Mehr Konsequenz ist gefragt

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HR-Strategie
Employer Branding
Mehr Konsequenz ist gefragt
Wie steht es um das Employer Branding in der Schweiz? Folgende Bestandsaufnahme zeigt,
dass das Thema zwar präsent ist, aber noch zu wenig konsequent umgesetzt wird.
Von Christoph Jordi
D
ie gute Nachricht: Employer Branding
ist definitiv in der Schweiz angekommen. Die schlechte: Bisher ist das Thema
mehr geduldet als integriert. Statt strategischer Weitsicht dominiert Halbherzigkeit. Folgende fünf Fehler sind in der
Praxis besonders häufig zu beobachten.
Fehler Nr. 1: Flickwerk
statt strategischer Initiative
Anfänger kommt von anfangen und
nicht von probieren. Oft wird das Pferd
am Schwanz aufgezäumt. Zuerst startet
man mit dem Messestand für den nächsten Absolventenkongress, dann folgen
der Facebook-Auftritt und die ersten
Jobvideos. Ein XING-Profil ist der nächste
logische Schritt. Dazu kommen Kununu
und eine Fotokampagne. Zuständig für
die Inhalte? Die Praktikantin! Die studiert
ja schliesslich Kommunikationswissenschaften. Kommt Ihnen das bekannt vor?
In vielen Unternehmen wird Employer
Branding einfach einmal ausprobiert. Gemeint ist jedoch nie Employer Branding,
vielmehr geht es um einzelne taktische
Kommunikationsmassnahmen. Die Diagnose heisst dann meist inkohärente
«Aktionitis» mit akuter Planlosigkeit.
Employer Branding ist jedoch strategisch.
Ziel: Erhöhung der Leistungsbereitschaft,
Mitarbeiterbindung, Unternehmenskultur erlebbar machen, Reputation pflegen
und die richtigen neuen Mitarbeitenden
gewinnen. Hier geht es nicht um einzelne Instrumente. Es geht um das Orchester
und die Partitur. Und da gehört der Dirigent zwingend auf die Bühne.
Fehler Nr. 2: Modewort
statt Business Case
Employer Branding wird in wenigen Fällen als echter Business Case gesehen. Die
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personalSCHWEIZ
Juli-August 2015
Employer Branding — bloss wie? Statt verzweifelter «Aktionitis» wäre eine klare Strategie gefragt.
klassischen Fragen des CEO: Was bringt
Employer Branding? Brauchen wir das
jetzt auch noch? Die Standardantwort
heisst Fachkräftemangel. Die bessere
Antwort orientiert sich jedoch an den
gesamten Personalkosten des Unternehmens:
• Sind unsere Kosten gerechtfertigt? Ist
das Geld gut investiert? Kann man da
noch mehr Rendite generieren?
• Was wäre, wenn wir die Fluktuation um
10 Prozent senken?
• Was geschieht, wenn wir die Agilität
und das Engagement der Mitarbeitenden anheben?
• Was wäre, wenn wir ohne Personalvermittler auskommen?
• Wie viele Prozente der Personalkosten
wäre eine Initiative wert, die hier Antworten schafft?
Diese Fragen müssen vor dem Projektbeginn mit der Unternehmensleitung diskutiert werden. Zu viele Verantwortliche
stehen ahnungslos am Start und jammern
über die schlechten Rennbedingungen.
Merke: Employer Branding darf man
nicht machen, weil alle anderen es tun.
Es braucht Zahlen, Fakten und Daten, die
Employer Branding zu einer Geschäfts-
HR-Strategie
priorität machen. Genauso wie messbare
Zielsetzungen und ein klarer Vorgehensplan. Nur so sind die Investitionsanträge
glaubwürdig.
Fehler Nr. 3: Einzeldisziplin
statt Mehrkampf
Seien wir ehrlich: HR kennt sich kaum mit
Brands und Branding aus. Und Marketing
versteht wenig von HR. Gleich ergeht es
der Kommunikation. Dass gemeinsam
Grossartiges entstehen kann, ist kein
Geheimnis. Ist HR bereit, vom Marketing
zu lernen, mit welcher Akribie Kunden
analysiert werden, um ihre Loyalität zu
gewinnen? Dann ist es ein kleiner Schritt,
diese Erkenntnisse in die HR-Prozesse zu
transkribieren.
Von der Kommunikation können wir
lernen, wie man aus HR-Kauderwelsch
packende Geschichten macht und wie
Dialoge geführt werden. Und auch in
der Gegenrichtung gibt es nur Gewinner.
Aus Mitarbeitenden werden Markenbotschafter und Sprachrohre für das Unternehmen. Nur allzu oft stehen Wände und
Vorurteile im Weg zu einer erfolgreichen
Zusammenarbeit. Führungskräfte und
Mitarbeitende müssen als aktive Botschafter früh involviert werden. So sind
Realitätsbezug und Bodenhaftung sichergestellt.
Fehler Nr. 4: Pflästerli
statt Wertschöpfungsketten
Oft sitzen ausgewählte Einzelmassnahmen und Werkzeuge wie Hühner auf der
Stange. Jedes für sich wurde sorgfältig
ausgewählt und macht isoliert gesehen
auch viel Sinn. Nur: Diese Hühner gackern
und machen leider keine Musik. Die Auswirkungen treffen Bewerber und Mitarbeitende unmittelbar. Das eigene Erlebnis
ist stärker als die schönste Webseite – immer! Die Lösung ist ein auf die Unternehmensstrategie und die HR-Prioritäten
abgestimmter Marketing-Mix. Durchgehende Wertschöpfungsketten also.
