Jüngster extrasolarer Planet in zirkumstellarer Scheibe entdeckt

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Jahrbuch 2008/2009 | Setiaw an, Johny; Henning, Thomas; Launhardt, Ralf; Müller, André; W eise, Patrick;
Kürster, Martin | Jüngster extrasolarer Planet in zirkumstellarer Scheibe entdeckt!
Jüngster extrasolarer Planet in zirkumstellarer Scheibe entdeckt!
Youngest Extrasolar Planet Discovered in a Circumstellar Disk
Setiaw an, Johny; Henning, Thomas; Launhardt, Ralf; Müller, André; W eise, Patrick; Kürster, Martin
Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
Korrespondierender Autor
E-Mail: setiaw [email protected]
Zusammenfassung
Die Entdeckung des ersten Planeten bei einem fremden Stern im Jahr 1995 hat der Erforschung extrasolarer
Planeten enormen Auftrieb verliehen. Am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) bilden die Suche nach
extrasolaren
Planeten
und
die
numerische
Simulation
der
Planetenentstehung
einen
w ichtigen
Forschungsschw erpunkt. Im Rahmen eines langfristigen Suchprogramms entdeckte nun ein Team des Instituts
bei dem acht bis zehn Millionen Jahre alten Stern TW Hydrae den bislang jüngsten bekannten Exoplaneten.
Daraus ergaben sich w ichtige Folgerungen bezüglich der Entstehung von Planeten aus den zirkumstellaren
Scheiben neugeborener Sterne.
Summary
The discovery of the first planet around another star than the Sun in 1995 gave this field of astronomical
research an enormous observational and theoretical impetus. At the Max Planck Institute for Astronomy (MPIA)
the search for exoplanets and the numerical simulation of the formation of planets is an important area of
research. W ithin a long-term survey, a team at the Institute has now found the youngest planet know n so far
in the circumstellar disk of the eight to ten million years old star TW Hydrae. The discovery has important
implications regarding the formation of planets in the circumstellar disks around new born stars.
Die bisher erfolgreichste Methode zur Suche und Entdeckung von Exoplaneten ist die Doppler- oder Radialgeschw indigkeitsmethode. Sie beruht auf dem Doppler-Effekt, w onach Licht zu größeren bzw . kleineren Wellenlängen verschoben w ird, w enn sich Lichtquelle und Empfänger voneinander w eg bzw . aufeinander zu
bew egen. Umkreist ein Planet einen Stern, so bew egen sich beide Körper um den gemeinsamen Schw erpunkt,
der im Allgemeinem noch im Innern des Sterns liegt. Der Planetenumlauf bew irkt somit eine periodische Bew egung des Sterns, die sich in seinem Spektrum als periodisch w echselnde Doppler-Verschiebung der Spektrallinien äußert und so die Existenz des nicht direkt sichtbaren Planeten verrät. Die Messdaten liefern unmittelbar
die Umlaufdauer des Planeten und eine untere Grenze für seine Masse. Die w ahre Masse lässt sich berechnen,
w enn die Neigung der Umlaufbahn gegen die Himmelsebene bekannt ist.
Bis Ende 2007 w aren etw a 250 extrasolare Planeten bekannt. Sie alle umkreisen Sterne, die mindestens 100
Millionen Jahre alt sind (Abb. 1). Bei jüngeren Sternen ließ sich die Doppler-Methode bislang aus mehreren
Gründen nicht anw enden. So rotieren die meisten jungen Sterne sehr schnell. Dies verbreitert die
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Spektrallinien und verringert die Genauigkeit, mit der sich die Doppler-Verschiebung messen lässt. Hinzu
kommt
eine
häufig
starke
und
zeitlich
variable
Aktivität
junger
Sterne,
w ie
Pulsationen,
Rotationsschw ankungen und das Auftreten von Sternflecken. All diese Phänomene erschw eren die Suche nach
periodischer Variabilität in den Spektren.
