Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen

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Der Preis ist heiß – Der Weg zum
wertbasierten Anzeigen-Pricing
Bewegte Zeiten: Seit Jahren sind die Anzeigenumsätze rückläufig. Gefragt sind deshalb neue Strategien, um Privatkunden,
Firmen und Mediaagenturen als Inserenten für die Zeitungen
zu gewinnen. Erfolgsversprechend erscheint dabei der Ansatz,
nicht länger auf Daumenregeln, Bauchgefühl und Traditionen,
sondern auf die Vermittlung des tatsächlichen Wertes einer
Anzeige für die Kunden zu setzen.
Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing
Der Preis ist heiß –
Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing
Schaubild 1
Zwei Säulen sind die Grundlage einer exzellenten Preisstrategie
Pricing-Excellence
Von Florian Bauer
Preisfindung
Seit einigen Jahren sehen sich Verlage einem
wachsenden und immer ernster werdenden
Bündel von Problemen gegenüber: Die Produktionskosten steigen, die Auflagen sinken,
die Anzeigenerlöse gehen zurück und werden
zudem merklich volatiler. Es sind Rezepte gefragt, wie diesen Entwicklungen begegnet werden kann. Für Vertriebserlöse gibt es bereits
vielversprechende Ansätze. An dieser Stelle
sei deshalb den Anzeigenerlösen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, bilden sie doch nach
wie vor – trotz aller Schwankungen – die zweite, unverzichtbare Umsatzsäule. Notwendig
sind neue Strategien, neue Denkweisen und
neuer Mut.
Die erste Herausforderung ist, ein Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse der
verschiedenen Kundengruppen zu entwickeln.
Denn im Anzeigengeschäft gibt es nicht nur
„den einen“ Kunden, sondern selbst auf hoher Aggregationsstufe mindestens drei, die
wiederum nach einer individuellen Ansprache,
Produkt- und Preisstrategie verlangen: Mediaagenturen, (lokale/regionale) Geschäftskunden und private Anzeigenkunden. Jedes Segment hat seine eigenen Erwartungen, Vorstellungen und Verhaltensweisen in Bezug auf eine Anzeigenschaltung.
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So lebt beispielsweise eine Agentur von dem
Rabatt, den sie aushandeln kann, und hat daher auch nichts gegen hohe Listenpreise einzuwenden. Die Geschäftskunden stellen eine
besondere Herausforderung dar, da es sich
hierbei um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Es sind verschiedenste Branchen, Unternehmensgrößen und Zielvorgaben vertreten,
was eine nochmals differenzierte Kundenansprache und Preisgestaltung verlangt. Zudem
lassen sich Geschäftskunden im Gegensatz
zu Mediaagenturen durchaus von hohen Listenpreisen abschrecken. Sie denken eher in
„Ad-hoc-Budgets“ als in Rabatten oder „Kickbacks“. Ein wiederum anderes Verhalten legt
die dritte Zielgruppe an den Tag: Private Kunden planen keine regelmäßige Schaltung von
Zeitungsannoncen. In der Regel haben sie einen kurzfristigen Bedarf zu befriedigen, wodurch der Preis eine andere Rolle spielt, eine
teilweise noch geringere als bei Agenturen,
und Rabattverhandlungen gewöhnlich entfallen. Es gilt, alle drei Kundenperspektiven zu
verstehen und in einer differenzierten Preisstrategie zu berücksichtigen. Denn alle „über
einen Kamm zu scheren“, heißt nichts anderes, als Marge zu verschenken. Bisher wird
diese Heterogenität der Kundensegmente jedoch weitgehend vernachlässigt – sowohl im
Preisdurchsetzung
Preishöhe
Operative Ebene
Preisstruktur
Strategische Ebene
Bundling
Preisdifferenzierung
Wertbasiert
Konsequent
Grundlage
Quelle: Vocatus
Hinblick auf das Angebotsportfolio als auch
auf die Preisstruktur und die Kommunikation.
