Laizität: Ein (nur vorübergehender?) Schluckauf der

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Laizität:
Ein
(nur
vorübergehender?) Schluckauf
der LINKEN
"Überdeutlich erkennt man die
Handschrift
christlicher
Parteimitglieder mit ihrem Lob
für das Engagement von Kirchen
und
Religionsgemeinschaften",
schreibt Georg Korfmacher. Er
kritisiert den parteiinternen
LINKEN-Antrag zum Verhältnis der
LINKEN
zu
Religionsgemeinschaften (2.5.).
Schon in dem Artikel Liberté,
Egalité, Laïcité: eine Stolperfalle der LINKEN (20.4.) war
Korfmacher darauf eingegangen ("Kein Wort darüber, was
Laizität oder Laizismus eigentlich bedeutet"), und nun erfolgt
diese Diagnose:
Laizität: Ein (nur vorübergehender?)
Schluckauf der LINKEN
WEIMAR. (fgw) Nach einem weitgehend diffusen Antrag des LV
Sachsen der Partei DIE LINKE zum Thema Laizität an den
nächsten Parteitag Ende Mai in Magdeburg hat nun auch eine
weitere Gruppe von mittel- und schwergewichtigen Parteigrößen
einen (Gegen-)Antrag zur Trennung von Staat und Kirche
vorgelegt. Getragen wird dieser Antrag aber von keinem
einzigen Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Laizismus der
Partei, sondern fast ausschließlich von den christlichen
Kirchen verbundenen Parteimitgliedern, wie u.a. dem
Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, dem Pfarrer Jürgen Klute
oder dem Theologie-Professor Franz Segbers und der Sprecherin
der trotzkistischen Gruppierung Marx 21 ChristineBuchholz.
Dieser Antrag hat den bekennenden Laizisten Georg Korfmacher
zu nachstehendem Kommentar veranlaßt. Zum besseren Verständnis
wird der betreffende Antrag ungekürzt – mit Hervorhebungen des
Kommentators – hier ebenfalls publiziert. Korfmacher schreibt:
Um es hier gleich vorweg zu sagen: Auch dieser Antrag strotzt
von Widersprüchen und Hilflosigkeit. Und weil man
offensichtlich nicht mehr weiter weiss, gründe man einen
Arbeitskreis. Eine „religionspolitische Kommission" soll es
richten. Auch diesem Antrag fehlt das Grundverständnis von
Laizität als Autonomie der Laien in Sachen Politik. Gäbe es
dieses, würden sich viele Fragen erübrigen bzw. als
Scheingefechte herausstellen.
Überdeutlich
erkennt
man
die
Handschrift
christlicher
Parteimitglieder mit ihrem Lob für das Engagement von Kirchen
und Religionsgemeinschaften (K&R), „wenn die Würde des
Menschen aus ihrer Sicht in Gefahr ist". Dabei enttarnt schon
der letzte Halbsatz die einseitige Sichtweise der K&R und auch
der Antragsteller, so dass der neuerliche Antraf eher eine
Sackgasse als ein Ausweg ist.
Gerade beim Empfang der Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof
zeigten spontan junge Menschen ohne jegliches Herausstellen
ihrer Religion – mit weltweiten TV-Echo -, wie humanes
Verhalten gegenüber Menschen in Not auch sein kann, bevor sich
die Oberkleriker in München gemüßigt fühlten, sich auch
beifallheischig am Hauptbahnhof zu präsentieren. Erst die
Show, dann ein paar Almosen.
Geradezu trivial ist es, dass die Antragsteller auf plurale
Bündnisse setzen, „wenn es um Frieden, den Schutz der Natur,
um soziale Gerechtigkeit oder die Kritik am Kapitalismus geht,
im Kampf gegen Ausbeutung, Krieg, gegen Sozial- und
Demokratieabbau und vor allem im Kampf für eine Alternative
zum Kapitalismus" geht. Was hat das mit Religionspolitik zu
tun?
Und dann die abstruse Fehleinschätzung, dass die LINKE eine
laizistische Partei sei und gleichzeitig die in der Kommission
zu beantwortende Frage, was denn „der Kern einer Laizität"
sei! Die Partei ist also etwas, von dem sie gar nicht weiss,
was es eigentlich ist.
