender Vertrag1
Pflicht des Verleihers:
vorübergehende Gebrauchsüberlassung
Besitzkonstitut
gem. § 930 BGB
Beachte: Bei allen Gebrauchsüberlassungsverträgen besteht die Pflicht zur Rückgabe
Tätigkeitsverträge → Tätigkeit im Dienste oder Interesse eines anderen
Darlehensvertrag
§§ 488 ff. BGB
Gelddarlehen
→ (i. d. R.) Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Beispiele:
Pflicht des Darlehensgebers:
Zurverfügungstellung des Darlehensbetrags
Pflicht des Darlehensnehmers:
Zins-/Entgeltzahlung
Spareinlage
§§ 607 ff. BGB
Sachdarlehen
Pflicht des Darlehensgebers:
Zurverfügungstellung einer vertretbaren Sache
Pflicht des Darlehensnehmers:
Rückerstattung einer Sache gleicher Art, Güte
und Menge
Wertpapierleihe
Dienstvertrag
§§ 611 ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Vertrag mit einem
Rechtsanwalt
Werkvertrag
§§ 631 ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Pflicht des Dienstverpflichteten:
selbstständige oder unselbstständige Dienste
Pflicht des Dienstleistungsberechtigten:
Zahlung der Vergütung
Reparatur
Pflicht des Werkunternehmers:
Herstellung des Werkes
Pflicht des Werkbestellers:
Zahlung der Vergütung
Beachte: Dienstvertrag → zeitbezogene Tätigkeit, Werkvertrag → erfolgsbezogene Tätigkeit
Reisevertrag
§§  651 a ff. BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Auftrag
§§ 662 ff. BGB
→ Einseitig verpflichtender Vertrag
Pflicht des Reiseveranstalters:
Erbringung einer Gesamtheit von Reiseleistungen
Pflicht des Reisenden:
Zahlung des Reisepreises
Pflichten des Beauftragten:
Durchführung der Geschäftsbesorgung und Herausgabe des dabei Erlangten
Evtl. Aufwendungsersatz (keine Vergütung!)
durch Auftraggeber
1
1 Die vorübergehende Gebrauchsüberlassung umschließt die Pflicht zur Rückgabe.
52
1.3 ​Rechtsgeschäfte
Übersicht (Fortsetzung)
Tätigkeitsverträge → Tätigkeit im Dienste oder Interesse eines anderen
Entgeltliche
Geschäftsbesorgung
§ 675 BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Zahlungsdienstevertrag
§§ 675 f bis 676 c
BGB
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
■■ Einzelzahlungs-
Pflicht des Zahlungsdienstleisters:
Ausführung eines Zahlungsvorgangs für den Zahlungsdienstnutzer (Zahler oder Zahlungsempfänger)
■■ Zahlungsdienste-
Pflichten des Zahlungsdienstleisters:
Ausführung einzelner oder aufeinanderfolgender
Zahlungsvorgänge für den Zahlungsdienstnutzer
(Zahler oder Zahlungsempfänger) sowie Führung
eines Zahlungskontos für den Zahlungsdienstnutzer
Pflichten des Zahlungsdienstnutzers:
z. B. Zahlung des vereinbarten Entgelts, Formularbenutzung, Anerkennung und Beachtung der
Bedingungen für Zahlungsdienste des Zahlungsdienstleisters
vertrag
rahmenvertrag
Pflichten des Beauftragten:
Durchführung der Geschäftsbesorgung (Gegenstand der Geschäftsbesorgung → Dienst- oder
Werkvertrag) und Herausgabe des dabei Erlangten
Pflicht des Auftraggebers:
Zahlung der Vergütung
Sicherungsverträge → Sicherung oder Stärkung eines Anspruchs oder sonstiger Interessen
Bürgschaftsvertrag
§§ 765 ff. BGB
→ Einseitig verpflichtender Vertrag
Beispiele:
Pflicht des Bürgen:
Zahlung der Bürgschaftssumme
Kreditsicherung
Versicherungsvertrag
§§ 1 ff. VVG
→ Gegenseitig verpflichtender Vertrag
Versicherung gegen
Einbruch
Pflicht des Versicherers:
Zahlung der Versicherungssumme bei Eintritt des
Versicherungsfalles
Pflicht des Versicherten:
Zahlung der Prämie
Gesellschaftsvertrag → Zusammenschluss zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks
Gesellschaft des
bürgerlichen Rechts
§§ 705 ff. BGB
Pflicht der Gesellschafter:
Beitragspflicht (u. a.)
Beispiele:
Bankenkonsortium
Beachte: Ist der Gesellschaftszweck der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher
Firma, liegt eine offene Handelsgesellschaft vor.
53
1 Rechtliche Grundlagen wirtschaftlichen Handelns​
Notwendigkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs
Wann im Einzelfall Art oder Umfang der Tätigkeit einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof
dazu in einem Urteil vom 28. April 1960 festgestellt, dass bei einer solchen Entscheidung über die
Notwendigkeit kaufmännischer Einrichtungen die Verhältnisse des einzelnen Betriebes in ihrer
Gesamtheit zu würdigen sind.
Insbesondere sind dabei in Betracht zu ziehen:
– die Zahl der Beschäftigten und die Art ihrer Tätigkeit,
– der Umsatz,
– das Anlage- und Betriebskapital,
– die Vielfalt der erbrachten Leistungen und Geschäftsbeziehungen,
– die Inanspruchnahme von Kredit.
Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb wird zudem an einer kaufmännischen Buchführung erkennbar.
Die Entscheidung, ob ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig ist,
trifft das Amtsgericht (→ Unterstützung durch Handwerkskammer und IHK).
Der Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb
führt, ist verpflichtet, sich ins Handelsregister (Handelsregister: Verzeichnis der Kaufleute
eines Amtsgerichtsbezirks) eintragen zu lassen. Die Ist-Kaufmannseigenschaft entsteht
bereits mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs. Die notwendige Eintragung ins Handels­
register hat daher rechtsbekundende oder deklaratorische Wirkung.
„Kannkaufmann“ (§ 2 HGB). Benötigt eine Unternehmung keinen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb (Kleingewerbetreibende wie z. B. Imbissstände, Kioske,
kleine Gaststätten, kleine Bäckereien), so ist der Inhaber kein Kaufmann. Er hat jedoch die
Möglichkeit zum Erwerb der Kaufmannseigenschaft, indem er sich freiwillig als Kaufmann
ins Handelsregister eintragen lassen kann. Im Falle der Eintragung gilt das Unternehmen
als Handelsgewerbe im Sinne des HGB.
Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen oder damit verbundene Nebenbetriebe (z. B.
Molkereien, Sägewerke, Mühlen), die nach Art und Umfang einen in kaufmännischer
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern, sind ebenfalls berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen (§ 3 HGB).
Die Kaufmannseigenschaft wird bei freiwilliger Eintragung erst mit der Eintragung ins
Handelsregister erworben. Die Eintragung hat daher rechtsbegründende oder konstitutive
Wirkung.
Ist eine freiwillige Eintragung ins Handelsregister erfolgt, so findet eine Löschung der
Firma auch auf Antrag des Unternehmens statt, sofern nicht die Voraussetzung des § 1
Abs. 2 HGB (Geschäftsumfang) eingetreten ist.
„Formkaufmann“ (§ 6 HGB). Alle Kapitalgesellschaften (z. B. Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und Genossenschaften erwerben die Kaufmannseigenschaft mit der Wahl der Rechtsform und der Eintragung in das Handels- bzw. Genossenschaftsregister, unabhängig davon, ob sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben oder nicht.
Personengesellschaften hingegen, also offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft, sind Kaufleute kraft ihres Gewerbes. Sie erlangen die Kaufmannseigenschaft
entweder kraft ihres Geschäftsumfangs oder kraft Eintragung ins Handelsregister (§§ 105,
123 HGB).
74
1.6 Grundlagen des Handelsrechts
Kaufleute haben gemäß HGB
. . . das Recht:
■■ eine Firma zu führen,
■■ Prokuristen zu ernennen,
■■ Bürgschaftsverpflichtungen (im Rahmen ihres Handelsgewerbes) mündlich zu übernehmen,
■■ den Gerichtsstand frei zu vereinbaren.
. . . die Pflicht:
■■ erhaltene Lieferungen unverzüglich zu prüfen und Mängel unverzüglich zu rügen,
■■ neben den steuerrechtlichen die handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvor-
schriften zu beachten,
■■ stets selbstschuldnerische Bürgschaften zu übernehmen.
Kaufmannsarten
Kaufmann kraft Geschäftsumfang (Istkaufmann § 1 HGB)
Kaufmann kraft freiwilliger Eintragung ins
Handelsregister (Kannkaufmann)
■■ Kleingewerbetreibende § 2 HGB
■■ Land- und forstwirtschaftliche Unternehmen § 3 HGB
Kaufmann kraft Rechtsform
(Formkaufmann § 6 HGB)
Die Kaufmannseigenschaft ent- Die Kaufmannseigenschaft wird erst mit der Eintragung ins
steht bereits mit der Aufnahme Handelsregister1 erworben. Die Eintragung hat konstitutive,
des
Geschäftsbetriebs.
Die rechtsbegründende Wirkung.
pflichtgemäße Eintragung ins
Handelsregister hat deklaratorische, rechtsbekundende Wirkung.
Kein Gewerbe: Im Falle einer Eintragung Kaufmann kraft unberechtigter Eintragung (Scheinkaufmann) gem. § 5 HGB.