Unter Berücksichtigung dieser verschiedenen
Kundenbedürfnisse gilt es, insbesondere die
Preis- aber auch die Produktstrategie zu optimieren. Im Folgenden wird dabei vor allem auf
die Geschäfts- und Privatkunden eingegangen,
da die Metrik der Mediaagenturen eine vollkommen andere ist. Sie unterscheidet sich
BB0512
zum einen zu sehr von den anderen beiden
Segmenten und zum anderen lässt die Verhandlungsposition von Verlagen gegenüber
Mediaagenturen viel weniger Gestaltungsspielraum zu. Ein Grund mehr, diesen Spielraum
bei den anderen Werbungtreibenden zu nutzen, die einem dies ermöglichen.
Preisstrategien im Anzeigengeschäft basieren
auf traditionellen Ansätzen, die historisch ge-
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Zeitungen 2012/13
wachsen sind und mit der Zeit immer weiter
ausgebaut wurden. Inzwischen sind die Strukturen sehr komplex und selbst für Profis kaum
mehr zu durchschauen.
Eine effektive Preisstrategie steht auf zwei
Säulen: einer wertbasierten Preisfindung und
einer konsequenten Preisdurchsetzung (siehe
Schaubild 1), die beide konsequent gepflegt
und kontinuierlich hinterfragt werden müssen.
Entwickelt man die Preisstrategie für Anzeigen
auf Basis dieser Grundlage, lassen sich passgenaue und kundenorientierte Maßnahmen
ableiten, die ungeahnte Erlöspotenziale versprechen. Doch bevor die Preisstrategie optimiert werden kann, ist es zunächst einmal
wichtig, den (derzeitigen) Anzeigenmarkt zu
analysieren und mögliche Problemfelder zu
identifizieren.
Der Glaube an den „Homo oeconomicus“
Ein Pfeiler der Preisstrategie ist die Preisfindung. Doch woran macht derzeit ein Verlag
seine Anzeigenpreise fest? An allem, nur
meist nicht am subjektiven Wert, den eine Anzeige für den Kunden schafft. Zum einen liegt
der Ursprung dafür in einer „inside-out“ gerichteten Perspektive. Man bepreist das Produkt
„Anzeige“ entlang von produkt(ions)orientierten Dimensionen: nach Millimeter, Farbe oder
Tausender-Kontakt-Preis (TKP). Aber der Kunde kauft nicht Millimeter oder Farbe und TKP.
Was er kauft, ist Umsatz, Kundenbesuche,
das Gefühl, das Richtige zu tun oder die Hoffnung auf einen positiven Imageeffekt. Diese
Bedürfnisse werden durch die Preisstrategien
der Verlage aber nicht abgebildet. Damit wird
es aber auch unmöglich, den Preis aus Kun-
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Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing
densicht wertorientiert zu rechtfertigen. Und
dann beginnt zwangsläufig das „Gefeilsche“
um Prozente, weil dies die einzig verbleibende
Dimension ist, die am Ende beide Parteien
verstehen.
Zum anderen ist der Grund für die suboptimalen Preisstrategien in einem falschen Konsumentenbild zu suchen: Viele Verlage sehen
den Werbetreibenden nach wie vor als einen
sogenannten „Homo oeconomicus“; ein Phantom, das alle Preise kennt, intensiv vergleicht
und sich grundsätzlich für das Angebot mit
dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis entscheidet. Aber, es gibt diesen Kunden in der
Realität kaum. Im Gegenteil, Werbungtreibende − und auch Geschäftskunden – sind am
Ende nur Menschen, deren Hauptbeschäftigung nicht die Buchung von Anzeigen ist. Sie
machen bei Entscheidungen „Fehler“, die
zwar aus ökonomischer Sicht unverständlich,
aber vorhersagbar und damit preisstrategisch
nutzbar sind. So lassen sich viele Kunden
mehr über andere Preismotive wie etwa ein
einfaches Buchungssystem, überschaubare
Kosten oder eine klare Kostenkontrolle als
über einen möglichst günstigen Effektivpreis
locken. Genau das gilt es zu nutzen.