Dümmlicher geht's nimmer. Nochmals und ganz langsam: Laizität
ist die Autonomie des Laien in Sachen Politik. Es geht also um
eine res publica. Im Gegensatz dazu ist Religion eine res
privata. Der Staat hat sich also um Religion und deren
Ausübung im Rahmen der für alle geltenden Gesetze nur im Sinne
des Schutzes der Meinungsfreiheit zu kümmern. Dieses
Menschenrecht kennen wir erst seit der Französischen
Revolution, und es musste gegen den erbitterten Widerstand von
K&R, insbesondere der Catholica, durchgesetzt werden.
Wäre die LINKE wirklich laizistisch, würde sie nicht in der
Kommission Mitglieder der Partei berufen, „die christlichen,
jüdischen, muslimischen und laizistischen sowie atheistischen
Traditionen verbunden sind".
Mit dieser Ankündigung rühren die Antragsteller Laizisten in
einen Topf mit eindeutig religiös geprägten Menschen und
verkennen dabei offensichtlich, dass man sehr wohl ein
fröhlicher Christ und zugleich Laizist sein kann. Siehe
Frankreich. Dabei wäre ein genauerer Blick über den Rhein
durchaus kein Rückfall „in Vorstellungen des 19.
Jahrhunderts", wie die „Süddeutsche Zeitung" (SZ) daraus
süffisant zitiert hat, sondern die nüchterne Einsicht in eine
politische Regelung seit 1905, hinter der wir Deutschen bis
heute jämmerlich hinterher hinken. Dabei bezieht sich die SZ
auf eine Äußerung eines christlichen Antragstellers
(Theologie-Professor), der von zwanghaftem Laizismus spricht
und sich auf den Antrag aus Sachsen bezieht.
Gewagt bis absurd ist es, wenn die Antragsteller aus dem
Schutz der korporativ-institutionellen Religionsfreiheit
herleiten, dass „Religion nicht bloß Privatsache ist, sondern
auch eine öffentliche Angelegenheit". Unter korporativ-
institutioneller Religionsfreiheit versteht man das Recht,
sich religiös zu entfalten und zu diesem Zweck in einer
Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen. Keine Rede von
öffentlicher
Angelegenheit!
Nur
der
Schutz
der
Meinungsfreiheit als res publica. Ebenso wie Soziale
Gerechtigkeit, Frieden, Solidarität und Toleranz, Merkmale,
die man von monotheistischen Religionen kaum erwarten kann.
Bei einem sauberen Verständnis der Laizität erübrigt sich an
sich eine Diskussion aller Einzelanträge/fragen, wäre da nicht
ein eklatantes „Eigentor" zum Thema Kirchensteuer.
Von welcher Dummheit der Leser/Parteimitglieder gehen die
Antragsteller eigentlich aus, wenn sie unterstellen, „dass aus
Kirchensteuern z.T. auch gesellschaftliche Aufgaben und
soziale Dienste finanziert werden". Erwiesenermaßen ist es
doch so, dass sich die Kirchen und deren Institutionen ihre
Dienste bis nahezu 100 Prozent aus öffentlichen Steuermitteln
finanzieren lassen (siehe C. Frerk, Kirchenrepublik
Deutschland).
Dieser zweite Antrag geht derart an der eigentlichen Sache der
Laizität in Deutschland vorbei, dass er keine Chance auf Gehör
haben darf, will die Partei DIE LINKE sich nicht gänzlich der
Lächerlich preisgeben. Hoffentlich handelt es sich nur um
einen vorübergehenden Schluckauf.
Georg Korfmacher
Und hier nun zum Nachlesen der Antrag im Wortlaut – mit
Hervorhebungen des Kommentators:
Antrag
an
den
Bundesparteitag
in
Magdeburg:
Zum Verhältnis der LINKEN zu Religionsgemeinschaften –
Einsetzung einer religionspolitischen Kommission des
Parteivorstandes
Einreicher/innen: Christine Buchholz (Religionspolitische
Sprecherin der Fraktion DIE LINKE), Ilsegret Fink (LAG
Christen bei der LINKEN Berlin), Claudia Haydt (Mitglied im
Parteivorstand); Cornelia Hildebrandt (LINKE Berlin
Charlottenburg-Wilmersdorf), Jonas Christopher Höpken
(Ratsherr LINKE.Oldenburg), Jules Jamal El-Khatib (Mitglied im
Landesvorstand NRW), Jürgen Klute (Vorstandsmitglied KV
Herne), Benno Pörtner (AG Christ/innen in der LINKEN Hessen),
Franz Segbers (AG Christ/innen in der LINKEN Hessen), Bodo
Ramelow (Thüringen)
"Angesichts der gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen,
der sozialen, politischen, kulturellen und weltanschaulichen
Ausdifferenzierung der Gesellschaft bekommt eine präzisere
Bestimmung der LINKEN in ihrem Verhältnis zu den
Religionsgemeinschaften und eine Konkretisierung ihrer
religionspolitischen Forderungen eine besondere Bedeutung.
