HIV/Aids - Bundesregierung

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Nr. 58 11/2007
Schwerpunkt
HIV/Aids
Die Zahlen sind besorgniserregend: Weltweit sind über 33 Millionen Menschen mit dem Aids-Virus infiziert. Pro
Tag kommen rund 6.800 neue Infektionen hinzu. Besonders trifft es Frauen und Mädchen. Und es gilt: Aids ist
nach wie vor unheilbar. 2007 gingen von Deutschland deshalb wichtige Impulse im Kampf gegen Aids aus.
Lesen Sie dazu in diesem Magazin:
Aids - eine globale Herausforderung
Geld allein kann Aids nicht besiegen
HIV/Aids hat ein weibliches Gesicht
Das Masangane-Projekt: Leben durch Therapie
Forschung zu Aids-Medikamenten für Kinder
Weitere Themen:
Indien
Training
Partnerschaften
Der Kampf gegen Tuberkulose in den
Slums von Delhi
Gefährdung durch Erdbeben frühzeitig
erkennen
Die neue Entwicklungspolitik NordrheinWestfalens
Gleichberechtigung
Ernährung
Korruption
Frauen afrikanischer Herkunft fordern
ihre Rechte ein
Bio-Fisch aus dem Mekong-Delta
Kenia geht neue Wege im Kampf gegen
Korruption
Empfehlenswerte Links:
Feste Partnerschaft: Ermutigende Erfolge für Afrikas Zukunft
BMZ-Newsletter November 2007
Informationen des BMU zur Klimakonferenz in Bali, 3. - 14. Dezember 2007
Deutschland hilft in Afghanistan
Welthunger-Index 2007: Ein Drittel der Länder auf Kurs, Afrika bleibt Brennpunkt
Lesetipps:
UN-Klimarat warnt vor unumkehrbarer Erderwärmung
Germanwatch: KlimaKompakt Nr. 52
Die Lage der biologischen Vielfalt - 2. Globaler Ausblick (PDF)
Globaler Umweltzustandsbericht "GEO-4" des UN-Umweltprogramms (englisch, PDF)
Neue Broschüre zum Thema Kinderrechte
Aids - eine globale Herausforderung
Von Karin Kortmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesentwicklungsministerium
Ein Vierteljahrhundert nach der ersten Aids-Diagnose hat sich die HIV/Aids-Epidemie inzwischen weltweit
ausgebreitet. Heute sind über 33 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. 25 Millionen sind bereits an den
Folgen der Krankheit gestorben. Die überwiegende Mehrheit der Infizierten lebt in Entwicklungsländern. Besonders
betroffen sind die Länder Afrikas südlich der Sahara, aber auch in Asien und Osteuropa nehmen die Zahlen in
erschreckendem Maße zu.
Armut und HIV/Aids stehen in enger Wechselbeziehung
Die HIV/Aids-Epidemie ist nicht nur ein medizinisches, sondern ein globales gesamtgesellschaftliches Problem, das
in enger Wechselbeziehung mit Armut steht.
Die meisten Menschen sterben zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr an Aids. In einem Alter, in dem sie oftmals
andere Menschen – ihre Kinder oder ihre Eltern – versorgen müssen. Da diese wichtige Altersgruppe in vielen
Gesellschaften durch Aids besonders betroffen ist, hat die Epidemie erhebliche soziale und ökonomische Folgen:
Haushalte verarmen, Betriebe verzeichnen durch Fehlzeiten und sinkende Produktivität erkrankter Beschäftigter
erhebliche Umsatzverluste. Und in vielen Ländern sinkt in Folge der Epidemie das Bruttosozialprodukt. Viele dieser
sozio-ökonomischen Folgen fördern wiederum die Verbreitung des Virus.
Investitionen in die Prävention, Therapie und Folgenminderung von HIV und Aids sind somit ein wichtiger Beitrag zu
einer nachhaltigen Entwicklung in unseren Partnerländern. Als gesellschaftliches Problem bedarf HIV/Aids dabei
einer umfassenden Bekämpfungsstrategie, die sich nicht allein auf die medizinischen Aspekte konzentriert.
2007 – ein wichtiges Jahr im Kampf gegen HIV/Aids
Die Bundesregierung engagiert sich aktiv im Kampf gegen die Epidemie. Sie hat die Bekämpfung von HIV/Aids,
Malaria und Tuberkulose zu einem Schwerpunktthema der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gemacht. In
diesem Jahr sind wir entscheidende Schritte vorangekommen:
Im März hat das Bundeskabinett den Aktionsplan zur Umsetzung der HIV/Aids-Bekämpfungsstrategie
verabschiedet.
Kernelemente des Aktionsplans sind die Unterstützung der Partnerländer
bei der Prävention von Neuinfektionen,
bei der Bekämpfung von Stigma,
beim Ausbau von Gesundheitssystemen und
bei der Bereitstellung von Medikamenten.
Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft hat die Bundesregierung ein Präsidentschaftspapier zu neuen
Herausforderungen bei der Bekämpfung der HIV/Aids-Pandemie verfasst. Die auf dieser Grundlage Mitte Mai
verabschiedeten EU-Ratsschlussfolgerungen betonen die Wichtigkeit, Gesundheitssysteme in betroffenen Ländern
zu stärken. Maßnahmen seien besonders auf Frauen und Mädchen auszurichten.
HIV/Aids auch Thema beim G8-Gipfel in Heiligendamm
Um der verheerenden Epidemie mit vereinten Kräften Einhalt zu gebieten, hat Deutschland die HIV/AidsBekämpfung auch zu einem Thema der diesjährigen G8-Präsidentschaft gemacht. Im Gipfeldokument verpflichten
sich die G8-Staaten, 60-Milliarden-US-Dollar zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria sowie zur
Stärkung der Gesundheitssysteme zur Verfügung zu stellen.
Unter der deutschen G8-Präsidentschaft wurde in diesem Jahr erstmalig ein Bericht über die tatsächlich
durchgeführten Maßnahmen erstellt. Er zeigt die Maßnahmen der einzelnen G8-Länder zur globalen Bekämpfung
von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose auf.
Auch haben die G8 im Gipfelpapier zugesagt, die Beiträge für den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und
Malaria (GFATM) deutlich zu erhöhen. Somit wird eine angemessene, langfristige und berechenbare
Wiederauffüllung des Fonds gewährleistet.
Der Globale Fonds – Zusagen von Heiligendamm
Dieser Fonds hat in den fünf Jahren seines Bestehens Beachtliches geleistet. Auch dank seiner innovativen
Struktur, die Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft partnerschaftlich zusammenbringt und die
entsprechenden Ressourcen zu mobilisieren und effektiv zu bündeln vermag. Hierdurch konnten durch den Fonds
bisher bereits 1,5 Millionen Menschen vor einem durch HIV/Aids hervorgerufenen Tod bewahrt werden.
Die Bundesregierung war in diesem Jahr Gastgeber der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds. In Berlin
trafen sich die wichtigsten Geberländer, um Zusagen für die nächsten drei Jahre zu machen. Mit 9,7 Milliarden USDollar für den Zeitraum 2008 bis 2010 fielen die Zusagen unerwartet hoch aus. Deutschland hat seine jährlichen
Beiträge mehr als verdoppelt und damit entscheidende Schritte getan, die Zusagen von Heiligendamm einzulösen.
Innovative Finanzierungsmodelle
Um Ressourcen für den erfolgreichen Kampf gegen HIV/Aids zur Verfügung zu stellen, bedarf es darüber hinaus
innovativer Finanzierungsmodelle. Ein Beispiel dafür ist die neue Schuldenumwandlungsinitiative "Debt2Health".
Dem Partnerland werden Schulden erlassen. Im Gegenzug verpflichtet es sich, die Hälfte der erlassenen Mittel in
Gesundheitsprogramme im Rahmen des Globalen Fonds zu investieren.
Bei der Geberkonferenz in Berlin wurden entsprechende Abkommen zwischen Deutschland und Indonesien und
dem Globalen Fonds unterzeichnet. Indonesien verpflichtete sich damit, die Hälfte der von Deutschland erlassenen
Schulden in Höhe von 50 Millionen Euro in den Globalen Fonds für Gesundheitsprogramme in Indonesien
einzuzahlen.
