Me - Horizont

Werbung
47
REPORT
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
www.horizont.net/report
FOTO: OLEKSIY MARK / FOTOLIA
MEDIASTRATEGIE 2015
BEWEGTBILD
AGF, Agof und Google arbeiten
an unterschiedlichen Standards
SEITE 58
HÖRFUNK
Erhebung der Radio-MA ist
nicht mehr zeitgemäß
SEITE 56
INTERVIEW
Vivaki-COO Frank-Peter Lortz
über die Macht von Google
SEITE 60
MAGAZIN-CHECK
Experten bewerten Innovation
und Potenzial von Newcomern
SEITE 64
Wem gehört
der nächste
Baustein?
WIE CONTENT MARKETING
D I E AG E N DA D E R M E D I AA G E N T U R E N V E R Ä N D E R T 50
Anzeige
48 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
ZUM THEMA
Klasse statt
Masse
Es ist noch gar nicht so lange her, dass das
Schlagwort Big Data in die Mediawelt gedrungen ist und die meisten Planer zu wahrer Sammelwut getrieben hat. „Alles ist messbar –
dann lasst es uns messen“, schien das Motto.
Erst allmählich zeigt sich ein Sinn hinter der
Leidenschaft: Immer mehr Mediaexperten
setzen sich damit auseinander, was sie mit den
unendlichen Datenmengen eigentlich anstellen können. Und es stellt sich heraus: Eine
ganze Menge. Richtig interpretiert geben
Klickzahlen und Co nämlich viel Aufschluss
über die Konsumenten. Über das, was sie gern
sehen oder lesen, über das, was sie kaufen und
warum. Genauso wie über das, mit dem sie
lieber nicht belästigt werden möchten. Und
während man einerseits geneigt ist, den Planern auf die Schulter zu klopfen und sie zu
loben, weil sie endlich Struktur in ihren Datenwust bringen, und weil sie die errechneten
Profile nutzen, um Werbung relevanter zu
machen, schleicht sich doch gleichzeitig ein
ungutes Gefühl ein: Wie war das doch mit der
totalen Transparenz in Dave Eggers Roman
„The Circle“? Der Umgang mit dem durch
Daten erworbenen Wissen mag dort satirisch
und überzogen dargestellt sein – so weit entfernt von der Wirklichkeit oder dem, was
möglich ist, ist er aber nicht. Das titelgebende
Unternehmen Circle, ein Konglomerat aus
Google, Apple, Facebook und Twitter, verfügt
natürlich über so gigantische Informationsmengen, wie sie eine reale Mediaagentur nie
haben wird. Doch die Versuchung wird groß
sein, in dem Spiel um die größten Datensätze
weiter mitzuspielen. Aber das können Mediaagenturen nicht gewinnen. Ihr Ansinnen
sollte es umso mehr sein, sich auf ihre alte
Kernkompetenz zu besinnen: die Beratung
für den besten Werbeplatz.
Bettina Sonnenschein
Ressort Specials
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
INHALT
„Statt 30 Millionen
Euro in Display
Ads zu investieren,
kann es sinnvoller
sein, dieses Geld in
den Aufbau eigener
Content-Plattformen
zu stecken“
Content Marketing: Die zunehmende
Bedeutung von Owned Media könnte die
Agenda der Mediaagenturen verändern. 50
Marketing: Immer häufiger werden Performance-Tools genutzt, um Branding-Ziele zu
erreichen.
52
Mediaagenturen: Das Recma-Ranking
zeigt die 14 global wichtigsten Mediamärkte
und die Rolle der Netzwerke darin.
54
Hörfunk: Die MA Radio steht unter Beschuss, ihre Ergebnisse bilden die Realität
nicht mehr ab.
56
Bewegtbild: AGF, Agof und Google arbeiten an unterschiedlichen Standards – je nach
eigenem Interesse.
58
Interview: Vivaki-Netzwerk-COO FrankPeter Lortz über den erwarteten Aufstieg von
Content Marketing.
60
Umfrage: Mediaplanung wird immer öfter
vom Computer abgewickelt. Vor- und Nachteile der Automatisierung.
62
Zeitungen: Trotz anhaltend sinkender Auflagen gibt es im Tageszeitungsmarkt Trends,
die Hoffnung machen.
63
Magazine: Im HORIZONT-Check bewerten Medienexperten die Zeitschrift „Flow“
als beste Neuerscheinug.
64
Know-how: Die verlagsübergreifende
Markt-Media-Studie Best for Planning
kategorisiert Zielgruppen.
66
HORIZONTREPORT
ist ein Sonderteil von HORIZONT,
Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz, Jürgen Scharrer
Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein,
Natascha Gross, Giuseppe Rondinella
FOTO: JOCHEN ROLFES
Frank-Peter Lortz, CEO von
Zenithmedia und COO des
globalen Netzwerks Vivaki,
über die Macht von Google und
die wachsende Bedeutung von
Content Marketing 60
Im Fokus: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse
Die Nähe der Leser zum Medium Print stellt die Allensbacher
Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) mit den Begriffen
„umfassend printaffin“ (regelmäßiger, häufiger Lesekonsum
von Tageszeitungen und Zeitschriften), „selektiv printaffin“
(eher sporadisches Lesen beider Gattungen) und „printabstinent“ (geringer Lesekonsum) dar. Der Fünf-JahresVergleich zeigt, dass seit 2009 der Anteil der weitgehend
Printabstinenten von 15 auf 20 Prozent gestiegen ist, wohingegen die regelmäßigen Leser weniger werden. Interessant ist
ein Blick auf die unter 30-Jährigen: Der Anteil derer, die kaum
Gedrucktes lesen, steigt von 28 Prozent (2009) auf 33 Prozent
(2014). Die Veränderung betrifft aber offenkundig insbesondere Leser der Zielgruppe mit höherer Schulbildung. Waren 2009
noch 25 Prozent printabstinent, sind es 2014 bereits 32. Der
Anteil derer mit einfacher Schulbildung blieb hingegen konstant.
SON
Abstinente haben kein Interesse an Politik und Wirtschaft
Zahl der Leseratten nimmt ab
Interessengebiete der unter 30-Jährigen
Angaben in Prozent
Umfassend Printaffine
Selektiv Printaffine
Lokales
86
79
Sport
86
79
Bücher
74
Wirtschaft
49
73
37
28
26
48
29
2014
Basis: Bundesrepublik Deutschland, 14-29-Jährige
Quelle: AWA 2014
46
19
39
51
Angaben in Prozent
33
56
54
62
Autos
Umfassend Printaffine
Selektiv Printaffine
Weitgehend
Printabstinente
48
69
68
66
Politik
Entwicklung der Printaffinität bei unter 30-Jährigen
Printabstinente
Basis: Bundesrepublik Deutschland, 14-29-Jährige
HORIZONT 36/2014
Quelle: : AWA 2014
2009
HORIZONT 36/2014
50 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
Ja,wo laufen
Ja,
sie denn?
S
Von Jürgen Scharrer
ie sind die beste Erfindung, seit es
professionelle Werbung gibt –
oder zumindest die lukrativste.
Die großen Mediaagenturen fahren hierzulande seit vielen Jahren Margen
von 20, 30 oder sogar 40 Prozent ein, sie
sind die Cashcows der großen, global aufgestellten Werbenetzwerke.
Auch gegenüber Kritik erwiesen sich
die Mediaagenturen stets als ausgesprochen robust. An Anwürfen von außen
fehlte es in den vergangenen Jahren nicht:
Die Geschäftsmodelle seien intransparent, der florierende Handel mit Werbeinventar (Trading) zuvörderst ein Mittel zur Optimierung der eigenen Rendite,
die Macht über das Wohl und Wehe von
einzelnen Medien bedenklich groß.
Stets wurde heftig darüber diskutiert, ob man die Mediaagenturen nicht doch mal ein bisschen an die Kandare legen
sollte – und stets fanden
Group M und Co Mittel
und Wege, dass alles
mehr oder weniger so
blieb, wie es war.
die größte Finanzkraft, um immer noch
ausgefeiltere Systeme zu entwickeln.
Zweitens: Umso automatisierter der
Einkauf von Mediainventar vonstatten
geht und je günstiger die dafür notwendigen IT-Systeme am Markt zu haben sind,
desto entbehrlicher wird die Arbeit von
Mediaagenturen.
Willibald Müller, bis Mitte
2012 bei der
Mediaagentur
Carat
und heute
bei der Strategieberatung
Companion,
sagte ver-
Geschäftsmodell wankt
Doch diesmal
könnte es ernst
werden. Das
tradierte Geschäftsmodell
der Mediaagenturen gerät
ins Wanken. Und
das liegt nicht daran, dass die Kritiker nun
auf einmal Gehör finden, sondern an
Branchenentwicklungen, die immer
mehr an Wucht gewinnen:
Erstens: Marketing und Werbung gehorchen zunehmend Big-Data-Regeln.
Wenn aber die Fähigkeit, Daten im großen Stil einzusammeln, Algorithmen zu
entwickeln und Konsumenten in einem
Ausmaß zu durchleuchten, wie es vor ein
paar Jahren noch undenkbar schien, dann
sind die drei Unternehmen nicht zu schlagen: Google, Facebook, Amazon. Sie haben die größten Server, die leistungsstärkste IT, die meisten Daten und vor allem
gangene Woche in einem Interview mit
HORIZONT: „Man merkt deutlich, dass einige Kunden die Daten- und Planungshoheit zurückgewinnen und damit wieder autonomer werden wollen – mit eigener technologischer Infrastruktur, wie
zum Beispiel Adservern, Demand-SidePlattformen oder Datenmanagement-Lösungen.“ Dank der neuen Technik könnten die Werbungtreibenden „vieles wieder
selbst machen und die Handelsstufe der
Mediaagenturen mit ihren Margen auch
umgehen“. Noch eine Spur härter ist das,
was Lars Lehne sagt, seines Zeichens Manager bei Google Deutschland: „Ich bin
überzeugt, dass es die Mediaagenturen in
drei oder fünf Jahren in der heutigen
Aufstellung nicht mehr geben wird.
Die Bereiche Einkauf und Beratung
werden sich voneinander abspalten.“ (HORIZONT 9/2014)
Drittens: Wenn, wie alle
sagen, Owned Media im
Vergleich zu Paid Media
immer stärker wird, hat
das natürlich auch Folgen für die Mediaagenturen. Schließlich ist
genau das deren Jobbeschreibung: Der
Einkauf des „richtigen“ Mediainventars zum bestmöglichen Preis.
Der Trend als Freund
FOTO: MARIDAV / FOTOLIA
Wie der Siegeszug
von Content Marketing
die Agenda der
Mediaagenturen
verändert
HORIZONT 36/2014
Im Grunde haben die Mediaagenturen
zwei Optionen, auf diese Entwicklungen zu reagieren. Option 1 ist, sich auf
ihre Beratungskompetenz zu konzentrieren und die Paid-Fahne hochzuhalten. Die Message an die Kunden wäre:
Owned Media wird niemals in der Lage
sein, klassische (bezahlte) Werbung zu
ersetzen. Da die Anzahl der Kanäle, die
werbevermarktet werden, immer größer
wird, wird auch die Arbeit der Mediaagenturen immer komplexer und unverzichtbarer.
Die zweite Option besteht darin, sich
den Trend zum Freund zu machen. Das
gilt vor allem für den Aufstieg von Owned
Media, von dem noch keiner weiß, ob er
in den nächsten Jahren massiv an
Schwung gewinnt oder sich womöglich
als Modethema erweist, dem aktuell zu
viel Bedeutung beigemessen wird.
Die Mediaagenturen scheinen sich
entschieden zu haben, und das erstaunlich eindeutig – und zwar für Lesart 2.
Worum es zunehmend gehe, sei „valuable
consumer experiences“ zu schaffen, also
wertvolle Konsumentenerfahrungen, sagt
Frank-Peter Lortz, COO des Mediaagentur-Netzwerks Vivaki und einer der
einflussreichsten Vertreter seiner Zunft
(Seite 60). Lortz ist komplett davon überzeugt, dass Content Marketing „in den
nächsten Jahren massiv an Bedeutung
gewinnen wird“ und man gerade
erst „am Anfang einer
tiefgreifenden
Entwicklung“
stehe. Auf die
Frage, ob der Siegeszug von
Content Marketing zulasten von bezahlter
4. September 2014
Werbung (Paid Media) gehen werde, antwortet er: „Ja, auf jeden Fall.“
Lortz ist kein Bilderstürmer, sondern
repräsentativ für ein neues Denken, das
weite Teile des Marketings und eben auch
der Mediaagenturen erfasst hat. Aufhorchen ließen jüngst Aussagen von Andreas
Bölte, dem scheidenden Deutschlandchef
von Dentsu Aegis. In einem Interview mit
HORIZONT erzählt Bölte, wie der neue
Mutterkonzern Dentsu in Asien schon
seit Jahrzehnten als Käufer von Sportund Musikrechten unterwegs ist und sich
an internationalen Filmproduktionen
beteiligt und dass das, und hier wird es
spannend, doch auch ein Modell für
Deutschland sein könne. Keine große
Überraschung wäre auch, wenn WPPChef Martin Sorrell demnächst die Übernahme eines Contentproduzenten bekannt gäbe. Die Mediaagenturen wären
dann endgültig angekommen in der
schönen Welt des Content Marketing.