Kirchen
und
Religionsgemeinschaften
sind
ein
zivilgesellschaftlicher Faktor in der Gesellschaft und
reduzieren sich in ihrem gesellschaftlichen Engagement nicht
auf sinnstiftende Lebensfragen des Glaubens. Im Gegenteil, die
Kirchen selbst sehen sich zunehmend nicht mehr nur als
Legitimationskraft für Staat, Regierung, Politiker, sondern
als Einspruchsmacht, wenn die Würde des Menschen aus ihrer
Sicht in Gefahr ist. Sie gehören auch und gerade in der
Flüchtlingsfrage zu den engagierten zivilgesellschaftlichen
Kräften, in deren ehrenamtlicher Arbeit Gläubige und
Nichtgläubige zusammenarbeiten. Allein 2015 wurden über 100
Mio. Euro zusätzlich aus Eigenmitteln der Kirchen zur
Versorgung von Flüchtlingen aufgebracht. Dieses Engagement
führt – nicht nur in Bayern – unmittelbar zu politischen
Auseinandersetzungen. Auch haben die Kirchen immer wieder
Position bezogen gegen die Rechtsentwicklung der Gesellschaft.
So hat das Zentralkomitee der Katholiken die AfD vom
Katholikentag in Leipzig ausgeladen.
Rassistische Vorurteile und Gewalt zielen oft auf den Islam
und stellen die freie Religionsausübung von Muslimen in Frage.
Das geschieht vor dem Hintergrund von Fremdenfeindlichkeit,
Rassismus, wachsender Islamfeindlichkeit und Antisemitismus.
Wir meinen: Gegen Zivilisationskrisen, die zunehmende Spaltung
in Arm und Reich, die Zunahme an Kriegen und globalem
Rüstungswettlauf, Rassismus und die Verrohung der
Gesellschaft, die Ausbreitung des Terrors, der durch die
Kriege der vergangenen Jahre nicht gestoppt, sondern befeuert
wurde, kann sich die Gesellschaft nur in gesellschaftlichen
Bündnissen stellen. Das schließt auch Akteure aus Kirchen und
Religionsgemeinschaften ein.
Deutschland ist säkular und zugleich auch religiös vielfältig.
Angesichts der drängenden gesellschaftlichen und politischen
Probleme arbeitet Die LINKE im Dialog mit Menschen zusammen,
die ihre Motivation im Kampf für eine progressive und
humanistische Welt aus
beziehen; dazu gehören
den unterschiedlichsten Quellen
auch Angehörige verschiedenster
Glaubensrichtungen . Wir setzen auf plurale Bündnisse wenn es
um Frieden, den Schutz der Natur, um soziale Gerechtigkeit
oder die Kritik am Kapitalismus geht, im Kampf gegen
Ausbeutung, Krieg, gegen Sozial- und Demokratieabbau und vor
allem im Kampf für eine Alternative zum Kapitalismus, die für
die LINKE demokratischer Sozialismus heißt.
Die LINKE steht für Religionsfreiheit, wie sie im
Menschenrecht
der
Glaubens-,
Gewissensund
Weltanschauungsfreiheit und im Grundgesetz für alle Kirchenund Religionsgemeinschaften verankert ist. Zentral ist Art. 1
GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar". Dazu gehört auch
die im Artikel 4 GG enthaltene Religions- und
Weltanschauungsfreiheit.
Menschen-,
verfassungsund
grundrechtlich ist nicht nur die individuelle positive und
negative Religionsfreiheit geschützt, sondern auch die
korporativ-institutionelle Religionsfreiheit. Anerkannt wird
damit, dass Religion nicht bloß Privatsache ist, sondern auch
eine öffentliche Angelegenheit.