In der Informatik spricht man von User
Experience und im Marketing sind es
Kontaktpunkte oder Erlebnisketten. Im
Employer Branding brauchen wir Employee Relationship Management und Candidate Experience Design. Dies bedingt
ein systematisches Vorgehen. Bleiben wir
beim Bild des Orchesters: Der Dirigent
wählt/liest etc. zuerst das Stück aus, das
es zu spielen gilt. Erst dann entscheidet
er, welche Instrumente die erste Stimme
spielen. Employer Branding ist nicht sexy
und oft verbunden mit sehr viel mühsamer Kleinarbeit. Nur so kommt das Orchester zum Klingen. Wer hier von einem
Leben zwischen Kreativworkshops und
der Planung von Werbefilmen träumt,
der ist definitiv fehl am Platz.
Fehler Nr. 5: Magersucht
statt Leistungssport
Wer macht bei Ihnen Employer Branding?
Wir treffen in Firmen mit bis 8000 Mitarbeitenden oft auf Verantwortliche, die
Employer Branding als Teilzeitpensum mit
40 Stellenprozenten abdecken müssen.
Und zwar allein. Dazu kommt ein Budget
von 50 000 Franken. Hier wäre der Begriff
«Abteilung für verzettelte und nutzlose
HR-Werbemassnahmen» eher angebracht. Damit wird offensichtlich, welchen Stellenwert das Thema im Betrieb
einnimmt. Das Ziel wäre das Verfolgen
von strategischen Zielen zur Leistungssteigerung der Organisation durch emotionale Bindung, doch viele sind davon
meilenweit entfernt. Lieber gar nicht beginnen, als ein wenig zu basteln. So werden keine falschen Erwartungen geweckt
und die Frustration bei den Verantwortlichen bleibt überschaubar. Oder eben
Vollgas geben, denn Employer Branding
ist ein interdisziplinärer Leistungssport. Es
braucht Willenskraft, klare Zielsetzungen
und die adäquaten Ressourcen.
Blinde Flecken aufdecken
Bei DoD!fferent machen wir Aussenbeurteilungen, Analysen von innen und helfen
Unternehmen dabei, für ihren eigenen
Employer Brand Lösungen zu finden.
Die Aussenwahrnehmung über unseren
Employer Brand Check ist in etwa so,
wie man jemanden an seinen Kleidern,
an seiner subjektiv wahrgenommenen
äusseren Erscheinung beurteilt: Es gibt
einen guten ersten Eindruck. Die wahre
Persönlichkeit entdeckt man jedoch erst,
wenn man hinter die Kulissen schaut. Erscheinen Dinge von aussen altmodisch
und unzeitgemäss, so kann dies bei näherer Betrachtung glaubwürdig sein und
Wie gut ist Ihr Employer Brand?
Das Beratungsunternehmen Do!Different
hat sich zusammen mit Studierenden gefragt: Welche Unternehmen haben einen
guten Employer Brand und welche haben
noch Potenzial? Die Entwickler des Employer Brand Check schauen von aussen
als Bewerber auf die Firmen und testen
Website und Bewerbungsablauf, suchen
nach Leitbildern und Positionierung.
Do!Different bietet für 350 Franken einen
Employer Brand Check mit Erstberatung
eines Experten an. Zurzeit sind 18 Checkup Cases online einsehbar unter:
http://dodifferent.com/ebcheck
echt wirken. Trotzdem lohnt sich ein Blick
in den Spiegel, der einem vorgehalten
wird. Manchmal übersieht man einen
Fleck, der sich sehr einfach entfernen
lässt. Oder man entdeckt ein Differenzierungsmerkmal, das man bisher noch gar
nicht gesehen hat.
Langfristiges Denken tut not
Dieser Artikel soll anregen, weiter zu
denken als nur bis zur nächsten Broschüre und zum nächsten Facebook-Eintrag.
Unsere Überzeugung ist, dass Employer
Branding weiter an Wichtigkeit gewinnen
wird, weil traditionelles Marketing an Bedeutung verliert und die Mitarbeitenden
noch nie zuvor derart viele Möglichkeiten hatten, ein Sprachrohr der Firma zu
sein. Kommt dazu, dass in einer Welt, die
sich in einem derart horrenden Tempo
verändert, der Mitarbeitende die einzige
konstante Ressource bleibt. Seine Begeisterung für das Unternehmen, seine Motivation und sein Wille, weiter zu denken
als nur an seinen Stellenbeschrieb und an
die nächste Pause, sind zentral. Sein Interesse, dem Kunden und den Kollegen
zu helfen, ohne die Profitabilität aus den
Augen zu verlieren: Das macht ein Unternehmen langfristig erfolgreich.
Autor
Christoph Jordi ist
Gründer und CEO von
DoD!fferent. Seine Strategieberatung unterstützt
Unternehmen bei Fragestellungen rund um
HR, Markenführung und
Unternehmenskultur. Vor seiner Selbstständigkeit arbeitete Jordi in Zürich, Tokyo und
Paris, hauptsächlich in der Finanzdienstleistungsbranche.
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