Vielleicht ist der Weg, den die großen
Mediaagentur-Networks gerade einschlagen, ja tatsächlich die richtige Antwort
auf die neuen Herausforderungen. Eines
ist er aber ganz sicher: hoch riskant. Die
Mediaagenturen begeben sich auf ein Terrain, auf dem sie es mit ganz neuen Wettbewerbern zu tun bekommen: mit Corporate-Publishing-Agenturen (die sich
heute gerne als Content-MarketingAgenturen bezeichnen und auch entsprechend aufstellen), mit Digitalagenturen
und nicht zuletzt mit Kreativagenturen.
Riskante Strategie
Dass Mediaagenturen zu den Helden des
Content Marketing werden können, bezweifeln viele. So wie Peter Figge, CEO
von Jung von Matt, die nach wie vor als
Kreativhochburg gilt. Figge hält das Argument, dass Mediaagenturen über die
tiefsten Consumer Insights verfügten und
es bei Content Marketing viel mehr um
Media-Expertise als um kreative Exzellenz geht, für wenig überzeugend: „Ich
kann bei vielen Mediaagenturen systembedingt keine herausragende konzeptionelle Stärke erkennen. Die meisten sind
getrimmt auf Einkaufseffizienz. Wenn es
aber um eine vertiefte Expertise bei der
Verbindung verschiedener Kanäle und
der sinnvollen Vergleichbarkeit von Key
Performance Indicators (KPI) geht, ist da
nicht viel.“ (HORIZONT 18/2014) Gleichzeitig rüsten klassische Werbeagenturen
wie Jung von Matt ihrerseits beim „transmedialen Storytelling“ auf.
Im Grunde befinden sich die Mediaagenturen in einer strategischen Klemme,
die die Verlage seit Jahren quält. Die haben ein äußerst margenträchtiges Kerngeschäft und ein deprimierend margenschwaches Neugeschäft. Die Frage ist: Soll
man weiter in das Kerngeschäft Print investieren obwohl es weiter schrumpft?
Oder soll man alles auf die Karte Digital
setzen obwohl nur sehr viel bescheidenere Renditen drin sind? Die Verlage haben
jahrelang den Fehler gemacht, Print totzureden. Die Mediaagenturen wären gut
beraten, nicht den gleichen Fehler zu begehen, indem sie allzu lautstark in den
Abgesang auf Paid Media einstimmen.
52 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
Daten machen Marken
Stumpfes Targeting war gestern,
immer häufiger wird Big Data auch
dafür eingesetzt, Brandingziele
zu erreichen
Wer viele Daten über
seinen Kunden hat,
kann damit nicht nur
den Abverkauf ankurbeln. Richtig eingesetzt
können damit auch
Brandingziele verfolgt
werden
Von Bettina Sonnenschein
D
ie Technik macht den Job: Sie
sammelt Daten, führt sie zusammen, entscheidet, was damit gemacht wird. Vor dem
Rechner sitzt dazu ein mathematisch ausgebildeter Planer, der mit ein paar Klicks
Befehle erteilt. Auf die Frage, ob für diese
Arbeit denn noch Kreativität vonnöten
sei, antwortete Iain Jacob, Mitglied des
Global Board der Starcom Mediavest
Group, kürzlich im HORIZONT-Interview
(35/2014): „Es geht nicht darum, möglichst viele Daten zu verarbeiten. Sondern
darum, sie zum Sprechen zu bringen.“
Die Daten zum Sprechen bringen –
das scheint seit geraumer Zeit auch der
Anspruch vieler auf Datenmanagement
spezialisierter Agenturen, die sich plötzlich ihrer kreativen Fähigkeiten rühmen.
Das Interessante daran: Es geht ihnen
nicht nur um das beliebte „Alles aus einer
Hand“. Vielmehr wollen sie beweisen,
dass mit ihren Werkzeugen nicht nur Performance-Ziele erreicht werden, sondern
diese auch auf die Marke einzahlen. „Ein
guter Teil des Wachstums im Performance-Bereich entfällt auf Markenbildungsmaßnahmen“, sagt Christian
Kohn, Executive Managing Director Performics, einer auf Performance Marketing und Daten spezialisierten Agentur
unter dem Dach von Zenith Optimedia.
Suchmaschinenmarketing, das auf die
Marke einzahlt? Ein vorderer Platz bei
Google und schon steigen die Imagewerte? Das klingt weder sonderlich kreativ
noch überzeugend. Henning Ehlert, Geschäftsführer von Jom Jäschke Operational Media, will den Gedanken dennoch
nicht so einfach beiseite wischen. Er entwirft den fiktiven Fall, dass ein Unternehmen den Abverkauf steigern möchte und
im Onlinebanner mit 60 Prozent Rabatt
wirbt: „Das funktioniert sicher zunächst
nur aus Performance-Perspektive gut.
Aber dann gibt es schließlich auch den
Ropo-Effekt – Research online, purchase
offline –, die Wechselwirkung zwischen
Online- und Offline-Kanälen. Und schon
spielt das Thema Marke eine wichtige
Rolle.“ Hier das Gleichgewicht zwischen
Sales und Markenbild auch durch Performance Marketing zu wahren, es „in Nuancen zu verschieben, ohne das Gesamte
aus den Augen zu verlieren“, sei durchaus
eine kreative Herausforderung.
Die Zusammenführung von Performance und Kreation ist also durchaus
sinnvoll, mindestens aber der intensivere
Dialog zwischen Daten- und Kreationsspezialisten. Obwohl sich auch hier die
Frage stellt: Hat es den denn bislang nicht
gegeben? „In der Praxis findet er tatsächlich zu selten statt“, sagt Ehlert und gibt
zu, dass die Beteiligten vielleicht zu häufig
noch in ihren eigenen Interessen verhaftet sind. „Das macht es auch für den Kunden nicht immer einfach.“
Kann es aber sein: Wolfgang Bscheid,
Geschäftsführer Mediascale und absoluter Liebhaber von Performance Marketing, ist überzeugt, dass sein Daten-Werkzeug beide Disziplinen zusammenführt:
Es erlaubt, jeden Baustein einer Online-
Ingo Kahnt, Newcast, und Christian Kohn, Performics
„Es geht um Markenerlebnisse –
Inspired by Data
Ingo Kahnt, Senior Managing Partner Newcast, und Christian Kohn,
Executive Managing Director Performics, über Daten und Content
Agenturen Newcast und Performics
unter dem Zenith-Optimedia-Dach
so eng zusammenarbeiten. Daten und
Inhalte gehören zusammen.
Immer
mehr
datenorientierte
Dienstleister schreiben sich auch
Markenführung und Kreation auf
die Fahne. Ist abverkaufsorientiertes
Performance Marketing am Ende
seiner Möglichkeiten angekommen?
Christian Kohn: Im Gegenteil. Performance Marketing wächst über Abverkaufswerbung hinaus. In der Kommunikation spielen unternehmenseigene Inhalte, also Owned Media, eine
zentrale Rolle. Um diese Inhalte an die
Zielgruppe zu bringen, werden immer
häufiger Performance-Instrumente
eingesetzt. Sie helfen, Branding-Leistungskennzahlen zu erfüllen.
Wenn Daten die Kreativen inspirieren können, werden umgekehrt auch
die Dataanalysten kreativ?
Kohn: Der Umgang mit Daten erfordert insofern eine gewisse Kreativität,
als wir uns überlegen müssen, wie wir
sie wirklich clever einsetzen können.
Erheben können wir viel, aber man
braucht eine Idee, wie eine Kampagne
mit den richtigen Daten besser werden kann.
Image lebt nicht zuletzt von der kreativen Idee. Aber hat die Idee im Datendschungel überhaupt eine Chance?
Ingo Kahnt: Sicher, aber auch der Erfolg von Imagewerbung muss sich
heute an klar definierten Leistungswerten messen lassen. Im Klartext:
Auch Kreationen müssen performen.
Es geht darum, Markenerlebnisse zu
schaffen – Inspired by Data. Das ist
auch das Motto, unter dem unsere
Und wie wird sie besser?
Kahnt: Wir haben zum Beispiel auf
der Basis von Wetterdaten Kampagnenmotive automatisiert ausgesteuert. Wenn es regnet, kommt der Indoor-Spot mit Kuschelfaktor, bei
schönem Wetter die Outdoor-Variante. Wir haben auch schon Kampagnen
mit Pollenflugprognosen synchronisiert. All das hilft, um für die Zielgruppe die Relevanz zu steigern.
kampagne – Preis, Text, Produkt, Bild – in
Echtzeit zu modifizieren. Und das bedeutet eben nicht nur, dass etwa Schuhe bei
ausverkauften Größen gar nicht mehr beworben werden, sondern auch, dass nicht
jeder potenzielle Konsument einen Schuh
zu sehen bekommt, sondern vielleicht ein
Markenlogo. „Was weiß ich über den
Nutzer?“, ist die Frage, die vor der Ausspielung steht. Auf die datenbasierten
Antworten kann dann kreativ reagiert
werden: Wo ein umweltbewusster älterer
Autofahrer die ökologischen Neuerungen
des Fahrzeugs präsentiert bekommt, wird
einem Jüngeren möglicherweise die
Sportlichkeit des Modells schmackhaft
gemacht. Dieselbe Reisedestination kann
mit unterschiedlicher Kreation für Pauschalbucher, Singles in Partylaune oder
Familien präsentiert werden.
V
oraussetzung ist, dass sich die
Kreativen auf das Tool einlassen,
was laut Bscheid oft eine Hürde
darstellt: Zu groß ist die Angst, von der
Technik in der eigenen Freiheit eingeschränkt zu werden. Der Onlineexperte
versucht zu überzeugen: „Am Ende ist es
zweitrangig, ob ich gerade ein Produkt
oder eine Marke darstellen will. Was
zählt, ist: Je näher ich mit der Präsentation an die Lebenswelt des Users herankomme, desto besser.“
Dem mag Dirk Kraus, Gründer und
CEO des Mobile-Advertising-Unternehmens Yoc, zwar nicht widersprechen. So
ganz einleuchten will ihm aber nicht, wo
der innovative Ansatz ist: „Als Yoc vor 13
Jahren die ersten Gewinnspiele über SMS
aufs Handy gebracht hat, haben wir eine
Gillette-Kampagne sinnvollerweise auch
nur an Männer ausgeliefert“, sagt er,
wenngleich er zugibt, dass die Aussteuerung heute deutlich filigraner funktioniert. Im Vergleich zu früher bietet Kraus’
Unternehmen heute praktisch keinerlei
Kreation mehr an nach der Maxime: „Es
ist sinnvoll, sich auf das zu konzentrieren,
was man am besten kann.“
Auf der anderen Seite sei man bei Yoc
gerade mit Brandingkampagnen, errechnet durch Targeting und ausgespielt auf
Mobile, besonders erfolgreich. Sich aller
Tools zu bedienen, die heute vorhanden
sind, um sowohl Performance als auch
Image zu forcieren, sei natürlich angebracht. Die Daten zum Sprechen bringen
– wenn Kraus darüber nachdenkt, findet
er den Gedanken durchaus charmant.
54 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
In den USA
spielt die
Musik
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
USA unangefochtene Übermacht
Top-14 Mediamärkte 2013
Laut Recma-Ranking entfallen
auf die Top-14-Märkte
81 Prozent der globalen
Mediabillings – das sind rund
339 Milliarden US-Dollar
in Mrd. US-Dollar
Platz
Land
1
USA
2
China
3
Großbritannien
4
Deutschland
5
Frankreich
6
Russland
6
Australien
8
Italien
8,6
9
Kanada
8,4
10
Indien
11
Spanien
6,0
12
Niederlande
5,9
13
Mittlerer Osten
14
Mexiko
141,0
27,0
26,1
25,5
19,2
10,0
10,0
6,8
5,8
3,5
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand: Juni 2014
D
Von Elke Jacob
ieses Frühjahr konnte die
Branche beobachten, wie
kläglich die geplante Fusion
der beiden Agenturholdings
Omnicom und Publicis gescheitert ist.
Doch das war sicher nicht der letzte Versuch einer international operierenden
Agenturgruppe, sich mit einem Wettbewerber zusammenzuschließen. Vor allem
der Druck im Mediabereich, der sowohl
in Deutschland als auch global von der
Kopf-an-Kopf-Rennen
Holdings in den 14 größten Mediamärkten
Rang
Marktanteil
Billings 2013
Veränd. zu 2012
2013 in Prozent in Mrd. US-Dollar
in Prozent
Gruppe / Holding
1
Group M / WPP
26,7
81,35
12,4
2
Publicis Media Groupe
24,0
73,00
13,9
3
Omnicom Media Group
14,2
43,19
11,6
4
Dentsu Aegis Network
11,3
34,27
16,5
5
Mediabrands / IPG
9,1
27,77
11,4
6
Havas Media
4,7
14,16
3,8
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014
HORIZONT 36/2014
Londoner WPP-Holding dominiert wird,
setzt die kleineren Player weiter unter
Druck. Schon wenige Wochen nach dem
geplatzten Merger von Omnicom und
Publicis schossen deshalb Gerüchte ins
Kraut, dass die New Yorker InterpublicHolding mit ihren Medianetzwerken
Initiative (IM) und Universal McCann
(UM) der nächste Übernahmekandidat
sei. Seit Jahren wird über deren Zukunft
spekuliert, passiert ist bislang aber nichts
und die neuerlichen Gerüchte sind längst
wieder verstummt.