In ihrem Grundsatzprogramm verteidigt DIE LINKE das Recht
„aller Menschen auf ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung
oder Religion. Sie tritt ein für den Schutz weltanschaulicher
und religiöser Minderheiten." DIE LINKE steht in der Tradition
einer Aufklärung, die für einen toleranten Umgang mit und
zwischen den Religionen steht. Zugleich stellt sie sich ihrer
historischen Verantwortung. Bereits im Jahr 1990 bekannte sich
der Parteivorstand der PDS zur Verantwortung an einer
verfehlten Politik der SED, „die tragische Schicksale,
Benachteiligung, Verdächtigung und ohnmächtige Betroffenheit
auslöste"
und
bat
die
Gläubigen,
Religionsgemeinschaften um Verzeihung.
Kirchen
und
Heute engagieren sich in der LINKEN Christinnen und Christen,
Jüdinnen und Juden, Musliminnen und Muslime sowie Atheistinnen
und Atheisten für gemeinsame Ziele und Werte, die in den
großen Religionen genauso ihre Wurzeln haben wie in den Ideen
der Aufklärung und des Humanismus:
Soziale Gerechtigkeit,
Frieden,
Nächstenliebe,
Solidarität und
Toleranz.
Die religiös-weltanschaulichen Verhältnisse in Deutschland
unterliegen
starken
Veränderungen.
Die
religiösweltanschauliche Landkarte Deutschlands ist individueller und
pluraler geworden. Religionen sind in neuer und anderer Weise
auf die politische Bühne zurückgekehrt, Deutschland ist aber
auch säkularer geworden. Der Zuzug von Menschen, die in
Deutschland Schutz suchen, wird die religiöse Landschaft
zusätzlich verändern.
In vielen Fragen der Religionspolitik haben wir
Übereinstimmungen, gleichzeitig gibt es zu verschiedenen
Fragen auch kontroverse Standpunkte, die in den Jahren nach
der Verabschiedung des Erfurter Programms nicht ausdiskutiert
wurden. Es ist an der Zeit, einen Rahmen für eine
Positionsentwicklung zu schaffen:
1) Der Parteivorstand
Kommission"
beruft
eine
„religionspolitische
2) Diese Kommission setzt sich aus Mitgliedern der Partei
zusammen, die christlichen, jüdischen, muslimischen und
laizistischen sowie atheistischen Traditionen verbunden sind.
Sie berücksichtigt zugleich verschiedene Strömungen und
Positionierungen in der Partei. Die Kommission kann zu
speziellen Fragen externe Expertinnen und Experten
heranziehen.
3) Anhand folgender und weiterer Fragen erarbeitet die
religionspolitische Kommission einen Vorschlag
Positionierung und zu Initiativen der Partei.
zur
3.1. Die LINKE will eine lebendige Demokratie mit einer wachen
Zivilgesellschaft:
Was heißt das für das Verhältnis von Staat, Kirchen und
Religionsgemeinschaften?
Wie kann die LINKE die Zivilgesellschaft stärken, deren Teil
auch Religionsgemeinschaften sind?
Was bedeuten die aktuellen gesellschaftlichen und politischen
Entwicklungen für das Verhältnis der LINKEN zu den
Religionsgemeinschaften?
3.2. Die LINKE versteht sich als eine laizistische Partei:
Was
ist
der
Kern
einer
Laizität,
welche
die
Achtung
moralischer Gleichheit der Individuen und den Schutz der
Religionsfreiheit will?
Meint Laizität die Trennung von Staat und Kirche im Sinne
einer klaren Aufgabenteilung von Staat und Kirche oder den
Ausschluss der Religion aus der öffentlichen Sphäre?
Wie kann gesichert werden, dass die Trennung von Staat und
Religion und ein Ausschluss der Religion aus der öffentlichen
Sphäre nicht zu einem Ausschluss religiöser Menschen und
Gemeinschaften aus der Gesellschaft führen?
3.3. Die LINKE tritt für den weltanschaulich neutralen Staat
ein:
Was bedeutet dies konkret für die Forderung nach
Gleichberechtigung aller Religionsgemeinschaften angesichts
der aktuellen religionspolitischen Lage in Deutschland?
3.4. Wie können wir uns mit Gewerkschaften und Kirchen vor dem
Hintergrund
neoliberaler
Gesellschaftsund
Wirtschaftsvorstellungen gegen die Aushöhlung des freien
Sonntags und den Druck auf gesetzliche Feiertage stellen?
3.5.