Frauen und Mädchen besonders betroffen
Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der diesjährigen Doppelpräsidentschaft besonders für die
Berücksichtigung von Geschlechterungleichheiten im Kontext von Maßnahmen gegen HIV/Aids eingesetzt:
Frauen und Mädchen sind besonders stark von der HIV/Aids-Epidemie betroffen. Zum einen können sie sich
oftmals nicht vor einer HIV-Infektion schützen, weil sie ökonomisch von ihren Partnern abhängig oder Gewalt
ausgesetzt sind. Zum anderen sind Frauen und Mädchen im besonderen Maße von den sozialen und
ökonomischen Folgen der Epidemie betroffen – sie tragen die Hauptlast der Pflege. Wenn sie HIV-positiv sind,
werden sie oft stärker diskriminiert als Männer. Auch sind sie besonders von den ökonomischen Einschnitten auf
Haushaltsebene betroffen, wenn ein Familienmitglied erkrankt und stirbt.
Die Stärkung und der Schutz von Frauen und Mädchen sind daher von großer Wichtigkeit für eine wirksame
Bekämpfung von HIV/Aids. Dazu gehören die Verbesserung ihrer rechtlichen und ökonomischen Situation sowie die
Prävention von Gewalt gegen Frauen. Auch der Zugang zu Angeboten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit
und zu Verhütungsmitteln, die von Frauen kontrolliert werden können, müssen mit einbezogen werden.
Ein Vierteljahrhundert mit Aids
Ein Vierteljahrhundert nach der ersten Aids-Diagnose haben wir viele Erfahrungen mit wirksamen Maßnahmen zur
Bekämpfung von HIV/Aids gesammelt. Die Berücksichtigung benachteiligter Bevölkerungsgruppen, umfassende
Ansätze und der Aufbau von starken Partnerschaften zwischen Regierungen, Zivilgesellschaft und der
Privatwirtschaft haben sich dabei als wesentlich erwiesen.
(Autorin: Karin Kortmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung)
Kontext
BMZ: Der Kampf gegen Aids
Der globale Fonds GFATM
G8-Heiligendamm: Bericht zur Bekämpfung von Aids,Tuberkulose, Malaria
Rede PStS Kortmann, 12. März 2007 zu HIV/Aids in Bremen (PDF)
PSTS Karin Kortmann auf G8-Parlamentarierkonferenz Mai 2007
UN-Aids: 2007 Aids epidemic update (PDF)
Geld allein kann Aids nicht besiegen
Weltweit werden Gelder in Milliardenhöhe zur Bekämpfung von Krankheiten wie Aids, Tuberkulose und Malaria
bereitgestellt. Aber: Oftmals fehlt in den am meisten betroffenen Ländern, die die Finanzierung erhalten, etwas
anderes: das Know-how, um die vorhandenen finanziellen Mittel effizient und wirksam zu nutzen.
Hier setzt die Backup-Initiative der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) an. Die GTZ
arbeitet im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums. Seit 2002 unterstützt sie Partnerländer vom Antrag bis
zum wirkungsvollen Einsatz des verfügbaren Geldes. Die Initiative soll die Länder befähigen, möglichst wirkungsvoll
mit den Hilfsgeldern umzugehen, damit die Hilfe auch wirkt.
Dazu arbeitet die GTZ eng mit anderen Organisationen zusammen: mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO ),
der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und mit UN-Aids. UN-Aids ist ein Koordinierungsprogramm der
Vereinten Nationen mit dem Ziel, die HIV/Aids-Pandemie zu bekämpfen. Zu den größten Gebern zählen der
Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) sowie die Weltbank.
Backup – Allianzen schmieden gegen Aids
"Wir haben bisher mit rund 50 Ländern kooperiert und davon die Hälfte bei ihren Finanzierungsanträgen
unterstützt", erklärt Projektleiter und Mediziner Cornelius Oepen. Die Erfolgsquote der Anträge lag dabei deutlich
über dem Durchschnitt.
Die Backup-Initiative der GTZ ist der deutsche Beitrag zur besseren Nutzung internationaler Finanzmittel im
Gesundheitssektor. Backup steht für "Building Alliances – Creating Knowledge – Updating Partners". Frei
übersetzt heißt das "Bündnisse bilden – Wissen schaffen – Partner auf den neusten Stand bringen". Den
Partnerländern wird durch die Initiative der Zugang zu globalen Finanzmitteln erleichtert. Außerdem werden sie
bei der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen und bei der Durchführung erfolgreicher Maßnahmen gegen
Aids, Tuberkulose und Malaria unterstützt.
Oepen umreißt die Vorteile der Initiative: "Wir unterstützen die Länder einerseits dabei, finanzielle Mittel von
globalen Finanzierungsmechanismen wie dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria
zu erhalten. Andererseits befähigen wir sie aber auch, diese Mittel wirksam und zielgerichtet einzusetzen. Das geht
von der strategischen Planung über eine Stärkung der Zivilgesellschaft bis hin zur Evaluierung von Ergebnissen,
um nur einige Beispiele zu nennen."
An dieser Stelle betreibe man also "Capacity Development" im besten Sinne und unterstütze so nachhaltig die Ziele
der GTZ. Das bedeutet: Die GTZ verfolgt das Ziel, die Fähigkeiten der Partner zu stärken, damit sie ihre
Entwicklung langfristig selbstständig in die Hand nehmen können. "Dieser übergreifende Ansatz wird von unseren
Partnerländern sehr geschätzt", sagt Oepen. "Ich bin stolz, dass der Name 'Backup' in der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit mittlerweile zu einem Markenzeichen für Qualität geworden ist." Backup stehe für
zeitnahe, flexible und bedarfsgerechte Unterstützung.
Fortbildung und Aufklärung im Gesundheitssektor
Ein besonders gelungenes Beispiel für die Arbeit von 'Backup' findet sich in Ghana. Gemeinsam mit dem Centrum
für internationale Migration und Entwicklung (CIM) richtete die Initiative hier ein Lehrprojekt zur HIV-Behandlung ein.
Gleichzeitig wurde weiteres Geld beim Globalen Fonds beantragt. Mit Erfolg: Im Ergebnis konnten mehr als 400
Ärzte, Apotheker und Krankenschwestern ausgebildet werden. Zudem erhielten ihre Arbeitsplätze eine moderne
Ausstattung und das Gesundheitsministerium die weitere Finanzierung der HIV-Therapie.
Dies sei aber nur ein positives Beispiel von vielen, wie Oepen erklärt: "In Ländern wie Uganda, Burkina Faso und
der Ukraine haben wir regionale Fortbildungszentren geschaffen. Diese Drehscheiben des Wissens ermöglichen
eine fundierte Ausbildung der Angestellten im Gesundheitsbereich." Nur durch Wissen und eine gute Ausbildung
der Fachkräfte sei letztlich die Ausbreitung von Krankheiten wie Aids oder Tuberkulose aufzuhalten.
Um die Partnerländer zukünftig noch wirksamer unterstützen zu können, hat die Initiative ihre gesammelte
Erfahrung aus fünf Jahren Arbeit in einer Broschüre zusammengefasst.
(Autor: Hans Stehling, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ)
Kontext
UN-Aids
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO
Zentrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM)
Der globale Fonds GFATM
GTZ: Backup
Broschüre zu Backup-Erfahrungen (englisch)
HIV/Aids hat ein weibliches Gesicht
HIV/Aids ist mehr als ein Gesundheitsproblem: Die Epidemie hat verheerende menschliche, soziale und
ökonomische Auswirkungen, vor allem in den ärmsten Ländern der Welt. Frauen sind besonders von einer HIVInfektion bedroht und haben am stärksten unter den Folgen der Epidemie zu leiden.
Weltweit sind 33,2 Millionen Menschen HIV-positiv. Afrika südlich der Sahara ist mit insgesamt 22,5 Millionen
Infizierten die am schlimmsten betroffene Region. Mehr als die Hälfte von ihnen – insgesamt 59 Prozent – sind
Frauen. Sie stecken sich aus biologischen, sozialen und kulturellen Gründen häufiger mit HIV an.
Mädchen besonders gefährdet
Vor allem bei jungen Frauen und Mädchen ist der Körper sehr anfällig für eine Infektion. So sind junge Frauen im
Alter von 15 bis 24 Jahren in Afrika südlich der Sahara zwei- bis dreimal so oft mit dem HI-Virus infiziert wie junge
Männer. Mädchen unter 14 Jahren sind besonders gefährdet: Da ihr Körper noch nicht voll entwickelt ist, kann es
beim Geschlechtsverkehr leicht zu Rissverletzungen kommen, die das Risiko einer HIV-Übertragung erhöhen.