Bei einer Elefantenhochzeit auf dem
internationalen Parkett gibt es viele Parameter, die abseits der schieren Größe
eine Rolle spielen. Mit am wichtigsten
sind inzwischen die Kompatibilität im digitalen Sektor und die Aufstellung der
Gruppen in den einzelnen Wirtschaftsregionen. Im Idealfall ergänzen sich die
neuen Partner in diesen Bereichen. Dass
solch ein Deal nicht immer billig ist, zeigt
die Übernahme der Londoner Aegis
Group mit ihren Medianetzwerken Carat
und Vizeum, die im Frühjahr 2013 für
4 Milliarden US-Dollar von der japanischen Dentsu-Gruppe aufgekauft wurde.
HORIZONT 36/2014
Ein hoher Preis, aber ein Blick auf die
regionalen Auswertungen des Pariser
Recma-Instituts zeigt, dass sich das neu
formierte Dentsu Aegis Network (DAN)
damit unter die drei größten Agenturgruppen in Asien katapultiert hat. Im
weltweiten Vergleich, der sich bei Recma
auf 62 Märkte bezieht, liegt DAN mit 11,5
Prozent Marktanteil zwar noch deutlich
hinter dem Weltmarktführer Group M
von WPP zurück, kann aber den Anschluss an die drei größten Mediaagenturgruppen halten. Mediabrands, unter
deren Dach Interpublic seine beiden
Netzwerke IM und UM sowie in den USA
die dritte Agenturmarke BNP bündelt,
könnte DAN nur im Verbund mit der
letztplatzierten Havas Media überholen.
D
er aktuelle Recma-Report über
die Verteilung der Billings auf die
einzelnen Medianetworks im
Jahr 2013 liefert aber nicht nur die globalen Kennziffern, sondern nennt auch die
nicht minder interessanten Mediainvestitionen in insgesamt 13 Regionen. Daran
wird deutlich, dass der Löwenanteil von
rund 304 Milliarden Euro allein auf die
Top-14-Märkte entfällt. In diese Länder
fließen 81 Prozent des weltweiten Mediavolumens in Höhe von rund 339 Milliarden Dollar. Spitzenreiter sind nach wie
vor die USA, wo die Medianetzwerke im
vergangenen Jahr 141 Milliarden Dollar
betreut haben. Klarer Marktführer ist hier
die Pariser Publicis Media Groupe, deren
Agenturgruppe Starcom Media Vest mit
13,4 Prozent den größten Marktanteil in
den Top 14 erreicht und auch Marktführer in den USA ist.
In China, dem zweitgrößten Mediamarkt der Welt, hat wiederum Group M
die Nase vorn. Das gilt auch für Indien,
das zweite asiatische Land, das zu den Top
14 gehört. Doch selbst zusammen mit
Russland, das wie China und Indien zu
den boomenden Wirtschaftsregionen gehört, bleiben die dortigen Mediainvestitionen noch deutlich hinter Westeuropa
zurück, wo sechs Länder zu den Top 14
gehören. Trotz der anhaltenden Finanzund Wirtschaftskrise in Spanien und Italien betreuten die Medianetzwerke in diesen sechs Ländern im vergangenen Jahr
ein Billingvolumen von insgesamt 91,2
Milliarden Dollar.
Starcom Media Vest führt in den Top 14 Märkten
Mediatöchter von Publicis dominieren in den USA
Top 15 Networks weltweit
Marktanteile in den Top 14 Ländern (in Prozent)
Rang
Marktanteil 2013
Billings 2013
in Prozent
in Mrd. US-Dollar
Medianetwork
Gruppe / Holding
1
Starcom Media Vest
Publicis
13,4
40,61
2
OMD
Omnicom
10,7
32,58
3
Zenith Optimedia
Publicis
10,6
4
Mindshare
Group M / WPP
5
Carat
Dentsu Aegis Network
Veränd. zu 2012
in Prozent
USA
19,8
30,0
14,2
7,6
11,3
10,7
Kanada
24,5
20,4
20,4
10,9
11,7
1,5
32,38
8,3
8,7
26,52
11,7
Mexiko
24,4
20,3
4,9
7,2
11,4
30,7
8,6
26,27
21,7
Großbritannien
42,5
16,2
14,8
15,4
5,5
3,7
Deutschland
39,1
9,0
15,3
13,0
6,5
3,8
Frankreich
19,5
23,9
10,0
18,9
3,1
20,8
Italien
40,2
19,8
11,0
16,6
4,2
3,8
Spanien
18,8
23,5
7,3
19,3
3,7
26,1
Niederlande
38,7
11,0
8,1
13,0
23,6
5,7
Russland
17,6
19,5
25,0
17,8
6,5
7,0
Mittlerer Osten
25,4
28,1
14,6
4,4
19,4
3,7
Indien
41,1
12,6
9,4
3,7
13,5
4,2
China
36,5
27,6
15,1
14,1
1,8
1,2
Australien
29,3
13,7
16,3
19,7
15,8
Mediacom
Group M / WPP
7,8
23,69
8,4
MEC
Group M / WPP
6,9
20,87
13,6
8
Universal McCann
Mediabrands / IPG
4,9
14,91
11,0
Havas Media
Havas
4,7
14,16
3,8
Initiative
Mediabrands / IPG
3,6
10,98
10,5
11
PHD
Omnicom
3,4
10,39
14,2
12
Maxus
Group M / WPP
3,1
9,37
12,9
13
Vizeum
Dentsu Aegis Network
2,0
5,97
8,7
14
BPN
Mediabrands / IPG
0,4
1,20
55,7
15
Dentsu Media
Dentsu Aegis Network
0,3
0,81
–0,5
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014
Havas
Media Group
18,9
6
9
Dentsu Aegis
Mediabrands
Network
Group M / WPP
7
10
Publicis
Omnicom
Media Groupe Media Group
Land
HORIZONT 36/2014
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014
2,3
–
HORIZONT 36/2014
HORIZONT 36/2014
REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 55
4. September 2014
25,5 Milliarden US-Dollar entfallen
auf Deutschland, das nach den USA, China und Großbritannien der viertgrößte
Mediamarkt der Welt ist. Hierzulande hat
bekanntlich Group M mit 39,1 Prozent
den mit Abstand höchsten Marktanteil
und liegt seit Jahren uneinholbar vorn.
Insgesamt spielt also nach wie vor in14
Kernmärkten die Musik, was aber nicht
darüber hinwegtäuschen darf, dass
Mediaagenturen ihre internationalen
Kunden auch in den anderen Regionen in
der gleichen Qualität bedienen müssen.
Im Hinblick auf die Marktanteile in den
weltweiten 13 Wirtschaftsregionen, die
von Recma ausgewertet wurden, weist die
WPP-Tochter Group M noch immer die
ausgewogenste Verteilung auf. Bei den
beiden kleinsten Agenturgruppen Havas
Media und Mediabrands, der Dachorganisation für IM und UM von Interpublic,
tun sich indes Lücken auf.
D
as gilt zum Beispiel für den pazifischen Raum mit Australien,
aber auch für Nordeuropa und
das Baltikum, Nord- und Lateinamerika
sowie den Raum „Middle East & Africa“.
In diesen Regionen würde sich Havas Media, das durch seine spanischen Wurzeln
traditionell stark in den lateinamerikanischen Märkten aufgestellt ist, durchaus
mit der US-geprägten Mediabrands von
Interpublic ergänzen. Im Falle einer Fusion würde die Zahl der weltweit operierenden Mediaagenturgruppen erneut re-
duziert, es blieben nur noch fünf übrig.
Sie stehen Tausenden Werbekunden mit
zum Teil weltweiten Mediabudgets gegenüber. Wettbewerbskonflikte innerhalb einer Agenturgruppe gehören mittlerweile aber zum Tagesgeschäft. Entweder akzeptiert ein Werbungtreibender,
dass weitere Konkurrenten aus seiner
Branche von derselben Gruppe oder sogar demselben Network betreut werden.
Oder er ist groß genug und bekommt eine
exklusive Agentur oder zumindest Unit.
Ein klarer Trend in diese Richtung lässt
sich allerdings nicht ausmachen, denn
nach wie vor gibt es internationale Werbekunden, die sich je nach Region für das
Medianetzwerk entscheiden, das schlicht
am besten zu ihnen passt.
Globale Player
Asiatischer Markt ist fest vergeben
Marktanteil der Mediaagentur-Gruppen in 62 Ländern 2013
Marktanteile der Mediaagenturgruppen in 15 Regionen weltweit (in Prozent)
in Prozent
Independents
9,6
Havas Media Group
4,7
Group M
27,9
Mediabrands
Dentsu Aegis Network
9,5
11,5
22,2
Omnicom Media Group
Publicis Media Groupe
14,6
Region
Group M/WPP
Publicis
Omnicom
Media Groupe Media Group
Dentsu Aegis
Mediabrands
Network
Havas
Media Group
Nordamerika
20,1
29,5
14,6
7,8
11,3
2,3
Lateinamerika
22,9
21,1
12,1
4,8
13,2
23,3
EMEA
32,2
15,5
15,2
14,6
8,0
7,1
Top 5 in Europa*
34,4
16,7
12,9
15,9
5,0
9,2
andere westeurop. Länder
32,6
8,7
12,3
12,8
15,1
6,3
Nordeuropa & Baltikum
32,5
7,8
21,1
19,7
8,6
0,8
Zentraleuropa
38,3
18,5
18,0
6,1
7,6
4,4
Südosteuropa
25,4
15,1
18,7
8,2
12,1
3,2
Osteuropa/Russland
18,2
19,9
24,3
17,9
6,9
6,7
Mittlerer Osten & Afrika
28,6
20,6
18,8
6,8
19,1
2,2
APAC Asien-Pazifik
36,6
20,6
13,7
14,4
8,1
2,0
Südasien/Indien
41,1
12,6
9,4
3,7
13,5
4,2
Südostasien
44,0
17,5
7,2
14,8
9,0
4,3
Nordasien/China
35,8
25,4
15,2
15,2
4,2
1,3
Pazifik/Australien
28,5
14,3
18,5
17,7
15,7
0
62 Märkte gesamt
27,9
22,2
14,6
11,5
9,5
4,7
* Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand: Juni 2014
HORIZONT 36/2014
Quelle: Recma Overall Activity Rankings, Stand Juni 2014
HORIZONT 36/2014
Anzeige
56 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
Von Guido Schneider
R
adio hat es nicht eilig, dem Medienwandel zu folgen – dieser
Eindruck drängt sich mit Blick
auf seine Nutzungserhebung
auf. Denn diese besteht im Kern immer
noch aus der erinnerungsgestützten Befragung über das Festnetz und droht damit aus der Zeit zu fallen. Schließlich sieht
die Medienwelt heute anders aus als 1999,
dem Jahr, als die Arbeitsgemeinschaft
Media-Analyse (AG.MA) die telefonische
Befragung nach CATI-Verfahren zum
Standard erkor. Vor allem jüngere Menschen sind nur noch schwer über ein Festnetztelefon erreichbar.
Doch die Radio-MA hat bislang eher
widerwillig auf diese Umbrüche reagiert.
Immerhin will sie demnächst Reichweiten für die Webradionutzung vorlegen
und diese mit den UKW-basierten Nutzerzahlen zu einer Konvergenzreichweite
verschmelzen. Doch die Erhebung des
werden die von der Radio-MA beauftragten Institute auf die Handystichprobe des
Arbeitskreises Deutscher Marktforscher
(ADM) zugreifen und endlich auch die
reinen Mobilfunktelefonierer erreichen,
die circa 8 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Für Forscherin Hoffmann würde die Stichprobe so valider, auch weil
dann viele Menschen befragt werden
können, die unter der Woche auswärts
arbeiten und nicht über ihr heimisches
Festnetz erreichbar sind. ARD-Mann Mai
glaubt, dass die Radio-MA dann auch
besser an Jüngere herankommt.
Möglicherweise folgen bald weitere
neue Befragungsformen. So plädiert
AG.MA-Forscher Händler für Multimethoden-Ansätze. Als Beispiel nennt er die
Erhebung der Printnutzung in der
Schweiz: „Dort wird die Stichprobe für
Pressemedien via Telefon rekrutiert und
ein Großteil dann via Online befragt.“
Radio-Mann Müller empfiehlt der
AG.MA sogar, sich mit Big-Data-Anbietern zusammenzuschließen, um deutlich
Kein Ruck
im Radioland
Die Radio-MA wirft ungelöste Fragen auf /
Grundlegende formen kommen nur schwer in Gang
Radiokonsums über den klassischen
Rundfunk läuft wie eh und je.
Wenn weniger Menschen per Festnetz
erreichbar sind, drängt sich die Frage
nach einer anderen Methode auf. So ließe
sich die Radionutzung über bereits vorhandene Instrumente wie die Mediawatch (vormals Radiowatch) oder das
Peoplemeter von Arbitron messen, wäre
also nicht mehr von der Erinnerungsleistung der Befragten abhängig. Doch
Branchenvertreter winken ab. Henriette
Hoffmann, die in der AG.MA als gewählte Marktforscherin von Radio Marketing
Service (RMS) agiert, hält einen Methodenwechsel schlicht „nicht für angebracht“. Viele Experten bezweifeln, ob
eine Uhr misst, was das Ohr hört, oder ob
sie die wachsende Zahl der Audioangebote richtig zuordnen könnte.
Neue Methoden
Für Lothar Mai, Leiter Radioforschung
der ARD-Werbung, spielt neben den methodischen Einwänden auch Geld eine
Rolle: „Eine Messung mit der Uhr wäre
sehr teuer. Das macht man nicht ohne
Zwang.“ Und der fehlt, weil auch die Nutzer in der AG.MA nicht umsteigen wollen. „Messen ist nicht besser, es sei denn,
man misst bei den richtigen Personen das
Richtige, was aber nur selten der Fall ist.