Wie
können
sich
die
Feiertagsgesetze
an
der
religionspolitische Pluralität und den Bedürfnissen der
Gesellschaft orientieren? Wie gehen wir mit Beschränkungen bei
sogenannten „Stillen Tagen" um, die
(Karfreitag) als auch nicht-religiös
begründet sein können?
sowohl religiös
(Volkstrauertag)
3.6. Die LINKE achtet das Menschenrecht auf Religionsfreiheit
und auf Religionsausübung: Wie soll das Menschenrecht auf
Religionsausübung in Bundeswehr, Polizei und Gefängnisse für
alle Religionsgemeinschaften garantiert werden? Wie
konkretisieren wir z.B. unsere Position zur Militärseelsorge?
3.7. Wie gehen wir damit um, dass die Forderung nach der
Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen zwar juristisch
vertretbar sein kann, weil Vorschriften über Beleidigung,
Verleumdung und Volksverhetzung ausreichen, um die
Verächtlichmachung von religiösen Empfindungen zu ahnden, aber
zugleich
eine
solche
Initiative
angesichts
von
islamfeindlicher und antisemitischer Hetze und Gewalt ein
Signal in die falsche Richtung sein könnte?
3.8. Die LINKE tritt für einen weltanschaulich-neutralen Staat
ein:
Einig sind wir darüber, dass
Bildungseinrichtungen frei von
sollen.
Behörden und staatliche
religiösen Symbolen sein
Wie aber positioniert sich die LINKE zu Vorschriften, die das
Recht auf Religionsfreiheit einschränken wie z.B. dem
Kopftuchverbot?
Welche Konsequenz ziehen wir aus dem jüngsten Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes, nach dem ein pauschales
Kopftuchverbot nicht mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit
zu vereinbaren ist?
Wie gehen wir mit religiös-ethischen Fragen um, bei denen
religiöse und weltanschauliche Glaubensüberzeugungen eine
wesentliche Rolle spielen, wie bei der Debatte um das
Kopftuch?
3.9. Wie sieht unsere Position zu Kirchensteuern im Detail
aus? Wie gehen wir damit um, dass aus Kirchensteuern z.T. auch
gesellschaftliche Aufgaben und soziale Dienste finanziert
werden?
3.10. Wie verbinden wir unsere Positionen zum kirchlichen
Arbeitsrecht mit realen gewerkschaftlichen Initiativen und wie
können wir die Kämpfe der Beschäftigten in kirchlichdiakonischen Einrichtungen wirksam unterstützen?
3.11. Die LINKE verteidigt das Recht auf Bildung als ein
Menschenrecht.
Gehört zu dem Menschenrecht
Religionsunterricht?
auf
Bildung
auch
der
Gehört es zum Bildungsauftrag der Schule, allen Kindern das
Wissen über die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen
zu vermitteln?
Welche Anforderungen werden an die Ausbildung des
Lehrpersonals für alle Religionsgemeinschaften für den
Religionsunterricht gestellt?
Wo wird diese fachliche Ausbildung erworben?"
Der komplette Laizismus-Antrag vom Landesvorstand DIE LINKE,
Sachsen, als pdf.
Der Originalartikel bei Freigeist Weimar – Laizität: Ein (nur
vorübergehender?) Schluckauf der LINKEN
Link zur Seite von Georg Korfmacher
Artikel Liberté, Egalité, Laïcité: eine Stolperfalle der
LINKEN
Weitere Artikel von Georg Korfmacher
Kapitalismusdebatte aktuell I
Hier
ist
Stoff
aus
unterschiedlichen
Plattformen
zusammengetragen, auf denen
diskutiert
wird,
wie
dem
Kapitalismus Grenzen aufgezeigt
werden können, und wo die
schwersten Probleme liegen. Die
Forderung nach einer neuen
Arbeiterbewegung wird erhoben.
Verschiedene Instrumente werden diskutiert: Grundeinkommen,
Helikoptergeld, "markträumende" Einkommen, Maximallöhne (Bild:
Prawny, pixabay). Damit der wissenbloggt-Artikel nicht zu lang
wird, kommt auch dies Thema in zwei Abschnitten. Zuerst die
Punkte
Maximallohn,
markträumende
Einkommen
und
Helikoptergeld:
Maximallohn
Klarerweise
bezieht
sich
der
Maximallohn
auf
die
Spitzenverdiener. Das ist das Thema von Nils Heisterhagen in
VW-Managergehälter – Wir brauchen Maximallöhne (Cicero 26.4.).
Der Autor verlangt, für mehr Gerechtigkeit in der
Marktwirtschaft sollten Maximallöhne festgesetzt werden.