Auch Unwissenheit trägt wesentlich zu den hohen HIV-Ansteckungsraten unter Jugendlichen, insbesondere jungen
Frauen, bei. So kennt in vielen Entwicklungsländern nur jede fünfte junge Frau die mit HIV/Aids verbundenen
Gefahren.
Gesellschaftliche Bedingungen verschärfen das Problem
Soziokulturelle Praktiken wie Kinderheirat und Genitalverstümmelung lassen bei Mädchen das Risiko einer
Ansteckung mit dem Virus zusätzlich steigen. Mädchen werden in Afrika oft schon im Teenageralter von ihren
Eltern verheiratet. In Afrika südlich der Sahara sind 27 Prozent der jungen Frauen zwischen 15 und 19 Jahren
verheiratet, häufig mit weitaus älteren Männern. Das Risiko, dass diese Männer HIV-positiv sind und ihre jungen
Ehefrauen mit dem Virus infizieren, ist enorm groß.
Eine weitere Gefahr lauert in Hunger und Armut: Viele Mädchen lassen sich aus Not auf so genannte "Sugar
Daddies" ein: ältere Männer, die ihnen den Lebensunterhalt oder das Schulgeld bezahlen.
Auch die gesellschaftliche Stellung von Frauen erschwert es ihnen häufig, die Verwendung von Kondomen
durchzusetzen. So werden Ehefrauen schnell der Untreue bezichtigt, wenn sie einen HIV-Test oder geschützten
Sex von ihrem (oftmals untreuen) Ehemann fordern.
Frauen sind noch in einer weiteren Hinsicht besonders von der Aids-Epidemie betroffen: Häufig sind sie es, die an
Aids erkrankte Familienmitglieder pflegen und Aids-Waisen betreuen.
Zugang zu Verhütungsmöglichkeiten schaffen
Die Aids-Epidemie hat heute ein weibliches Gesicht. Um die Verbreitung von HIV/Aids aufzuhalten, müssen
Präventionsbemühungen stärker auf die Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet sein.
Zu den frauenfreundlichen Verhütungsmitteln zählen etwa das Femidom, also das weibliche Kondom, und
Mikrobizide. Mikrobizid-Präparate werden vaginal eingeführt und sollen Frauen dann für mehrere Stunden vor einer
HIV-Infektion schützen. Gegenüber Kondomen bieten Mikrobizide einen entscheidenden Vorteil: Frauen können
sich mit ihnen wirksam und unabhängig von der Zustimmung ihres Partners vor HIV schützen. Derzeit werden
verschiedene Verabreichungsformen wie Cremes oder Gels entwickelt. Es ist zu erwarten, dass in etwa sieben
Jahren erste Mikrobizide auf den Markt kommen. Um dies zu schaffen, muss allerdings unbedingt mehr in die
Entwicklung und Forschung von Mikrobiziden investiert werden.
Neben der verstärkten Investition in frauenfreundliche Verhütungsmittel muss auch der Zugang zu Kondomen
verbessert werden. Denn Kondome bieten bisher immer noch die beste Schutzmöglichkeit vor einer HIVAnsteckung. Derzeit stehen jedem Mann in Afrika aus Hilfsgeldern jedoch lediglich sechs Präservative pro Kopf und
Jahr zur Verfügung! Selbst wer sich vor HIV/Aids schützen will, hat dazu also nur eingeschränkte Möglichkeiten.
Jugendliche über Aids aufklären
Nur wer über die Gefahren von ungeschütztem Geschlechtsverkehr und über geeignete Verhütungsmöglichkeiten
informiert ist, kann sich vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus schützen. Der Zugang zu Sexualaufklärung ist daher
der Schlüssel im Kampf gegen die rasante Ausbreitung von HIV/Aids.
Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) hat zu diesem Zweck in Ostafrika ein Netzwerk von etwa 1.000
Jugendklubs aufgebaut. Dort werden Jugendliche von gleichaltrigen, fachlich geschulten Jugendberatern über
Sexualität, Verhütung und HIV/Aids aufgeklärt. Von ihnen erfahren sie, wie sie sich vor Aids und ungewollten
Schwangerschaften schützen können. Über sieben Millionen Jugendliche hat die DSW bisher auf diesem Weg
erreicht.
Der Gefährdung von Frauen mehr Beachtung schenken
Es genügt jedoch nicht, den Zugang zu Verhütungsmitteln für Frauen in Afrika zu verbessern und sie über die
Gefahren von ungeschütztem Sex aufzuklären. Ihre Rolle in Ehe und Gesellschaft stellt ebenfalls ein Problem dar.
Denn oft können sie das Verhalten ihrer Partner und Ehemänner nicht beeinflussen und die Verwendung von
Kondomen nicht durchsetzen.
Um Frauen vor einer Ansteckung mit dem HI-Virus zu schützen, ist es daher dringend notwendig, ihr
Selbstbewusstsein und ihre Position in der Gemeinschaft zu stärken. Außerdem muss ihnen eine bessere Bildung
ermöglicht werden.
Zudem muss die besondere Gefährdung von Frauen auf der internationalen Agenda im Kampf gegen Aids stärker
berücksichtigt werden. Die DSW hat anlässlich der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) Ende September ein Positionspapier vorgelegt. Darin
unterbreitet die Stiftung Vorschläge, um die Strukturen und Verfahrensweisen des GFATM zu verbessern.
Beispielsweise sollten Projekte der sexuellen und reproduktiven Gesundheit besser in die Bekämpfung von
HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose integriert werden. Und: In den Projekten sollte die besondere gesundheitliche
Situation von Frauen größere Beachtung finden.
(Autorin: Ute Stallmeister, stellvertretende Pressesprecherin der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW),
Hannover)
Kontext
Website der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW)
DSW: Jugendliche nehmen ihr Leben selbst in die Hand
Mikrobizide sollen Frauen mehr Schutz vor dem Aids-Erreger bieten
Das Masangane-Projekt: Leben durch
Therapie
Als der 24-jährige Iron zu husten begann, nahm er es auf die leichte Schulter und dachte, es läge an dem grippalen
Infekt mit Fieber, den er hatte. Die Medikamente aus der Apotheke, die er sich dann doch ein paar Tage später
holte, zeigten keine Wirkung, ja es wurde sogar immer schlimmer. Als er dann in seinem Auswurf Blut sah, wurde
ihm klar, dass irgendetwas nun ganz und gar nicht stimmte.
In einem südafrikanischen Krankenhaus in der Provinz Ostkap wurde eine Tuberkulose (TB) diagnostiziert und man
riet ihm zu einem HIV-Test. Das Ergebnis: HIV positiv und seine Helferzellenzahl bei 40. Eine so geringe Zahl ist
ein deutlicher Indikator für ein extrem geschwächtes Immunsystem. Normal sind 500 bis 1.500 Helferzellen.
Tuberkulose zuerst behandeln
Das war ein herber Schlag, und darüber hinaus konnte ihn das Krankenhaus auch nur auf die Warteliste der vom
Staat geförderten Aidstherapie setzen. In der Regel dauert es dann noch weitere drei Monate bis man mit der
Behandlung beginnen kann. Iron wusste: Die Zahl der Helferzellen war so niedrig und sein allgemeiner Zustand so
schlecht, dass er nie und nimmer weitere drei Monate überleben würde.
Er überlegte fieberhaft und erinnerte sich an das Masangane-Projekt, von dem er gehört hatte. Also ersuchte er
Masangane um Hilfe. Zu dieser Zeit schmerzte ihn bereits sein ganzer Körper, er zitterte und hatte Schwierigkeiten
zu sprechen. Mitarbeitende von Masangane brachten ihn gleich zum Arzt, der ihm den Therapieplan erläuterte. Erst
musste er eine TB-Therapie beginnen und abschließen. Danach sollte die virusspezifische Aids-Behandlung
starten.
Nach sechs Monaten TB-Behandlung sah Iron schon besser aus und er begann die Behandlung mit den
antiretroviralen Medikamenten. Nach ungefähr drei Wochen war er wieder so kräftig, dass er seinen Geschwistern
im Haushalt helfen konnte. Nach weiteren vier Monaten war die Helferzellenzahl auf 220 angestiegen.
