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Rhythmisches Phänomen = Zeichnung = Musik oder die Schönheit
der Notation
Video
Zum Buch >Jorinde Voigt: Matrix & Lemniscate<
In scheinbar kühler, präziser Geduldsarbeit bringt Jorinde Voigt mit sicherer
Hand fragile Linien, Ellipsen und Pfeile auf bis zu drei Meter großen
Bildflächen zu Papier. Mit graziler Anmut und mathematischer Genauigkeit
zeugen sie von ganz alltäglichen Begebenheiten wie den Flugbahnen eines
Adlers, den Musik-Top 10 oder sich küssenden Paaren und strotzen trotz
Video: Gilbert &
George "Jack Freak Pictures"
in der Galerie Arndt & Partne
ihrer reduziert formalen Strenge von einer rhythmischen Dynamik. Voigt
selbst bezeichnet ihre Zeichnungen als „Notationen“ und arbeitet seit
Kurzem gerne auch mit Musikern zusammen. In der Galerie Christian
Lehthert (Köln) waren vom 15.11.2008 bis zum 31.12.2008 Voigts
>Matrix<-Zeichnungen und das Gemeinschaftswerk >Lemniscate/oo < zu
sehen, das in Zusammenarbeit mit den Musikern Patric Catani und Chris
Imler entstanden ist. Zur Ausstellung ist eine Publikation im Kerber Verlag
erschienen.
„Lemniskate“ oder „Lemniscus“, das ist die Bezeichnung für die “liegende
Acht“ (oo), die dreidimensional sinusförmige Figur, welche in der
Video: Kinga Araya:
Ten Steps im Grenzwachturm
Schlesischer Busch
Mathematik die Unendlichkeit und Unbegrenztheit symbolisiert. Nicht nur in
der abstrakten Welt der Mathematik, auch in Kunst und Natur sind
Lemniskaten allgegenwärtig. So bewegt sich beispielsweise ein Drache im
Wind entlang dieser Form und eine der bekanntesten künstlerischen
Umsetzungen der Lemniskate ist M.C. Eschers >Möbius Band II< (1961).
>Lemniscate/oo< geht auf das Konzept der bildenden Künstlerin Jorinde
Voigt und die Komposition von Patric Catani und Chris Imler zurück und ist
eigentlich eine Klanginstallation, bei der der Betrachter eine immaterielle
Geräusch-Lemniskate um den eigenen Körper herum erfahren soll.
Ausgehend von Jorinde Voigts >Matrix< Serie haben der auch als
E-De-Cologne bekannte Musikproduzent (u.a. Puppetmastaz) Patric Catani
und der Schlagzeuger Chris Imler (beide zusammen treten auch als
>Driver< im Bastard Berlin auf) eine Multichannel Audioinstallation
geschaffen und eine Komposition aus 16 Stücken produziert.
>Matrix< besteht aus 40 Zeichnungen, die sich wiederum auf Jorinde Voigts
Serie >Schwarm< beziehen, bzw. Elemente daraus als isolierte Formeln
herauslösen. Auch hier taucht sie auf, die Figur der Lemniskate (z.B. auf
>Berlin< (2008), S.24): auf Voigts Zeichnung legen sich gleich mehrere
liegende und aufrechte Achten übereinander und werden mit Beschriftungen
wie „elektronische Partikel“, „Windstärke 3“, „Rotationsrichtung“, „2 küssen
sich“, „Puls“ versehen. Ähnlich wie Voigts zarte Kringel, Pfeile und Linien,
die jeweils eine Systematik von Bewegungen oder eine Struktur von
Prozessen beschreiben, ist auch die musikalische Umsetzung von >Matrix<
durch repetitive und sich überlagernde Sequenzen geprägt. Im Watermill-
Video: Imi Knoebel Deutsche Guggenheim Berlin
(Teil 2)
Video: Imi Knoebel Neue Nationalgalerie Berlin
(Teil 1)
Geräuschaufnahmen und elektronisch erzeugten Laute zusammengemischt,
um eine Lemniskate aus Klang zu erzeugen, die in der Galerie über ein
Multikanalsystem mit 5 Lautsprechern in den Raum übertragen wurde. So
haben „Voigts Zeichnungen oder "Partituren" beim Lemnsicate-Projekt das
Video:Temporary City Berlin
Papier verlassen und begonnen, sich Raum und Zeit zu erobern“ (Andrew
Cannon).
Neben Schwarzweißphotos mit Ausstellungsansichten und den Abbildungen
der >Matrix<- Zeichnungen hält die 76-seitige Publikation drei jeweils auf
deutsch und englisch abgedruckte Texte von Anna Zett, Andrew Cannon und
Oliver Tepel bereit. Mit >Kollektive Bewegung, unendliches Band< hat
Andrew Cannon (freier Kurator, ehemals KW, Berlin) einen knappen und
informativen Einleitungstext geschrieben, wohingegen >Leben als Matrix
aus Raum und Zeit< von Oliver Tepel relativ verkopft daherkommt. Der
Video: 60 Jahre. 60
Werke - Ausstellung im
Martin Gropius Bau, Berlin
freie Autor, Journalist und Kurator versucht sich über Verweise auf Elvis
Presleys >Mein Leben ist Rhythmus< oder Zitate von Karl R. Popper,
Christian Felix Klein und Bruno Taut, dem Werk von Jorinde Voigt zu nähern,
und vergleicht Voigts Arbeiten bisweilen sogar mit der Höhlenmalerei
prähistorischer Künstler. Einleuchtender scheint hier sein Vergleich der
Zeichnungen mit den mathematisch-wissenschaftlichen Grafiken und
Diagrammen von Isaac Newton oder Heinrich Hertz. Sehr kurzweilig ist >In
Particular, Infinity. Note and Copies from 8 to oo or the other Way around<
von Anna Zett, die keinen Fließtext, sondern eine assoziative Sammlung
von Textfragmenten, Gedanken, Ideen und Internetquellen rund um das
Thema Lemniskate zusammengetragen hat. Hier sind sowohl Anleitungen
Biennale di Venezia
Video: Mark Lewis - Teil 2
für 8-er Knoten, der Text des >Figure Eight Songs< von Bob Dorough oder
aber Diättips für eine „figure eight shape“ zu finden.
weitere Videos sehen Sie auf
art-in.tv
Der Katalog zu >Lemniscate/oo< ist in schicken Rot-Weiß-Schwarz und
bisweilen doppelte DINA 4 Seiten ausfüllenden Lettern anregend layoutet.
Ein Manko sind jedoch die kleinen Abbildungen von Voigts Zeichnungen, die
das Lesen der Beschriftungen nur schwer möglich machen. Leider muß auch
die CD mit den 16 >Lemniscate/oo< Stücken zusätzlich erworben werden,
so dass man sich nur schwer ein Bild von der Klangarbeit machen kann.
Aber zum Glück gibt es das Internet: z.B. unter web-records.com/ kann
man sich einen ersten Eindruck verschaffen und in die Komposition
reinhören.
Jorinde Voigt
Matrix & Lemniscate
Kerber Verlag
76 Seiten, deutsch/ englisch
ISBN 978-3-86678-285-3
Preis: 25 €, 40 SFR
jorindevoigt.com
catani-music.de
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