Schließlich seien auch Vorstandsmitglieder nur Angestellte,
selbst bei VW. Da müsse der VW-Vorstand nicht 170-mal so viel
verdienen wie ein durchschnittlicher Angestellter (Zahl der
Hans-Böckler-Stiftung von 2011, siehe auch Nie waren sie so
wertvoll wie heute).
Der Maximallohn wäre ebenso wie der Mindestlohn ist ein gutes
Zeichen gegen Ausbeutung und für bessere Beteiligung aller an
Wachstum und Wohlstand. Im Dax-30-Durchschnitt verdienten die
Bosse 53-mal so viel wie ein normaler Beschäftigter, das sei
ein Einkommensverhältnis ohne Maß und Mitte, es sei nicht
gerecht. Soziale Gerechtigkeit im Kapitalismus bedeute nicht
völlige Gleichheit – das wäre sozialistisch –, aber es brauche
Verhältnismäßigkeit.
Ein erster Ansatz war die Schweizer Volksinitiative „1:12 –
Für gerechte Löhne“ die aber 2013 scheiterte (siehe 1:12 kommt
zu keinem Ergebnis). Die Idee dahinter war, Top-Manager
sollten im Monat nicht mehr als das Jahresgehalt eines
Geringverdieners bekommen. Früher waren die Verhältnisse mal
in solchen Regionen, Zahlen aus den USA von wissenbloggt
nachgetragen:
1965 war das Managergehalt das 20-fache
2012 war es das 273-fache
Der Autor will Boni für Erfolg zur Gehaltsaufbesserung
zulassen; Boni sollten allerdings auch Grenzen haben. Aber
warum ein Top-Manager fünf oder sogar zehn Millionen Euro an
Grundgehalt im Jahr bekommen soll, während der
durchschnittliche Brutto-Lohn im gleichen Unternehmen bei
vielleicht 40.000 Euro im Jahr liegt, ist für ihn nicht
vermittelbar.
Er betont den Unterschied: Unternehmer erhalten keinen Lohn,
sie kassieren Gewinne aus ihren Unternehmen. Aber Top-Manager
sind keine Unternehmer, sie sind Angestellte. In diesem Sinne
könnte der Staat genausogut einen Maximallohn festlegen wie
einen Minimallohn. Die Marktwirtschaft würde davon nicht in
Frage gestellt.
Die Deckelung der Spitzengehälter würde dafür sorgen, dass
Leistung sich für den durchschnittlichen Beschäftigten mehr
lohnt. Wenn die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft
diskutiert werde, sollte auch eine Debatte über die Deckelung
von Spitzen-Managergehältern geführt werden – über einen
Maximallohn.
Markträumende Einkommen, Helikoptergeld
Werner Vontobel schreibt dazu Markträumende Einkommen gesucht,
notfalls per Helikoptergeld (Ökonomenstimme 28.4.): Die Löhne
in Deutschland erlauben vielen Menschen nur einen sehr
bescheidenen Konsum. Der Beitrag Vontobels sieht darin ein
Versagen der Gewerkschaften.
Deutschland hat den Deregulierern nachgegeben, die durch Abbau
aller Markthindernisse Vollbeschäftigung zu erreichen
glaubten. Das Ergebnis ist, dass heute ein Viertel der
Arbeitsbevölkerung von einem Minimaleinkommen leben muss und
auf staatliche Hilfe für Altersvorsorge, Krankheit oder
Arbeitslosigkeit angewiesen ist. Deshalb treten laut Autor
inzwischen sogar hartgesottene IWF-Ökonomen dafür ein, den
Arbeitsmarkt zu regulieren (das bezog sich auf den japanischen
Arbeitsmarkt).
Die Voraussetzung für Vollbeschäftigung sind Arbeitseinkommen,
die hoch genug sind, um das BIP zu konsumieren. Real sind sie
es aber nicht, und der Versuch, die Nachfragelücke mit
Exportüberschüssen zu füllen, sei gescheitert. Selbst für
Exportweltmeister Deutschland gehe die Rechnung nicht auf. Das
veranlasse Staat und Zentralbanken, die Nachfragelücke anders
zu schliessen: Sie saugen die Überschüsse auf und pumpen sie
in die Wirtschaft zurück. Die Wirkung: Der Lebensunterhalt der
Arbeitslosen, der Kranken und der Unterschicht werde per
Kredit finanziert.