"Masangane" ist ein Projekt des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm). Es wird in der
südafrikanischen Provinz Eastern Cape durchgeführt. Ursprünglich konzentrierte sich Masangane auf
Präventionsmaßnahmen wie Aufklärung der Bevölkerung über die Übertragungswege des Virus sowie auf die
Betreuung von Aidskranken und Waisenkindern. Als die Erfolge der Aidstherapie bekannt wurden, entschloss
man sich, den Bedürftigsten diese lebensverlängernde Behandlung anzubieten.
Brückenhilfe für sehr kranke Aidspatienten
Wenn es den Kranken besser geht, werden sie selbst andere unterstützen und betreuen, die krank sind oder Angst
haben, eine Therapie zu beginnen. Da die Behandelten offen über ihre HIV-Infektion sprechen, sind sie die besten
Multiplikatoren. Sie helfen dabei, Selbsthilfegruppen in anderen Dörfern ins Leben zu rufen, viele helfen auch beim
Waisenprogramm. Die Leute sind stolz darauf, zu Masangane zu gehören.
Während dieser Zeit werden sie bereits auf die Warteliste für eine Therapie in den staatlichen Krankenhäusern
gesetzt. Wenn die Erkrankten dann stabil sind, kommen sie ins Regierungsprogramm. Masangane betreut sie aber
weiterhin. Damit werden wieder Therapieplätze für sehr kranke Patientinnen und Patienten frei.
Allerdings, berichtet Renate Cochrane, die für die Gemeinde der Herrnhuter das Projekt betreut, wechseln "die
Patienten ungern in das andere Programm. Sie fürchten, dass es dort keine kompetenten Ärztinnen und Ärzte gibt.
Schließlich haben sie besonderes Vertrauen zu unserem Privatarzt. Hier muss noch viel Aufklärungsarbeit geleistet
werden".
Der Arbeitslosigkeit entgegentreten
Im Gebiet des Ostkaps liegen 43 Dörfer und die große Stadt Queenstown. Es gibt keine Industrie, daher sind die
meisten Menschen, die dort leben, arbeitslos. Andere wandern in die Städte wie Kapstadt und Johannesburg ab,
um Arbeit zu suchen. Das Gebiet gehörte früher zum Ciskei Homeland. Es gab dort viele taiwanesische Fabriken,
aber sie schlossen alle nach 1994 und siedelten sich in anderen Ländern an.
Daher beginnt Masangane nun auch mit einkommenschaffenden Maßnahmen. Beispielsweise haben sie einen
Gemüsegarten angelegt, der von Patientinnen und Patienten gemeinsam bewirtschaftet wird. Einige haben
inzwischen ihren eigenen Gemüsegarten.
Außerdem will Masangane noch mehr Workshops auch in den Kirchengemeinden durchführen. Denn: Die
Workshops sind wichtig, weil die Menschen dort anschaulich und in ihrer lokalen Sprache Xhosa über HIV/Aids
informiert werden. Auch die Fragen der Teilnehmenden werden hier beantwortet. Schriftliche Informationen sind
meist weniger wirkungsvoll. Oft gibt es sie nur in englischer Sprache. Das heißt: Die meisten können sie nicht
verstehen, weil sie die Sprache nicht beherrschen oder gar nicht lesen können. Zusätzlich zu HIV/Aids soll in den
Workshops auch über TB aufgeklärt werden. Darüber hinaus möchte Masangane spezielle Workshops für Männer
durchführen.
(Autorin: Meike Joa, Pressereferentin, Deutsches Institut für Ärztliche Mission, Tübingen)
Kontext
Deutsches Institut für Ärztliche Mission (Difäm)
Fast sieben Milliarden Euro im Kampf gegen Infektionskrankheiten zugesagt
e.velop Nr. 37: Schwerpunkt Tuberkulose
Beziehungen zwischen Deutschland und Südafrika
Forschung zu Aids-Medikamenten für
Kinder
Kinder sind von HIV/Aids besonders betroffen. Sie brauchen speziell entwickelte Medikamente. Wie weit man mit
deren Entwicklung ist, fasst Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. zusammen.
Prävention ist oberstes Gebot
Weltweit sind mehr als 2,3 Millionen Kinder mit dem Aids-Virus HIV infiziert. Meist haben sie sich schon während
der Geburt bei ihren Müttern angesteckt.
"Damit auch infizierten Kindern wirksam geholfen werden kann, haben die forschenden Pharmaunternehmen
mittlerweile 14 speziell für Kinder geeignete Aids-Medikamente entwickelt. Sie lassen sich beispielsweise als
Trinklösung einnehmen", erklärt Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender
Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) in Deutschland mit Blick auf den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember 2007. Ihrem
Verband gehören 45 forschende Unternehmen an – zehn davon forschen zu HIV/Aids.
"Unsere Mitgliedsfirmen entwickeln bereits sechs weitere Präparate für Kinder. Diese Medikamente sollen auch
dann noch wirken, wenn bisherige Präparate versagen."
Haupteinsatzgebiet Entwicklungsländer
"Das Haupt-Einsatzgebiet von Aids-Medikamenten für Kinder sind Entwicklungsländer", so Yzer. "Diesen Ländern
bieten unsere Mitglieder die Kinder-Präparate – wie alle anderen Aids-Medikamente auch – zu stark ermäßigten
Konditionen an. Wo immer möglich, muss aber verhindert werden, dass sich Kinder überhaupt infizieren."
Die Verhinderung der Ansteckung bei der Geburt gelingt in vielen Fällen durch ein Bündel von Maßnahmen. Dazu
gehören Aids-Tests und die vorbeugende Gabe eines Aids-Medikaments. Test und Medikament werden den
Entwicklungsländern von zwei Mitgliedsfirmen des Verbandes kostenlos zur Verfügung gestellt. Bereits 59 Länder
beteiligen sich an diesem Programm.
Ein noch fernes Ziel: Der Sieg über Aids
"Alle Aids-Medikamente haben leider spürbare Nebenwirkungen. Keine Behandlung wird auf absehbare Zeit
imstande sein, Infizierte zu heilen oder zu verhindern, dass sie andere anstecken können. Deshalb ist es weiterhin
oberstes Gebot, es durch geeignete Präventionsmaßnahmen gar nicht erst zu einer HIV-Infektion kommen zu
lassen", so Yzer abschließend.
(Autor: Rolf Hömke, Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V., VFA, Berlin)
Kontext
Therapien breiter zugänglich machen (BMZ)
Verband forschender Arzneimittelhersteller
Zugang zu günstigen Medikamenten schaffen (BMZ)
Rede Bundeskanzlerin Merkel beim Globalen Fonds (GFATM)
Wissenschaftliche Beitrat des BMZ: Die Versorgung von Aids-Kranken
Aktionsplan der Bundesregierung zur HIV-Aids-Bekämpfung (PDF)
Medizin aus dem Laden nebenan
Jenseits der breiten Straßen im Regierungs- und Botschaftsviertel der indischen Hauptstadt Neu-Delhi gerät man
ins wahre Leben der ständig wachsenden Metropole. Zum Gemüsegroßmarkt ziehen Kulis Handkarren, auf denen
sich Unmengen Gemüse und Obst türmen. Ochsenkarren bahnen sich ihren Weg, Fahrradrikschas und Fußgänger
bestimmen das Straßenbild.
In die schmalen Gassen des Slums Jahangir Puri verirrt sich selten ein Auto, noch seltener ein
Regierungsfahrzeug. Etwa 200.000 Menschen wohnen hier auf engstem Raum, viele sind Tagelöhner. In nächster
Nachbarschaft wächst einer der größten Müllberge der Riesenstadt. Die Leute suchen im Abfall nach
Verwertbarem. Armut und unhygienische, extrem beengte Wohnverhältnisse sind ein Nährboden für Tuberkulose
(TB).
Tuberkulose ist heilbar
Jedes Jahr befällt diese Krankheit viele tausend Menschen allein in Delhi, vor allem in den Slums. In Indien sind es
nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1,7 Millionen TB-Kranke pro Jahr. Offiziell sterben dort
mehr als 300.000 Menschen jährlich an dieser Krankheit.
Lungentuberkulose ist die am häufigsten vorkommende Form. Sie wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und
schwächt die Menschen schnell. Die Kranken verlieren Gewicht und können kaum mehr einer Arbeit nachgehen.
Die Bakterien haben den Körper im Griff – können aber mit Antibiotika bekämpft werden.