1.6.2 Firma 1
Wesen. Die Firma ist der Handelsname eines Kaufmanns (§ 17 HGB).
Der Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Unter seiner Firma
betreibt er seine Geschäfte und gibt er seine Unterschrift ab.
1Genossenschaft → Genossenschaftsregister
75
2.3 ​Mitbestimmung der Arbeitnehmer
Beteiligungsrechte des Betriebsrats (§§ 81 ff. BetrVG). Der Betriebsrat kann bei Entscheidungen, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren, entweder gleichberechtigt mitbestimmen oder lediglich mitwirken, d. h. beratend tätig werden. Die Rechte in sozialen,
personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sind nach der Intensität der Mitbestimmungsmöglichkeiten abgestuft:
Mitbestimmungsrecht
Widerspruchsrecht
Informations- und
Beratungsrecht
Eine Entscheidung kommt nur
mit Zustimmung des Betriebsrats zustande. Bei Nichteinigung erfolgt eine verbindliche
Entscheidung durch die Einigungsstelle.
Der Betriebsrat kann den Entscheidungen der Geschäftsleitung widersprechen. Der
Arbeitgeber kann zur endgültigen Entscheidung das Arbeitsgericht oder die Einigungsstelle anrufen.
Die Geschäftsleitung muss
den Betriebsrat über anstehende Entscheidungen unterrichten und sich mit ihm
beraten. Ein Widerspruch
des Betriebsrats bleibt ohne
Rechtsfolgen.
■■ Soziale Angelegenheiten
■■ Personelle Einzelmaßnah-
■■ Wirtschaftliche Angelegen-
(§ 87 BetrVG)
–– Betriebsordnung
–– Urlaubsregelung
–– Beginn und Ende der
Arbeitszeit
–– Zeit, Ort, Art der Entgeltzahlung
–– Entlohnungsgrundsätze
–– Akkord- und Prämiensätze
–– Vorschlagswesen
–– Pausenregelung
–– Soziale Einrichtungen
(Kantine, Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen),
–– Überstunden
–– Durchführung von
Gruppenarbeit
■■ Betriebliche Bildungsmaß-
nahmen (§ 98 BetrVG)
■■ Sozialplan bei Betriebsver-
men (§ 99 BetrVG)
–– Versetzung
–– Ein- und Umgruppierungen
–– Kurzarbeit
–– Einstellungen (bei
Betrieben mit mehr als
20 Arbeitnehmern)
■■ Kündigungen
(§ 102 BetrVG)
heiten (§ 106 BetrVG)
–– Wirtschaftliche und
finanzielle Lage
–– Produktions- und
Absatzlage
–– Einführung neuer
Arbeits- und Rationalisierungsmethoden
–– Fragen des betrieblichen Umweltschutzes
■■ Arbeitsplatzgestaltung
(§ 90 BetrVG)
–– Baumaßnahmen
–– Technische Anlagen
–– Arbeitsablauf
■■ Personalplanung, Förde-
rung betrieblicher Bildung
(§§ 92 ff. BetrVG)
■■ Betriebsänderungen,
Stilllegung (§§ 106, 111
BetrVG)
änderung (§§ 112, 112 a
BetrVG)
157
2 Rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Arbeit im Betrieb​
Die Übermittlung der Meldungen und Beitragszahlungen erfolgt durch den Arbeitgeber an
die Rechenzentren der Krankenkassen, die dann die jeweiligen Beiträge an den Gesundheitsfonds bzw. die übrigen Sozialversicherungsträger weiterleiten.
Das soziale Netz in Deutschland ist
aus vielen Knoten geknüpft – großen
und kleinen. Größter Knoten ist die
Rentenversicherung mit fast 271 Milliarden Euro im Jahr 2014. Es folgen
die gesetzliche Krankenversicherung
mit 204 Milliarden Euro und die Beamtenpensionen mit 50,6 Milliarden Euro.
Wesentlich kleinere Knoten – dennoch
für viele Menschen wichtig – sind beispielsweise das Wohngeld, die Ausbildungsförderung oder das Erziehungsgeld. Alle direkten Sozialleistungen
zusammengenommen erreichen im
Jahr 2014 einen Umfang von rund 849
Milliarden Euro. Das entspricht gut 29
Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt).
Schließt man noch die steuerlichen
Leistungen ein, so ergibt sich sogar
eine Summe von rund 878 Milliarden
Euro.
Das soziale Netz
Sozialleistungen in Deutschland 2014 in Milliarden Euro (Schätzung)
Rentenversicherung
Krankenversicherung
270,8 GrundMrd. € sicherung
für Arbeitsuchende
204,0
Betriebl. Altersversorgung
12,3
Familienzuschläge
3,2
43,5
41,8
Zusatzversorgung
im öffentl. Dienst
11,5
Steuerliche
Leistungen*
31,8
Gesetzl. Pflegeversicherung
26,0
Unfallversicherung
Kindergeld
u. Familienleistungsausgleich
Sozialhilfe
34,0
28,2
Lohn- und
Gehaltsfortzahlung
50,6
Kinder- u.
Jugendhilfe
41,7
Arbeitslosenversicherung
Beamtenpensionen
28,4
Priv. Kranken- u.
Pflegeversicherung
25,4
Erziehungs-,
Elterngeld
6,2
Beihilfen
für Beamte
22,5
14,2
Versorgungswerke
5,0
WiedergutAusbildungsSoziale
machung u. a.
förderung
Entschädigung**
2,5
1,3
0,9
sonstige
ArbeitgeberArbeitsPriv. Altersleistungen
losenhilfe u.a.
vorsorge
0,3
0,7
0,7
Alterssicherung
der Landwirte
2,8
Wohngeld
0,9
*z. B. Ehegattensplitting
**z. B. Kriegsopferversorgung
Angaben ohne Verrechnungen
Stand Mai 2015
Quelle: BMAS
© Globus
10390
2.4.7 Staatlich geförderte Altersvorsorge
2.4.7.1 Drei-Schichten-Modell der Altersvorsorge
In der gesetzlichen Rentenversicherung
werden die Beiträge der Erwerbstätigen
sofort zur Zahlung der Renten genutzt
(Umlageverfahren). Aufgrund der demografischen Entwicklung kann der Staat
bei vertretbaren Rentenversicherungsbeiträgen das derzeitige Rentenniveau
nicht aufrechterhalten. Mit der gesetzlichen Rente allein kann der gewohnte
Lebensstandard im Alter kaum gehalten
werden, es entsteht eine Versorgungslücke, die durch eine private Altersvorsorge geschlossen werden kann.
Quelle: In Anlehnung an: Postbank AG
Durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) hat die Bundesregierung die Neustrukturierung in der Altersvorsorge beschlossen. Grundsätzlich gliedert sich die Altersvorsorge
nach steuerlichen Gesichtspunkten in drei Schichten.
182
2.4 Soziale Sicherung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
1. Schicht: Basisversorgung
Die erste Schicht enthält die sogenannte Basisversorgung. Dazu zählen die gesetzliche
Rentenversicherung, die Versorgungsleistungen der berufsständischen Versorgungswerke (z. B. für Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte), die Alterssicherung der Landwirte und
die Basisrente (kapitalgedeckte Leibrente, „Rürup-Rente“).
Beiträge zur Altersvorsorge aus der Basisversorgung nach dem Alterseinkünftegesetz
können in der Erwerbsphase als Altersvorsorgeaufwendungen im Zuge der Einkommenbesteuerung geltend gemacht werden. Die steuerliche Abzugsfähigkeit ist während einer
bis zum Jahre 2025 dauernden Übergangsfrist durch ein Stufenmodell begrenzt (vgl.
„Rürup-Rente“ Kapitel 2.4.7.2).
Die Besteuerung der Renten in der Auszahlphase (Rentenphase) erfolgt nachgelagert
(nachgelagerte Besteuerung), allerdings zunächst nicht im vollen Umfang, vielmehr gibt
es bis zum Jahr 2040 Übergangsregelungen.
2. Schicht: Kapitalgedeckte Zusatzversorgung
Die zweite Schicht beinhaltet Zusatzversorgungen wie die kapitalgedeckte Altersvorsorge (Riester-Rente) und die verschiedenen Formen der betrieblichen Altersvorsorge
(Direktzusage, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskasse, Direktversicherung).
Arbeitgeber müssen seit 2002 ihren Beschäftigten eine Entgeltumwandlung des Lohnes
oder Gehaltes ermöglichen. Die Anlageform bestimmt der Arbeitgeber, wobei bei ihm die
Anlage in eine der Formen der bAV zur Auswahl steht.
Die erhaltenen Renten aus dem Bereich der zweiten Schicht werden ebenfalls vollständig
nachgelagert besteuert. Dafür wird im Gegenzug während der Ansparphase eine staat­
liche Förderung z. B. über Zulagen oder den Sonderausgabenabzug gewährt.