Die Alte rsve rte ilung de r bis Ende 2007 be k a nnte n
e x tra sola re n P la ne te n.
© Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie
Ein Forscherteam des MPIA hat dennoch schon sehr früh damit begonnen, Planeten bei jungen Sternen zu
suchen. Im Jahr 2003 startete das Programm mit dem Fibre-fed Extended Range Optical Spectrograph (FEROS)
am MPG/ESO 2,2-m-Teleskop auf La Silla in Chile. Das Pro gramm umfasste etw a 200 Sterne, deren Alter
zw ischen 8 und 300 Millionen Jahren und deren Entfernung bei maximal etw a 500 Lichtjahren liegt. Etw a 30%
dieser Sterne w iesen eine überraschend geringe stellare Aktivität und relativ geringe Rotationsgeschw indigkeiten auf. Damit eigneten sie sich besonders gut für die Radialgeschw indigkeitsmethode. Die Ra dialgeschw indigkeiten ließen sich mit einer Genauigkeit von +/-10 m/s messen, sodass insbesondere massereiche Planeten
in geringer Entfernung von ihrem Zentralstern, auch „heiße Jupiter“ genannt, gut nachw eisbar w aren.
Der Planet von TW Hydrae
Üblicherw eise nutzt man zur Bestimmung der Doppler-Verschiebung eines Sterns gleichzeitig sehr viele Ab
sorptionslinien in seinem Spektrum. Bei den jungen Sternen schloss das MPIA-Team dagegen jene
Spektrallinien aus, die von stellarer Aktivität besonders stark betroffen sind. Dazu gehören die Linien Ca II H &
K, H-alpha und H-beta, sow ie He I und Na I. Bei etw a 1.300 verbleibenden Linien w urde über den Vergleich mit
einem theoretischen Spektrum nach periodischen Doppler-Verschiebungen gesucht.
Fündig w urde das Team schließlich bei dem 180 Licht jahre entfernten Stern TW Hydrae. Er gehört zu den am
besten untersuchten jungen Sternen der Sonnenumgebung. Seine Masse beträgt etw a 0 Sonnenmassen,
seine Leuchtkraft 0,2 Sonnenleuchtkräfte und sein Alter liegt bei 8 bis 10 Millionen Jahren. Aufnahmen mit dem
W eltraumteleskop HUBBLE zeigten eine ausgedehnte Staubscheibe, auf die man fast senkrecht blickt (Abb. 2).
Weitere Beobachtungen ließen darauf schließen, dass ihr Neigungsw inkel zum Sehstrahl etw a 7 Grad beträgt.
Außerdem hatten Untersuchungen im nahen und mittleren Infrarot sow ie im Millimeterbereich w eitere
Eigenschaften der Scheibe enthüllt (Abb. 3). Demnach besitzt sie im Zentrum ein „Loch“, dessen Innenrand
sich bei etw a 0,06 Astronomischen Einheiten (AE) befindet. Nach außen hin schließt sich daran eine optisch
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dünne Scheibe an, die in einem Entfernungsbereich von 0,5 bis 4 AE in eine optisch dicke Scheibe übergeht.
Die Sta ubsche ibe um TW Hydra e , a ufge nom m e n m it de r
Ka m e ra W FP C 2 a n Bord de s W e ltra um te le sk ops HUBBLE. De r
Ze ntra lste rn ist m it e ine r k oronogra phische n Sche ibe
a bge de ck t.
© D.E. Trilling, NASA/ESA
Die Struk tur de r Sche ibe um TW Hydra e , wie sie sich a us
Be oba chtunge n in m e hre re n W e lle nlä nge nbe re iche n e rgibt.
© Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie
Schon 2005 hatte es Spekulationen darüber gegeben, ob gleicherw eise ein Planet für diese Struktur der
Scheibe verantw ortlich sein könnte. Doch nachw eisen ließ er sich nicht. Das Team vom MPIA fand jetzt einen
Körper, der seinen Stern in extrem geringem Abstand umkreist.