Wie „irrational“ das Verhalten eines Kunden
sein kann, zeigt Schaubild 2. Bei einer Studie
in einem B2B-Dienstleistungssektor wurden
zwei Preismodelle gegenübergestellt: zum
einen ein „Pay as you go“-Modell und zum anderen ein fixes Angebotspaket. Ersteres bietet
eine variable, leistungsabhängige Abrechnung.
Jeder Kostenpunkt wird separat aufgeführt,
und ökonomische Risiken schließen sich praktisch aus, da nur genau das bestellt wird, was
Schaubild 2
Beispiel Akzeptanz alternativer Preismodelle
„Pay as you go“
• variable, leistungsabhängige Abrechnung
• transparent, weil alle Kostenpositionen
separat aufgeführt werden
• fair, weil ökonomische Risiken für beide Seiten auch vorab begrenzbar sind
(z. B. Mindestbestellumfang oder
„Kostenairbag“)
„Pakete“
• verschiedene Pakete mit unterschiedlichen Leistungsumfängen und festen
Preisen
• wenn Leistung im vorgegebenen Zeitraum nicht abgerufen wird, verfällt sie
• faktisch hoher Preis, weil auch Leistungen eingepreist werden müssen, die
nicht abgerufen werden
Präferenz KMU
29%
71%
„Homo oeconomicus“?
Begründung der Präferenz:
Verständlichkeit: 94%
Kostenkontrolle: 86%
Quelle: Vocatus
auch benötigt wird. Dem gegenüber steht ein
Angebotspaket, das einen festen Preis hat
und verschiedene Leistungsumfänge pauschal beinhaltet. Wird die Leistung nicht abgerufen, verfällt sie nach einer bestimmten
Zeit. Im Gegensatz zum ersten Ansatz ist der
Preis relativ hoch, da auch Angebote eingepreist werden, die der Kunde eigentlich gar
nicht benötigt. Der „Homo oeconomicus“ hätte sich relativ eindeutig für das variable „Pay
as you go“-Modell entschieden, da es aus
finanzieller Sicht günstiger und transparenter
ist. Dennoch haben in der Studie 71 Prozent
der Befragten das Angebotspaket gewählt. Begründet wurde die Präferenz mehrheitlich mit
der besseren „Verständlichkeit“ und einer
BB0612
„einfacheren Kostenkontrolle“. Insbesondere
Letztgenanntes war ein entscheidender Punkt:
Viele Kunden würden de facto damit zu viel
bezahlen, aber der Entscheider hat vom ersten Tag an die absolute Sicherheit, dass er am
Ende des Jahres sein Budget nicht überschreiten wird. Dahingegen muss er in der „Pay as
you go“-Variante bis zum letzten Tag des Geschäftsjahrs mit dem geringen, aber doch vorhandenen Risiko leben, dass sein Etat noch
überzogen werden könnte, was häufig signifikant negative Konsequenzen nach sich ziehen
würde. Im umgekehrten Fall (Budgetunterschreitung) sind die Folgen aber auch nicht
positiv – im Gegenteil: Für das nächste Jahr
würde das Budget aufgrund des geringen Ver-
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Zeitungen 2012/13
brauchs weiter reduziert. Allein dieses Beispiel
zeigt, für Kunden – auch im B2B-Bereich –
sind Motive jenseits einer möglichst günstigen
Endsumme oftmals deutlich ausschlaggebender für die Kaufentscheidung als der Preis
selbst. Versteht man dieses Verhalten und verabschiedet sich vom Glauben an den „Homo
oeconomicus“, können diese Einsichten gezielt
genutzt werden, um die eigene Strategie passgenau auszurichten.