Zertifizierung. Geförderte Anlageformen der kapitalgedeckten Basisrente (Rürup-Rente)
und der kapitalgedeckten Altersvorsorge (Riester-Rente) benötigen eine Zertifizierung
durch das Bundeszentralamt für Steuern und müssen folgende Merkmale aufweisen:
■■ Der Vertrag muss eine lebenslange und unabhängig vom Geschlecht berechnete Altersver-
sorgung vorsehen
■■ Eine Leistungserbringung aus dem Vertrag nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres (bei
■■
■■
■■
■■
Vertragsabschluss nach dem 31. 12. 2011 nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres) oder
dem Beginn einer Alters- oder Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 AltZertG)
Garantie der eingezahlten Beiträge zu Beginn der Auszahlungsphase
Auszahlung in Form einer monatlichen lebenslangen Leibrente1 in steigenden oder gleichbleibenden Beträgen oder in Form eines Auszahlungsplanes mit anschließender Teilkapitalverrentung ab dem 85. Lebensjahr
einmalige Teilkapitalauszahlung von bis zu 30 % des zu Beginn der Auszahlphase zur Ver­
fügung stehenden Kapitals
Regelungen über Ruhenlassen, Kündigung und Übertragung des Altersvorsorgevertrags
Das Bundeszentralamt für Steuern prüft und bescheinigt als Zertifizierungsstelle, ob Altersvorsorgeprodukte die geforderten Kriterien erfüllen, ohne aber Rentabilität und Sicherheit
der Anlage zu prüfen (§ 3 AltZertG).
1 Eine Leibrente ist nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleih- oder veräußerbar. Sie ist auch nicht kapitalisierbar. Das bedeutet,
dass sie nicht vorzeitig in abgezinster Form ausbezahlt werden kann.
183
2 Rechtliche und soziale Rahmenbedingungen der Arbeit im Betrieb​
Produkte der betrieblichen Altersversorgung müssen nicht zertifiziert werden.
Für alle Produktgruppen zertifizierter steuerlich geförderter Altersvorsorge-Verträge muss der Anbieter ein Produktinformationsblatt erstellen. Es soll Verbrauchern in gebündelter, leicht verständ­licher
und standardisierter Form einen Produktvergleich ermöglichen. Gleichzeitig erhöht es den Wettbewerbsdruck im Hinblick auf eine möglichst geringe Kostenbelastung der angebotenen Produkte.
3. Schicht: Kapitalanlageprodukte
Zur dritten Schicht der Altersvorsorge zählen private Kapitalanlageprodukte wie z. B. private Rentenversicherungen (außer die genannten Riester- und Rürup-Renten sowie Rentenversicherungen aus der Kategorie der betrieblichen Altersvorsorge). Diese Produkte
sind meist relativ flexible Produkte. So bieten diese oft die Möglichkeit, neben einer Absicherung für das Alter noch viele Zusatzversicherungen (zum Beispiel für den Todesfall oder
Berufsunfähigkeit) einzuschließen. Ebenso beinhalten die Produkte der dritten Schicht das
Kapitalwahlrecht bzw. Rentenwahlrecht, sodass die Versicherten zum Zeitpunkt des Rentenzahlungsbeginns bzw. der Kapitalauszahlung noch wählen können, ob sie ihr Geld in
Form einer lebenslangen Rentenzahlung oder einer Kapitalauszahlung bzw. einer Mischform aus beiden Alternativen erhalten möchten. Typisch für diese Schicht ist, dass die
Beiträge für diese Art der Altersvorsorge bereits aus versteuertem Einkommen resultieren
und daher weniger Einschränkungen unterliegen als die Anlageformen der ersten beiden Schichten. Kapitalanlageprodukte werden steuerlich nicht mehr als Altersvorsorge
angesehen, sondern als Kapitalanlage. Dennoch bleiben diese Produkte ein wesentlicher
Bestandteil der Altersvorsorge.
Renten aus Verträgen der dritten Schicht werden nur mit dem sogenannten Ertragsanteil
(Ertragsanteilbesteuerung) besteuert, dessen Höhe vom Alter des Renteneintritts abhängig ist.
Drei-Schichten-Modell der Altersversorgung
Schicht 3:
Kapitalanlage
Schicht 2:
Zusatzversorgung
Schicht 1:
Basisversorgung
Kapitalbildende
Lebensversicherung
Aktien
Investmentsparpläne etc.
Beiträge aus versteuertem Einkommen
Rentenbezüge sind nur mit Ertragsanteil zu versteuern
Erträge aus Kapitalauszahlungen teilweise steuerfrei
Betriebliche Altersversorgung,
z. B. Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds,
Unterstützungskasse
Riester-Renten
Beiträge/Aufwendungen sind i. d. R. in begrenztem Umfang steuerlich absetzbar
z. T. zusätzliche Förderung durch Zulagen
Rentenbezüge sind (ohne Übergangszeit) in voller Höhe nachgelagert zu versteuern
Gesetzliche
Rentenversicherung
Landwirtschaftliche Alterskassen
Berufsständische
Versorgungen
Rürup-Renten
Beiträge sind in hohem Maße steuerlich absetzbar
Rentenbezüge sind (nach der Übergangsphase bis 2040) in voller Höhe
nachgelagert zu versteuern
Quelle: in Anlehnung an Deutsche Bank, 2005
184
Kapitalbildende
Rentenversicherung
3.2 ​​Wirtschaftsordnungen
Gegenüberstellung der freien Marktwirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft
Freie Marktwirtschaft
Soziale Marktwirtschaft
Der Staat greift überhaupt nicht
in das Wirtschaftsgeschehen
ein. Er hat lediglich Überwachungsfunktionen (Nachtwächterstaat).
Der Staat greift in das Wirtschaftsgeschehen ein, um den Wohlstand und die soziale Sicherheit breiter Schichten zu gewährleisten (Sozialstaat).
Die Entscheidung darüber, was
und wie viel produziert wird,
liegt ausschließlich bei den
Unternehmen (Produktionsfreiheit, Gewerbefreiheit).
Grundsätzlich besteht Gewerbefreiheit, nicht jedoch für Gewerbezweige, die die Gesundheit und/oder die Sicherheit der
Bevölkerung gefährden können (eingeschränkte Gewerbefreiheit).
Die Entscheidung darüber, was
und wie viel gekauft wird, liegt
ausschließlich bei den Konsumenten (Konsumfreiheit).
Grundsätzlich besteht Konsumfreiheit, nicht jedoch bei gesundheitsgefährdenden Konsumgütern (z. B. Rauschgifte).
Es bleibt den Unternehmen und
Haushalten überlassen, ob und
wie viel sie importieren oder
exportieren wollen (uneingeschränkter Freihandel).
Grundsätzlich besteht Freihandel und freie Austauschbarkeit
der Währungen. Eingriffe in den Außenhandel sind aus konjunkturpolitischen Gründen erlaubt und erwünscht (z. B. Aufoder Abwertungen, Freigabe der Wechselkurse, Devisenpolitik
der Notenbank, Zollsatzänderungen, Verbot des Waffenhandels mit kriegsgefährdeten Gebieten usw.).
Die Ausgestaltung der Verträge
(Kauf-, Miet-, Pacht-, Kartellverträge usw.) wird den Vertragsparteien überlassen (Vertragsfreiheit).
Eingeschränkte Vertragsfreiheit durch Verbot des Wuchers, der
Ausnutzung der Notlage eines anderen, Kartellgesetzgebung,
Missbrauchsaufsicht, Fusionskontrolle, Unternehmensrecht
usw.
Das Geld übt seine Funktionen
ohne Eingriffe des Staates bzw.
einer Zentralbank aus.
Das Geld ist darüber hinaus Steuerungsmittel: Durch die
notenbankpolitischen Instrumentarien (z. B. Offenmarktpolitik, Mindestreservepolitik) soll der Wirtschaftsablauf in der
gewünschten Richtung beeinflusst werden.
Das Privateigentum an den Produktionsmitteln ist gewährleistet.
Grundsätzlich steht das Eigentum unter dem Schutz des Staates. Staatseigentum an Produktionsmitteln ist möglich oder
erwünscht (z. B. Sozialisierung, um Arbeitsplätze zu sichern).
Freie Berufswahl, Arbeitsplatzwahl und Freizügigkeit müssen
garantiert sein.
Grundsätzlich bestehen freie Berufswahl, Arbeitsplatzwahl und
Freizügigkeit. Um Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
abzuschwächen, sind staatliche indirekte Lenkungsmaßnahmen
erwünscht (Beihilfen zur Umschulung, Stellenvermittlung durch
die Agenturen für Arbeit, Berufsberatung, Bildungspolitik).
Die Verteilung des Volkseinkommens ist das Ergebnis der
Marktprozesse.
Der Staat nimmt eine Einkommensumverteilung mit dem Ziel
einer „sozialverträglichen Einkommensverteilung“ vor: prozentual höhere Versteuerung der mittleren und höheren Einkommen (Steuerprogression), Kindergeldzahlungen, Wohngeld
für Bezieher niedrigerer Einkommen, Ausbildungsförderung,
Arbeitslosengeld, Sparförderung.
Bildung ist Privatsache.
Bildung ist grundsätzlich Aufgabe des Staates. Jeder soll
gemäß seinen Fähigkeiten und Neigungen die gleichen Bildungschancen haben („Chancengleichheit“). Der Staat stellt
die Mittel für die Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Die
sozial Schwachen erhalten Beihilfen.
233
4 Grundlagen der Preisbildung
4.1 Märkte und Marktformen
4.1.1 Der Markt als Treffpunkt von Angebot und Nachfrage
In der Marktwirtschaft stellen die Wirtschaftssubjekte autonom ihre Wirtschaftspläne auf.
Sie wirtschaften, indem sie knappe Mittel planmäßig für die Bedürfnisbefriedigung einsetzen. Die Koordination der einzelwirtschaftlichen Pläne erfolgt über den Markt. Dort
werden Angebot und Nachfrage zusammengeführt und mittels des Preises aufeinander
abgestimmt.
