kurzfassung

Werbung
KURZFASSUNG
Die Berichte über die erfolgreiche Suche nach dem Heiligen Gral haben sich schon öfter als
euphorisch erwiesen
Autor: Robert Schützendorf
Sind ökonometrische Modelle zur Ermittlung der Werbewirkungsforschung der Heilige Gral?
Warum brauchen Planer überhaupt Modeling? In einer historischen Rückschau gewinnt der
Autor zwei Erkenntnisse: Für die Werbung wurden ökonometrische Modelle interessant im
Zusammenhang von kurzfristiger Werbewirkung und Medialeistung. Dabei war Modeling
immer die zweitbeste Lösung – es wurde benötigt, wenn für diesen Zweck keine perfekten
Daten (Single-Source Haushaltspanel) zur Verfügung standen.
1. Modeling – ein Rekapitulation
Die Vorgeschichte beginnt in den 60er-Jahren: Mit der Entwicklung des Account Planning
(als Agenturdisziplin) in den englischen Agenturen, sollten alternative theoretische und
praktische Ansätzen für Kommunikationsstrategien entwickelt werden. Stephen King und
Timothy Joyce (beide JWT) wollten darüber hinaus den Zusammenhang von Medialeistung
und Werbewirkung klären – beeinflusst von Andrew Ehrenbergs Erkenntnissen über die
Rolle der Werbung bei Wiederholungskäufen von Konsumgütern. Ehrenberg bestritt
„persuasive“ Effekte von Werbung auf das kurzfristige Kaufverhalten, konnte die These aber
nicht erhärten, weil Mediennutzungsdaten fehlten. Deshalb setzten King und Joyce in einem
Feldversuch ein kleines „Single-Source-Panel“ auf – damals absolutes Neuland! Colin
McDonald entwickelte für die Datenanalyse die bahnbrechende methodische Idee und
konnte aufzeigen, dass bei nachweislichen Werbekontakten ein höheres Maß an Wechseln
zur beworbenen Marke stattgefunden hatte als ohne Werbekontakt. Trotz dieses Erfolges
konnte man den Ansatz nicht operationalisieren, weil schlichtweg die benötigten Daten
fehlten! Deshalb richteten sich alle weiteren Anstrengungen bei JWT auf den Versuch, mit
vorhandenen Daten und komplexeren statistischen Methoden dem Geheimnis von
Werbewirkung und Medialeistung auf der Spur zu bleiben.
Zur gleichen Zeit entwickelte das englische Forschungsinstitut Millward Brown mit Hilfe von
Regressionsanalysen einen markenindividuellen Advertising-Index auf der Basis von
Awareness-Daten. Der Index ermittelte bei einer Marke Adstock- oder Depoteffekte aus den
früheren Werbeaktivitäten und konnte so Awareness-Gewinne oder -Verluste durch die
Aktivitäten der jeweiligen Periode sichtbar machen. Kunden liebten diese Entscheidungshilfe;
als Millward Brown in den frühen 90er-Jahren dann noch nachwies, dass unterschiedliche
Kampagnentypen unterschiedliche Response-Funktionen haben, kam es in der Folgezeit zu
einem wahren Modeling-Boom in England.
Seite 1 von 3
2. Das Nielsen-Single-Source-Panel in den USA – STAS und Adimpact
In der zweiten Hälfte der 80er verbesserte sich die Lage in Sachen Single-Source. AC
Nielsen hatte in Amerika ein nationales Haushaltspanel aufgebaut, um dessen Vorteil zu
beweisen, bestellte ACN ein Gutachten von zwei unabhängige Forschern, Walter Reichel
und John Phillip Jones. Beide setzten methodisch dort an, wo Mc Donald ein Jahrzehnt
früher aufhören musste – aber ihre zentralen Befunde deckten sich annähernd: Werbung
wirkt kurzfristig!
Darüber hinaus gingen beide getrennte Wege: Reichel wollte auf Grund des Werbeeinsatzes
den kurzfristigen Absatzzuwachs einer Marke demonstrieren und aufzeigen, ob und wie man
die Absatzmenge über die genaue Steuerung der Werbekontakte optimieren kann (AdImpact-Modell von Reichel und Wood). Jones entwickelte das Short-Term Advertising
Strength (STAS) Modell, mit dem er anhand der Umsatzentwicklung die kommunikative
Qualität einer Kampagne sichtbar machen wollte. Anders als Reichel ging es ihm mehr um
das Werbekonzept als um Fragen der Medienkontakte. Leider ging Reichels Arbeit in Europa
völlig unter; Jones hingegen kam zu zweifelhaften Ruhm als er sich mit der Bemerkung „one
exposure is enough“ sehr undifferenziert zur Frage der Kontaktdosis äußerte und sein
berühmtes Eigentor schoss.
Trotz ihrer Differenzen machten ihre Erkenntnisse den Zusammenhang von Werbewirkung
und Medialeistung wesentlich transparenter, als er jemals zuvor war:
1. kurzzeitige Webewirkung ist der Normalfall, Schwelleneffekte wurden nicht entdeckt
2. die typische Werbungs-Response-Kurve konvex ist und
3. bei wachsender Kontaktmenge kann man einen abnehmenden Grenznutzen ihrer
Wirkung beobachten.
Es blieb dem amerikanischen Mediaplaner Erwin Ephron vorbehalten daraus mit dem
Recency-Planning-Ansatz ein schlüssiges Konzept für die mediastrategische Umsetzung zu
formulieren.
3. Anmerkungen zum heutigen Umgang mit Modeling in Deutschland
Im Kern muss man die Analyse der Single-Source-Daten und die vielen ökonometrischen
Versuche als einen alternativen Deutungssatz zur Funktionsweise der Werbung verstehen.
Diese andere Art, den Zusammenhang zwischen Abverkaufswirkung und Werbeeinsatz zu
bestimmen, war erfolgreicher als alle Versuche zuvor! Dieser Erfolg hat methodische
Voraussetzungen, hinter die man nicht zurückfallen darf. Er verlangt nicht nur nach
besonderem Datenmaterial, sondern auch nach einer besonderen Vorgehensweise – wie sie
schon Colin McDonald formuliert hat:
1. Erwarten Sie für jedes Produkt, jede Marke und jede neue Kampagne andere
Ergebnisse!
2. Beachten Sie die Bedeutung des Faktors Timing der Werbekontakte im Verhältnis zum
Kaufzeitpunkt.
3. Misstrauen Sie der Durchschnittswertbildung auf Basis hoch aggregierter Daten. In der
Nutzung nicht-aggregierter Daten liegen die größeren Vorteile.
Seite 2 von 3
Das sagt zweierlei: Die Jagd nach der Welterklärungsformel für Werbung ist sinnlos, weil es
dazu in der Realität keine Entsprechung gibt. Jeder Fall ist anders! Und: Ökonometrische
Methoden sind in dem hier diskutierten Zusammenhang immer die zweitbeste Wahl, weil sie
mit aggregierten Daten arbeiten müssen.
Seite 3 von 3
Herunterladen