eDemocracy: Konzept für demokratische Erneuerung

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eDemocracy: Konzept für demokratische Erneuerung
eDemocracy ist zum Stiefkind der eGovernment Strategien geworden. Ein Blick auf die
populärsten nationalen eGovernment Konzepte zeigt, daß sie im wesentlichen aus einer
Botschaft bestehen. Danach sollen bis zum Jahre 2005 möglichst viele Services online
angeboten, die dafür erforderlichen Infrastruktur geschaffen, die nötige Software
beschafft und gegebenenfalls auch die Prozesse verändert werden. Bis in das letzte Jahr
hinein wurden diese strategischen Überlegungen nahezu in allen großen europäischen
Ländern verfolgt.
eGovernment Strategien sind zu technokratisch
Doch seit einigen Monaten artikuliert sich zunehmend Unzufriedenheit mit diesem
verkürzten Ansatz. Gleich vier neuere Studien kommen zu der Erkenntnis, daß eine
eGovernment-Strategie, die sich auf die technokratische Bereitstellung von möglichst
flächendeckenden Online Services konzentriert, zu kurz greift.
So fordert etwa die Studie, die der EU-Regierungskonferenz in Como im Juli 2003 vorlag,
„eGovernment solutions must be developed within the broader scope of the knowledge
society and good governance and not confine themselves to information processing
within the modernization of society...eGovernment is to become a meaningful agent of
transformation embedded in the culture of the public sector. Its potential goes far beyond
early achievements, enabling qualitative gains in work processes, results and efficiency.
If implemented properly, it will help develop and consolidate principles of good
governance such as democratization, coherence, effectiveness, transparency and
accountability.”
Und auch die die von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgebene Veröffentlichung
„eGovernment in den deutschen Bundesländern“ benennt dieses Defizit.
Warum spielt der Aspekt eDemocracy nur ein Schattendasein in den strategischen
Überlegungen zum eGovernment? Eine Erklärung liegt darin, daß sich die Debatte zu
Anfang sehr auf das Thema eVoting focussierte. Nachdem inzwischen die Chancen und
Risiken von eVoting eingehend erörtert und zahlreiche Pilotprojekte aufgesetzt wurden,
scheint sich die Erkenntnis herauszubilden, daß eVoting wegen noch zu lösender
Sicherheitsprobleme flächendeckend erst in einigen Jahren zur Anwendung kommen
wird. Eine weitere Erklärung betrifft die traditionelle Arbeitsweise der politischparlamentarischen Demokratie. Für Abgeordnete ist es immer noch attraktiver,
Wahlversammlungen in verrauchten Hinterzimmern von Gaststätten abzuhalten anstatt
die Möglichkeiten zu nutzen, die moderne Informations- und
Kommunikationstechnologien heute für die Organisation von Willensbildungsprozesen
bietet.
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eDemocracy ist ein Konzept demokratischer Erneuerung in der Wissensgesellschaft
Es umfaßt den Einsatz von netzbasierten interaktiven Informations - und
Kommunikationstechnologien, deren Ziel es ist, die Beteiligung der Bürgerinnen und
Bürger am politischen Prozeß und an der Zivilgesellschaft signifikant zu erhöhen und so
zu einer grundlegenden Erneuerung der Legitimität des öffentlichen Wirkens beizutragen.
Somit hat eDemocracy nicht zum Ziel, die politisch-parlamentarische Demokratie
abzulösen sondern sie um partizipatorische Elemente zu ergänzen. Bürgerinnen und
Bürger wollen in der Regel nicht regieren. Stattdessen wollen sie Gehör finden und
Einfluß nehmen können.
Deshalb besteht ein integriertes eDemocracy-Konzept aus vier Handlungsfeldern. Diese
sind:
-
Bürger
Parlament
Parteien und organisierte Interessen
Zivilgesellschaft
Sie werden in nachfolgendem Schaubild dargestellt.
Einfügen: Handlungsrahmen...
Erstes Handlungsfeld: Bürger
Das Handlungsfeld Bürger bildet die Basis für ein eDemocracy-Konzept im politischparlamentarischen System. In einer modernen partizipativen Demokratie begnügen sich
Bürgerinnen und Bürger längst nicht mehr mit der Teilnahme an Wahlen. Unter dem
eDemocracy Gesichtspunkt hat sich als wesentliche Anwendung die online Konsultation
herausgebildet. Daneben spielen online Konferenzen eine weitere Rolle.