Außerdem muss allen klar sein, dass Tests
mit Kosten verbunden sind“, sagt Frank
Händler, Director Brand Science und gewählter Marktforscher Agenturen der
AG.MA. Auch Steffen Müller, Geschäftsführender Gesellschafter von Radio 21
und Rockland Radio, will aufgrund technischer und methodischer Unzulänglichkeiten vorerst nicht zur Uhr greifen. Sollten die eines Tages beseitigt sein, dann
hätte die „objektive Messung“ der Hörfunknutzung für ihn durchaus Charme.
Auch wenn die Uhr in der Schublade
bleibt, wird es ein „Weiter so“ in Sachen
Telefonbefragung nicht geben. Ab 2015
mehr und aktuellere Daten zu akzeptablen Kosten zu erhalten. Dabei kann er
sich vorstellen, dass die rein quantitative
Abfrage der Radionutzung künftig über
Befragungen im (mobilen) Internet läuft
und auf wenige Kernfragen beschränkt
wird. Fragen zur Soziodemographie oder
der sonstigen Mediennutzung sollen mithilfe der über 45000 Basisfälle der MA
erhoben werden. „Die Abfrage der quantitativen Nutzung über Online und Mobile ist viel günstiger als ein Telefoninterview, sodass wir bei ähnlichen Kosten zu
höheren Fallzahlen kommen“, so Müller.
Höhere Fallzahlen
Der Ruf nach mehr Fällen kommt vor
allem von kleineren Radiosendern. Wenn
es gelänge, die Reichweiten möglichst vieler Sender in Kreisen, Städten oder Ballungsräumen auszuweisen, würde das
den Lokal- und Spezialsendern bei der
Vermarktung helfen, weil sie dann ihre
relativ stärkere Position im eigenen Sendegebiet gegenüber den Landesweiten
dokumentieren könnten. (HORIZONT 30/
2014). Problem: Die nötigen Fallzahlaufstockungen müssen die Sender entweder
selbst oder mit Unterstützung der Medienanstalten finanzieren, was viele nicht
leisten können. Um das Problem zu lösen,
will Müller künftig für die lokale Planung
vier statt zwei MA-Erhebungswellen kumulieren. Wer Radio dagegen für nationale Kampagnen nutzt, soll wie bisher die
gängigen Daten auf Basis von zwei Wellen
nutzen können.
Mehr Datentiefe im Tausch gegen Aktualität – das reißt Hoffmann nicht vom
Hocker. Die RMS-Forscherin plädiert
stattdessen für den Status quo: „Es steht
jedem Sender frei, deutlich mehr Fallzahlen in seinem Gebiet umzusetzen. Die
MA hat da keine Barrieren.“ Auch Udo
Becker, Geschäftsführer von Radio NRW,
will nichts ändern: „Sonst gäbe es einen
ständigen Wechsel zwischen den berich-
HORIZONT 36/2014
teten Zeiträumen, der Werbekunden die
Orientierung nicht erleichtert.“ Ein Problem, das auch ARD-Experte Mai sieht.
Dennoch will er die „MA der zwei Geschwindigkeiten“, wie er Müllers Vorschlag nennt, nicht grundsätzlich ablehnen, sofern sich alle darauf einigen, also
auch die Nachfrager. Agenturmann
Händler ist nicht abgeneigt: „Die Kumulation mehrerer Wellen klingt interessant.
Das sollten wir uns mal ansehen.“
Die Fallzahlen sind auch unter einem
anderen Gesichtspunkt ein Thema. So
fragen sich einige in der Branche, ob sich
das Interview der Radio-MA verkürzen
ließe, indem die nicht auf Radio bezogenen Fragen entfallen. Das eingesparte
Geld könnte für mehr Fallzahlen verwendet werden, wie Radio-Group-Chef Stephan Schwenk unlängst in HORIZONT
(30/2014) gefordert hat. Doch dafür stehen die Chancen schlecht, da die Zusatzfragen im Rahmen der MA-Intermedia
benötigt werden. „Der Fragebogen enthält nur das, was wirklich wichtig ist“, ist
Händler überzeugt. „Und wenn der
Markt Intermedia will, dann müssen die
Informationen irgendwo herkommen.“
Radio-NRW-Chef Becker glaubt ebenfalls nicht, dass die verbindenden Variablen der verschiedenen Teil-MAs verzichtbar sind. Zumal das Radiolager auf
den Konsens mit anderen Gattungen verzichten würde, wie Hoffmann betont.
Doch ganz unbegründet scheint ihr die
Forderung nach einem verkürzten Interview nicht, jedenfalls sieht sie Bedarf darin, „zukunftsfähige Lösungen“ zu finden.
4. September 2014
„Es steht jedem Sender
frei, mehr Fallzahlen
umzusetzen. Die MA
hat keine Barrieren“
Henriette Hoffmann, RMS
„Eine Messung mit der
Uhr wäre sehr teuer.
Das macht man nicht
ohne Zwang“
Problemfall Kosten
Lothar Mai, ARD-Werbung
Apropos Kosten: Mancher Radioentscheider fragt sich, weshalb ein Interview
in der MA gut 50 Euro kostet, während es
die Funkanalyse Bayern (FAB) für rund
35 Euro schafft. ARD-Forscher Mai hält
den Preisvergleich für irreführend, weil
die MA eine deutliche längere Feldzeit
aufweist als die FAB und ihre Stichprobe
so gut wie keine andere Medienstudie in
Deutschland abarbeitet. Zudem seien die
Kosten pro Fall in der MA seit Jahren
konstant: „Wenn wir weniger zahlen wollen, müssen wir die Qualität senken.“
Auch Hoffmann findet, dass der Vergleich der Kosten hinkt: „Da wird der Bau
eines Gartenhäuschens mit dem eines
Wolkenkratzers verglichen.“
Die RMS-Forscherin würde es stattdessen begrüßen, wenn beide noch existierende Regionalstudien FAB und EMA
aus Nordrhein-Westfalen in die MA integriert würden. Doch Radio NRW, das
die EMA mitfinanziert, tut ihr den Gefallen nicht: „Die EMA ist für Programmverantwortliche vor Ort ein unverzichtbares Instrument zur Steuerung und Optimierung ihrer Sender und Inhalte“, sagt
Geschäftsführer Becker. „Schon allein
deshalb ist eine Integration in die MA
Radio nicht sinnvoll, weil dort keine qualitativen Fragen zu Einzelprogrammen
gestellt werden können.“
Bayern und NRW beschreiten Sonderwege
Regionale Hörfunk-Reichweitenstudien im Vergleich
Funkanalyse Bayern 2014*
EMA NRW 2014
Grundgesamtheit
Deutsprachige ab 10 Jahren
Deutschsprachige ab 14 Jahren
Erhebungsmethode
telefonisch-computergestützt (CATI)
CATI
Erhebungszeitraum
20. Januar bis 30. März 2014
2 Blöcke mit je 4 Wellen:
1. Block 13. Januar bis 18. Mai 2014,
2. Block 25. August bis 14. Dezember 2014
Berichterstattung
8. Juli 2014
8 landesweite Trends, 6 lokale Trends (keine
Veröffentlichung), 2 lokale Berichterstattungen
(EMA I+II) parallel zur MA-Veröffentlichung
Fallzahl
22928 Personen in Bayern und angrenzenden
Empfangsgebieten
Befragungsinhalte
u.a. Bekanntheit / WHK / Nutzungsfrequenz
Hörfunkprogramme, Viertelstundenreichweiten,
Programmkompetenz der Sender, Radioprogramme über Internet gehört, Programmempfang über Digitalradio/Kabel/Satellit,
Demographie
Radionutzung analog zur MA Radio, inkl.
Tagesablaufschema (WHK, Hörer gestern,
Durchschnittsstunde etc.), zusätzlich: Imagefragen zum Programm des Lokalradios, Bekanntheit/Beliebtheit von Moderatoren, Beurteilung
von Musik u. Wort, Markenimage des Senders,
Soziodemographie
* Hörfunkstichprobe
Quelle: Funkanalyse Bayern 2014, EMA NRW 2014, Radio NRW
HORIZONT 36/2014
58 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
In parallelen Welten
AGF, Agof und Google
arbeiten an unterschiedlichen Standards
für eine konvergente
Bewegtbildreichweite
Von Guido Schneider
V
om boomenden Bewegtbildmarkt im Internet wollen viele
etwas abhaben. TV-Sender verlängern ihre Inhalte aus dem
linearen Fernsehen und machen sie über
digitale Plattformen abrufbar – in der
Hoffnung, Zuschauer und Werbekunden
bei der Stange zu halten. Googles Youtube
und Video-on-Demand-Angebote anderer Konzerne wollen ebenso ans große
Mediageld. Schließlich sind da noch die
Publisher statischer Websites, die in ihren
Angeboten auch mit Videowerbung Geld
machen wollen.
Mittendrin in diesem Gerangel stehen
der Kundenverband OWM wie auch die
Organisation
der
Mediaagenturen
(OMG), die wichtigsten Akteure auf der
Nachfrageseite. Sie drängen auf ein Messmodell, das alle Bewegtbildformen adäquat erfasst und aussagekräftige Zahlen
für die konvergente Nutzung über mehrere Verbreitungswege liefert. Noch aber
scheitert ein solcher Standard an den divergierenden Interessen des Online- und
TV-Lagers, weil jeder der Akteure die für
sich beste Lösung anstrebt und unter Bewegtbild etwas anderes versteht.
Und so arbeiten gleich drei Player parallel an eigenen Bewegtbild-Standards.
Die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), in der ARD, ZDF, RTL
und Pro Sieben Sat 1 das Sagen haben,
versteht Online-Bewegtbild als eine Art
verlängertes TV. „Konvergenz bedeutet
für die AGF, Fernsehen auf allen Endgeräten zu erfassen“, betont Robert Schäffner,
Head of Research IP Deutschland und
Leiter der Arbeitsgruppe Streaming der
AGF. „Bewegtbild in unserem Sinne liegt
dann vor, wenn eine Videodatei mit Inhalt und Werbung von einem Mediaplay-
er ausgespielt wird.“ Bloße Werbefilmchen auf statischen Websites, zum Beispiel in Form von Flash-animierten Bannern, fallen nicht unter die Definition der
AGF: „Dort bewegt sich zwar etwas, doch
es ist kein Video.“
Getreu diesem Motto arbeitet die AGF
unter Mitwirkung von Kunden und
Agenturen an einer Konvergenzreichweite für TV, die 2015 vorliegen soll. Dabei ist
die Organisation inzwischen bereit, auch
Anbieter aus der Nicht-TV-Welt in ihr
Messmodell zu integrieren. Erste Interessenten haben laut AGF-Geschäftsstellenleiterin Anke Weber schon angeklopft.
„Einige Gesprächspartner sind bereits dabei, die technische Umsetzung und unser
Angebot wirtschaftlich zu prüfen.“
D
ie AGF ist in erster Linie daran
interessiert, die Streaming-Nutzung zu erfassen und hat zu diesem Zweck ein Zweisäulen-Modell entwickelt: Eine technische Messung, auch
Zensusmessung genannt, erfasst über
einen Code im Mediaplayer des Bewegtbildanbieters die Zahl der abgerufenen
Streams. Dabei können bislang nur die
Abrufe von PCs und Laptops erfasst werden, doch die AGF will in Kürze auch
Abrufzahlen von Smartphones und Tablets messen. Die zweite Säule bildet ein
von Nielsen betriebenes Onlinepanel mit
25000 Teilnehmern, das die Bewegtbildnutzung ermittelt.
Seit März veröffentlicht die AGF die
Zahl der abgerufenen Streaming-Angebote einzelner Lizenznehmer in Form
wöchentlicher Hitlisten. Beginnend mit
dem Monat Juni stehen seit wenigen Tagen nun für ausgewählte Angebote auch
Angaben zur Zielgruppenstruktur (Alter,
Geschlecht, Haushaltsgröße) bereit, die
monatlich aktualisiert werden sollen. Als
Nächstes will die AGF die beiden Datenquellen, Zensusmessung und Paneldaten,
fusionieren, um so zu Nettoreichweiten
und Sehbeteiligung für die StreamingAngebote zu gelangen.
A
uch methodisch geht es voran. So
ist es den AGF-Forschern gelungen, ihr Onlinepanel gemäß den
Vorgaben der Media-Analyse zu gewichten. Nun arbeiten sie an der sogenannten
Kalibrierung. Dabei wird die Zensusmessung als weitere Außenvorgabe für die
Gewichtung der Daten verwendet, die im
Onlinepanel erhoben wurden. Ist das geschafft, steht die lang ersehnte Fusion der
Videostreaming-Daten in das AGF-Panel
an, aus der dann konvergente Reichweiten für lineares TV und Onlinevideo hervorgehen.