Die mit Kaufkraft (bzw. Einkommen) versehenen Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte1
nennen wir Bedarf. Kann der Bedarf nicht durch Eigenproduktion gedeckt werden, wird er
auf dem Markt als Nachfrage wirksam. Somit kann man sagen:
Die Nachfrage setzt sich aus der Summe aller mit Kaufkraft ausgestatteten Kaufwünsche der Wirtschaftssubjekte zusammen.
Andererseits werden aufgrund der Nachfrage in den wirtschaftlichen Betrieben Sachgüter
und Dienstleistungen produziert, um sie den Kaufwilligen gewinnbringend oder zumindest
kostendeckend anzubieten:
Das Angebot setzt sich aus der Summe aller Verkaufswünsche der Wirtschaftssubjekte zusammen.
Treffen Angebot und Nachfrage zusammen, sodass Kaufabschlüsse getätigt werden können, sprechen wir von Markt. So treten z. B. auf dem Wochenmarkt Hausfrauen (-männer)
als Nachfrager auf, Markthändler hingegen als Anbieter.
Unter Markt versteht man das Zusammentreffen der kaufwilligen und kaufkräftigen
Nachfrage mit dem verkaufswilligen und lieferfähigen Angebot.
4.1.1.1 Entstehung der Nachfrage
Bedürfnisse. Jeder Mensch hat Wünsche, die er zu befriedigen sucht. Sie entspringen
einem Gefühl des Mangels. Der Hungrige hat z. B. Mangel an Nahrung, der Frierende Mangel an Wärme usw.
Mangelgefühle, die mit dem Streben nach Beseitigung des Mangels verbunden sind,
bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre als Bedürfnisse.
Bedürfnis = Mangelgefühl, verbunden mit dem Streben, den Mangel zu beseitigen.
Die Bedürfnisse des Menschen werden als unendlich groß gekennzeichnet.
Einsichtig ist die Tatsache, dass die Wünsche der Menschen die ihnen zur Befriedigung zur
Verfügung stehenden Mittel übersteigen.
Die Bedürfnisse sind unendlich groß.
Die Wünsche des Menschen übersteigen die verfügbaren Mittel.
1 Wirtschaftssubjekte sind einzelne an der Wirtschaft beteiligte Menschen oder Sozialgebilde wie Familien, private Wirtschaftsbetriebe
oder staatliche Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsanstalten).
281
4 Grundlagen der P
​ reisbildung
Beispiele für B2C-Marktplätze:
Branche
Name
Shopfinder.de
Virtuelles Shopregister mit über 5 000 Shop-Einträgen.
wowowo.de
Meta-Shop für den Privatbereich. Bündelt die Angebote von über 7 000 Online-Shops.
Check24.de
Deutschlands größter Ratenkreditvermittler, der mittlerweile auch Versicherungen
sowie Strom-, Gas,- Handy-, DSL-, Reise- und Fluganbieter vergleicht.
Ebay.de
Deutscher Ableger des nach eigenen Angaben größten Auktionshauses im Internet.
Letsbuyit.com
Pionier des Powershopping in Deutschland. Dabei wird ein angebotenes Produkt
umso billiger, je mehr es über die Website bestellen.
4.5 Staatliche Beeinflussung der Preisbildung
Indirekte (mittelbare) Preislenkung (marktkonforme Eingriffe). Der Staat kann versuchen,
die Preisbildung indirekt (= mittelbar) zu beeinflussen. Hier verringert oder erhöht der
Staat das Angebot oder die Nachfrage, indem er selbst als Anbieter oder als Nachfrager
auftritt. Der Marktmechanismus wird also nicht außer Kraft gesetzt.
Auch mithilfe von Steuersatzänderungen und Subventionszahlungen (= Gewährung von
Zuschüssen) kann der Staat mittelbar auf Angebot und Nachfrage und damit auf den Preis
einwirken.
Beispiele:
Es mag z. B. sein, dass der Staat aus sozialen
Gründen den Wohnungsbau anregen will. Dies
kann er erreichen, indem er selbst für sozial
schwache Bevölkerungsschichten Wohnbauten in Auftrag gibt. Er kann aber auch auf
die Weise auf den Markt einwirken, dass er
­einkommensschwachen Bevölkerungskreisen
Wohngeld auszahlt, wodurch diese in die Lage
versetzt werden, mehr und besseren Wohnraum nachzufragen (Subventionspolitik). Die
Gefahr derartiger staatlicher Interventionen
(= Staatseingriffe) besteht natürlich darin,
dass – bei Vollbeschäftigung – die Preise steigen.
Steigende Baupreise kann der Staat bremsen, indem er eigene Bauvorhaben zurückstellt,
und zwar so lange, bis ein Beschäftigungsrückgang in der Bauindustrie eintritt. Dann nämlich kann der Staat die Beschäftigung sichern, indem er die zurückgehaltenen Aufträge an
die Bauwirtschaft erteilt.
Auch auf der Angebotsseite kann der Staat marktkonforme Mittel einsetzen. So ist es z. B.
möglich, durch Zollsenkungen die Importe zu erhöhen, um Preissteigerungen im Inland
zu begegnen. Oder er kann den Produzenten Steuererleichterungen (= indirekte Subventionen) gewähren, in der Hoffnung, dass diese die Kostensenkung an die Abnehmer weitergeben werden.
Direkte Preislenkung (marktkonträrer Eingriff) ist gegeben, wenn der Staat die Preise vorschreibt.
Höchstpreise. Es mag beispielsweise sein, dass die soziale Rücksichtnahme auf einkommensschwache Bevölkerungsschichten eine Regierung dazu veranlasst, Höchstpreise für
bestimmte Güter vorzuschreiben. Dies bedeutet, dass sich unterhalb dieser Höchstpreise
eine freie Preisbildung vollziehen kann. Der Regelfall wird jedoch sein, dass der Preis, der
sich bei freier Konkurrenz ergäbe (= natürlicher Preis, Gleichgewichtspreis), höher als der
staatliche Höchstpreis ist – denn sonst benötigte man die Höchstpreisvorschriften nicht.
316
4.5 ​Staatliche Beeinflussung der Preisbildung
Formen politischer Preisbildung
Marktkonforme Eingriffe
des Staates
Beeinflussung
der Nachfrage
Beeinflussung
des Angebots
Marktkonträre Eingriffe
des Staates
Höchstpreis
Mindestpreis
Festpreis
Aus der Abbildung lässt sich ablesen,
P
A
dass beim Höchstpreis P0 die Menge x2
nachgefragt, aber wegen des niedrigen
N
Preises nur die Menge x1 angeboten wird.
Es besteht also eine Angebotslücke in
Höhe der Menge x2 – x1, d. h., die Käufer,
die zu diesem Preis zu kaufen in der Lage
sind, können nicht alle beliefert werden.
Die Höchstpreisvorschrift verlangt also
vom Staat weitere Maßnahmen. Entweder
muss das Angebot zwangsweise ver­
Höchstpreis
größert (Ablieferungspflicht für die Anbie­
P0
ter) oder die Nachfrage verkleinert wer­
den (Bezugsscheinsystem, Rationierung),
wenn die Entstehung eines schwarzen
0x1
x2x
Marktes verhindert werden soll. Unter
schwarzem Markt versteht man den ungesetzlichen Handel zu Preisen, die über den staat­
lich fixierten Preisen liegen.
Mindestpreise. Im Unterschied zum Höchstpreis, der zum Schutz des Verbrauchers oder
der Vertuschung staatlicher Inflationspolitik (verdeckte Inflation) dienen soll, ist der staat­
liche Mindestpreis ein Mittel zum Schutz des Produzenten (Anbieters). In den meisten
westlichen Industriestaaten finden wir den Mindestpreis vor allem bei landwirtschaftli­
chen Erzeugnissen, also zum Schutz der
A
N
P
einheimischen Landwirtschaft. Liegt der
vorgeschriebene
Mindestpreis
unter
dem Preis, der sich bei freier Konkurrenz
ergeben würde (natürlicher Preis, Gleich­
gewichtspreis), kann sich der Marktpreis
frei bilden. Die staatliche Preisvorschrift
hat keinen Einfluss, sodass sie eigentlich
Mindestpreis
überflüssig ist. Im Normalfall wird daher
P0
der Mindestpreis über dem Gleichge­
wichtspreis liegen.
Aus der Abbildung ist zu entnehmen,
dass sich in diesem Fall eine Nachfragelücke ergeben muss, denn bei dem vorge­
schriebenen (zu hohen) Preis P0 wird die
Menge x1 nachgefragt, aber die Menge x2
0x1
x2x
317
7 Der Wert des Geldes​
7.2 Der Außenwert des Geldes
7.2.1 Begriff
Während der Binnenwert des Geldes an der einzutauschenden Gütermenge gemessen
wird, verstehen wir unter dem Außenwert des Geldes das Austauschverhältnis zwischen
zwei Währungen, das sich im Wechselkurs niederschlägt. Der Kurs (Wechselkurs) drückt
das Wertverhältnis zwischen zwei Währungen aus.
Mengennotierung
Preisnotierung
Kurs =
Menge der Auslandswährung, die
man für eine Einheit der Inlandswährung erhält.