Die Näherin Shahnaz leidet an einer selteneren Form der Krankheit, der Knochentuberkulose. Die 20-Jährige
konnte kaum noch aufrecht stehen. Noch schwerer fiel ihr das Gehen. Seit einigen Wochen erhält sie die
lebensrettende Therapie. Jetzt kann sie sogar wieder ihren einjährigen Sohn halten.
Kurzer Weg zum Gesundheitshelfer
Dreimal wöchentlich besucht sie Chinanjeet, die als Gesundheitshelferin für die Deutsche Lepra- und
Tuberkulosehilfe (DAHW) tätig ist: Chinanjeet gibt in ihrem Privathaus Medikamente aus. Zwei Monate lang nimmt
Shahnaz die Tabletten unter Aufsicht ein, später bekommt sie eine Ration mit. Die Behandlung dauert etwa ein
halbes Jahr, danach wird sie sich wieder um ihren Haushalt kümmern und Näharbeiten übernehmen können.
Die Menschen sind froh über die Hilfe in der Nachbarschaft. Der Weg zur Gesundheitsstation wäre für viele zu lang,
denn sie müssten zu Fuß gehen. Eine Fahrt mit der Rikscha können sich nur wenige leisten – so brechen TBPatienten ihre Behandlung oft ab. Sie fühlen sich nach ein paar Arzneieinnahmen auch schon deutlich besser,
nehmen an Gewicht zu und können wieder arbeiten. Aber wenn die Medikamente zu früh abgesetzt werden, bricht
die TB wieder aus. Dann bilden sich Resistenzen und der Patient kann mit der einfachen und billigen AntibiotikaBehandlung nicht mehr geheilt werden. Viele sterben deshalb.
Chinanjeet betreut rund 20 Leute. Sie erstellt eine Patientenkarte und besucht Kranke auch zu Hause. "Das ist sehr
wichtig, falls einer plötzlich nicht mehr kommt!" sagt sie. "Vielleicht schwächt ihn eine andere Krankheit. Oder er
braucht einfach etwas zum Essen, damit er seine Medikamente wieder besser vertragen kann."
Der Leiter des örtlichen Büros der DAHW, Rajbir Singh, erklärt den neuen Projektansatz: "TB-Arbeit heißt nicht nur
Pillen zu verteilen. Die Krankheit betrifft die ganze Familie. Unsere Mitarbeiter machen auch Gesundheitserziehung,
klären über Hygiene auf und helfen den Familien, nach der Behandlung wieder auf die Beine zu kommen." So
erhielt ein ehemaliger Patient ein Darlehen, um einen kleinen Kiosk aufzubauen. Dort verkauft er jetzt Snacks, aber
auch einzelne Bonbons und Kaugummis an Kinder. Seinen Kredit hat er der DAHW wieder zurückbezahlt. Jetzt
kann er seine Familie mit einem kleinen Einkommen über Wasser halten.
Behandlung und Aufklärung "ganz nebenbei"
Gemeinsam ist den "privaten Gesundheitsstationen", die die DAHW im September 2005 startete: Sie haben lange
geöffnet, vor allem abends. Chinanjeet ist für ihre Patienten von morgens 7 Uhr bis abends 20 Uhr da.
Der Uhrenhändler Kamal Jaiswal hat neben seiner Ware eine Waage stehen, um Patienten zu wiegen. In einem
Schrank lagern Medikamentenboxen für jeden einzelnen Kranken. Peinlich genau wird über die Behandlung
Protokoll geführt. Alle Gesundheitshelfer haben dies in einem DAHW-Seminar gelernt.
Lange Öffnungszeiten hat auch ein weiterer Gesundheitshelfer, der in seinem kleinen Geschäft Lebensmittel und
Getränke verkauft. Im winzigen Nebenraum stellt sich gerade ein neuer Patient vor. Sein Gewicht wird kontrolliert,
während die Frau des Ladenbesitzers den Verkauf übernimmt. "Damit wird das Stigma der TB durchbrochen. Die
Kunden kaufen bei dem Lebensmittelhändler ein und erfahren nebenher, was sie oder andere Familienmitglieder
machen können, wenn sie lange andauernden Husten haben", so Rajbir Singh.
Im Frühjahr 2006 wurden in diesem neuen Programm der DAHW schon mehr als 200 Patientinnen und Patienten
betreut. Aufmerksam verfolgen auch Gesundheitsbeamte das gute Beispiel. Vielleicht ein Grund, dass bald mehr
Fahrzeuge mit Regierungsbeamten den Weg in die engen Gassen nach Jahangir Puri finden – und dass das
Beispiel in anderen indischen Slums Schule macht.
(Autor: Jürgen Hammelehle, Geschäftsführer der DAHW - Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe, Würzburg)
Kontext
Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW)
e.velop Nr. 37: Schwerpunkt Tuberkulose
Bundeskanzlerin Merkel in Indien
Der unruhige Planet
Das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) nimmt weltweit eine führende Rolle in der Erdbebenforschung ein.
Alljährlich führt es einen vier- bis sechswöchigen internationalen Trainingskurs für "Erdbebenkunde und
Einschätzung der Erdbebengefährdung" durch. Der Wissenschaftler Claus Milkereit vom GFZ erläutert, warum:
Kurse auch in erdbebengefährdeten Ländern
Solche Kurse sind Teil des Ausbildungsprogramms der Unesco und des Auswärtigen Amtes auf dem Gebiet der
Katastrophenvorbeugung. Sie werden vor allem für Entwicklungs- und Schwellenländer durchführt, die von
Erdbeben bedroht sind.
Die Kurse finden nicht nur in Potsdam statt, sondern auch rotierend zwischen verschiedenen Kontinenten, in
erdbebengefährdeten Ländern der Entwicklungsregionen. Professor Reinhard Hüttl vom GFZ Potsdam: "Als
deutsches Forschungszentrum für Geowissenschaften gehören diese Kurse für uns ganz selbstverständlich zu
unserer internationalen Vernetzung." Regionalkurse fanden bisher statt in Indien, Nicaragua, Kenia, China, Chile,
Südafrika und Kirgisien.
Große Bewerberzahl
Dieses Jahr ging es in Potsdam um "Seismologie und Bewertung der Erdbebengefährdung". Die Bewerberzahlen
sprechen für sich: Für 2007 lagen insgesamt 124 Bewerbungen aus 55 Ländern vor. Aber nur 25 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer aus 24 Ländern konnten für fünf Wochen nach Potsdam reisen. Mehr lässt die momentane
Kurskapazität nicht zu. Sie kamen aus Papua Neu Guinea, den Philippinen, Indonesien, Thailand, Bangladesch,
China, Pakistan, Sri Lanka, Iran, Äthiopien, Ägypten, Libanon, Palästina, Algerien, Marokko. Aber auch aus der
Türkei, Armenien, Kroatien, Montenegro, Bulgarien, Rumänien, Kirgisien, Jamaika und Panama.
Bisher wurden im Rahmen dieser Kurse 684 Wissenschaftler und Ingenieure aus Afrika, Asien und Lateinamerika
aus insgesamt 101 Staaten ausgebildet. Darunter waren 144 weibliche Fachkräfte. Zuwendungen vom Auswärtigen
Amt, dem Bundesentwicklungsministerium und anderen Institutionen ermöglichen kostendeckende Stipendien für
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den bedürftigsten Entwicklungsländern.
In der Heimat die richtigen Schlüsse ziehen
Die GFZ-Kurse vermitteln sowohl theoretische Grundlagen als auch Kenntnisse für deren praktische Umsetzung auf
dem Gebiet der Gefährdungseinschätzung. Sie spannen einen weiten Bogen von der Einführung in die Seismologie
zur computergestützten Auswertung von Erdbebenaufzeichnungen bis hin zur genauen Magnitudenbestimmung.
Dazu gehört auch die Auswertung von Seismogrammen und die Berechnung und Bewertung der
Erdbebengefährdung von urbanen Regionen.
Ziel ist es, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Schwellen- und Entwicklungsländern konkret in dieser
Richtung auszubilden. Sie sollen aus der langfristigen Überwachung der Erdbebenaktivität in ihrem Land die
richtigen Schlüsse ziehen können. So sollen sie zum Beispiel auch die Gefährdung ihrer Heimat durch Erdbeben
neu bewerten und die Risikoeinschätzung eventuell verbessern oder korrigieren können.
Das Hauptziel ist es, die Selbsthilfe in erdbebengefährdeten Ländern durch praktisches Training zu stärken.