Die Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (Agof) verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Ihre Reichweitenstudien
Internet Facts und Mobile Facts, die zu
den Digital Facts vereint werden sollen,
wollen alle Online-Angebote inklusive
Bewegtbildformen abbilden. Sie beschränken sich also nicht wie die AGF auf
Instream-Bewegtbild, sondern berücksichtigen auch Bewegtbildwerbung auf
statischen Websites. Seit August befasst
sich zudem eine Pilotgruppe in der Agof
damit, die Werbevielfalt auf Smart-TVGeräten zu erheben. Dass Agof und AGF
parallel am Thema Onlinevideo arbeiten,
stört Björn Kaspring, stellvertretender
Vorstandsvorsitzender der Agof, nicht:
„Die Reichweitenerhebungen beider Organisationen folgen unterschiedlichen,
jedoch ihrem Medium entsprechenden
Planungslogiken. Bei Online steht der
Kontakt sowie die Nutzungszeit pro Kontakt im Zentrum, bei TV die Sehbeteiligung des einzelnen Formats.“
Das parallele Herumwerkeln ist
allerdings nicht im Sinne der Werbekunden. Sie verlangen ein Reichweitenmo-
dell, das alle Formen von Bewegtbild vereint. Dass sich AGF und Agof bald auf
einen gemeinsamen Nenner verständigen, ist vorerst aber nicht zu erwarten,
auch wenn das offiziell anders klingt:
„Wir halten eine Zusammenarbeit mit
der AGF grundsätzlich für empfehlenswert“, sagt Kaspring. „Wie diese im Einzelnen aussehen kann und für welche Bereiche sie sinnvoll sein wird, müssen die
Gespräche klären.“ Die AGF will laut Leiterin Weber ebenfalls zur Klarheit beitragen: „Dabei stehen wir durchaus im Dialog mit der Agof, allein schon über teilweise identische Gesellschafter.“ Doch die
bleiben reserviert. „In nächster Zeit sollte
man vielleicht keine Revolutionen erwarten“, sagt IP-Forscher Schäffner, der in
AGF und Agof mitwirkt. „Es würde mich
aber wundern, wenn es mittelfristig nicht
doch zu der einen oder anderen Zusammenarbeit kommen würde.“
D
er dritte Akteur im Ringen um
eine Konvergenzwährung ist
Youtube-Betreiber Google, der
dem Markt medienübergreifende Zahlen
für lineare und nichtlineare Angebote anhand des Media Effiency Panels (MEP)
der GfK liefert. Das Tool verfolgt einen
Single-Source-Ansatz und untersucht neben der Onlinenutzung auch den Konsum klassischer Medien sowie das Kaufverhalten. Geht es nach Google, dann sollen die heimischen TV-Anbieter beim
MEP mitarbeiten.
Doch die denken nicht daran. Schäffner hält die Fallzahlen des MEP für zu
klein, um die Bewegtbildnutzung auch
kleinerer Anbieter zuverlässig zu erfassen.
Stattdessen fordert er Google auf, bei der
AGF mitzuarbeiten: „Ohne eine Teilnahme am AGF-System ist die Vernetzung
von Youtube mit klassischem TV für alle
intransparent.“ Auf Nachfrage von HORIZONT will sich bei Google niemand zu
diesen Vorwürfen äußern. Wohl auch,
weil man inzwischen mit OWM, OMG
und AGF nach einer Lösung sucht (HORIZONT 35/2014). An einem einheitlichen
Standard sei auch Google interessiert,
heißt es hinter vorgehaltener Hand in der
deutschen Dependance. Doch die Konzernmutter in den USA tut sich mit solchen Einzellösungen auf nationaler Ebene noch schwer.
FOTO: BERNAD / FOTOLIA
Youtube dominiert Online-Bewegtbild
Onlinevideo-Nutzung in Deutschland (Juli 2014)
Angebot
Unique
Audience*
in Mio.
Youtube
21,38
40,2
04:14:36
Myvideo
3,12
5,9
00:16:22
T-Online Bewegtbild
2,32
4,4
00:19:33
Vimeo
1,25
2,3
00:11:31
Clipfish
0,58
1,1
00:18:00
Maxdome
0,57
1,1
00:37:46
Watchever
0,29
0,6
01:24:52
26,46
49,7
05:21:02
Videos/Movies gesamt
pro
Active Reach** Nutzungsdauer
Person in
in Prozent
Std.: Min.: Sek.
*Unique Audience: absolute Zahl der Unique Persons ab 2 Jahren, die eine Website oder
App mindestens einmal im Berichtszeitraum besucht haben, Mehrfachbesucher werden nur
einmal gezählt
**Active Reach: Anteil der aktiven Unique Persons ab 2 Jahren, die eine Website oder App
besucht haben
Basis: Standard Metrics (inklusive Apps), Panel: Home and Work, Land: Deutschland
Quelle: Nielsen Netratings
HORIZONT 36/2014
60 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
FOTO: JOCHEN ROLFES
„Keine
Angst vor
Google“
4. September 2014
Vivaki: Frank-Peter Lortz über die Macht
der US-Giganten und warum Content
Marketing das nächste große Ding wird
Von Jürgen Scharrer
V
ivaki-COO Frank-Peter Lortz
sagt im HORIZONT-Interview
ein paar Dinge, über die es sich
zu diskutieren lohnt. Zum Beispiel, dass Content Marketing massiv an
Bedeutung gewinnen wird – und das auf
Kosten von Paid Media geht. Oder dass
lineares TV in wenigen Jahren massiv
Werbegeschäft verlieren wird. Lortz: „Da
können die TV-Protagonisten heute postulieren, was sie wollen.“ Auch bei Themen wie Google und Konvergenzwährung bekennt er Farbe.
Der Manager
So viel Kontinuität ist im
Mediabusiness selten: In
diesem Jahr feiert Frank-Peter
Lortz sein 20-jähriges Jubiläum bei Zenithmedia. 2009
wurde der Diplom-Kaufmann,
der nächste Woche seinen 49.
Geburtstag feiert, CEO der
Agentur, seit 2013 ist er
zusätzlich COO des globalem
Agenturnetzwerks Vivaki.
Herr Lortz, laufen wir in eine Situation,
in der Google und Facebook den digitalen Werbemarkt dominieren?
Google dominiert Search und hat inzwischen auch im Displaygeschäft eine sehr
starke Position, die es definitiv weiter ausbauen wird. Bei Mobile ist Facebook extrem stark. Dazu kann man, wie zu allem
im Leben, eine kritische oder eine positive
Haltung einnehmen. Facebook ist mit
seiner Mobile-Strategie enorm erfolgreich und investiert sehr viel Geld, um
herauszufinden, welche Werbeformen
funktionieren und welche nicht. Davon
profitiert der ganze Markt.
Unterm Strich bleibt: Google beherrscht
Search und wird bei Display und Bewegtbild immer stärker. Bei Mobile,
dem Zukunftsmarkt schlechthin, ist
Facebook der Star der Stunde. Die USGiganten geben das Tempo vor.
Aus einer globalen Perspektive betrachtet
ist das sicher so. Google und Facebook
entwickeln ihre Strategien zentral und
rollen ihre Konzepte dann rund um den
Erdball aus. Die kleinen gallischen Dörfer
haben es da natürlich schwer, ihre Stellung zu halten. Aber: Ich finde, gerade wir
in Deutschland sind gar nicht so schlecht
unterwegs. Im Gegensatz zu manchen
anderen Märkten gibt es hierzulande
noch lokale Optionen.
Das ist die Situation jetzt, 2014. Die
Frage ist, ob das so bleibt.
Google wird noch stärker werden, aber
ich glaube nicht, dass es in allen Segmen-
ten die gleiche Dominanz entwickeln
kann wie bei Search – dafür fehlt es etwa
bei Display und Bewegtbild einfach an
der Uniqueness. Wir wissen alle, dass die
mobile Nutzung dramatisch an Bedeutung gewinnt. Was Facebook hier an Bewegtbild-Applikationen entwickelt hat,
muss sich aus meiner Sicht überhaupt
nicht hinter Google verstecken.
Wenn Big Data immer wichtiger wird,
läuft alles auf Google zu. Google etabliert sich vor allem bei globalen Kunden zunehmend als zentraler Ansprechpartner in Sachen Werbung.
Google geht es darum, das eigene Inventar zu vermarkten. Das schließt eine objektive Beratung aus. Den meisten Kunden ist das sehr wohl bewusst.
Ist ja toll: Der Einzige, der dem USGiganten Google gefährlich werden
kann, ist der US-Gigant Facebook.
(lacht) Zwei globale Player, die sich untereinander bekämpfen, sind doch schon
mal besser, als wenn es nur einen gäbe.
Außerdem: Der digitale Markt ist von Innovationen geprägt und wird sich auch
künftig weiterentwickeln und neu sortieren. Die Mediaagenturen sind daran
maßgeblich beteiligt. Insofern sind die
Machtverhältnisse, so wie Sie sie beschreiben, keineswegs in Stein gemeißelt.
Na ja, wir könnten jetzt lange darüber
sprechen, wie neutral Mediaagenturen
beraten ...
Ich kenne Ihre Einstellung zu diesem
Thema. Tatsache ist, dass eine Mediaagentur Kunden sehr viel neutraler berät,
als es Google jemals tun wird. Und was
das Thema Big Data betrifft: Natürlich
verfügt Google über extrem viele Daten,
keine Frage. Wenn es aber darum geht,
diese Daten mit Daten aus der analogen
Welt zu verknüpfen, ist Google schwach.
Was die Verknüpfung unterschiedlicher
Datenquellen und eine kundenindividuelle Aufarbeitung betrifft, sind wir
Mediaagenturen weitaus besser. Deshalb
habe ich auch überhaupt keine Angst vor
Google. Google denkt global und Google
denkt digital, unser Ansatz ist da weitaus
profunder. Jetzt zahlt sich aus, dass wir in
den vergangenen Jahren sehr viel in Technologie investiert haben.
Was halten Sie von der These, dass die
Zeit von Display Ads bald vorbei ist?
Möglich, dass wir in diesem Jahr tatsächlich einen Sättigungspunkt erreichen.
Entscheidender ist aber, dass sich jetzt zunehmend die Spreu vom Weizen trennt.
Je mehr Daten uns zur Verfügung stehen,
desto genauer sehen wir, welche Plattformen wirklich funktionieren. Hinzu
kommt, dass man sich zu lange auf die
Messung von Klicks konzentriert hat.
Heute lautet die Frage eher, welche Rolle
Banner in der Customer Journey spielen
und in welchen Umfeldern die Ansprache
der Zielgruppe am besten funktioniert.
Mein Eindruck ist, dass viele Werbungtreibende die Werbewirkung von Bannern zunehmend skeptisch beurteilen.
Diese Skepsis teile ich überhaupt nicht.
Das Problem ist eher, dass wir immer
noch zu wenig darüber wissen, wie Display Ads funktionieren, insbesondere
auch im Zusammenspiel mit klassischen
Werbekanälen. Es mag sicher Enttäuschungen geben, von einer prinzipiellen
Abkehr kann jedoch keine Rede sein. Was
aber stimmt, ist: Das große Wachstum ist
vorbei. In den nächsten Jahren wird Native Advertising stärker werden und auf
Kosten von Display wachsen.
Ist es nicht ein mediapolitischer Skandal, dass sich die US-Unternehmen
allen Joint-Industry-Ansätzen in der
Werbewirkungsforschung entziehen?
Natürlich wäre es wünschenswert, dass
Google und Facebook mit Gremien wie
AGF oder AG.MA kooperieren. Realistisch ist das aber nicht.
Der Kundenverband OWM versucht gerade, Google und Facebook ins Boot zu
holen. Das ist verlorene Liebesmüh?
Das wird sicher sehr schwierig. Google
und Facebook sind ihr eigenes Universum. Sich zu sehr auf lokale Gremien einzulassen, würde ihrem Geschäftsprinzip
komplett widersprechen.
Das ist doch eine kuriose Situation: Von
den deutschen Vermarktern wird vehement gefordert, gemeinsam Standards
zu entwickeln – und die Amis machen
einfach ihr eigenes Ding. Vor allem das
Media Efficiency Panel von Google ist
vielen ein Dorn im Auge.
Wir Deutsche sind besonders gründlich,
wenn es um die Etablierung von Marktstandards geht. Meine englischen Kollegen haben nie verstanden, welche Bedeutung Gremien wie AG.MA oder Agof bei
uns haben. Das ist schon alles extrem
kompliziert. Die Welt wird globaler, sie
verändert sich – vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob wir hier in Deutschland nicht das eine oder andere über Bord
werfen sollten. Grundsätzlich bin ich aber
sehr wohl ein Anhänger dieser Gremien
und des Joint-Industry-Gedankens.
Wenn Google und Co sich dem entziehen, ist das bedauerlich. Andererseits eröffnet das aber auch Chancen. Wenn wir
es hinbekommen, crossmediale Reichweiten zu entwickeln, haben wir etwas,
was Google nicht hat. Das ist ein Pfund,
mit dem man wuchern kann.
Wie stark ist MEP aus Ihrer Sicht schon?
Das MEP hat eine hohe Anziehungskraft,
weil es momentan das einzige SingleSource-Panel ist. Aber es ist auch extrem
teuer und in Gänze kaum bezahlbar. MEP
wird daher weiter eine wichtige Rolle bei
bestimmten Projekten spielen, sich aber
nicht als Standard durchsetzen.
Lassen Sie uns über Content Marketing
sprechen, das neue Lieblingsthema von
Marketiers und Mediaagenturen. Wie
stark ist dieser Bereich heute schon –
und wie stark wird er werden?
Content Marketing ist heute schon stark
– wird aber in den nächsten Jahren noch
massiv an Bedeutung gewinnen. Wir stehen da erst am Anfang einer tiefgreifenden Entwicklung. Unser globales Netzwerk hat nicht zufällig eine neue strategische Initiative gestartet: „Owned first“.
Das geht genau in diese Richtung.
So richtig habe ich noch nicht kapiert,
was genau dahintersteckt.
Wer Markenerlebnisse schaffen will,
braucht Inhalte. Werbungtreibende sind
heute – und künftig noch mehr – Inhalte
Schaffende. Die Frage lautet: Welche Inhalte hat der Kunde bereits, welche kann
man nutzen und welche relativ einfach
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
hinzuaddieren? Wir haben in dieser Initiative entsprechende Instrumentarien
und Prozesse geschaffen, die global ausgerollt werden. Jetzt geht es darum, weltweit Best Cases zu entwickeln und zu zeigen, welches Potenzial in Content Marketing steckt. „Owned first“ ist so etwas wie
eine strategische Guideline.