Säule 1:
Die Preisfindung ist nicht wertbasiert
Optimaler Weise setzt sich die erste Säule der
„Preisfindung“ aus vier Aspekten zusammen,
deren Ausgestaltung sich primär am wahrgenommenen Wert des Produkts aus Kundensicht orientiert („Value-based Pricing“):
• Preishöhe
• Preisstruktur
• Bundling
• Preisdifferenzierung
Gegenwärtig orientieren sich die meisten Verlage jedoch nicht an diesem Idealfall, sondern
halten sich bei der Preisfindung an altbekannte Abläufe, Glaubensansätze und dem eben
beschriebenen Bild des „Homo oeconomicus“.
Ein kurzer Blick, wie derzeit die Preise für Anzeigen festgesetzt werden, verdeutlicht den
Status quo und die Optimierungsmöglichkeiten: Als preisstrategische Basis werden typischerweise die Preislisten des Vorjahres herangezogen, meist jedoch, ohne die bisherigen
Strukturen überhaupt zu hinterfragen (Zitat
eines Verlagsmitarbeiters: „Preisfindung? Die
Preisliste habe ich von meinem Vorgänger
240
Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing
übernommen“). Darauf aufbauend werden die
neuen Preise bestimmt. Beeinflusst wird die
Festlegung dabei von verschiedenen Faktoren:
Wie ist die allgemeine Wirtschaftslage in der
Region beziehungsweise bei meinen Anzeigenkunden? Hat der Wettbewerb seine Preise
erhöht? Erlaubt die bisherige Auflagenentwicklung überhaupt einen Aufschlag? Sind die Produktionskosten gestiegen? Zusätzlich gibt es
bestimmte „Daumenregeln“, wie eine maximale prozentuale Steigerung pro Jahr (O-Ton:
„Mehr als drei Prozent können wir uns nicht
erlauben“). Auch wird typischerweise darauf
geachtet, dass bestimmte Preisrelationen erhalten bleiben, die für sich genommen aber
nie validiert wurden (O-Ton: „Eine private Kleinanzeige darf nicht mehr kosten als 70 Prozent
der vergleichbaren Geschäftsanzeige. Das haben wir schon immer so gemacht, das ist im
Markt üblich.“)
Daraus entsteht eine Preisstruktur, die sich
kaum am eigentlichen Kundennutzen orientiert, sondern lediglich tradierte Ansätze fortschreibt. Schaubild 3 zeigt typische Dimensionen einer Anzeigenpreisstruktur, die im Verlagsalltag gelebt werden, jedoch nur bedingt
den tatsächlichen Kundenwert widerspiegeln.
Säule 2:
Die Preisdurchsetzung ist nicht konsequent
Die zweite Säule im Anzeigengeschäft ist eine
konsequente Preisdurchsetzung. Sie ist genauso wichtig wie eine fundierte, wertbasierte
Preisfindung, denn erst beides zusammen ergibt eine exzellente Preisstrategie. Während
bei der Preisfindung „Wertorientierung aus
Schaubild 3
Beispiele der Preisstruktur vs. Kundenwert
Dimension der
Preisstruktur
Abbildung des
Wertes aus
Kundensicht
Rubrik
Preise werden je nach Rubrik unterschiedlich angesetzt, ausschlaggebend ist zum Beispiel die Preishöhe des angebotenen
Produkts: Immobilienverkäufe teurer als Vermietungen; Verkäufe von Hausrat billiger etc.
