Differenzengleichungen Inhalt: 1. Einführungsbeispiele 2. Definition

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Universität Basel
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum
Differenzengleichungen
Dr. Thomas Zehrt
Inhalt:
1. Einführungsbeispiele
2. Definition
3. Lineare Differenzengleichungen 1. Ordnung (Wiederholung)
4. Lineare Differenzengleichungen 2. Ordnung
Teil 1
Einführungsbeispiel
Vermögenswachstum
gegeben:
• Anfangsvermögen V0
• Zinsrate p
• Konsumausgaben (pro Jahr) C
gesucht:
Vermögen Vt im Jahr t für alle t = 1, 2, . . .
Lösung 1 (rekursiv, Differenzengleichung):
Vt+1 = (1 + p) Vt − C
Lösung 2 (direkt):
C
C
t
Vt = (1 + p)
V0 −
+
p
p
Normales Bevölkerungswachstum
gegeben:
• Anfangsbevölkerung N0
• Geburtenrate α
• Sterberate β
gesucht:
Anzahl Individuen Nt im Jahr t für alle
t = 1, 2, . . .
Lösung (rekursiv, Differenzengleichung):
Nt = Nt−1 − Todesfälle + Geburten
≈ Nt−1 + αNt−1 − βNt−1
= Nt−1 + |(α {z
− β)} Nt−1
=:r
Aufgabe 1:
Wie lautet die direkte Lösung dieser Rekursion
(Differenzengleichung)?
Beschränktes (Bevölkerungs)wachstum
Modellansatz
Nt = Nt−1 + R(Nt−1) Nt−1
Forderungen an R = R(Nt−1)
(⋆)
• mit steigendem Nt−1 (Überbevölkerung)
soll R(Nt−1) abnehmen
• ist ein Sättigungsgrad K erreicht (d.h.
gilt Nt−1 = K), so soll R(Nt−1) = 0 gelten (Bevölkerung im Gleichgewicht)
• für Nt−1 → 0 (Überbevölkerungseffekte nehmen ab) nähert sich die Wachstumsrate R(Nt−1) einem festen Wert r,
der unbeschränkten Wachstumsrate an
lim
Nt−1→0
R(Nt−1) = R(0) = r
Die logistische Gleichung
Ein einfaches Modell
r
1
R(Nt−1) = − Nt−1 + r = r 1 − Nt−1
K
K
führt zur so genannten
diskreten logistischen Differenzengleichung
1 N
Nt = Nt−1 + r Nt−1 1 − K
t−1
Aufgabe 2:
Zeigen Sie, dass die Funktion
r
R(Nt−1) = − Nt−1 +r = r
| {z }
K | {z }
x
x
die drei Forderungen (⋆) erfüllt.
!
1
Nt−1
1−
|
K {z }
x
Hinweis: Der Einfachheit halber schreiben wir
x statt Nt−1.
Teil 2
Definitionen
Eine
Differenzengleichung
gibt Gesetzmässigkeiten in der zeitlichen
Entwicklung einer (unbekannten) Funktion yt an:
• Die Zeit wird dabei als diskret betrachtet (t = 0, 1, 2, . . .) d.h. yt wird nur an
regelmässig aufeinanderfolgenden Zeitpunkten betrachtet.
Bezeichnung: k statt t
• Die Differenzengleichung verkn̈upft die
Werte der Funktion an zwei, drei oder
mehr Zeitpunkten.
yk = f (yk−1, yk−2, yk−3, . . .)
Beispiele:
yk+1 = 3 yk − 5
yk+2 + 5yk+1 − 7yk = 9
yk − k(yk−1)3 + yk−2 = 3k
sin(yk) − k yk−1 + ln(yk−4) = 3k
Einteilung von Differenzengleichungen
Die Ordnung
Eine Differenzengleichung heisst von
n-ter Ordnung
wenn sie die unbekannte Funktion yk an
(n + 1) aufeinanderfolgenden Zeitpunkten
verknüpft, d.h.
yk = f (yk−1, yk−2, . . . , yk−n)
Beispiele:
1. Ordnung: yk = 3yk−1 + 8
2. Ordnung: yk = yk−1 + yk−1 · yk−2
3. Ordnung: yk = yk−1 · yk−2 · yk−3
Linear-Nichtlinear
Eine
lineare Differenzengleichung
(mit konstanten Koeffizienten) ist von der
Form
yk = A yk−1 + B yk−2 + C yk−3 . . .
mit reellen Zahlen A, B, C, . . .
Beispiele:
Linear:
yk = yk−1 + 6yk−2
Nichtlinear: yk = yk−1 · yk−2 · yk−3
Die Lösung einer Differenzengleichung
1. Die allgemeine Lösung einer Differenzengleichung ist die Menge aller Funktionen (Folgen), die die angegebene Gesetzmässigkeit erfüllt.
Beispiel:
Allgemeine Lösung von yk+1 = 2yk
sind alle Folgen yk = C · 2k mit C ∈ R.
2. Die Lösung eines Anfangswertproblems
(AWP) ist das Element aus der allgemeinen Lösung, das eine (oder zwei,
. . .) Anfangsbedingung(en) erfüllt d.h.
das Element, das zu einem festgelegten Zeitpunkt einen gegebenen Wert
annimmt.
Beispiel:
Das AWP yk+1 = 2yk, y0 = 3 hat die
Lösung yk = 3 · 2k.
Teil 3
Lineare Differenzengleichungen 1. Ordnung
(mit konstanten Koeffizienten)
Normalform
einer linearen Differenzengleichung 1. Ordnung (mit konstanten Koeffizienten)
yk+1 = A · yk + B
mit reellen Zahlen A, B mit A 6= 0.