Geht es um den Aufbau von OwnedMedia-Kanälen oder darum, für Traffic
auf diesen Plattformen zu sorgen?
Es geht um beides. In der Praxis gibt es
unterschiedliche Szenarien. Der Kunde
kann für die Inhalte eine Spezialagentur
engagieren und uns damit beauftragen,
für Traffic zu sorgen. Er kann uns aber
auch als strategische Instanz einsetzen,
die sich federführend um das Thema
kümmert. Da ist jede Variante möglich.
Sie sagen also: Wir können nicht nur
Traffic, sondern auch Content.
(lacht) Na klar. Wer kann das besser als
eine Mediaagentur?
Da fällt mir schon einiges ein: Kreativagenturen,
Corporate-PublishingAgenturen ...
Eine Kreativagentur ist gut darin, Big Ideas zu entwickeln und TV-Spots, Anzeigen, Plakate daraus abzuleiten. Content
Marketing ist dagegen viel näher an Media als an Kreation. Man muss wissen,
welche Inhalte bei welcher Zielgruppe in
welchem Kanal am besten funktionieren,
und man muss in der Lage sein, den Content dynamisch anzupassen. Content
Marketing hat sehr viel mit Big Data zu
tun. Im Übrigen: Unsere Gruppe ist seit
zehn Jahren mit der Agentur Newcast in
Bereichen wie Branded Content und
Content Marketing aktiv. Es ist also nicht
so, dass wir mit unserer „Owned first“Strategie Neuland betreten.
Wenn Content Marketing so massiv zulegen wird, wie Sie es beschreiben, ist
die logische Konsequenz: Paid Media
verliert an Bedeutung.
Ja, auf jeden Fall. Content Marketing wird
zulasten von Paid gehen. Dennoch wird
Paid Media nicht verschwinden. Die
Wertschöpfung wird einfach größer und
variantenreicher. Die Frage ist doch, was
man den Konsumenten heute bieten
muss. Es geht zunehmend um „valuable
consumer experiences“, also wertvolle
Konsumentenerfahrungen. Platt gesprochen: Statt 30 Millionen Euro in Display
Ads zu investieren, kann es sinnvoller
sein, dieses Geld in den Aufbau eigener
Content-Plattformen zu stecken.
Das Geschäftsmodell einer Mediaagentur war bisher ziemlich einfach zu verstehen: Sie kaufen Werbeinventar ein
und bekommen dafür Geld von Ihren
Kunden und den Medien. Wie verhält es
sich bei Content Marketing?
Das Ökosystem, in dem sich eine Mediaagentur bewegt, ist doch schon viel komplexer und längst nicht mehr so linear
und simpel wie in der Vergangenheit. Wir
reden heute über Themen wie Data, Programmatic Buying und Content. Das
wird auch künftig so weitergehen. Eine
wichtige Aufgabe wird zum Beispiel sein,
Datenquellen miteinander zu verknüpfen, mit dem Ziel, dass unsere Kunden für
diese uniquen Daten dann auch bezahlen.
Auch wir Mediaagenturen befinden uns
in einem Transformationsprozess. Wie
auch unsere Marktpartner müssen wir
uns verändern, um bestehen zu können.
Wir verändern unsere Strukturen, unser
Wissen, unsere Technologie. Für mich ist
das kein Grund zur Klage.
Wird diese Neuausrichtung so weit gehen, sich an Contentherstellern wie
REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 61
Film-Produktionsgesellschaften zu beteiligen? WPP-Boss Martin Sorrell
denkt offenbar genau darüber nach.
Die Vivaki-Agenturen in Deutschland
werden eher auf Kooperationen mit Content-Herstellern setzen. Das können Youtube-Stars sein, Bewegtbildproduzenten
wie Dolphin, aber auch deutsche Verlage.
Bleibt bei so vielen zukunftsweisenden
Themen in Ihrem Kopf noch Platz für so
profane Sachen wie Print? Oder lineares Fernsehen?
Als ich in diesem Business angefangen
habe, ging es gerade mit den Privatsendern los und irgendwann wollte keiner
mehr etwas von den öffentlich-rechtlichen Sendern hören. Das hat sich in den
vergangenen zwei, drei Jahren gründlich
geändert, bei Mediaagenturen wie bei
Werbungtreibenden. Warum? Weil man
bei ARD und ZDF eine Qualität findet,
auf die man nicht verzichten will.
Und was sagt uns das?
Dass Qualität nicht unwichtiger wird. Ich
glaube, wir werden eine kleine Renaissance des Qualitätsjournalismus erleben.
Das sagen Sie nicht im Ernst? Kein Mediaplaner traut Print im Werbegeschäft
noch überhaupt irgendetwas zu.
(lacht) Moment, ich habe von einer Renaissance des Qualitätsjournalismus gesprochen – und nicht von einer Trendwende im Werbegeschäft. Meine Prognose ist, dass Print weiter Umsatz verliert.
Und dass Tageszeitungen davon stärker
betroffen sein werden als Zeitschriften.
Die Story der vergangenen zehn Jahre
war: Online gewinnt, Print verliert und
TV ist der Fels in der Brandung. Manche sagen: Das nächste Opfer heißt TV.
Lineares Fernsehen wird noch zwei oder
drei Jahre prosperieren und dann massiv
unter Druck kommen.
Wer wird das Geschäft Bewegtbildwerbung dominieren?
Kommt darauf an, über welches Bewegtbild wir sprechen. Sprechen wir über echte Fernsehprogramme oder reden wir
über kleine Videogeschichten? Das ist ein
weites Spektrum.
Die Frage bezog sich eher darauf, wohin
das Werbegeld fließt.
Das Werbegeld geht immer dahin, wo die
Zielgruppen sind. Die junge Generation
nutzt das Internet zunehmend mobil. Auf
mobilen Geräten sieht man sich eher kurze Videos als stundenlange Fernsehprogramme an. Hinzu kommt, dass SmartTV eine immer wichtigere Rolle spielen
wird, daran führt kein Weg vorbei.
Ist das für die TV-Konzerne eine gute
oder schlechte Nachricht?
Eine schlechte.
Das Unternehmen
Die Vivaki-Gruppe ist mit 285
Büros in über 80 Ländern der
Welt vertreten, von den
18 000 Mitarbeitern sind 600
in Deutschland beschäftigt.
Zum Vivaki-Netzwerk gehört
eine ganze Reihe von Agenturen: Zenithmedia, Optimedia,
Newcast, Performics, Razorfish und Starcom Mediavest.
Deutschlandchefin von Vivaki
ist Nicole Prüsse.
Die klassischen Vermarktungsmodelle
mit Werbeblöcken werden auch auf
dem großen Bildschirm so nicht mehr
funktionieren?
Genau. Auf den Oberflächen der neuen
Fernsehgeräte werden sich neue Anbieter
etablieren. Filmproduzenten werden vermehrt den direkten Weg zum Konsumenten suchen, es werden sich Aggregatoren
durchsetzen, die auf Big Data basierende
neue Services anbieten. Vor allem aber
wird es möglich, Werbung sehr viel individueller auszuspielen, die Vermarktung
wird Data-driven. All das wird dazu führen, dass lineares Fernsehen in ein paar
Jahren massiv Werbegeschäft verliert – da
können die TV-Protagonisten heute postulieren, was sie wollen. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.
Anzeige
62 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
Perfektioniertes Bauchgefühl
Mensch versus
Maschine oder
sinnvolle Zusammenarbeit?
HORIZONT hat
Mediaexperten zu
ihrer Meinung
über automatisierte Prozesse
befragt
B
ig Data, Programmatic
Buying, Real Time
Advertising – im MediaAlltag breitet sich die Automatisierung aus, Maschinen
übernehmen Mediaplanung
und Werbeschaltung. Welchen
Nutzen bringt diese Entwicklung für das Business, welche
Nachteile sehen Sie?
Anzeige
Thomas Sudholt, Director Research Havas Media
Frank Sültmann, Managing Director Amnet Germany
Andrea Malgara, Geschäftsführer Mediaplus
S
I
B
trategie und Planung werden nicht an Maschinen
delegiert – sie bleiben Kernkompetenz erfolgreicher Agenturen. Automatisierung heißt erst
einmal: Weniger fehleranfällige Handarbeit, ein besser
fundierter Marktüberblick, meist auch weniger Bauchgefühl, und das ist gut so. Entscheidungen auf der
Grundlage von Algorithmen sind nachvollziehbar,
Bauchgefühl nicht. Wofür werden die Algorithmen
eingesetzt? Zu oft wird heute der Sinn von Automatisierung darin gesehen, Einkaufsvorteile am Rande der
statistischen Nachweisgrenze zu generieren, zu bündeln
und die zugrundeliegenden Annahmen in Algorithmen
fernab jeglicher Beurteilbarkeit zu verbergen. Beim
datengestützten automatisierten Einkauf geht es nicht
um Masse, sondern um nachweisbare Klasse. Wie weist
man Platzierungsqualität nach oder das Erreichen der
richtigen Zielgruppen mit ausreichenden Kontaktdosen? Die Wirkung muss stimmen. Wirkungsforschung
muss Teil des Pakets sein, und am Ende zählen Image,
Umsatz und Absatz.
n Deutschland etabliert sich allmählich der RTAMarkt. Dank der breiten Akzeptanz des Premium
Marketplaces – ein Marktplatz, wo wir nur mit
Agof-Premium-Vermarktern zusammenarbeiten –
verlagert sich das Geschäft auch hin zur BrandingOrientierung. Die datenbasierte RTA ist mehr als eine
Automatisierung, da man durch die holistische Echtzeitoptimierung deutlich an Budgeteffizienz und -kontrolle gewinnt. Wir erwarten den programmatischen
Einkauf von Mediaflächen/Werbekontakten sowie
deren Optimierung in Echtzeit nicht nur als Standard
im digitalen Bereich sondern auch in der „Klassik“, wie
beispielsweise in den Bereichen Out-of-Home oder
Connected-TV. Mit dem Einsatz der Universal ID lässt
sich in absehbarer Zeit holistisches Cross-Device Targeting realisieren. Auf der Vermarkterseite wird man
neben dem erhöhten Gewinn durch Premium Marketplace zukünftig auch vermehrt von der Monetarisierung eigener Nutzerdaten profitieren. Allerdings ist
Intransparenz immer noch ein Nährboden für markenschädigende Inhalte beziehungsweise Click Fraud. Die
Komplexität wird durch die eigenen Datensilos diverser
amerikanischer Marktteilnehmer bzw. mangelhafte
Plattformstandardisierung verstärkt. Die Einführung
praxisfähiger Richtlinien zur Stärkung der Transparenz
und Standardisierung wird entscheidend für die Zukunft von RTA sein.
ig Data ist das Schlagwort, das über allem steht.
Auch wir haben ja längst eine Unit, die mithilfe
der neuen Systeme, mit Know-how und Maschinen, für erste Kunden konkrete Beispiele erarbeitet. Der
entscheidende Punkt dabei ist, dass die gesammelten
Daten allein gar nichts nützen. Ihr Potenzial erschließt
sich erst dann, wenn wir in der Lage sind, sie zu analysieren. Wenn es gelingt, sie so darzustellen, dass die
Wirkung einzelner Maßnahmen zurückverfolgbar wird
und auf diese Weise laufende Kampagnen optimiert
werden können. Nutzen entsteht nur, wenn maschinelles Buying mit Big- oder auch Small-Data-Ansätzen
kombiniert wird. Dafür müssen intelligente Menschen
hinter den Maschinen sitzen – sie werden nicht überflüssig durch die Technik. Vielleicht kommt allerdings
noch eine Zeit, in der wir die Maschinen so einsetzen
können, dass sich die Menschen dahinter um andere,
spannendere Themen kümmern können. Aber zurzeit
werden immerhin noch 50 Prozent des Online-Einkaufs händisch abgewickelt, das sollten wir auch nicht
vergessen.
HORIZONT 36/2014
REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 63
4. September 2014
In Zeiten
der Renaissance
Händler und Zeitung
arbeiten zusammen –
eine Möglichkeit der
fruchtbaren Kooperation
Die Auflagen sind weiter unter Druck, doch es gibt auch
erfreuliche Zahlen und ermutigende Trends bei den Zeitungen
B
Von Roland Karle
rutto gerechnet haben die deutschen Zeitungen von Januar bis
Juli dieses Jahres fast 2,6 Milliarden Euro an Anzeigengeld erlöst
– ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem
Vorjahreszeitraum. Zudem behauptet
sich die Gattung mit einem Marktanteil
von 17 Prozent hinter TV hierzulande
weiter als zweitgrößter Werbeträger. Das
versetzt Vermarkter wie Matthias Schönwandt in Begeisterung. „Über 70 Millionen Euro Bruttozuwachs im 1. Halbjahr
zeigen, dass es sich nicht nur um den
WM-Einmaleffekt handelt, sondern um
eine anhaltende Renaissance“, behauptet
der Vorsitzende der Geschäftsführung
von Medienhaus Deutschland.
Schönwandt liefert auch Zahlen für
die eigene Zeitungsallianz. Bereits im 1.
Halbjahr 2014 habe sie den Umsatz des
Vorjahres erreicht, auch weil renommierte Marken wie Microsoft und Vodafone
als Neukunden akquiriert wurden. „Wir
gehen für 2014 insgesamt von einer Verdopplung bis Verdreifachung unserer
Vorjahreserlöse aus“, sagt er.