Werbeform
Beilagen werden anders bepreist als Anzeigen in der Zeitung
Up-Selling
Bündelangebote/Kombipreise werden nach dem Schema
festgesetzt: Summe der Einzelprodukte minus x Rabatt
Auflage
Preise werden auch über die Auflage differenziert:
Mo-Fr billiger als Sa, da weniger Auflage
Region
Preise variieren auch regional über verschiedene Ausgaben,
ausschlaggebend ist die Wettbewerbssituation und die wirtschaftliche Situation der Kunden vor Ort
Kundensegment
Bestimmte Preisrelationen zwischen Privatkunden, Geschäftskunden und Mediaagenturen werden als Zielwerte vorgegeben. So leiten sich aus einem Preispunkt für ein Segment die
Preispunkte der anderen Segmente ab
Niedrige Wertorientierung
Quelle: Vocatus
Kundensicht“ das Qualitätskriterium darstellt,
ist es im Hinblick auf die Preisdurchsetzung
die „Konsequenz“, mit der eine einmal definierte Preisstrategie umgesetzt wird. Denn die
denkbar beste Preisliste hilft nichts, wenn sie
im Markt nicht von jedem einzelnen Vertriebsmitarbeiter durchgesetzt wird. Doch sowohl
auf strategischer als auch auf operativer Ebene gibt es hier mehrere Problemfelder, die einer beständigen Realisierung der festgeschriebenen Preise im Wege stehen:
Hohe Wertorientierung
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„Unsere Preisstrategie ist eine Rabattstrategie“ – Ein großes, von vielen Verlagen schon
als unabwendbare Realität akzeptiertes Problem sind die vorherrschenden Rabattschlachten. Die Preislisten werden kaum mehr konsequent genutzt, sondern durch eine reine Rabatttaktik ersetzt. Die Preise selbst sind
Makulatur. Seitens vieler Häuser ist es selbstverständlich, hohe und vor allem unbegründete Vergünstigungen zu gewähren. Es verkauft
sich kaum mehr eine Anzeige zum regulären
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Zeitungen 2012/13
Listenpreis. Inzwischen haben die Rabatte mit
bis zu 80 Prozent Größenordnungen erreicht,
die nicht nur ans Absurde grenzen, sondern
die Wertigkeit des Produkts „Anzeige“ nachhaltig unterminieren. Getreu dem Zitat von Wilhelm Busch: „Mit scharfem Blick, nach Kennerweise, schau ich zunächst mal nach dem
Preise. Doch bei genauerer Betrachtung steigt
mit dem Preise auch die Achtung.“ – ist ein
Produkt, das nichts kostet oder das unbegründet rabattiert wird, auch nichts wert. Das gilt
insbesondere für solche, deren Wert weder
messbar ist noch sich in der Preisstruktur abbildet, wie es bei Anzeigen meist der Fall ist.
Wenn man nur den „Glauben an das Produkt“
verkauft, sinkt die Höhe des „geglaubten“
Wertes mit jedem Rabattpunkt. Dabei stellen
sich zu wenig Vertriebsmitarbeiter die Frage,
wie viele Werbeplätze mehr verkauft werden
müssten, um dieses Rabattniveau wieder „hereinzuholen“. Ganz abgesehen von den langfristigen Kosten dieser Strategie: Welcher Kunde würde jemals wieder „reguläre“ Preise bezahlen, wenn er einmal vom süßen Nektar
großer Rabatte gekostet hat?
Natürlich werden Preisnachlässe genutzt, um
den Buchungsanreiz zu verstärken. Aber wenn
wir uns auf die Geschäfts- und Privatkunden
konzentrieren, ist es wirklich der Rabatt, der
sie zur Schaltung bewegt? In erster Linie geht
es den Kunden um die Anzeigen an sich und
deren Wert für ihr Anliegen. Sie hätten die Anzeige auch ohne Rabatt gebucht, werden diesen aber auch nicht ablehnen. Schauen wir
uns den Automobilmarkt an: Der Hersteller redet in Anzeigen meist über Nachlässe und
Sonderangebote und beim Händler haben Sie
zehn Prozent Rabatt, bevor Sie eine Tasse Kaf-
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Der Preis ist heiß – Der Weg zum wertbasierten Anzeigen-Pricing
fee in der Hand halten. Damit werden Kunden
zum Feilschen erzogen: Wer Rabatte sät, wird
Schnäppchenjäger ernten.