Planung, Aufbau, gezielter Einsatz der meist knappen Finanzmittel und die effektive Nutzung von seismologischen
Überwachungssystemen werden so optimiert. Das führt zu einer deutlichen Verbesserung der Frühwarnsysteme in
den jeweiligen Ländern. Langfristig kann somit die Gefährdung durch Erdbeben realistischer und fundierter
berechnet und in entsprechende Schutzmaßnahmen oder Planungsvorschriften aufgenommen werden.
Langfristige Kontakte und Netzwerke
Etliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben erst gerade mit ihrer Arbeit auf dem Gebiet der
Erdbebenüberwachung begonnen. Aus dem Kontakt mit ehemaligen Absolventen weiß das GFZ jedoch: Fast alle
Teilnehmer führen das Erlernte nicht nur fort, sondern qualifizieren sich weiter.
Wie wichtig Kontakte und Netzwerke sind, zeigt ein Beispiel ganz besonders deutlich: "Als nach der TsunamiKatastrophe 2004 im Indischen Ozean beschlossen wurde, ein Tsunami-Frühwarnsystem aufzubauen, fand das
GFZ Potsdam in fast allen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans Kontaktpartner aus den Teilnehmerkreisen dieser
Kurse. Das setzt sich bis heute fort", so Hüttl.
Gerade eben ist ein "Task Force-Team" aus Potsdam ins Erdbebengebiet nach Chile gereist. Aufgrund der
Messungen ist in der Region in Zukunft ein größeres Erdbeben zu erwarten. Auch dort wird man sicherlich
ehemalige Kursteilnehmerinnen- und teilnehmer treffen.
(Autor: Claus Milkereit, GeoForschungsZentrum Potsdam)
Kontext
Weltkarte der Erdbebengefährdung
Das GeoForschungsZentrum Potsdam
Internationale Trainingskurse
Mit Computerprogrammen gegen Tsunami-Gefahr
Auswärtiges Amt: Katastrophenvorsorge
Die neue Entwicklungspolitik NordrheinWestfalens
Von Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NordrheinWestfalen
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Oktober zu ihrer ersten Auslandsreise nach Afrika aufbrach,
verspürten manche mehr Skepsis als Hoffnung. Was könne sie Besonderes bewirken?
Die Kanzlerin nutzte die Chance. Deutlicher als andere betonte sie die Notwendigkeit der Hilfe zur Selbsthilfe und
zu partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Nord und Süd. "Lernen und Erfahren" hatte sie das Ziel ihrer Reise
genannt. Bemerkenswert ist auch die Offenheit, mit der Angela Merkel Versäumnisse ansprach – und zwar auf
europäischer und afrikanischer Seite. Das wird in Afrika vielleicht am deutlichsten in Erinnerung bleiben.
Partnerschaft mit Ghana
Genau dies ist auch der Geist, der die neue nordrhein-westfälische Entwicklungspolitik prägt. Mit rund 18 Millionen
Einwohnern ist Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland mit vielfältigen Außenbeziehungen. Im
europäischen Vergleich gehört es zu den Regionen, deren globaler Einfluss stetig steigt. In keinem anderen
Bundesland sind mehr entwicklungspolitische Institutionen und Organisationen beheimatet. Fast alle bedeutenden
Hilfswerke haben ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Und mit Bonn verfügt das Land über den bedeutendsten Sitz
der Vereinten Nationen in Deutschland.
Die Landesregierung will all diese Potenziale jetzt besser nutzen. Seit August 2007 gibt es die neuen Leitlinien zur
Entwicklungszusammenarbeit Nordrhein-Westfalens. Als Richtschnur dienen die Millenniumsziele der Vereinten
Nationen. Die neuen Leitlinien gießen die Zusammenarbeit Nordrhein-Westfalens mit den Ländern des Südens in
neue Formen. Sie setzen so neue Maßstäbe für die regionale Entwicklungszusammenarbeit. Zu den wichtigsten
Neuerungen gehört die in diesem Jahr ins Leben gerufene Partnerschaft mit Ghana, einem der politisch und
wirtschaftlich stabilsten Länder Afrikas.
Diaspora: Brückenbauer zwischen Nord und Süd
Für das neue Bündnis sprechen viele gute Gründe. So bilden Ghanaer in Nordrhein-Westfalen eine der größten
afrikanischen Diasporagemeinden. Dies sind Menschen, die zum Teil schon seit Jahren in Deutschland leben –
darunter zahlreiche hochqualifizierte Fachleute: Ingenieure, Ärzte oder Lehrer. Insgesamt sind es 9.000 Menschen,
davon die Hälfte mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Beträge, die sie an ihre Familien im Herkunftsland
überweisen, betragen jährlich viele hunderttausend Euro. Bessere Brückenbauer zwischen Nord und Süd kann es
kaum geben.
Darüber hinaus verbindet viele Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen seit langem schon eine lebendige
Solidarität mit den Menschen Ghanas. Überall im Land gibt es Einrichtungen und Gruppen, die eng mit
ghanaischen Partnern zusammenarbeiten.
Lokaler Ansatz mit europäischer Perspektive
Auch die Europäische Union will diesen lokalen Ansatz mit neuen Zielsetzungen und Programmen in der
Entwicklungszusammenarbeit fördern. Die Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) und die
Verantwortung der europäischen Regionen für Entwicklungsfragen soll gestärkt werden. Im Cotonou-Abkommen
aus dem Jahr 2000 wurde es so festgeschrieben. Die regionale Entwicklungszusammenarbeit gewinnt also immer
mehr auch eine europäische Perspektive.
Nicht zuletzt deshalb spricht viel dafür, die Kenntnisse der Diasporagemeinden und die Potenziale der NGOs
besser zu nutzen. Besiegelt wurde die neue Partnerschaft mit Ghana bei der ersten "Konferenz für
Entwicklungspolitik" des Landes Nordrhein-Westfalen am 5. und 6. November 2007 in Bonn.
Vorteile auch für die Wirtschaft
Es ist nicht nur die Kompetenz der Gäste, die dieses Ereignis zu einem Meilenstein in der Geschichte der
nordrhein-westfälischen Entwicklungszusammenarbeit gemacht hat. Ein Fortschritt ist es vor allem deshalb, weil es
gelungen ist, drei wichtige Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit zu verknüpfen. Erstens: die bereits
beschriebene neue Form der Partnerschaft. Zweitens: die Verwirklichung des Prinzips Hilfe zur Selbsthilfe und,
drittens, die Nutzung bislang brach liegender volkswirtschaftlicher Potenziale.
Es wäre sicherlich falsch, Entwicklungszusammenarbeit gänzlich wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. Warum
aber sollte sie nicht auch der heimischen Wirtschaft nutzen? Deshalb wird die Zusammenarbeit mit Ghana nicht nur
die Diasporagemeinden und die NGOs stärker einbinden. Sie wird sich auch auf Unternehmen, Infrastruktur,
Wissenschaft, Bildung, Sport und Kultur erstrecken.
Erste Umsetzungsschritte sind bereits getan. Mit den baugewerblichen Verbänden in Nordrhein-Westfalen wurde
ein Projekt zur Erleichterung von Joint Ventures mit Ghana vereinbart. Das Integrationsministerium hat durch das
Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung ein Informationstool mit mehr als 400 Finanzierungsmechanismen
erstellen lassen. Damit will es den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu Förderprogrammen der
internationalen Entwicklungszusammenarbeit erleichtern.
Große Chancen für Ghana und Nordrhein-Westfalen liegen außerdem im Energiesektor, vor allem im Bereich der
erneuerbaren Energien. Nordrhein-Westfalen ist das deutsche Energie-Land und verfügt gerade hier über einen
reichen Schatz an Erfahrungen und Expertise. Ghana ist ein Land, in dem es im Energiesektor einen gewaltigen
Nachholbedarf gibt.
Partnerschaft mit Mpumalanga auf neue Grundlage stellen
Was für Ghana gilt, trifft in ähnlicher Form auch für Mpumalanga zu, seit 1995 südafrikanische Partnerprovinz
Nordrhein-Westfalens. Für 2008 ist eine Erneuerung des Partnerschaftsabkommens geplant. Darin wird die
Fußball-Weltmeisterschaft 2010 eine wichtige Rolle spielen, denn Mpumalangas Hauptstadt Nelspruit gehört zu den
Austragungsstätten der WM. Schon jetzt engagiert sich das Land ebenso wie die nordrhein-westfälische
Privatwirtschaft bei den Vorbereitungen für das Großereignis am Kap.