Die
Bezeichnung
dafür
ist
"Transmissionsmechanismus
der
Geldpolitik". Der könne die Wirtschaft zwar stabilisieren,
aber nicht ankurbeln, denn so geschaffene Einkommen sind weit
davon entfernt, markträumend zu sein und für Vollbeschäftigung
zu sorgen ("markträumender" Konsum heißt Ausschöpfung der
Produktionskapazitäten). Hartz IV Empfänger können sich kaum
ein Fahrrad und eine geheizte Unterkunft leisten, geschweige
denn irgendwelche Luxusgüter. Doch genau das sei nötig, weil
die Wirtschaft ihre Produktivität seit dem "Wirtschaftswunder"
der 1960er-Jahre mehr als verdreifacht hat.
Es sei Aufgabe der Gewerkschaften, nicht nur existenz-,
sondern auch systemsichernde Löhne und Einkommen
durchzusetzen, mithin eine markträumende Einkommensstruktur.
Die Einkommen sind dann so hoch, dass das ganze
Produktionspotential der Wirtschaft konsumiert und investiert
wird, ohne dass dazu "chronische Exportüberschüsse" gebraucht
werden.
Wieder wird die Hans-Böckler-Stiftung zitiert, diesmal eine
Studie von 2016: "Damit ein Lohn zum Leben reicht, sollte er
mindestens 60% des mittleren Lohns entsprechen." Deutschlands
Mindestlohn müsste nach dieser Logik von 8.50 auf 10.63 Euro
steigen – doch diese Zahlen seien realitätsfremd.
Der Autor rechnet für eine Durchschnittsfamilie mit zwei
Kindern incl.
Rentenfinanzierung einen Stundenlohn von
mindestens 15 Euro aus, und zwar für ein Leben auf Hartz-4Niveau. Damit sei vielleicht das Überleben gesichert, nicht
aber eine markträumende Einkommensverteilung. Die verlange
mindestens 27 Euro pro Stunde. Dazu kalkuliert der Autor für
das ärmste Fünftel ein notwendiges Jahreseinkommen von 20.000
Euro
netto
pro
Kopf
nach
allen
Abzügen
und
Rentenfinanzierungen, damit der Anteil am markträumenden
Konsum geleistet werden kann. Das macht 35.000 Euro brutto;
und verteilt auf die Jahresarbeitszeit von 1300 Stunden,
errechnen sich dann die 27 Euro brutto als Stundenlohn.
Wenn die Relation von 27 Euro zur "Errungenschaft" der 8,50
Euro Mindestlohn fast grotesk wirke, zeige das bloß unseren
Realitätsverlust: Schließlich leben wir doch in einer Welt des
potentiellen Überflusses! Wenn es in den 1960er-Jahren noch
selbstverständlich war, dass ein Alleinverdiener mit seinem
Lohn eine Familie ernähren konnte, wieso dann heute nicht
mehr? Seither hat sich in Deutschland die Produktivität
verdreifacht, und die Ehefrauen verdienen mit. Wieso wird dann
über Mindestlöhne geredet, mit denen man nicht mal zu zweit
eine Familie über die Runde bringen kann?
Und der Autor gibt die Antwort: Weil die Gewerkschaften und
die Sozialdemokratie versagt haben! Von Unternehmern kann man
ja nicht erwarten, dass sie volkswirtschaftlich denken, die
sehen Löhne als Kosten, basta. Leider haben die deutschen
Gewerkschaften und die SPD laut Vontobel diese
merkantilistische
Optik
übernommen.
Um
die
Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft zu stärken, gab es
erst die Politik der "Lohnmäßigung" und dann auch noch die
bewusste Schaffung eines "Niedriglohnsektors".
Die "Lohnkosten" gingen im Median von 1993 bis 2005 um 11%
real zurück (nicht der Mittelwert, sondern der Wert, bei dem
die Hälfte der Durchschnittseinkommen drüber liegt und die
Hälfte drunter). Gleichzeitig stieg die Produktivität um 24% –
der Autor nennt das einen Irrsinn. Durch die jährlich gut 200
Milliarden Euro Exportüberschüsse gebe es "nur" noch 6%
Arbeitslosigkeit. Dafür aber 11% geringfügig Beschäftigte mit
monatlich weniger als 400 Euro, und weitere 8% Geringverdiener
mit netto bloß 1.200 Euro.