Explodierende Auflagen können dafür
allerdings nicht der Grund sein. Die Tageszeitungen haben im 2. Quartal 2014 je
Erscheinungstag 19,8 Millionen Exemplare abgesetzt, ein Rückgang von 4,2
Prozent gegenüber II/2013. Unter den
rund 130 in der Media-Analyse 2014 gelisteten Zeitungsausgaben und -kombinationen weist die Mehrheit stagnierende
oder geringere Reichweiten als im Vorjahr
auf, immerhin 51 Titeln bestätigt die Studie ein Plus. „Angesichts der rasanten
Veränderungen der Medienlandschaft
und -nutzung ist das wenig überraschend“, erklärt Gerhard Müller, Vorstand Tageszeitungen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG.MA). In den
Verlagen wird viel getan, um „die Idee der
Zeitung“, wie Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner gerne sagt, unabhängig vom Ausgabemedium zu beleben.
Einige Themen und Trends, die auffallen:
Nachfrage nach E-Paper steigt
Die digitale Zeitungslektüre nimmt zu:
Die Zahl der verkauften E-Paper ist binnen eines Jahres um mehr als 40 Prozent
gestiegen. Mit 589930 Stück nimmt sich
die absolute Menge aber immer noch bescheiden aus. Das entspricht gerade mal
2,7 Prozent des Gesamtabsatzes – und
mehr als die Hälfte (53 Prozent) zählen
zum Sonstigen Verkauf. Zu den führenden elektronischen Zeitungsangeboten
gehören überregional die „Taz“, die zwei
von zehn Ausgaben bereits als E-Paper
verkauft, und das „Handelsblatt“, das auf
eine Quote von 11,3 Prozent kommt (siehe Tabelle).
Laut Umfrage der Zeitungs Marketing
Gesellschaft (ZMG) haben die Verlage ihr
App-Angebot merklich ausgebaut. Aktuell sind 79 Prozent der Zeitungshäuser
mit Tablet-Apps im Markt, ein Jahr zuvor
waren es erst 54 Prozent. Wichtig ist, die
digitalen Kanäle der Medien flexibel und
maßgeschneidert zu gestalten, betont Susan Molzow, Geschäftsführerin der
„Hamburger Morgenpost“: „Der MobileAuftritt wird im Idealfall völlig anders
aussehen als die Desktop-Variante und
morgens beispielsweise eine andere inhaltliche Ausrichtung haben als abends.“
Medienangebot wird ausgebaut
Die „Hamburger Morgenpost“ ist ein gutes, aber längst nicht das einzige Beispiel
dafür, wie Verlage versuchen, ihr Spektrum zu erweitern. „Die Medienkanäle
der Zeitungsmarken müssen unterschiedliche Bedürfnisse und zum Teil
auch Zielgruppen bedienen. Der Content
wird genau darauf zugeschnitten“, betont
Molzow. Zugleich werden die Publikationen, ob gedruckt oder digital, individueller, spezieller, nischiger. Deshalb entsteht
„ein zunehmend größeres Produktportfolio, das klar an unserer Kernkompetenz
Hamburg ausgerichtet ist“, sagt sie. Belege sind die jüngst erschienenen FußballZeitschriften über die großen Clubs der
Stadt HSV und FC Sankt Pauli.
Wettbewerber „Hamburger Abendblatt“ will das Interesse am Fußball ebenfalls nutzen und hat gerade „HSV kompakt“ gestartet, eine digitale Sportzeitung, die jeden Montag für 89 Cent herauskommt. „Unser E-Paper bietet das
Beste aus Print, Blog und Buch in einem –
mehr multimedial geht kaum“, verspricht Chefredakteur Lars Haider.
Punkten als regionaler
Werbepartner
Große Filialisten wie Aldi und Co reduzierten ihr Mediabudget für Zeitungen
und probierten andere Wege. Jetzt ist –
zumindest teilweise – eine Rückkehr fest-
Taz und Handelsblatt nehmen die 10-Prozent-Hürde im Takt
Überregionale Zeitungen: Anteil von E-Papers an verkaufter Auflage
Titel / Erscheinungsweise
Taz - Die Tageszeitung / täglich
Verkaufte
Auflage
II/2014
davon
E-Paper
in Prozent
davon
E-Paper
absolut
davon
E-PaperAbos
E-PaperVerkauf
II/2013
8 769
58 144
19,7
11 468
5 029
Handelsblatt / täglich
121 334
11,3
13 719
13 490
4 239
Frankfurter Allgemeine Zeitung / täglich
306 779
8,9
27 386
18 288
19 716
Die Welt (inkl. Welt kompakt) / täglich
208 045
8,5
17 624
8 418
4 630
Welt am Sonntag / wöchentlich
401 011
7,5
29 897
17 128
6 978
Süddeutsche Zeitung / täglich
397 033
7,0
27 714
15 169
19 965
Frankfurter Allg. Sonntagszeitung / wöchentlich
319 298
4,7
15 125
8 411
8 288
Die Zeit / wöchentlich
503 970
4,7
23 788
10 555
17 051
Bild am Sonntag / wöchentlich
1 191 109
2,5
29 235
22 134
32 446
Bild / B.Z. (gesamt) / täglich
2 444 783
1,0
25 539
24 672
32 847
Quelle: IVW
HORIZONT 36/2014
zustellen. Beispiel Edeka Nord: Der Handelsverbund hat mit einem großen Aufschlag in der regionalen Presse sein 111jähriges Jubiläum gefeiert. Eine achtseitige Sonderedition lag allen Tageszeitungen
in Norddeutschland (1,4 Millionen Exemplare) bei. Zudem gingen 180000 Exemplare an die rund 720 Edeka-Märkte
im Vertriebsgebiet. Auch online spielten
Zeitung und Händler zusammen: Skyscraper auf den 16 wichtigsten Nachrichtenportalen der Medienhäuser und Onlinedossiers flankierten die Sonderedition.
Anzeige
64 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
Applaus für Flow
Im Zeitschriften-Check
bewerten Medienexperten junge Titel
nach Innovationskraft
und Erfolgschancen
E
Flow
Manual
Bin im Garten
Von Roland Karle
s gibt sie noch, die Papierliebhaber: Als Gruner + Jahr im November 2013 „Flow“ herausbrachte, kündigte der Verlag die
niederländische Lizenzausgabe als „Magazin für Paperlovers“ an und verkaufte
auf Anhieb 55000 Exemplare. Absatz genug, um die Erscheinungsweise von vierauf sechsmal jährlich zu erhöhen.
Auch bei den Medienexperten, die für
HORIZONT zehn in den vergangenen Monaten gestartete Zeitschriften bewertet
haben, schneidet der G+J-Titel bestens
ab: Mit der Note 2,5 führt „Flow“ das Feld
an, vor „Manual“ (2,6) aus demselben
Verlag und „Bin im Garten“ (2,8) aus
dem Jahr Top Special Verlag.
Die Magazine liegen relativ dicht beieinander und erhalten fast alle ein „befriedigend“ im Zeugnis. Nur bei „Herzstück“ steht „ausreichend“ (3,6), was die
herausgebende Funke Mediengruppe jedoch verschmerzen wird. Nachdem die
dritte Ausgabe der vor knapp einem Jahr
gestarteten Zeitschrift rund 60000 Mal
verkauft wurde, erscheint sie nun ebenso
wie „Flow“ zweimonatlich statt vierteljährlich.
Beide Magazine bedienen den Trend,
bewusster leben zu wollen. „Herzstück“Chefredakteurin Anne Hoffmann: „Wir
sprechen die Sehnsucht der Leserinnen
an, aus der Hektik und dem Lärm des
Alltags einfach mal auszusteigen.“ Auch
„Emotion Slow“ (Rang 6, Note 3,0) ist in
diesem Segment zuhause, was Hannelore
Deimel, Head of Print bei Mediaplus,
stutzig macht. „Ist zu Themen wie Entschleunigen, Yoga, Selbstfindung nicht
bald alles gesagt?“ Die Rückmeldungen
aus den Verlagen – auch „Emotion Slow“
erwägt, die Frequenz zu verdoppeln (vierstatt zweimal im Jahr) – deuten auf das
Gegenteil hin.
„Manual“, das durch die Kooperation
mit dem Modefilialisten H&M ungewohnte Vertriebswege einschlägt, wird
von den Juroren durchweg positiv gesehen – sowohl was die Innovationskraft als
auch die Erfolgschancen betrifft. Wobei
die Beurteilungen in den beiden Kategorien bei manchen Titeln deutlich auseinanderdriften: So landet „Harpers Bazaar“
von Burda im Innovationsranking mit
3,55 nur auf dem vorletzten Platz, jedoch
auf Rang 1 bei Erfolgsaussichten (2,33).
Auch „Einfach hausgemacht“ aus dem
Landwirtschaftsverlag („Landlust“) wird
trotz mäßiger Erneuerungskraft (3,4) einiges zugetraut (2,9). Umgekehrt verhält
es sich bei Bauers „Mutti“ und Falke Medias „Am Haken“, denen die Jury innovative Konzepte bescheinigt, die Erfolgsaussichten aber eher skeptisch einschätzt.
Durchaus überraschend: Axel Springers Wirtschaftsmagazin „Bilanz“, belegt
im Newcomer-Check nur den vorletzten
Platz.
Verlag: Gruner + Jahr, Hamburg
Start: 19. November 2013
Frequenz: zweimonatlich
Verkaufte Auflage: 55000 (Erstausgabe)
Copypreis: 6,95 Euro
Chefredaktion: Sinja Schütte
Profil: Magazin für Achtsamkeit, Inspiration, Zeitgeist
und Paperlovers
Noten: 2,2 (Innovation) / 2,8 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 2,5
Kommentare: Inspirationsquelle für weibliche Paper-
lovers – extrem kreativ (Schliep). Seelenschmeichler mit
unglaublich attraktiver Aufmachung (Fröhler). Die
niederländische Erfolgsstory wird auf dem deutschen
Markt ausprobiert. Erinnert an „Happinez“ (Reiber).
Alles soft, blumig, retro und in Watte verpackt. Hochwertig gemacht. Für Mehrfachkäufer wenig Neues
(Molzow). Mutiges Konzept (Julius-Warning). Poesiealbum für Frauen, die dem Alltag entfliehen (Schönwandt). In einer Nische mit entsprechend kleiner Auflage (Dörper). Zu viele Themen, unklare Positionierung im Werbemarkt (Triebel).
Verlag: Gruner + Jahr, Hamburg
Start: 26. Juli 2014
Frequenz: zweimonatlich
Verbreitete Auflage: 150000
Copypreis: 3,80 Euro
Chefredaktion: Jörn Kengelbach
Profil: Männermagazin
Noten: 2,5 (Innovation) / 2,7 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 2,6
Kommentare: Markenartikelhersteller werden be-
geistert sein (Triebel). Modernes Frauenmagazin für
Männer, überraschende Themen (Molzow). Cool gemacht, für den modernen, urbanen Mann (Deimel).
Handbuch für den Hipster ab Mitte 30 – schöner Gegenentwurf zu „GQ“, „Men’s Health“ & Co (Lamberty).
Holt den Mann 2014 perfekt ab. Keine nackten Frauen
mehr. Super! (Julius-Warning). Lässt sich „Mann“ auf
ein Magazin nach Frauenheft-Stickmuster ein? (Schönwandt) Diskrepanz zwischen redaktioneller Zielgruppe
und primärem Vertriebsweg über H&M schränkt Erfolgsaussichten ein (Dörper). Nah am „Hipster“, weit
weg von echten Kerlen (Schliep).
Lücke, die „Lecker“ hinterlassen hat, seit sie erwachsen
geworden ist (Schliep). Tolle Bildsprache (Lamberty).
Gute Inhalte, aber Name überzeugt nicht (Triebel).
Vielleicht lieber gleich zu Mutti an den gedeckten Tisch?
(Molzow). Klarer Fall von zu viel gewollt (Reiber).
Inhalte sind nicht wirklich neu (Dörper). Fragt sich, ob
die Zielgruppe nicht eher bei Chefkoch.de im Netz
unterwegs ist (Julius-Warning). Name ist hausbacken,
bringt das Konzept nicht sofort rüber – schade (Deimel). Bei einer Zielgruppe ohne Kochambitionen und
wenig Printliebe dürfte es schwierig werden (Schönwandt).
Am Haken
Harper’s Bazaar
Mutti
Verlag: Bauer Media Group, Hamburg
Start: 9. April 2014
Frequenz: offen
Startauflage: 125000
Copypreis: 4,50 Euro
Chefredaktion: Uwe Bokelmann / Jessika Brendel
Profil: Kochmagazin für 20- bis 30-Jährige
Noten: 2,7 (Innovation) / 3,2 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 2,9
Kommentare: Originelles Projekt. „Mutti“ füllt die
Verlag: Jahr Top Special Verlag,
Hamburg
Start: 16. Juni 2014
Frequenz: viermal jährlich
Startauflage: 60000
Copypreis: 4,80 Euro
Chefredaktion: Michael Fiedler
Profil: Magazin für Gärtnern, Grillen, Chillen
Noten: 2,9 (Innovation) /
2,6 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 2,8
Kommentare: Gardening-Trend umgesetzt für Städter –
nutzwertig und trotzdem modern (Schönwandt).
Schöne Haptik und Gestaltung (Molzow). Der Markt
für Gartenmagazine ist überflutet, aber nicht übersättigt. Insofern alles im grünen Bereich! (Lamberty).
Für junge Freizeitgärtner, zeitgemäß aufgemacht
(Deimel). Gefällt – bewegt sich aus der spießigen Gärtnerei in Richtung Urban Gardening (Julius-Warning).