Allgemeine Lösung
yk =



1 − Ak
k
A · y0 + B
y0 + Bk
1−A
A 6= 1
A=1
oder auch
yk = Ak (y0 − y∗) + y∗
mit y∗ =
B
, A 6= 1
1−A
Untersuchung des Lösungsverhaltens
Fall 1: A 6= 1 und yk − y∗ = Ak(y0 − y∗)
Fall
yk − y ∗
yk
A>0
yk − y ∗
monoton
yk
monoton
A<0
yk − y ∗
alternierend
yk
oszillierend
|A| > 1 |yk − y∗| = |A|k|y0 − y∗| yk
lim |A|k = +∞
explosiv
|A| < 1 |yk − y∗| = |A|k|y0 − y∗| yk
lim |A|k = 0
gedämpft
lim yk = y∗
A 6= 1
A
explosiv
monoton
1
0
oszillierend
gedämpft
−1
explosiv
Fall 2: A = 1
lim yk = lim (y0 + Bk)
k→∞
k→∞
= y0 + B lim k
k→∞
+∞
B>0
=
−∞
B<0
Teil 4
Lineare Differenzengleichungen 2. Ordnung
(mit konstanten Koeffizienten)
Eine Differenzengleichung der Gestalt
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = 0
heisst homogene, eine solche der Gestalt
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = r
heisst inhomogene lineare Differenzengleichung 2. Ordnung (mit konstanten Koeffizienten).
Die reelle Zahl r heisst Störglied.
Teil 4.1
Lineare Differenzengleichungen 2. Ordnung
(mit konstanten Koeffizienten)
Lösung der homogenen Gleichung
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = 0
Ansatz: yk = mk, m 6= 0
Einsetzen:
0 = yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk
= mk+2 + a1 mk+1 + a2 mk
= m 2 + a1 m + a 2 m
Lösung der charakteristischen Gleichung:
m1,2 =
−a1 ±
q
a21 − 4a2
2
Fall 1 a21 − 4a2 > 0
Die charakteristische Gleichung hat zwei
verschiedene reelle Lösungen m1 und m2.
(1)
yk
= mk1
und
(2)
yk
= mk2
sind zwei linear unabhängige Lösungen
der homogenen Differenzengleichung.
Allgemeine Lösung:
yk = c1 mk1 + c2 mk2
Beispiel:
yk+2 + yk+1 − 6yk = 0
y0 = 1, y1 = 7
Fall 2 a21 − 4a2 = 0
Die charakteristische Gleichung hat eine
reelle Lösung m1 = m2 = m = − a21 und
(1)
yk = mk
ist eine Lösung der homogenen Differenzengleichung.
(2)
Behauptung: Auch yk = k mk ist eine
Lösung der homogenen Differenzengleichung.
Allgemeine Lösung:
yk = c1 mk + c2 k mk = (c1 + c2 k) mk
Beispiel:
4yk+2 + 4yk+1 + yk = 0
y0 = 1, y1 = 0
Beweis der Behauptung:
(2)
Sei yk = k mk wobei m = − a21 die charakteristische Gleichung m2 +a1 m+a2 m = 0
erfüllt.
Dann gilt
(2)
(2)
(2)
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk
= (k + 2) mk+2 + a1 (k + 1) mk+1 + a2 k mk
= k mk+2 + 2 mk+2 + a1 k mk+1 + a1 mk+1
+a2 k mk
+ a1})
= k mk |(m2 + a1 {z
m + a2 m)} +mk+1 (2m
| {z
= 0
=0
=0
Fall 3 a21 − 4a2 < 0
Die charakteristische Gleichung hat keine
reelle Lösungen.
Allgemeine Lösung:
yk = Rk(c1 sin(kφ) + c2 cos(kφ))
wobei
√
• R = a2
a1
• cos(φ) = − √ ,
2 a2
0≤φ<π
Beispiel:
yk+2 − yk+1 + 0.5 yk = 0
y0 = −2, y1 = 0
Teil 4.2
Lineare Differenzengleichungen 2. Ordnung
(mit konstanten Koeffizienten)
Lösung der inhomogenen Gleichung
Superpositionsprinzip
Die allgemeine Lösung der inhomogenen
Gleichung
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = r
ist gleich der Summe aus der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogenen
Gleichung yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = 0 und
einer speziellen Lösung der inhomogenen
Gleichung:
(1)
(2)
yk = c1 yk + c2 yk + yk∗
(2)
(1)
• yk , yk zwei linear unabhängige Lösun-
gen der homogenen Gleichung
• yk∗ eine Lösung der inhomogenen Gleichung
Bestimmung einer (speziellen) Lösung yk∗
der inhomogenen Gleichung
yk+2 + a1 yk+1 + a2 yk = r
Fall 1: 1 + a1 + a2 6= 0
Spezielle Lösung:
r
∗
yk =
= konstant
1 + a1 + a2
Fall 2: 1 + a1 + a2 = 0, a1 6= −2
Spezielle Lösung:
r
∗
·k
yk =
2 + a1
Fall 3: 1 + a1 + a2 = 0, a1 = −2
Spezielle Lösung:
r 2
∗
yk = · k
2
Aufgabe 3:
Gegeben sind die folgenden inhomogenen linearen Differenzengleichungen 2. Ordnung:
yk+2 − 3 yk+1 + 4 yk = 6
yk+2 + yk+1 − 2 yk = 12
yk+2 − 2 yk+1 + yk = 12
• Bestimmen Sie eine spezielle Lösung jeder
Differenzengleichung.
• Bestimmen Sie die allgemeine Lösung jeder
Differenzengleichung.
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