Anwendung in angelsächsischen Ländern und
bei der Euro-Notierung
Beispiel:
Im Euroland notiert der USD:
EUR/USD: 1,0885
bedeutet:
für 1 Euro erhält man 1,0885 USD
Kurs =Preis in Inlandswährung, der für eine
bestimmte Menge der Auslandswährung (1, 100, 1 000) zu zahlen ist.
Anwendung in bestimmten Ländern außerhalb
des Eurolandes
Beispiel:
In Tokio notiert der USD:
USD/JPY: 118,947
bedeutet:
1 USD kostet 118,947 japanische Yen
Gehandelte Währung → Inlandswährung
Gehandelte Währung → Auslandswährung
7.2.2 Arten der Wechselkurse
Das Austauschverhältnis zwischen zwei Währungen kann durch völlig flexible, stabile
oder starre Devisenkurse ausgedrückt werden.
■■ Völlig flexible Wechselkurse sind gegeben, wenn sich der Preis für Devisen frei am
Markt bilden kann. Beim „Floating“ haben wir eine solche völlig flexible Wechselkursbildung (z. B. USD oder GBP).
Das kommt auch den Verbrauchern zugute. Denn ein schwacher Euro treibt die Preise für Benzin
und Heizöl in die Höhe: Rohöl wird weltweit in Dollar abgerechnet.
■■ Stabile Wechselkurse (begrenzt flexible Wechselkurse) bilden sich, wenn Devisenkurs-
änderungen nur innerhalb bestimmter Grenzen möglich sind. Das Austauschverhältnis
der einheimischen Währung wird als Parität zum Gold, zu Sonderziehungsrechten oder
Fremdwährungseinheiten festgelegt. Abweichungen von der Parität werden nur innerhalb bestimmter Bandbreiten zugelassen.
Beispiel:
WKM II (vgl. Kapitel 10.11.3).
EU-Länder
1 EUR
= 7,4501 DKK (Schwankungsbreite +/– 2,25 %)
Für Dänemark wurde eine Bandbreite von +/– 2,25 % beschlossen. Bei Erreichen der Bandbreitengrenzen besteht vonseiten der Zentralbanken die grundsätzlich automatische und
betragsmäßig unlimitierte Verpflichtung zu kursstützenden Interventionen.
402
7 Der Wert des Geldes​
7.2.3 Auf- und Abwertung einer Währung
Die Erhöhung oder Herabsetzung des Wechselkurses gegenüber dem Wertmaß (z. B.
USD, SZR, EUR) verändert den Wert der eigenen Währung zu allen anderen Währungen.
Die Begriffe Auf- und Abwertung beziehen sich auf feste bzw. relativ feste Wechselkurse.
Bei frei schwankenden Wechselkursen wird auch von De-Fakto-Aufwertung/-Abwertung
gesprochen.
Aufwertung
Abwertung
Erhöhung
Herabsetzung
des Außenwerts und damit der Menge
eintauschbarer Güter für eine Geldeinheit
des Außenwerts und damit der Menge
eintauschbarer Güter für eine Geldeinheit
bedeutet
Kurserhöhung
bedeutet
Kurssenkung
Beispiel:t1 1 Euro = 8,9961 SEK
t2 1 Euro = 9,3605 SEK
Beispiel:t1 1 Euro = 9,3066 SEK
t2 1 Euro = 8,9975 SEK
7.2.3.1 Aufwertung
Ursachen einer Aufwertung können sein:
■■ Unterschiede in der Entwicklung der Preisniveaus von Währungsgebieten. Steigen im
Fremdwährungsland die Preise schneller als im eigenen Währungsgebiet, führt das in
der Regel zu einem Anstieg des Exports, während der Import aufgrund der gestiegenen
Einfuhrkosten nachlässt. Die Folge sind Überschüsse in der Handelsbilanz und, wenn
anderweitig kein Ausgleich erfolgt (z. B. Kapitalexporte), in der Zahlungsbilanz.
■■ Geld- und Kapitalzuflüsse, die teilweise angeregt werden durch die Hoffnung auf
­ pekulationsgewinne bei einer bevorstehenden Aufwertung oder durch das AusnutS
zen von Zinsunterschieden, die sich evtl. durch Maßnahmen der Notenbanken ergeben
können.
Folgen der Aufwertung müssen mit ihren Wirkungen im Fremdwährungsland und im
eigenen Währungsgebiet gesehen werden. Für das Fremdwährungsgebiet als Importland
bedeutet die Aufwertung eine Verteuerung der eingeführten Güter und in vielen Fällen
ein Ausweichen auf gleiche oder ähnliche Güter, die nunmehr gleich teuer oder gar billiger geworden sind. Damit ist häufig ein Nachlassen der Nachfrage verbunden. Eine gleiche Entwicklung ist für die Dienstleistungen des aufwertenden Währungsgebiets (Reisen
u. Ä.) festzustellen. Auf der anderen Seite ist für das Fremdwährungsgebiet der Export in
das aufwertende Land günstiger, denn nunmehr kann billiger und damit wahrscheinlich
auch mehr exportiert werden. Ebenso werden Dienstleistungen im eigenen Währungsgebiet günstiger angeboten, d. h., Reisen in ein Fremdwährungsland werden sich kurz
nach einer Aufwertung fast immer „lohnen“. Durch die Folgen der Aufwertung, so könnte
man annehmen, ist das Ungleichgewicht schneller wieder ins Gleichgewicht gebracht.
Aber ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Im aufwertenden Währungsgebiet können
durch ein Zurückgehen des Exports in das Devisenland und ein gleichzeitiges Zunehmen
des Imports aus dem Devisenausland nachteilige Folgen für die Beschäftigung mit evtl.
folgender Arbeitslosigkeit auftreten. Der Verzicht auf eine Aufwertung kann jedoch auf der
404
7 Der Wert des Geldes​
Deutschlands Außenhandel hat neue RekordmarDeutschlands Außenhandel
ken erreicht. Mit Ausin Milliarden Euro
fuhren im Wert von rund
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015*
1 195,8 Milliarden Euro
1 195,8
1 123,7
lagen die deutschen
1 092,6 1 088,0
Exporte um 6,4 Prozent
1 061,2
984,1
über dem VorjahreserAusfuhr
965,2
952,0
gebnis. Die Importe stie893,0
803,3
948,0
gen um 4,2 Prozent auf
910,1
786,3
902,5 899,4 890,4
948 Milliarden Euro. Im
805,8
797,1
Mrd. €
769,9
Ergebnis kletterte der
734,0
Überschuss im Außen664,6
628,1
handel auf einen Rekordwert von 247,8 Milliarden
Einfuhr
Euro. Im Jahr zuvor war
der Saldo mit 213,6 Milli247,8
Mrd. €
213,6
arden Euro deutlich nied195,3
197,6
193,2
178,3
+ 158,2 159,0
158,7
154,9
138,7
riger. Besonders positiv
im Vergleich zum Vorjahr
entwickelte sich erneut
Handelsüberschuss
der Handel mit den EU*vorläufig, Stand Feb. 2016
Quelle: Statistisches Bundesamt © Globus 10834
Partnerländern, die nicht
zur Eurozone gehören, also beispielsweise Großbritannien und Polen. Dort gab es insgesamt ein Plus
von 8,9 Prozent bei den Exporten und 5,9 Prozent bei den Importen. Der Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels geht davon aus, dass 2016 die Exporte noch einmal um 4,5 Prozent
und die Importe um vier Prozent zulegen werden.
7.4 Geldwertstörungen
7.4.1 Die Inflation
7.4.1.1 Begriff und Wesen
Inflation = Vermehrung des Geldumlaufs über den volkswirtschaftlichen Bedarf hinaus. (inflare = aufblähen)
Inflation nennen wir die Situation, die durch die Veränderung des Gleichgewichts von
Güternachfrage und Güterangebot hervorgerufen wird und sich in der Steigerung des
Preisniveaus ausdrückt.
Gründe für das Entstehen einer Inflation können auf der Angebotsseite und auf der Nachfrageseite liegen. Man spricht deshalb von: 1
angebotsinduzierter1 Inflation
und
nachfrageinduzierter Inflation
Die Anbieter rechnen gestiegene Herstellungs- oder Beschaffungskosten
oder zusätzliche Gewinne unabhängig
von der Güternachfrage in die Güterpreise ein.
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
übersteigt das gesamtwirtschaftliche
Güterangebot.
Preissteigerung
Preissteigerung
1 Induzieren = einleiten, verursachen.
422
7.4 ​​Geldwertstörungen
Die Ursache für eine angebotsinduzierte Inflation liegt u. a. darin, dass das Angebot aufgrund steigender Kosten zunimmt (jede denkbare Angebotsmenge muss zu höheren Preisen angeboten werden). Ist die Nachfrage nicht vollkommen elastisch, steigen die Preise
bei zurückgehender Absatzmenge (bei zurückgehender Beschäftigung).
Die Ursache für eine nachfrageinduzierte Inflation liegt darin, dass die Wirtschaft nicht in
der Lage ist, der erhöhten Nachfrage in kurzer Zeit mit einem erhöhten Angebot zu begegnen. Das ist beispielsweise im Stadium der Vollbeschäftigung der Fall.
7.4.1.2 Arten der Inflation
■■ Unterscheidung nach Entstehungsbereichen
Angebotsinduzierte Inflationsarten
Inflationsart
Erläuterungen
Rohstoffkosteninflation
Steigende Rohstoffkosten führen, wie wir in der Vergangenheit gesehen
haben, zu Preissteigerungen. (Die Ölkrise brachte hohe Einkaufspreise für
Öl und damit ein Ansteigen der Energiekosten.)