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Handlungsrahmen eDemocracy/eParticipation
Interaktion
Politisches System
Parteien
Geschäftsprozeßoptimierung
Web logs
eVoting
Spenden
Online campaining
ePetition
Online consultation
Bürger
Online consultation
Virtueller Parteitag
Portale
Portale
Chatrooms
Freiwilligenorganisationen
Portale
eVoting
Online consultation
Integressengruppem
Sicherheit
Demokratischer Prozess
eCabinet
Internet Broadcast
Überall Internetzugang
Parlament/
Kabinett
Spenden
Communities
Marktplätze
Zivilgesellschaft
Vernetzung
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IBSG FY04
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Online Konsultationen haben nichts mit top-down Meinungsbefragungen etablierter
Meinungsforschungsinstitute zu tun. Sie stellen vielmehr für den parlamentaris chen
Willensbildungsprozeß eine Chance dar, mit den Bürgern zu konkreten Fragestellungen
in einen internetgestützten Dialog zu kommen. International lassen sich zahlreiche
Beispiele für online Konsultationen aufzeigen. Am häufigsten dürfte dieses Instrument in
Australien genutzt werden. Aber auch die britische Regierung und das britische
Parlament haben längst entdeckt, daß ein geordneter Online Konsultationsprozeß ihnen
helfen kann, Meinungen, Auffassungen und Stimmungen der Bürgerinnen und Bürger zu
erfassen und zu bewerten. Der Berater der britischen Regierung für eDemocracy,
Professor John Coleman, hat kürzlich skizziert, welche Vorausetzungen gegeben sein
müssen, damit Online Konsultationen Erfolg haben.
Das beigefügte Schaubild zeigt sein 6 Stufen Modell zur Planung, Durchführung und
Evaluation von Online Konsultationen auf:
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6-Stufen Modell für Planung, Durchführung und
Evaluation von online consultation
Element
Zielbestimmung
Hauptinhalte
• Bedeutung der Consultation hervorheben
• Sicherstellen, dass Politik die Notwendigkeit der Consultation begreift
Evaluation (Zahlen, Wirkung, Verbesserungsvorschläge
•Klärung des politischen Ziels der Consultation
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Design
• Besatimmung der geeigneten Software
• Geeignetes Interface von Websites und anderen online-Komponenten (leicht zu verstehen
und zu bedienen)
Rekrutierung
• Methodenmix um interessierte Teilnehmer zu gewinnen
Moderation
• Den richtigen Moderator zu finden ist sehr bedeutsam
Zusammenfassung
• Nicht bloß die Teilnehmerbeiträge zusammenfassen, sondern sie einordnen in den
Gesamtzusamenhang (Story, Wie geht es weiter etc.)
• Sicherstellen, daß alle relevanten Meinungen sich beteiligen können
• Hauptbeteiligte identifizieren, die auch nachher den Prozeß evaluieren können
• Moderation sollte auf gemeinsamen einfachen Regeln beruhen – fair, offen für alle und
alle interessierten einbeziehend
• Muß sicherstellen, dass alle geäußerten Meinungen auch repräsen tiert werden
• Bei längeren Diskussionen auch Zwischenzusammenfassungen
Antwort und
Wirkung
•Unter Bezugnahme auf das 1. Element – Bericht an die Beteiligten, welche Resultate
erzielt wurden und welchen Stellenwert ihre Beiträge für das Endergebnis gehabt haben
• Aufzeigen, welche Handlungen daraus resultieren (ein Bericht erstellt, ein Gesetz wird
vorgelegt, die Diskusison wird in 3 Monaten fortgesetzt etc.)
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In Deutschland haben sich der Bund und einige Bundesländer (z.B. Hamburg, Berlin) mit
Online Foren beschäftigt. In einer Studie gelangt das BMI zu folgendem Ergebnis:
„Online Foren sind ein effizientes und bürgernahes Instrument für Partizipation und
Kommunikation, die als eines der Standardinstrumente in Prozessen der politischen
Entscheidungsfindung berücksichtigt werden sollten“.
Zweites Handlungsfeld: Parlamente
eDemocracy wird darüber hinaus die Arbeitsweise der Parlamente und der Abgeordneten
verändern. Im Handlungsfeld Parlamente steht die Neuordnung der Information und
Kommunikation zwischen den gewählten Volksvertretern und den Wählerinnen und
Wählern, aber auch das Reengineering von Prozessen der Meinungsbildung von Parteien
und Interessengruppen auf der Agenda. Schließlich beinhaltet dieser Aktionsbereich
Anwendungen wie eCabinet, die mit Hilfe der IuK-Technologien die veränderte
Arbeitsweise der Kabinette im Zeitalter der Wissensgesellschaft unterstützen.
Insbesondere die Anwendung Webcasting gewinnt immer mehr an Popularität. Unter
Webcasting wird die Echtzeit-Übertragung von Parlaments - oder Ausschußsitzungen im
Internet verstanden. Wo früher nur 50 Zuhörer auf der Zuschauertribüne von Parlamenten
oder Räten Platz fanden, sind jetzt wesentlich mehr Zuschauer in der Lage, Debatten zu
verfolgen. International verfolgen insbesondere die USA, Australien und Großbritannien
das Ziel, auf diese Weise mehr Partizipation zu ermöglichen. Das Webcasting-Konzept
hat in Deutschland auf der kommunalen Ebene einige Nachahmer gefunden.