All das soll aber nicht bedeuten, dass Rabattierungen grundsätzlich falsch sind. Ist der
Preisnachlass gerechtfertigt, fair, zeitlich begrenzt und wird das auch so entsprechend
kommuniziert, kann er ein adäquates Mittel der
Vertriebsstrategie sein. Die Wertigkeit der erbrachten Leistung wird nur dann zerstört, wenn
die Rabatte ungerechtfertigt sind und das Verhältnis zwischen Produkt, Preis und dem wahrgenommenen Nutzen verschleiert wird.
„Wir bepreisen individuell“ – Dieses Statement ist ein Aspekt, der die Rabattschlachten
weiter anheizt. Es fehlen klar definierte Zielvorgaben für Verkaufspreise und Rabatte, wodurch Vertriebsmitarbeiter relativ freie Hand
bei Anzeigenverkäufen haben. Meist ist überdies auch kein systematisches Rabattcontrolling oder sinnvolles Incentive-System vorhanden, das sich beispielsweise an erzielten Margen orientiert. Je mehr Spielraum Mitarbeiter
haben, umso verstärkt fließen deren persönliche Erfahrungen und Einschätzungen in den
Verkauf ein. Dies hat zur Folge: Wenn keine
klare Linie vorgegeben ist, gibt es sehr viele
individuelle Lösungen. Typischerweise sind
diese zu stark rabattorientiert, da sich vergünstigte Angebote leichter veräußern lassen.
„Wir müssen mitziehen, weil andere preisaggressiv sind“ – Selbstverständlich ist die Ursache für eine Rabattschlacht nicht nur verlagsintern begründet. Herrscht im Markt ein
starker Preiskampf, fällt es schwer, die eigenen Preise konstant hoch zu halten. Hier spielt
die Psychologie eine entscheidende Rolle: Will
ich als einziger Marktteilnehmer an den bisherigen Preisen festhalten oder folge ich nicht
doch lieber der Masse? Jeder sieht sich als
Getriebener eines Preiskampfes, den eigentlich niemand will, aber jeder mitmacht. Die
Folge: Es kommt zu einem Teufelskreis, in
dem die Preise immer weiter nach unten gedrückt werden. Um diesem zu entkommen,
sollten sich Verlage von der Rabatttaktik verabschieden und stattdessen den Wert einer
Anzeige in den Vordergrund stellen.
Dabei wird der Glaube an die Notwendigkeit
des Rabatts als Verkaufskatalysator auch von
der notorischen Überzeugung genährt, dass
immer die anderen den Preiskampf angezettelt haben und man selbst reagieren müsse:
Über 80 Prozent aller B2B-Vertriebsmitarbeiter, deren Branche sich in einem Preiskampf
befindet, glauben, dass der andere Anbieter
angefangen hat – dies folgt auf recht eindrückliche Weise dem entlarvenden Ergebnis,
dass rund 90 Prozent der Autofahrer der Meinung sind, dass sie besser fahren als der
Durchschnitt.
„Der eigentliche Wert, der verkauft wird, ist
unklar“ – Orientiert man sich verstärkt an
dem Wert einer Anzeige, kann ein dauerhafter
Preiskrieg verhindert werden. Allerdings kann
sich eine wertbasierte Strategie nur dann entwickeln, wenn Verlage die Perspektive ihrer
Kunden einnehmen und sich die Verkaufsargumentation streng an dem Wert ausrichtet,
der aus Kundensicht durch die Anzeige entsteht. Derzeit werden sowohl die Treiber dieses Wertes als auch die Unterschiedlichkeit
der Perspektiven verschiedener Kundenseg-
mente zu wenig verstanden. Dies lässt sich
auch am Fehlen nutzenbasierter Kundensegmentierungen ablesen, die in vielen anderen
Branchen üblich sind und dort den gesamten
Verkaufsprozess strukturieren.
„Preiserhöhungen werden nach Bauchgefühl
entschieden“ – Um in einem inflationären
Wirtschaftsmarkt mit steigenden Betriebs- und
Produktionskosten bestehen zu können, sind
regelmäßige Preiserhöhungen unabdingbar.