Lohnkosteninflation
Je nach Machtverhältnissen ist es möglich, dass die Gewerkschaften Lohnund Gehaltsforderungen durchsetzen, die über dem Produktivitätszuwachs
liegen. Die Unternehmen ihrerseits wälzen die erhöhten Lohnkosten über
die Preise auf die Nachfrager ab.
Die Folge der auf die Preise überwälzten Kosten werden i. d. R. erneute,
höhere Lohnforderungen der Gewerkschaften sein, die dann wieder durch
höhere Preisforderungen der Unternehmer beantwortet werden. Ein solches Abwechseln von Lohn- und Preisforderungen bezeichnet man als
„Lohn-Preis-Spirale“ oder „Preis-Lohn-Spirale“, je nachdem, wen man als
Verursacher der Spirale ansieht.
Zinskosteninflation
Die Verringerung des Geldwerts durch eine Inflation führt oft zu einer Erhöhung der Zinssätze. Darunter haben besonders die Unternehmen zu leiden,
die auf Kredite angewiesen sind. Die Zinskosten werden über die Preise an
die Nachfrager weitergegeben.
Gewinninflation
Eine Inflation, die von der Nachfrageseite ausgeht, bedeutet im Allgemeinen Gewinnerhöhungen für die Unternehmen, da die „andere Seite“ meist
mit den neuen Forderungen hinterherhinkt. Eine Gewinninflation liegt aber
nur dann vor, wenn der Gewinn der Unternehmer auch gleichzeitig die
Inflation auslöst. Das kann der Fall sein, wenn
■■ die Preiserhöhung nicht Folge einer erhöhten Nachfrage ist, sondern
wegen eines Mehrgewinns vorgenommen wird,
■■ die Preiserhöhung bei erhöhter Nachfrage oder Kostensteigerung
unverhältnismäßig höher ausfällt,
■■ die Preiserhöhung durch die Fixkostensteigerung bei abnehmender
Beschäftigung (und zunehmender Arbeitslosigkeit) so ausfällt, dass die
Unternehmen den gleichen prozentualen Gewinnsatz wie vorher erzielen.
423
7 Der Wert des Geldes​
Nachfrageinduzierte Inflationsarten
Inflationsart
Erläuterungen
Staatsinflation
Stehen dem Staat nicht genügend Steuereinnahmen zur Finanzierung seiner Vorhaben zur Verfügung, wird er versuchen, Kredite bei der Notenbank
aufzunehmen. Wird nur mehr Einkommen geschaffen, aber keine Erhöhung des Güterangebots erreicht, führt dieses Vorgehen zu einer Inflation.
Paradebeispiel für ein solches Vorgehen sind Aufrüstungen und Kriege. In
Friedenszeiten können sowohl zusätzliche Investitionen als auch verstärkte
Sozialleistungen (soweit kreditfinanziert) zu einer inflatorischen Entwicklung beitragen.
Konsuminflation
Von einer Konsuminflation sprechen wir, wenn private Haushalte durch
Sozialleistungen des Staates, durch Kreditaufnahme bei den Banken oder
durch Lohnerhöhungen über den Produktivitätszuwachs hinaus in die Lage
versetzt werden, die Nachfrage gegenüber dem Güterangebot erheblich zu
erhöhen. Dabei wird Vollbeschäftigung unterstellt.
Investitionsinflation
Wir sprechen auch von einer Investitionsinflation, wenn Unternehmer aus
günstigen Zukunftserwartungen heraus Investitionen vornehmen, die weit
über den Möglichkeiten der Investitionsgüterindustrie liegen und damit
auf dem Investitionsgütermarkt zu Preiserhöhungen beitragen, die auf den
Konsumgütermarkt übertragen werden.
Importierte
Inflation
Wie der Begriff schon sagt, hängt diese Form der Inflation mit dem Ausland
und dem Außenhandel zusammen. Wir unterscheiden dabei zwei Ursachen:
1. Durch Exportüberschüsse entstehen Zahlungsbilanzüberschüsse. Dem
Zustrom von Geldern aus dem Ausland steht keine Erhöhung des
Güterangebots im Inland gegenüber. Besteht dazu noch ein höheres
Zinsniveau als im Ausland, zieht der höhere Zins fremdes Kapital an und
erhöht damit die Zahlungsbilanzüberschüsse. Diese beiden Ereignisse
können einzeln oder zusammen auftreten.
2. Dieser Effekt kann eine Verstärkung erfahren, wenn im Ausland inflationäre Tendenzen herrschen. Der Inland-Produzent kann daraufhin
sein Auslandsangebot zulasten des Inlandsangebots erweitern oder im
Inland durch Preiserhöhungen gleiche Erträge wie im Ausland erzielen
wollen. Zudem wäre noch eine Exportausweitung durch Ausweitung
der Kapazität mit Voll- oder Überbeschäftigung möglich. Das Ergebnis
zeigt sich auch hier wieder in einer Geldvermehrung im Exportland, hervorgerufen durch das Ungleichgewicht von Export und Import.
■■ Unterscheidung nach der Erkennbarkeit
Inflationsart
Erläuterungen
Offene Inflation
Bei der offenen Inflation ist der Geldentwertungsprozess erkennbar, weil
die Preise sichtbar ansteigen.
Die Erwartung steigender Preise führt beim Verbraucher zu steigender
Nachfrage und beim Unternehmer zur Zurückhaltung von Waren. Warenverknappung und Steigerung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes führen zu einem Prozess ständig sich steigernder Geldentwertung.
424
7.4 ​​Geldwertstörungen
Inflationsart
Erläuterungen
Verdeckte Inflation
Bei der verdeckten Inflation werden lediglich die Symptome der offenen
Inflation durch staatliche Maßnahmen beseitigt. Der Preisanstieg wird
durch Preisstopp verdeckt, der das Steigen der Preise unterbindet.
Der Güterverknappung begegnet man durch Rationierung der Güter und
Produktionsauflagen.
Der Nachfrageüberhang lässt sich durch die genannten Maßnahmen nicht
beseitigen.
Es bilden sich „Schwarzmärkte“, auf denen sich – entgegen den staatlichen
Vorschriften – die Preise frei bilden.
■■ Unterscheidung nach der Geschwindigkeit der Geldentwertung
Inflationsart
Erläuterungen
Schleichende
Inflation
Die schleichende Inflation ist durch ständige geringfügige Preissteigerungen gekennzeichnet. Der Umfang der Geldentwertung ist demnach relativ
gering.
Schleichende Inflation ist eine typische Erscheinung unserer Zeit.
Galoppierende
Inflation
(Hyperinflation)
Die galoppierende Inflation ist gegeben, wenn die Geldentwertung schnell
innerhalb kurzer Zeiträume erfolgt.
Übersicht der Inflationsarten
Unterscheidungsmerkmale
Inflationsarten
angebotsinduziert
Rohstoffkosteninflation
Lohnkosteninflation
Zinskosteninflation
Gewinninflation
nachfrageinduziert
Staatsinflation
Konsuminflation
Investitionsinflation
Importierte Inflation
Entstehungsbereiche
Erkennbarkeit
Offene Inflation
Verdeckte Inflation
Geschwindigkeit
der Geldentwertung
Schleichende Inflation
Galoppierende Inflation
7.4.1.3 Wirkungen der Inflation
Die Wirkungen der Inflation zeigen sich sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der
Nachfrageseite.
■■ Die Wirkungen auf die Unternehmen. Im Allgemeinen steigen zunächst die Gewinne,
da meistens die Kosten für Löhne und Gehälter sowie die Kosten für Güter und Leistungen, die von öffentlichen Institutionen bezogen werden – Wasser, Energie, Frachtkosten
der DB Cargo – mit einer zeitlichen Verzögerung angehoben werden.
425
8 Der Wirtschaftskreislauf
8.1 Einfacher Wirtschaftskreislauf
Alle wirtschaftliche Produktion ist letztlich auf den Verbrauch ausgerichtet. Die Produktion
erfolgt durch Kombination von Produktionsfaktoren. Das geschieht in den Unternehmen,
die in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft die Faktorkombination vornehmen.
Die erzeugten Güter (Sachgüter und Dienstleistungen) gehen von den Produktionseinheiten, den Unternehmen, an die Verbrauchseinheiten, die wir als Haushalte bezeichnen.
Von den Unternehmen fließt ein Strom von Konsumgütern an die Haushalte. Die Haushalte stellen den Unternehmen die benötigten Produktionsfaktoren zur Verfügung. Es handelt sich ebenfalls um einen Strom von knappen Gütern (Arbeit, Boden, Kapital), der von
den Haushalten zu den Unternehmen fließt.
Güterstrom
Arbeit, Boden, Kapital
Haushalte
Verbrauc h
P roduk tion
Unternehmen
Güterstrom
Konsumgüter
Durch die Zurverfügungstellung von Arbeit, Boden und Kapital erzielen die Haushalte Einkommen (Lohn,1 Zins, Grundrente). Von den Unternehmen zu den Haushalten fließt demnach ein – dem Güterstrom entgegengerichteter – Geldstrom. Die Haushalte müssen die
von ihnen erworbenen Konsumgüter bezahlen. Dem Konsumgüterstrom entspricht also
ein von den Haushalten zu den Unternehmen fließender Geldstrom in Form von Konsumausgaben.