Die Spektren w eisen Doppler-Schw ankungen mit Perioden von 0,78, 1,36 und 3,56 Tagen auf. W ährend die
ersten beiden als nicht signifikant eingestuft w urden, lässt sich die dritte auf die Schw erkraftw irkung eines
unsichtbaren Planeten zurückführen, der den Stern mit einer Periode von 3,56 Tagen in einem Abstand von
0,04 AE umkreist (Abb. 4). Damit bew egt sich der Planet innerhalb des Lochs am Innenrand der dünnen
Scheibe. Nimmt man an, dass die Bahnebene des Planeten und die zirkumstellare Scheibe koplanar sind, so
ergibt sich die Masse des Planeten zu 9,8 Jupitermassen.
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Die R a dia lge schwindigk e it im Spe k trum von TW Hydra e wurde
in insge sa m t 32 Nä chte n im Frühja hr 2007 ge m e sse n. Ihre
Va ria tion m it e ine r P e riode von 3,56 Ta ge n wird durch de n
Um la uf e ine s P la ne te n ve rursa cht.
© Ma x -P la nck -Institut für Astronom ie
Um stellare Aktivität als Ursache für diese Linienverschiebung auszuschließen, führten die Astronomen
mehrere Tests durch. So haben Sternrotation und nichtradiale Pulsationen zur Folge, dass sich die Linienform
periodisch verändert und damit eine variable Radialgeschw indigkeit vortäuscht. Eine genaue Analyse zeigte,
dass dies bei TW Hydrae nicht der Fall ist. In einer sogenannten Bisektor-Analyse suchten die Astronomen
auch nach einer Korrelation zw ischen der Radialgeschw indigkeitsvariation und Parametern, die normalerw eise
stellare Aktivität anzeigen. Es konnte keine signifikante Korrelation gefunden w erden. Damit bleibt ein
umlaufender Planet als w ahrscheinlichste Ursache für den periodisch variablen Doppler-Effekt übrig.
Schnelle Planetenentstehung und Migration
Die Entdeckung des „TW Hydrae b“ genannten Plane ten liefert w ichtige neue Hinw eise für Theorien der Pla
netenentstehung.
Bisher
w ar
aus
statistischen
Untersuchungen
bekannt,
dass
die
Lebensdauer
zirkumstellarer Scheiben im Mittel einige zehn Millionen Jahre beträgt. Dieser Zeitraum steht somit für die
Bildung von Planeten in der Scheibe maximal zur Verfügung. Die Beobachtung von TW Hydrae b liefert erstmals
eine echte obere Grenze für die zur Planetenentstehung erforderliche Zeitspanne: Sie kann nicht mehr als
acht bis zehn Millionen Jahre betragen haben. Somit ist TW Hydrae der ideale Prüfstein für numerische Modelle
der Bildung von Planeten.
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TW Hydrae b steckt zum einen den Zeitrahmen für die Planetenentstehung ab. Gleichzeitig stellt der Planet die
Theoretiker erneut vor die Frage, w ie ein derart massereicher Körper seinen Zentralstern in solch geringem
Abstand umkreisen kann. Unter den bislang bekannten Exoplaneten gibt es eine Reihe dieser heißen Jupiter.
Sie alle sind nach der heute gängigen Theorie der Planetenentstehung nicht dort entstanden. Nahe am Stern
w ar stets zu w enig Materie vorhanden und es w ar dort zu heiß. Daher geht man davon aus, dass sich die
Planeten in den w eiter außen liegenden, kühlen und dichten Bereichen der zirkumstellaren Scheibe bilden.
Anschließend führt ein Austausch von Drehimpuls zw ischen dem Scheibenmaterial und dem Planeten dazu,
dass dieser langsam auf einer spiralförmigen Bahn an den Zentralstern heranw andert.