Kurz: Entwicklungszusammenarbeit ist nicht ausschließlich eine humanitäre Verpflichtung. Sie ist auch eine Form
von solidarischer Außenwirtschaftspolitik, die den Menschen in Süd und Nord gleichermaßen nutzt. Und sie kostet
nicht mehr Geld. Doch sie muss mit neuen Ideen bereichert und darf nicht länger als untergeordnetes Politikfeld
behandelt werden.
Kontext
Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen
SCADPlus: Abkommen von Cotonou
Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn (englisch)
Auswärtiges Amt: Die Beziehungen zwischen Ghana und Deutschland
Frauen afrikanischer Herkunft fordern ihre
Rechte ein
Schwarz, arm, ausgegrenzt – Lateinamerikas schwarze Frauen wollen sich nicht länger mit der untersten Sprosse
der sozialen Leiter bescheiden.
Nach Angaben von Aktivistenorganisationen haben es bislang erst knapp 50 weibliche Nachfahren afrikanischer
Sklaven zu einem politischen oder öffentlichen Spitzenposten gebracht. Jetzt wollen engagierte AfroLateinamerikanerinnen mit starken Netzwerken und lauter Stimme ihren überwiegend armen, marginalisierten
Schwestern den Weg nach oben bahnen.
Kampf gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit
"Die Benachteiligung dieser Frauen ist unübersehbar. Dort, wo Entscheidungen getroffen werden, sind sie selten
oder nie anzutreffen. Unsere Lage ist wirklich schlimm", klagt Dorotea Wilson in einem Telefoninterview mit der
Nachrichtenagentur IPS.
"Nur mit größter Anstrengung können sich arme schwarze Frauen gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit
durchsetzen", erklärt Wilson. Der Aktivistin, die auch die Nichtregierungsorganisation 'Stimmen der Karibik' –
'Voces del Caribe' – leitet, ist der beschwerliche Weg nach oben nur zu gut bekannt. Selbst als ehemaliger
Bürgermeisterin und Parlamentsabgeordnete hat Wilson als schwarze Frau immer hart kämpfen müssen.
Gemeinsam mit 30 anderen Frauen war die Nicaraguanerin nach Panama gereist. Dort nahm sie als Vorsitzende
des "Netzwerks afro-karibischer und afro-lateinamerikanischer Frauen" an einer Generationen übergreifenden
Konferenz lateinamerikanischer Frauen afrikanischer Abstammung teil. Dem Netzwerk haben sich
Aktivistinnengruppen aus 33 Ländern angeschlossen. Initiator der Zusammenkunft war die UN-Organisation Unicef.
Den 150 Millionen in Lateinamerika lebenden Nachfahren schwarzer Afrikaner ist es bislang nicht gelungen, sich
aus der Marginalisierung zu befreien. Seit 50 Jahren leiden sie darunter.
Anders als Lateinamerikas rund 40 Millionen Indigene spielen sie in der Politik und in der Öffentlichkeit der Region
kaum eine Rolle. Dagegen haben es einflussreiche Ureinwohner-Organisationen in lateinamerikanischen Ländern
wie Ecuador und Bolivien inzwischen zu politischem Einfluss gebracht.
Netzwerke bilden
Wilson berichtet, die in Panama versammelten schwarzen Aktivistinnen seien dabei, sich untereinander besser zu
vernetzen und ihre Gruppen zu stärken. Und: Sie haben eine länderübergreifende Agenda für AfroLateinamerikanerinnen erarbeitet. Diese habe man auf der Zehnten regionalen Frauenkonferenz der
Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) vorgelegt, die im August in Ecuadors Hauptstadt
Quito stattfand. "Es wird höchste Zeit, dass wir gemeinsam als Frauen afrikanischer Herkunft auftreten", betonte
Wilson. "Bislang haben wir nicht einmal unsere Regierungen dazu bringen können, unsere genaue Zahl
festzustellen."
Zu den Hauptthemen der CEPAL-Konferenz gehörte die miserable Situation von Millionen weiblichen und
größtenteils schwarzen oder indigenen Hausangestellten. Einem CEPAL-Bericht zufolge wird die Hälfte dieser
Frauen ausgebeutet. Sie arbeiten ohne soziale Sicherung, bei schlechter Bezahlung oder ganz ohne Lohn und 48
Stunden pro Woche.
Untersuchungen haben ergeben, dass über 90 Prozent der Lateinamerikaner afrikanischer Herkunft arm sind
und kaum Bildungschancen haben. Auf dem Arbeitsmarkt finden sie allenfalls besonders schlecht bezahlte Jobs.
Frauen sind noch schlechter dran. So verdienen 71 Prozent der schwarzen Brasilianerinnen ihren
Lebensunterhalt im informellen Sektor, bei den Männern sind es 65 Prozent. Dagegen sind lediglich 61 Prozent
der weißen Brasilianerinnen und 48 Prozent der weißen Brasilianer im informellen Sektor beschäftigt.
In Kolumbien leben 80 Prozent der schwarzen Bevölkerung in tiefster Armut. Und auch im sozialistisch regierten
Kuba bleiben Schwarzen die schlechtesten Behausungen und die Jobs mit den niedrigsten Löhnen vorbehalten.
"Als Schwarzer und ganz besonders als schwarze Frau hat man es in der Region sehr schwer", betonte Wilson.
"Ich selbst hatte häufig unter Erniedrigungen zu leiden", fügt sie hinzu. Sie stammt aus Puerto Cabezas in
Nicaraguas autonomer Nordatlantik-Region. "Mein Vater hat 48 Jahre lang als Bergmann gearbeitet. Meine Mutter
versorgte den Haushalt und zog neun Kinder groß. Wir, sechs Mädchen und drei Jungen, mussten kämpfen, um
unseren Weg zu machen. Doch wir haben es geschafft."
(Ein Bericht von Diego Cevallos, IPS-Auslandskorrespondent in Mexiko-Stadt, redaktionelle Bearbeitung: Grit
Moskau-Porsch, IPS – Inter Press Service Berlin/Bonn)
Kontext
Frauenrechte sind Menschenrechte
Frauen bewegen die Welt (PDF)
Länderinfo zu Nicaragua
Bio-Fisch aus dem Mekong-Delta
Nackte Füße bewegen sich schnell über eine schmale Holzplanke, ein Regen kleiner Körnchen prasselt auf die
Wasseroberfläche darunter. Plötzlich beginnt es im Wasser vor Fischen förmlich zu brodeln: Futterzeit im "Land des
Lächelns", in Vietnam. Denn dort ist die Heimat des Pangasius, in diesem Fall des Bio-Pangasius.
Der Pangasius: ein Exot auf der Speisekarte
Der Pangasius gehört zur Familie der Welse. Er ist ein Schlankwels, der sich besonders durch sein ausgesprochen
saftiges Fleisch und seinen milden Geschmack auszeichnet. In den letzten Jahren hat er sich als exotischer Fisch
in Deutschland zu einem beliebten Trendfisch entwickelt. Er ist auf zahlreichen Speisekarten zu finden.
Die Bio-Pangasien von "Deutsche See" wachsen in einem weltweit einzigartigen Aquakultur-Projekt im MekongDelta in Vietnam auf. Der Grundstein für dieses Projekt wurde 2001 mit der Zertifizierung von Bio-Pangasius durch
"Naturland" gelegt. Zu diesem Zeitpunkt begannen "Deutsche See"-Partner gemeinsam mit der Deutschen
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und "Naturland", ein umfassendes Aquakultur-Projekt
umzusetzen. Es kann sich ohne Weiteres mit dem europäischen Standard messen.
Viel Bewegungsfreiheit
Etwa 200 Kilometer südwestlich von Saigon wirtschaften zwei Farmer mit so genannten "floating ponds". Das sind
Gehege, die in fließendem Wasser errichtet werden. Unterstützt werden sie dabei von "Deutsche See"–Partnern.
Die für Bio-Pangasius vorgeschriebene Besatzdichte in diesen Anlagen ist extrem niedrig: "Nur zehn Kilogramm
Fisch pro Kubikmeter Wasser sind erlaubt. Die Tiere haben so enorm viel Bewegungsfreiheit", erklärt Andreas
Lippmann, Category Manager für den Bereich Bio bei "Deutsche See". Für konventionelle Aquakultur hingegen
gelten höhere Werte zwischen 75 und 170 Kilogramm Fisch pro Kubikmeter. Gleichzeitig sorgt auch die starke
Strömung in den Gehegen für ein ausgesprochen gesundes und natürliches Aufwachsen der Fische.