Doch die Angst vor einem größeren Preissprung und stetigen, konsequenten Erhöhungen ist groß. Oftmals finden Preiserhöhungen
unsystematisch statt, und sowohl der Zeitpunkt als auch die prozentuale Erhöhung werden vor allem durch das Bauchgefühl festgelegt. Dabei stößt eine differenzierte und wertbasierte Erhöhung mit entsprechender Argumentation viel eher auf Verständnis bei den
Kunden als eine pauschale Anhebung der
Preise über alle Angebote hinweg. So kann ein
Mittel der Preiserhöhung auch die Einführung
neuer Preisdimensionen sein, die mit dem
Wert aus Kundensicht korrelieren. Alternativ
könnten komplizierten Anzeigenberechnungen
einfache Leistungsangebote entgegengestellt
werden, wenn die Buchungsentscheidung von
der Komplexität unverständlicher Dimensionen gehemmt wird. Auch Bündelpakete mit innovativen Bestandteilen können vielversprechend sein, was auch das Beispiel in Schaubild 2 zeigt. All das wiederum kann nicht am
grünen Tisch, sondern nur mit einem fundierten Verständnis der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse entschieden werden.
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Zeitungen 2012/13
Lösungsansätze für eine nachhaltige
Preisstrategie
Beide Problemfelder – Preisfindung und Preisdurchsetzung – bergen enormes Optimierungspotenzial. Viele notwendige Fragen wurden aber bisher weder gestellt, geschweige
denn beantwortet:
• Wertwahrnehmung: Worin sehen Anzeigenkunden den Wert einer Anzeige? Orientiert
sich dieser ausschließlich am Gewinn, der
sich durch das Inserat erzielen lässt oder
am TKP beziehungsweise an einem diffusen „Passungsgefühl“? Ist das für alle Segmente gleich?
• Preisbereitschaft: Spielt die Kaufkraft in einer Region eine Rolle bei der Preisbereitschaft und gilt das für alle Unternehmen
oder gibt es auch kundensegmentspezifische Unterschiede? Sind sich die Kunden
innerhalb einer Gruppe in ihrer Zahlungsbereitschaft ähnlicher als zwischen verschiedenen Gruppen?
• Preiswissen: Kennt der Kunde die Auflage
und Preise und vergleicht er beides immer
bei unterschiedlichen Ausgaben oder Anbietern? Oder basiert seine Entscheidung
eher auf einem groben „Preisimage“?
• Preisinteresse: Welche Rolle spielt überhaupt der Preis? Ist das Preisniveau eines
Titels wichtiger als das Budget des konkreten Angebots? Ist das für alle Segmente
gleich?
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• Entscheidungsprozess: Wie groß muss der
Kundenvorteil aus Bündelangeboten beziehungsweise Angebotspaketen sein, damit
der Kunde mehr schaltet? Muss das immer nur ein monetärer Vorteil sein? Welche Formate sind „Ankerprodukte“? Welche sind so innovativ oder einzigartig, dass
sich noch kein Referenzpreis entwickeln
konnte? Haben die unterschiedlichen Kundensegmente die gleichen Bedürfnisse
und die gleichen Entscheidungsregeln?
Eine verbesserte Preisfindung und konsequentere Preisdurchsetzung bei regionalen und lokalen Geschäftskunden ist der erste Schritt
für die Optimierung des Anzeigengeschäfts.
Hier sind die Potenziale ungleich größer und
schneller zu heben als im klassischen Agenturgeschäft. Innovative Ansätze, die auf vertieftem Kundenverständnis aufbauen, sind dafür jedoch notwendig. Die Ablösung der heute
noch üblichen „Bauchgefühl-Taktik“ durch ein
fundiertes Vorgehen ist unerlässlich. Nur so
lassen sich die vorhandenen und bisher ungenutzten Margenpotenziale gezielt ausschöpfen, ohne unnötige Preiskämpfe weiter anzufachen.
Meinungsmacher oder eher nicht?
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Der Autor
Dr. Florian Bauer,
Vorstand beim Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Vocatus AG,
München
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