Geldstrom
Lohn, Zins, Grundrente
Güterstrom (Realstrom)
Arbeit, Boden, Kapital
H
U
Güterstrom (Realstrom)
Konsumgüter
Geldstrom
Konsumausgaben
1 Lohn im volkswirtschaftlichen Sinne ist das Arbeitsentgelt für abhängig Beschäftigte (z. B. für Arbeiter, Angestellte, Richter, Soldaten).
441
8 Der ​Wirtschaftskreislauf
8.2 Erweiterter Wirtschaftskreislauf
Bei der Darstellung des einfachen Wirtschaftskreislaufs wurde von der vereinfachten
Annahme ausgegangen, dass die Haushalte die erzielten Einkommen nur konsumtiv verwenden. Das Sparen als weitere Möglichkeit der Einkommensverwendung wurde also
nicht berücksichtigt.
Bezieht man das Sparen in die Kreislaufbetrachtung ein, so muss man den Institutionen
Haushalte und Unternehmen die Kapitalsammelstellen hinzufügen. Zu den Kapitalsammelstellen rechnen in erster Linie die Kreditinstitute, aber auch die Versicherungen.
Von den Haushalten fließt ein Geldstrom in Form von Ersparnissen zu den Kapitalsammelstellen und von diesen ein Zinsstrom zu den Haushalten. Unterstellt man, dass auch
betriebliches Sparen über die Kapitalsammelstellen erfolgt, werden auch die Kapitalsammelstellen und die Unternehmen durch je einen Strom von Ersparnissen und Zinsen verbunden.
Die Kreditinstitute (Versicherungen u. a.) arbeiten mit den ihnen zugeflossenen Geldern.
Sie führen sie als Kredite den Haushalten (Konsumkredite) und Unternehmen (Kredite für
Investitionen) zu. Die Kredite für Investitionszwecke dienen der Bildung von Produktivkapital und sollen letztlich zur Ausweitung des Güterangebots führen. Unternehmen und
Haushalte zahlen für die gewährten Kredite Zinsen an die Kapitalsammelstellen.
Konsumk redite
Zinsen
H
Zinsen
tio
Investi
Kapitalsammelstellen
Ersparnisse
nsk redite
Zinsen
U
Zinsen
Ersparnisse
Konsumgüter
Konsumausgaben
Eine bedeutsame Wirtschaftseinheit stellt – neben Haushalten, Unternehmen und Kapitalsammelstellen – der Staat dar.
Unter den Sektor Staat fallen bei unserer Betrachtung: Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände und Organisationen ohne Erwerbscharakter (z. B. Sozialversicherungen).
442
8.2 ​Erweiterter Wirtschaftskreislauf
Der Staat erbringt für die Allgemeinheit – und damit auch für die Wirtschaft – vielfältige
Leistungen wie z. B.: Verwaltung, Sozialleistungen (Elterngeld, Unterhaltszuschuss, Hilfe in
außergewöhnlichen Notlagen, Sozialversicherung), Rechtsprechung, Bildungswesen, Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen (Unterhalt von Straßen und Autobahnen, Betrieb
von Nahverkehrsmitteln, Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung), Gesundheitswesen.
Die Finanzierung der staatlichen Leistungen erfolgt überwiegend durch die Erhebung von
■ Steuern
= Zwangsabgaben ohne spezielle Entgeltlichkeit,
■ Gebühren = spezielles Entgelt für die Inanspruchnahme einer staatlichen Institution; z. B.
Gebühr für die Ausstellung eines Passes oder für ein polizeiliches Führungszeugnis und
■ Beiträgen = von öffentlich-rechtlichen Institutionen erhobene Geldleistungen bei denjenigen, die einen unmittelbaren Vorteil aus im öffentlichen Interesse gemachten
Aufwendungen erlangen; z. B. Sozialversicherungsbeiträge, Straßenbaukosten bei Grundstückserwerb.
Staatliche Investitionen werden teilweise durch Aufnahme von Krediten (Staatsanleihen,
Kommunalobligationen) finanziert, die auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden.
Konsumk redite
U
n
Zinsen
ng
tu
is
Le
ge
un
Le
is
t
e
tli
ch
e
ch
tli
aa
aa
St
en
Ersparnisse
Zinsen
St
Zinsen
Kapitalsammelstellen
nskredite
Kredite
Zinsen
H
tio
Investi
Staat
443
9 ​Inlandsprodukt, Nationaleinkommen und Volkseinkommen​
9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und
die Verteilung des Volkseinkommens
Die Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses einer Volkswirtschaft für eine bestimmte Periode
(z. B. ein Jahr) werden von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) erfasst. Sie
liefern den Trägern der Wirtschaftspolitik wichtige Informationen u. a. darüber, was die
eingeleiteten wirtschaftspolitischen Maßnahmen bewirkt haben.
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gibt es drei verschiedene Ansätze zur
Berechnung des Bruttoinlandsprodukts:
■ Entstehungsrechnung: Wo ist das Bruttoinlandsprodukt entstanden?
■ Verwendungsrechnung: Wie wird das Bruttoinlandsprodukt verwendet?
■ Verteilungsrechnung: Wie werden die bei der Entstehung des Bruttoinlandsprodukts
erzielten Einkommen verteilt?
9.2.1 Entstehungsrechnung
Die Entstehungsrechnung erfasst die wirtschaftliche Leistung einer Periode nach ihren
Quellen, d. h. nach den Wirtschaftsbereichen (Produktionsansatz). Die Wirtschaftsbereiche, die Güter produzieren, werden in drei Gruppen untergliedert:
Primärer Sektor
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Sekundärer Sektor
produzierendes Gewerbe
Tertiärer Sektor
■ Dienstleistungen mit den Bereichen Handel, Gastgewerbe und Verkehr
■ Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister
■ öffentliche und private Dienstleister
Die Summe der wirtschaftlichen Leistungen der einzelnen Wirtschaftsbereiche (Produktionswert – Vorleistungen) ergibt die Bruttowertschöpfung. Werden anschließend die
Gütersteuern hinzugezählt und die Gütersubventionen abgezogen,1 so erhält man das
Bruttoinlandsprodukt.
Um den tatsächlichen Wertzuwachs/Wertverlust der Wirtschaftsbereiche feststellen zu
können, muss der Wertverlust (Abschreibungen), der durch die Nutzung der Produktionsmittel entstanden ist, abgezogen werden (Nettowertschöpfung).
Nettowertschöpfung = Bruttowertschöpfung – Abschreibungen
1 Der Saldo zwischen den Gütersteuern und den -subventionen heißt Nettoproduktionsabgabe.
450
9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und die Verteilung des Volkseinkommens
Werden die Abschreibungen vom Bruttoinlandsprodukt abgezogen, so erhält man das
Nettoinlandsprodukt.
Nettoinlandsprodukt = Bruttoinlandsprodukt – Abschreibungen
Entstehung des Bruttoinlandsprodukts
in der Bundesrepublik Deutschland 2015 (in Mrd. €)
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
+ Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe
+ Baugewerbe
+ Handel, Gastgewerbe und Verkehr
+ Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister1
+ Öffentliche und private Dienstleister2
= Bruttowertschöpfung
f
+ Gütersteuern
h
– Gütersubventionen
4 j
=Bruttoinlandsprodukt – Abschreibungen
= Nettoinlandsprodukt
Quelle: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): VGR 2015, Wiesbaden 2016. Das Bruttoinlandsprodukt und seine
Komponenten lassen sich sowohl
nominal (in jeweiligen Preisen) als
auch preisbereinigt (real) darstellen. Diese Preisbereinigung erfolgt
nach der Vorjahrespreismethode,
d. h., die jeweiligen Gütermengen
des betrachteten Jahres werden
mit den Preisen des Vorjahres multipliziert und dann addiert. Die dabei
errechneten Realwerte der einzelnen Jahre können nicht miteinander verglichen werden, da ihnen
unterschiedliche Preise zugrunde
liegen. Vor diesem Hintergrund veröffentlicht das Statistische Bundesamt keine Absolutwerte des realen
Bruttoinlandsprodukts, sondern lediglich sogenannte Indexwerte.
15,0
701,2
128,1
421,6
715,7
741,1
2 722,7
Saldo3 + 303,2
3 025,9
531,2
2 497,7
1 2 3 4
Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2016, S. 65.
Die Entstehungsrechnung macht den Anteil der einzelnen Wirtschaftsbereiche am
Bruttoinlandsprodukt deutlich.
1 Die Position „Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister“ beinhaltet folgende Positionen: Finanz- und Versicherungsdienstleister, Grundstücks- und Wohnungswesen, Unternehmensdienstleister.
2 Die Position „Öffentliche und private Dienstleister“ umfasst folgende Positionen: Information und Kommunikation, Öffentliche
Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, Sonstige Dienstleister.
3 Der Saldo zwischen den Gütersteuern und den -subventionen heißt Nettoproduktionsabgabe.
4 Kleinere Abweichungen zu den nachfolgenden Zahlen aus dem Begleitmaterial zur Pressekonferenz resultieren aus mittlerweile
vorgenommenen kleineren Korrekturen des Statistischen Bundesamts.