Computersimulationen, w ie sie auch am MPIA durchgeführt w erden, haben gezeigt, dass ein Planet, der in
einem Abstand von fünf Astronomischen Einheiten von seinem Zentralstern entsteht, innerhalb von mehreren
tausend Jahren eine Lücke in der Scheibe frei fegt (Jahresbericht 2006, S. 27). Gleichzeitig w andert er nach
innen. Bereits nach w enigen zehntausend Jahren hat er seinen Abstand zum Stern halbiert und seine Masse
verdoppelt, denn w ährend der Migration sammelt er Materie aus seiner Umgebung auf.
Eine entscheidende Frage ist nun: Wann und w odurch kommt die Wanderung zum Stillstand? Ist das nahezu
materiefreie Loch im Zentrum einer Scheibe hierfür verantw ortlich? Die Bahn von TW Hydrae b am Innenrand
der Scheibe scheint diese Hypothese zu unterstützen. Theoretisch zw ingend ist sie jedoch nicht. Ob w eitere
Bremseffekte, w ie Magnetfelder oder Gezeitenkräfte eine Rolle spielen, ist zurzeit Gegenstand der Forschung.
Letztlich w ird auch eine alternative Theorie untersucht, bei der ein Planet nicht durch langsames Aufsammeln
von Staub und Gas aus der Umgebung, sondern w ie ein Stern durch direkte Kontraktion entsteht.
Möglicherw eise kann TW Hydrae b in Zukunft w eitere Hinw eise zur Entscheidung zw ischen den beiden
Möglichkeiten liefern.
Ein weiterer Planet um HD 70573
Die Astronomen des MPIA konnten bei ihrem Suchprogramm noch einen w eiteren Erfolg verbuchen. Bei dem
150 Lichtjahre entfernten Stern HD 70573 entdeckten sie eine periodische Doppler-Verschiebung mit einer
Periode von 852 Tagen. Auch hier ergab die Bisektor-Analyse keine Korrelation mit Signaturen der
Sternaktivität, sodass die w ahrscheinlichste Erklärung w iederum ein unsichtbarer Planet ist. Da in diesem Fall
die Bahnneigung unbekannt ist, lässt sich für seine Masse nur eine untere Grenze von 6,1 Jupitermassen
angeben. Hierbei w ird angenommen, dass der Stern, ein G-Zw erg, eine Masse von genau einer Sonnenmasse
besitzt.
HD 70573 gehört der Herkules-Lyra-Assoziation an, einer Bew egungsgruppe, deren Alter auf 200 Millionen
Jahre geschätzt w ird. Eine Analyse des Sternspektrums (Äquivalentbreite der Lithium-Linie bei 670,8 nm)
ergab ein Alter zw ischen 78 und 125 Millionen Jahren. Damit ist der gleichaltrige Planet nach TW Hydrae b der
zw eitjüngste bekannte extrasolare Planet.
Der Fund eines Planeten bei HD 70573 ist auch desw egen bedeutend, w eil dieser Stern zu einem
Forschungsprogramm am Weltraumteleskop SPITZER gehört (SPITZER/Feps Legacy Program), in dem die
Beziehung zw ischen älteren Staubscheiben (so genannten Debris-Scheiben) und Planeten untersucht w ird.
Die beiden beschriebenen Entdeckungen haben bew iesen, dass es trotz anfänglicher Bedenken durchaus
möglich ist, Planeten bei jungen Sternen nachzuw eisen. Dies eröffnet insbesondere der Erforschung der
Planetenentstehung ganz neue Möglichkeiten. Neben diesem Programm w erden am MPIA gegenw ärtig
Beobachtungsinstrumente der nächsten Generation entw ickelt und gebaut, die extrasolare Planeten auch mit
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anderen Methoden aufspüren sollen: Direktes Abbilden, astrometrische Messung der scheinbaren Bew egung
des Sterns am Himmel und die Messung der Helligkeitsveränderung des Zentralsterns, w enn der Planet vor
ihm vorbeizieht (Transitphotometrie).
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