Rund ein Viertel der Arbeitsbevölkerung lebt also in etwa auf
dem Niveau von Hartz IV und fällt als Konsummotor total aus.
Entsprechend lag Deutschlands Binnennachfrage weit hinter der
von Resteuropa zurück. Umgerechnet in Nachfrageeinbußen
übertreffe das den Exportgewinn jährlich um Hunderte von
Milliarden. Und seit 2009 seien die übrigen EU-Länder
gezwungen, Deutschlands Politik nachzuahmen, mit den bekannten
traurigen Ergebnissen.
Aber
Politik
und
Gewerktschaftspolitik
haben
keine
Konsequenzen aus diesem Misserfolg gezogen, es gab keine
Renaissance der Sozialpolitik. Im Gegenteil sei Deutschlands
Niedriglohnsektor
inzwischen
auch
für
Europas
Gewerkschaftsbewegung zum Maßstab geworden. Doch das Ziel
eines Mindestlohnes von 60% vom ohnehin stark gesunkenen
Medianeinkommen zementiere die Nachfrageschwäche. Am Beispiel
der Schweiz sehe man, wieviel wirklich gebraucht wird.
Dank der "volkswirtschaftlich alphabetisierten" Schweizer
Gewerkschaften beträgt der durchschnittliche Jahreslohn des
ärmsten Fünftels und 40.000 Franken, und die entsprechenden
36.400 Euro müssten auch die Zielgrösse für Deutschland sein.
Die Schweiz hat darüber hinaus ein soziales Rentensystem, das
dem ärmsten Fünftel der Rentner 80% des Durchschnittskonsums
gestattet. Doch selbst das "System Schweiz" schaffe noch zu
wenig Nachfrage, abzulesen an 5% Arbeitslosigkeit und 12% vom
Schweizer BIP Exportüberschuss.
Laut Vontobel sind markträumende Löhne ein Tabuthema in
Europa. Wo bliebe auch die Wettbewerbsfähigkeit?! Das sei der
Grund für die derzeitige "esoterische Diskussion um den
Werkzeugkasten der Geldpolitik". Fragen dazu:
Bringen höhere Inflationsraten mehr Konsum heute statt
erst morgen?
Löst der "Reichtumseffekt" der steigenden Aktien- und
Immobilienpreise eine Konsumorgie aus? (Anmerkung wb:
durch die steigenden
Armutseffekt.)
Mieten
ist
es
eher
ein
Schwächen die tiefen Eurozinsen den Euro und beflügeln
sie dadurch wenigstens den Export?
Kurbelt der Negativzins die Investitionen doch noch an?
Der Autor ist pessimistisch, er sieht die Hoffnungen
schwinden. Andere auch, deshalb beflügele jetzt ein neues
Stichwort die Diskussion: das Helikoptergeld. Nach einem
Schweizer Vorschlag soll die Schweizer Nationalbank "im Rahmen
ihres Mandats" jedem Schweizer regelmässig eine "gewisse
Geldration" gutschreiben. Interessant sei vor allem die
Begründung: "Obwohl unsere Volkswirtschaften unter einer zu
geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage leiden, findet sich
kein Mechanismus, um die Kaufkraft auf breiter Ebene
anzuheben" (siehe auch Direkte monetäre Staatsfinanzierung als
Helicopter Money?).
Dem stimmt Vontobel zu. So wie die Dinge liegen, könne nur
Helikoptergeld das Nachfrageproblem in absehbarer Zeit lösen.
Es könne Jahrzehnte dauern, bis die Löhne wieder ein
markträumendes Niveau erreichen. Damit dieser Prozess
überhaupt in Gang komme, müsse sich die deutsche
Sozialdemokratie endlich daran erinnern, "dass man einst
Nachfrage auch mit Lohntüten-Geld geschaffen habe."
Soweit Teil I des wb-Kapitalismus-Referats. Im Teil II kommen
dann Texte zum Grundeinkommen und zur neuen Arbeiterbewegung
unter die Lupe.
Links zum Thema:
Megatrend Ungleichheit
Einkommensungleichheit wächst
Pleitepolitik Wieviel Jahre
ausgegeben ist
das
Geld
im
Voraus
Reload 1970 Was die Deregulierung uns gebracht hat
Referat zum Interview zum Buch „Reichtum ohne Gier“ von
Sahra Wagenknecht
Abgesang auf die SPD
Antikapitalistische Proteste „nuit debout“ (geht trotz
Verbot weiter)
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