Mutig (Reiber). Schönes Konzept (Schliep). Fraglich,
ob es zusätzlich zur Landlust noch eine spezielle Gartenlust braucht (Fröhler).
Verlag: Hubert Burda Media
Start: 31. August 2013
Frequenz: monatlich
Verkaufte Startauflage: 150000
Copypreis: 6,00 Euro
Chefredaktion: Margit J. Mayer
Profil: Modezeitschrift
Noten: 3,6 (Innovation) /
2,3 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 2,9
Kommentare: Sehr hochwertig, stylish, dürfte im An-
zeigenmarkt funktionieren (Deimel). Hat innerhalb
kurzer Zeit seine Position zwischen „Elle“, „Vogue“ und
„Madame“ gefunden (Dörper). Wurde Zeit, dass das
traditionsreichste Modemagazin der Welt auch auf
Deutsch erscheint (Lamberty). Ohne Überraschungen,
solide gemacht (Molzow). Hochwertig produziert, aber
das Konkurrenzumfeld wird es nicht leicht machen
(Triebel). Die Modelabels haben schon reichlich Anzeigenfläche (Schliep). Brauchen wir wirklich noch ein
Hochglanz-Modemagazin? (Julius-Warning). Wenig
überraschend, austauschbar und mit einem Hauch von
Raffinesse (Schönwandt).
Verlag: Falke Media, Kiel
Start: 12. März 2014
Frequenz: zweimonatlich
Verbreitete Auflage: 50000
Copypreis: 5,00 Euro
Chefredaktion: Dirk Brichzi
Profil: Angelmagazin
Noten: 2,9 (Innovation) /
3,1 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 3,0
Kommentare: Junge Angler werden das digital lesen,
schönes Konzept mit tollen Bildern (Triebel). Es wird
gelingen, sich eine junge Zielgruppe zu angeln, Kompliment! (Fröhler). Solide gemachtes Magazin
(Molzow). Angel-Muff ade (Reiber). Nutzwertig,
unterhaltsam, aufgeräumt. Aber gibt’s so viele Angler
für all die Angelmagazine? (Deimel). Will ein moderner „Blinker“ sein. Eine Nische in der Nische, die
braucht Anzeigen (Julius-Warning). Nette Idee, doch
die Zahl der Angler liegt immer noch deutlich hinter
der der Hobbyköche (Schliep).
HORIZONT 36/2014
Die Jury
Hannelore Deimel, Geschäftsleitung/Head of Print Mediaplus Gruppe, München; Marco
Dörper, Executive Managing
Director Zenith, Düsseldorf;
Christine Fröhler, Stellvertretende Geschäftsführerin
Communication Consultants,
Stuttgart; Martina JuliusWarning, Geschäftsführende
Gesellschafterin John Warning
Corporate Communications
und Quarto Media, Hamburg;
Cornelia Lamberty, Vorstandsvorsitzende Moccamedia,
Trier; Susan Molzow, Geschäftsführerin Morgenpost
Verlag, Hamburg; Nike Reiber,
Unit Direktorin Crossmedia,
Düsseldorf; Ina-Christin
Schliep, Direktorin Beratung
Media Pilot, Hamburg;
Matthias Schönwandt,
Vorsitzender der Geschäftsführung Medienhaus Deutschland, Hamburg; Jonas Triebel,
Verlagsleiter IDG Tech Media,
München.
4. September 2014
Verlag: Emotion Verlag, Hamburg
Start: 14. Mai 2014
Frequenz: halb- oder vierteljähr-
lich (noch offen)
Startauflage: 60000
Copypreis: 6,90 Euro
Chefredaktion: Mareile Braun
(Redaktionsleitung), Andrea Huss
(Konzeption)
Profil: „Mehr Zeit fürs
Wesentliche“
Noten: 3,0 (Innovation) /
3,0 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 3,0
Verlag: Axel Springer,
Berlin/Hamburg
Start: 2. Mai 2014
Frequenz: monatlich
Verkaufte Auflage: 208045
(IVW, II/2014) als Supplement
der Tageszeitung „Die Welt“
Copypreis: gratis
Chefredaktion: Klaus Boldt
Profil: Wirtschaftsmagazin
Noten: 3,5 (Innovation) /
3,1 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 3,3
REPORT MEDIASTRATEGIE 2015 65
Emotion Slow
Einfach hausgemacht
Kommentare: Das Thema der Stunde in
Kommentare: Intelligente Weiterent-
schön aufbereiteter Form. Daumen hoch
für den verlegerischen Mut (Triebel).
Gute Ergänzung zu „Emotion“ mit etwas
differenzierterem Blickwinkel (Schönwandt). Sicher ein relevanter Titel (Lamberty). Trifft den Trend nach Sinnsuche
und Entschleunigung, kann eine erfolgreiche Line Extension zum Mutterheft
Emotion werden (Molzow). Das Mutterprodukt ist gut genug, das Special verwässert das Profil (Fröhler). Kein eindeutiges Profil zu erkennen – wäre dringend notwendig, da das Thema im Markt
bereits mehrfach besetzt ist (Reiber). Gilt
für „Emotion Slow“, „Flow“, „Herzstück“ – alle drei Titel sind inhaltlich
austauschbar (Deimel).
Verlag: Landwirtschaftsverlag,
Münster
Start: November 2013
Frequenz: zweimonatlich
Verkaufte Auflage: 75000 (Erstausgabe)
Copypreis: 4,20 Euro
Chefredaktion: Wolfgang
Koschny
Profil: Magazin für Haus und
Küche
Noten: 3,4 (Innovation) /
2,9 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 3,2
wicklung des Landwirtschaftsverlages,
für Stadt- und Landmenschen gleichermaßen (Reiber). Hebt sich deutlich von
anderen Food-Magazinen ab, greift
relevante Themen mit Bezug zu Regionalität, Tradition auf (Dörper). Hochwertig, inhaltlich klar strukturiert, dazu
die tollsten Rezepte (Schliep). Neu ist das
nicht, aber die Zielgruppe ist da (Lamberty). Produkttests ziehen Werbekunden an (Triebel). Me too, ganz klar (Julius-Warning). Kein USP erkennbar
(Fröhler). Etwas altbacken, nicht wirklich
notwendig (Molzow). Titel ohne Trennschärfe, gestrig (Schönwandt).
Bilanz
Herzstück
Kommentare: Ob die Macher ihren
hohen inhaltlichen Anspruch Heft für
Heft einlösen können? (Fröhler). Relativ
anspruchsvoll, auch durch die Leserschaft der „Welt“ – das ist der Knackpunkt: Weiteres Potenzial wird dadurch
nicht erschlossen (Deimel). Dürfte dauern, bis es bei Anzeigenkunden einen
Stand à la „SZ Magazin“ oder „Zeit
Magazin“ erreicht (Schliep). Optik gefällt, Inhalte auch (Julius-Warning).
Wirtschaftsthemen zum Anfassen. Etwas
mehr Profilschärfe täte gut (Lamberty).
Hätte mir mehr Mut und einen kreativeren Auftritt gewünscht (Molzow).
Wirtschaftstitel ohne Esprit, ohne Überraschungen (Schönwandt).
Kommentare: Geht auf die „Flow“-
Verlag: Funke Mediengruppe
Start: 19. September 2013
Frequenz: zweimonatlich
Verkaufte Auflage: 60000 (Ver-
lagsangaben)
Copypreis: 4,50 Euro
Chefredaktion: Anne Hoffmann
Profil: Mindstyle-Magazin für
Spirituelles, Mode, Beauty, Deko,
Lifestyle.
Noten: 3,7 (Innovation) /
3,5 (Erfolgschancen)
Gesamtnote: 3,6
Zielgruppe. Da inhaltlich etwas anders
aufgemacht, könnte es funktionieren
(Julius-Warning). Titel für Frauen ab 30,
mit hohem Bildungsgrad und Interesse
an Spiritualität, Yoga etc. Sicher ein
wachsender Markt (Lamberty). Herzlich
wenig Innovatives im Segment der Wohlfühlmagazine (Fröhler). Schwierige
Kombination ohne Innovationscharakter
(Reiber). Zu viele unterschiedliche Themenschwerpunkte für eine klare Positionierung (Triebel). Eher verhaltene
Erfolgsaussichten im Schatten von „Happinez“ (Dörper). Anzeigenkunden?
Schwierig (Schliep).
Anzeige
66 REPORT MEDIASTRATEGIE 2015
HORIZONT 36/2014
4. September 2014
Bewusst oder intuitiv
Die verlagsübergreifende Markt-Media-Studie „Best for Planning“ kategorisiert Zielgruppen-Typologien, die das Potenzial zahlreicher Märkte aufschlüsseln. Eine Auswahl
know
how
Von Bettina Sonnenschein
22%
Ernährungsbewusster
Bio-Liebhaber: achtet bewusst
auf gesunde Ernährung; beim
Einkauf qualitätsorientiert und
markenbewusst; wird zum Thema
Ernährung gern um Rat gefragt
10%
Versorgter: eher
männlicher Typ; kauft
nicht ein und kocht
nicht; uninteressiert an
Ernährungsthemen
16%
Statusorientierter Genießer:
leistungsorientierter,
vorwiegend männlicher Typ;
schätzt gutes Essen und
Trinken; hohe Markenorientierung bei Getränken; kocht nicht
Food-Typologie
20%
Kochbegeisterter:
Leidenschaft für Kochen
und Backen; eher
weiblicher Typ; hohes
Informationsinteresse
und Probierfreudigkeit
17%
Convenience-Liebhaber:
spontaner Typ; Essen muss
schnell gehen; konsumiert häufig
Tiefkühlprodukte; probiert gern
Exotisches aus
16%
Sparsamer: bescheidener Typ,
der an Gewohntem hängt; kocht
schnelle Gerichte; Lebensmittel
müssen lange halten und dürfen
nicht viel kosten
12%
16%
16%
Krankheitsvermeider:
Vorbeugen als
Strategie, um sich nicht
weiter mit dem Thema
Gesundheit befassen zu
müssen
Betroffener: eher älterer,
gesundheitsbewusster Typ mit
chronischen Beschwerden; großes
Interesse und Informationsbedürfnis für
Gesundheitsthemen; kennt sich aus,
erteilt Ratschläge
Gesundheitsinteressierter:
aufgeschlossener, eher
weiblicher Typ; Gesundheit
hat hohen Stellenwert, von
Wellness über Prävention bis
hin zu Medikation
12%
Health-Typologie
14%
16%
19%
Abgesicherter Best Ager:
vorsichtiger Anleger; spart
regelmäßig, sonst kaum
Interesse an Finanzthemen;
ist für Alter bereits
abgesichert
15%
Sorgloser: eher junger,
männlicher Typ; Gesundheitsthemen spielen kaum eine
Rolle, Spaß, Sport und
Freunde stehen im Mittelpunkt
Finance-Typologie
Sicherheitsbewusster
Normalsparer: konservativer
Umgang mit Geld; befasst sich
ungern mit Finanzthemen; spart
oft für Immobilie; oft risikoscheue,
festverzinsliche Anlagen
6%
4%
43%
Pauschalreisender
Sonnen-/Badeurlauber:
bevorzugt Strandurlaub;
wählt einmal im Jahr Reise
bei Pauschalanbieter
Homöopath: eher weiblicher
Typ; sozial engagiert und
umweltbewusst; bevorzugt
Heilpraktiker und
homöopathische Produkte
15%
Passiver: eher männlicher Typ,
der nichts von Gesundheitsvorsorge hält; wird nur im
Krankheitsfall aktiv; setzt dann
eher auf Selbstmedikation
14%
Gutsituierter Finanzexperte: hoch
interessierter, risikofreudiger
Online-Banker; erledigt Anlagegeschäfte selbst; streut Anlagen breit;
wird oft um Rat gefragt
Gesundheitsratgeber:
eher älterer weiblicher
Typ; konsumfreudig und
werbeaufgeschlossen;
gut informiert über
Gesundheitsthemen;
präventionsorientiert
Rundreisender Kreuzfahrturlauber: Schiff ist
Hauptreisemittel; entdeckt
gern ferne Länder
Cluborientierter
Familienurlauber:
Urlaubszeit ist
Familienzeit; legt Wert
auf Betreuung der Kinder
Reise-Typologie
9%
Sportlicher Aktivreisender:
lebt Fitnessbegeisterung in
Freizeit und Urlaub aus;
unternimmt mehrfach pro
Jahr Kurzreisen, häufig im
eigenen Pkw
18%
18%
Kreditfinanzierter
Hedonist: gibt lieber
Geld aus als es
anzulegen; aufgeschlossen für Kredite; wechselt
für bessere Konditionen
die Bank
Quelle: Best for Planning
18%
Sparwilliger Familienversorger: :
hohes Interesse an Finanzthemen;
Familie wird mehrfach abgesichert;
eher risikoscheu; konservative
Geldanlagen
17%
Sparunfähiger Desinteressierter: kann aufgrund
fehlender Mittel nicht sparen;
kein Interesse an
Finanzthemen; überproportional großer junger Teil der
Zielgruppe wächst erst in
Finanzthemen hinein
19%
Kulturinteressierter
Städtereisender: wählt
gerne Kurzurlaub im
Rahmen von Bildungsreisen innerhalb Europas;
gern auch mit Bus und
Bahn unterwegs
Wandernder Individualurlauber:
plant Urlaub selbst, gern innerhalb
Deutschlands; bevorzugt Auto als
Transportmittel; lehnt Badeurlaub ab
HORIZONT 36/2014
Herunterladen