451
9 ​Inlandsprodukt, Nationaleinkommen und Volkseinkommen​
9.2.2 Verwendungsrechnung
Eine andere Möglichkeit, das BIP zu errechnen, setzt an der Nachfrageseite an. Dabei wird
untersucht, wofür die hergestellten Güter und Dienstleistungen verwendet wurden. So
kann beispielsweise ein PC in einer Volkswirtschaft für den privaten Konsum verwandt
werden, er könnte allerdings auch in Form einer Investition in einem Unternehmen zum
Einsatz kommen oder gar in das Ausland exportiert werden. Im Rahmen der Verwendungsrechnung (Ausgabenansatz) werden die Ausgaben für die Endverwendung von Waren
und Dienstleistungen ermittelt, d. h. private und staatliche Konsumausgaben, Investitionen
sowie Außenbeitrag (Exportüberschuss = Exporte minus Importe).
Die Verwendungsrechnung zeigt, wofür die Güter des Bruttoinlandsprodukts verwendet werden.
Verwendung des deutschen Bruttoinlandsprodukts 2015
(Zahlen in Mrd. € in jeweiligen Preisen)
Private Konsumausgaben
+ Konsumausgaben des Staates
+ Bruttoinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Vorratsveränderungen
+ Außenbeitrag (Exporte minus Importe)
= Bruttoinlandsprodukt
1 632,7
589,2
197,3
297,2
108,5
– 35,2
567,8
236,9
3 026,6
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016.
9.2.3 Verteilungsrechnung
Die dritte Möglichkeit, das Bruttoinlandsprodukt zu berechnen, setzt an der Verteilungsseite an. Sie ermittelt die Aufteilung des Volkseinkommens auf das Arbeitnehmerentgelt
und das Unternehmer- und Vermögenseinkommen (z. B. Zinsen, Dividenden, Gewinne,
Miet- und Pachterträge).
Der prozentuale Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen wird als Lohnquote
bezeichnet. Sie stellt jedoch die materielle Einkommenslage der Arbeitnehmer schlechter
dar als sie ist, weil in Deutschland rund die Hälfte aller Vermögenseinkommen den Arbeitnehmern zufließt.
Die Berechnung der Lohnquote erfolgt nach folgender Formel:
Arbeitnehmerentgelt · 100
Lohnquote = _________________________
​    
  
 ​
Volkseinkommen
Für das Jahr 2015 ergibt sich folgende Lohnquote:
1 542,8 · 100
Lohnquote = ____________
​   
 ​ 
= 68,1 %
2 265,1
452
9.2 Entstehung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts und die Verteilung des Volkseinkommens
Verteilung des Volkseinkommens in der Bundesrepublik Deutschland 2015
und die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts 2015 (in Mrd. €)
Arbeitnehmerentgelt (Inländer)
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
Volkseinkommen
Produktions- und Importabgaben an den Staat abzüglich Subventionen
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
Primäreinkommen, die Inländer aus dem Ausland beziehen
Primäreinkommen, die Ausländer aus dem Inland beziehen
Saldo
= Bruttoinlandsprodukt
1 542,8
722,3
2 265,11
297,6
531,1
3 093,8
+
=
+
+
=
–
+
– 67,2
3 026,6
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016.
Den prozentualen Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen bezeichnet man als Gewinnquote. 1
Unternehmens- und Vermögenseinkommen · 100
Gewinnquote = ______________________________________________
​      
    
 ​
Volkseinkommen
Für das Jahr 2015 ergibt sich folgende Gewinnquote:
722,3 · 100
Gewinnquote = ___________
​ 
 ​ 
 
= 31,9 %
2 265,1
Die Verteilungsrechnung zeigt die Aufteilung des Volkseinkommens auf die beiden
Einkommensarten Arbeitnehmerentgelt einerseits sowie Unternehmens- und Vermögenseinkommen andererseits.
Schematische Darstellung des deutschen Bruttonationaleinkommens 2015
Saldo der Primäreinkommen mit der
übrigen Welt
67,2 Mrd. €
+
Bruttoinlandsprodukt
3 026,6 Mrd. €
Produktions- und
Importabgaben
abzgl. Subventionen
297,6 Mrd. €
+
Bruttonationaleinkommen
3 093,8 Mrd. €
Abschreibungen
531,1 Mrd. €
+
Volkseinkommen
2 265,1 Mrd. €
Unternehmens- und
Vermögenseinkommen
722,3 Mrd. €
+
Arbeitnehmerentgelt
1 542,8 Mrd. €
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bruttoinlandsprodukt 2015 für Deutschland, Begleitmaterial zur Pressekonferenz, Frankfurt a. M. 2016.
1 Es ergeben sich Rundungsdifferenzen.
453
10 Grundzüge der W
​ irtschaftspolitik​
10.5.4 Konjunkturpolitik des Staates
Wesen. Zur Konjunkturpolitik rechnet man alle staatlichen Maßnahmen, die der Erreichung konjunktureller Ziele dienen.
Ziele. Die Ziele der Konjunkturpolitik sind: Preisniveaustabilität, hoher Beschäftigungsgrad, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum.
Maßnahmen. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen, die getroffen werden, hängen von
der Konzeption der Wirtschaftspolitik ab. Heute stehen zwei Konzeptionen im Vordergrund:
10.5.4.1 Nachfrageorientierte Konjunkturpolitik
Die nachfrageorientierte Konjunkturpolitik basiert auf dem Grundgedanken, Konjunkturschwankungen durch Korrektur der Nachfragebedingungen zu beseitigen oder zu mildern
(Fiskalismus).1 Im Vordergrund stehen dabei Maßnahmen der Finanzpolitik. Im Rahmen
einer antizyklischen (dem Konjunkturzyklus entgegengerichteten) Finanzpolitik werden
z. B. folgende Forderungen aufgestellt:
Boom
Rezession
Ausgabengestaltung
Senkung der Staatsausgaben
Erhöhung der Staatsausgaben
Einnahmengestaltung
Steuererhöhung
Steuersenkung
In Zeiten der Rezession (des Abschwungs) und der Depression sollte der Staat notfalls
mithilfe des sogenannten „Deficit-Spending“ (Staatsverschuldung) zur Förderung der
Beschäftigung beitragen.
Antizyklische Finanzpolitik
Ausgaben IP = Inlandsprodukt
Einnahmen
Staatsausgaben
Konjunkturverlauf
Staatseinnahmen
0
Zeit
1 Unter „Fiskus“ versteht man den Staat schlechthin, insoweit er es mit den Staatseinnahmen (vor allem Steuern), Staatsausgaben
oder Staatsvermögen zu tun hat. Das Wort Fiskus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Korb, Geldkorb, Kasse. Fiskalpolitik ist
somit Wirtschaftspolitik mit Geldmitteln aus der Staatskasse.
490
10 Grundzüge der ​Wirtschaftspolitik​
■ Wird das Geldmengenwachstum gestoppt, kann die mögliche zusätzliche Nachfrage
nicht finanziert werden; die Preissteigerungsraten werden geringer; die Güterproduk­
tion stagniert oder geht zurück. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu.
Aus diesen beiden Thesen folgt, dass eine Verstetigung des Geldmengenwachstums
auch zu einer Verstetigung des Wirtschaftswachstums führen muss. Die führende Rolle
in der Wirtschaftspolitik muss also die Zentralbank (Notenbank) eines Währungsgebiets
haben. 1
Zusammenhang zwischen Fiskal- und Geldpolitik1
Ausgangslage
Rezession
Hochkonjunktur
Staatshaushalt
Geldmengensteuerung
Staatshaushalt
Geldmengensteuerung
Ausweitung des
Staatshaushalts
(entsprechend den
mittelfristigen Wachs­
tumsmöglichkeiten)
Nachfrage des Staates
steigt kräftiger als
private Nachfrage
Geldmengenerhöhung
(in mittelfristigem
Rahmen)
unverändert steigen­
des Geldangebot trifft
auf zurückhaltende
Geldnachfrage (Inves­
toren/Konsumenten)
Zinssenkungen
mittelfristig übliche
Wachstumsrate des
Staatshaushalts
Nachfrage des Staates
wächst langsamer als
private Nachfrage
Geldmengenerhöhung
(in mittelfristigem
Rahmen)
unverändert steigen­
des Geldangebot trifft
auf hohe Geldnach­
frage (Investoren/
Konsumenten)
Zinssteigerungen
Konjunkturstabilisierung
Konjunkturdämpfung
Die Wirkungszusammenhänge bei den „feindlichen Schulen“
Fiskalisten
Monetaristen
Steuerpolitik
die Vermögensaufteilung der
Wirtschaftssubjekte, Veränderungen der relativen Preise und der Ertragsraten. Die
Anpassung an die veränderten Situationen, bei der allerdings Informations- und
Anpassungskosten berücksichtigt werden müssen,
bewirkt . . .
Nachfrageänderungen
nach Investitionsund Konsumgütern
und
wirkt
sich so
aus auf
...
Preise
Inlandsprodukt
Zentralbank
Geldpolitik . . .
beeinflusst nur
sehr schwach
über . . .
.
Geldmengenpolitik . . .
Staat
Staatsausgabenpolitik
bew
irkt .
.
wirkt ohne Geldpolitik nur sehr
schwach ein auf . . .
Zentralbank
beein
fluss t . ..
Staat
Fiskalpolitik
hat unmittelbar
Auswirkungen
auf . . .
und
wirkt
sich so
aus auf
...
Beschäftigung
1 In Anlehnung an: Landauer, Hans­Joachim: Wirtschaftskonjunktur und Konjunkturpolitik, Köln 1981, S. 42 f.
492
Zinssatz
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