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eCabinet wird die Arbeitsweise der Regierungen und ihrer Kabinette in signikantem
Ausmaße verändern. Dabei stehen drei Bereiche im Vordergrund. Zunächst gehört zu
eCabinet die elektronische Verteilung und das Management der Kabinettsdokumente.
Sodann umfaßt eCabinet auch die Präsentation von komplexen Regierungsvorhaben
während der Kabinettssitzungen mit Hilfe moderner IuK-Technologie. Schließlich gehört
die effektivere und effizientere Erschließung des Wissens des Ministerialapparates und
externer Quellen dazu.
Als neueren Trend lassen sich weblogs bei Abgeordneten feststellen. Weblogs gehen
weit über die traditionelle Webpage von Abgeordneten hinaus. Sie stellen eine Art
elektronisches Tagebuch dar, so daß das Wahlvolk in der Lage ist, Beweggründe von
Entscheidungen besser nachzuvollziehen. Das Instrument der Weblogs wird insbesondere
für Wahlkämpfe nachhaltigen Einsatz finden. Einen Vorgeschmack geben darauf bereits
jetzt die Websites der demokratischen Präsidentschaftskandidaten.
Drittes Handlungsfeld: Parteien und Interessengruppen
Als dritter Aktionsbereich haben sich die Parteien und die gesellschaftlichen
Interessengruppen herausgebildet. Hier sind auch die sogenannten
Nichtregierungsorganisationen (NGO), die angesichts der globalisierten Welt
erheblichen Einfluß auf Entscheidungen des politisch-parlamentarischen Systems
bekommen, anzusiedeln. Bei der Ergänzung der traditionellen Parteiorganisation durch
online Elemente steht zunächst die Geschäftsprozeßoptimierung im Vordergrund.
Wenn Parteien ihre tragende Rolle als Transmissionsriemen der Gesellschaft für den
politisch-parlamentarischen Prozeß wahrnehmen wollen, müssen sie sich im digitalen
Zeitalter stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren. Multi-ChannelZugangskonzepte, ein ausgefeiltes Kundenverwaltungssystem (CRM) oder die
Neuorganisation der Willensbildung der Partei stellen die Stichworte dar. Gleiches gilt
auch für andere gesellschaftliche Interessengruppen. Die NGOs wie Attac haben gezeigt,
dass im digitalen Zeitalter die Spielregeln neu geschrieben werden. Wenn 12 Personen
mit Hilfe des Internets in der Lage sind, eine Großdemonstration mit über 500000
Teilnehmern zu organisieren, steht die Arbeitsweise der etablierten Großorganisationen
auf dem Prüfstand.
Viertes Handlungsfeld: Zivilgesellschaft
Spätestens seit der Veröffentlichung des Berichtes der Enquete Kommission
„Bürgerschaftliches Engagement“ sollte dieses Handlungsfeld breiten Raum in den
integrierten eDemocracy Konzeptionen einnehmen. Für die zahlreiche Akteuren in der
Zivilgesellschaft, zu denen beispielsweise Freiwilligenorganiationen gehören, ist es von
Bedeutung, daß sie ihre Dienstleistungen bekanntmachen, Netze von Freiwilligen in
Form einer Community bilden oder Spenden übe r das Netz einwerben können. Insofern
stellt ein einheitliches Zugangsportal für die Zivilgesellschaft eine zwingende
Voraussetzung dar. Berlin hat hier mit dem Bürgerportal einen lobenswerten Anfang
gemacht. Allerdings konzentriert sich das Bürgerportal noch allzu sehr auf
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Informationsvermittlung über das Vereinsleben der Freiwilligenorganisationen. In einer
nächste Stufe sollte auch den Kommunikations- und Transaktionsaspekten Rechnung
getragen werden. Eine e-Democracy Strategie für die Zivilgesellschaft wird zwei weitere
Aspekte berücksichtigen müssen. Zum einen könnten diese Portale Marktplätze für
Angebots- und Nachfragegüter sein. Und zum anderen sind die Akteure der
Zivilgesellschaft, die ihre Tätigkeit in der Regel ehrenamtlich ausüben, auf schnelle,
einfache und kostengünstige online Verwaltungsleistungen (Anträge, Genehmigungen
etc.) angewiesen. Auch dem sollte eine eDemocracy Strategie Rechnung tragen.
Diese vier Aktionsbereiche bilden die Basis für eine eDemocracy Strategie, die die
repräsentative Demokratie mit partizipatorischen Elementen ergänzt. Erst wenn die
Verknüpfung der von Bund, Länder und Gemeinden angebotenen Online Services mit
den Aktionsbereichen einer alle Akteure umfassenden eDemocracy Strategie erreicht ist,
kann man von einer integrierten eGovernment Strategie wirklich sprechen.
Willi Kaczorowski, Cisco Systems, Internet Business Solutions Group
April 2004
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