Qualität auf dem Prüfstand
Besonders wichtig für "Deutsche See" ist die ständige Kontrolle der Wasserqualität des Mekong. Alle vier bis sechs
Wochen wird die Qualität des Wassers vor und hinter dem Gehege überprüft. Parallel dazu findet zum gleichen
Zeitpunkt eine Kontrolle der Sedimente im Gehege statt. Zusätzlich zu diesen Analysen werden regelmäßig
umfassende Kontrollen auf Substanzen durchgeführt, die aus dem chemischen Kampfstoff ‚Agent orange’
stammen. ‚Agent orange’ ist dioxinhaltig und wurde im Vietnamkrieg zur Entlaubung von Wäldern und
Nutzpflanzen eingesetzt.
Untersuchungen der "Deutsche See"-Partner haben bislang ergeben, dass die Wasserqualität des Mekong
mindestens genauso gut ist wie die der Elbe. Der Mekong hat sogar einen niedrigeren Nitratgehalt. Das wiederum
ist auf die extensive Landwirtschaft in Vietnam zurückzuführen.
Die weitere Verarbeitung der Pangasien erfolgt in bio-zertifizierten Fabriken gemäß europäischer Standards. In die
Fabrik gelangen die Tiere lebend auf speziellen Lastenschiffen. Diese "Dschunken" gewährleisten einen möglichst
schonenden und stressfreien Transport.
Mehrere hundert Hände sind danach mit der ordnungsgemäßen Verarbeitung des Bio-Pangasius beschäftigt. Sie
kontrollieren, filetieren und bereiten ihn für die weitere Reise nach Deutschland vor.
Vor dem Versand nach Deutschland werden tiefgefrorene Partien in akkreditierten Laboren in Vietnam untersucht.
Eine zweite Untersuchung erfolgt umgehend, sobald die Container Europa erreicht haben. Die dritte Kontrolle findet
schließlich beim Wareneingang in der Bremerhavener Fischmanufaktur statt.
(Autorin: Sandra Mies, Unternehmenskommunikation, "Deutsche See" GmbH, Bremerhaven)
Kontext
Deutsche See Fischmanufaktur
GTZ: Küstenzonen und Fischerei
Bundesforschungsanstalt für Fischerei: Fisch und Garnelen aus der Aquakultur
Naturland: Fisch & Meeresfrüchte
Naturland - Richtlinien für Erzeuger: Aquakultur (PDF)
Kenias Kampf gegen Korruption
Korruption behindert in vielen armen Ländern die Armutsbekämpfung und somit die Entwicklung der Gesellschaft.
Die kenianische Anti-Korruptionsbehörde "KACC" hat den gesetzlichen Auftrag erhalten, Korruption und
Wirtschaftskriminalität in Kenia zu bekämpfen. Als erstes Land in Afrika nutzt Kenia dabei das Internet zur virtuellen
Korruptionsbekämpfung.
Als Werkzeug wurde dafür ein spezielles System entwickelt. Auf den Weg gebracht hat dies die Deutsche
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gemeinsam mit der kenianischen Antikorruptionsbehörde. Ein
besonderer Vorteil des Systems: Es schützt Informantinnen und Informanten vor Repressalien.
Bestechung mit dem Internet aufdecken
Das in Deutschland programmierte Hinweisgeber-System - kurz: BKMS - ermöglicht es, Hinweise auf
Korruptionsfälle in Staatsdienst und Wirtschaft zu geben – und zwar anonym über das Internet. Beteiligte können
diskret und sicher handeln, ohne sich dadurch in Gefahr begeben zu müssen. Eine weiterer großer Vorteil: Die
Nutzer können auch in einen Dialog mit den KACC-Ermittlungsbehörden treten, ohne ihre Identität preisgeben zu
müssen. Über einen Link auf der Behörenseite gelangt man zu einem entsprechenden Meldeportal. Durch die
Einrichtung eines anonymen Postfachs, geschützt durch ein Pseudonym und Password, kann die Behöre mit dem
Benutzer Kontakt aufnehmen. Rund 800 Meldungen sind mittlerweile eingegangen.
Die Gewährleistung der Anonymität der Hinweisgeber ist unumgänglich. Nur so können brisante InsiderInformationen des Hinweisgebersystems genutzt werden. Missstände und Risiken können so wirkungsvoll
angegangen und beseitigt werden. Mit dieser Möglichkeit der Aufdeckung wird auch eine vorbeugende Wirkung
erreicht. Das System wirkt also nicht nur repressiv, sondern auch präventiv.
Das Internet-Hinweisgebersystem bringt diese scheinbaren Gegensätze – Anonymität und Dialog – in Verbindung.
Es ist auf die höchstmögliche Sicherheit für brisante Daten ausgelegt. Unter anderen bietet es den Vorteil, dass
Wirtschaftsdelikte kurzfristig bereits im Entstehen aufgedeckt werden können.
Diskrete Informationsprüfung
"Diese Art der Korruptionsbekämpfung ist deshalb so wirkungsvoll, weil wir gerade Personen in höheren Positionen
erreichen, die uns Hinweise auf Bestechung geben können", erklärt Thomas Vennen. Er berät im Auftrag des
Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) die kenianische Regierung vor Ort.
"Ob Arbeitsstelle oder gesellschaftliches Ansehen: Durch Repressalien aus dem Umfeld hat der Missstände
aufzeigende Personenkreis viel zu verlieren. Die Anonymität nimmt ihnen die Angst davor. Zudem wird vermieden,
dass sie als illoyal oder Denunzianten verunglimpft werden könnten."
Während der Einführungsphase nutzten bereits mehr als 450 Personen das System. Ihre Informationen werden
diskret überprüft, um Denunzianten auszuschließen. Rund 90 Prozent der Anzeigen führten bisher zur Einleitung
von Ermittlungen.
Schritt zu mehr Eigenverantwortung und Rechtsstaatlichkeit
Die Plattform ist Teil eines übergreifenden Vorhabens der GTZ für mehr Rechtstaatlichkeit. "Mit der Übergabe
machen unsere Partner einen bedeutenden Schritt zur größeren Eigenverantwortung", betont der GTZ-Experte.
Vennen: "Unsere Arbeit beseitigt entscheidende Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung. Zudem unterstützen
wir nicht nur das Reformprogramm der kenianischen Regierung, sondern entwickeln es auch gezielt weiter. Dies
hebt unseren Beitrag besonders hervor."
Das Vorhaben der GTZ trägt somit zur Verwirklichung der entwicklungspolitischen Ziele der Bundesregierung bei,
indem es Veränderungsprozesse und Rechtsstaatlichkeit auch unter schwierigen Bedingungen fördert.
Vor kurzem hat die kenianische Antikorruptionsbehörde nun den Betrieb und die Finanzierung komplett von der
GTZ übernommen.
System auch in Deutschland im Einsatz
Entwickelt hat die elektronische Plattform die Business Keeper AG in Potsdam. Maren Fink von Business Keeper
Potsdam, die das System in Kenia mit betreut, erklärt: "Wir haben das Hinweisgeber-System vor Ort gemeinsam mit
den Leuten der kenianischen Korruptionsbehörde eingerichtet." Nach Anpassung der Software und Testphase
wurde es im Oktober 2006 der kenianischen Öffentlichkeit vorgestellt.
"Vor kurzem waren wir wieder dort und stellten fest, dass es von der Bevölkerung sehr gut angenommen wurde. Ein
deutliches Zeichen, dass die Menschen dem System vertrauen. Sie erkennen: Das System gibt ihnen die
Möglichkeit, Hinweise unter Schutz der persönlichen körperlichen und seelischen Unversehrtheit zu geben. Mit
unserem System können wir somit einen nachhaltigen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung leisten und die
Umsetzung der Anti-Korruptionskonvention der Vereinten Nationen unterstützen", sagt Fink.
Auch in Deutschland wird das System unter anderem vom Landeskriminalamt Niedersachsen und verschiedenen
Unternehmen genutzt.
Kontext
Business Keeper Potsdam
Korruptionsbekämpfung in der Entwicklungszusammenarbeit
KfW-Entwicklungsbank: Korruptionsvermeidung (PDF)
Auswärtiges Amt: Länderinformationen Kenia
Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption (englisch, PDF)
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