1 5. Vorlesung / Springer-Kremser / nachgeholt am 15.4 - poekl-net

Werbung
1
5. Vorlesung / Springer-Kremser / nachgeholt am 15.4.
Zur Wiederholung aus dem WS:
Eine neurotische Erkrankung ist eine schwere Erkrankung.
MERKMALE DER PATHOLOGISCHEN KOMPROMISSBILDUNG (SYMPTOM):
1) Einschränkungen in den Möglichkeiten der Triebbefriedigung
(Aggressionshemmung, sexuelle Funktionsstörung)
2) Beeinträchtigungen durch bewusste Angst oder Depression
3) Einschränkungen vorhandener Begabungen und Fähigkeiten (Kreativität)
4) erhebliche Tendenz, sich selbst oder anderen Schaden zuzufügen (Selbstoder Gemeingefährlichkeit)
5) Erhebliche Schwierigkeiten mit der Umwelt (Anpassungsstörungen)
KOMPONENTEN EINES UNBEWUSSTEN KONFLIKTS:
1) Triebabkömmling (Es) oder Über-Ich Komponente
2) mit Triebabkömmling und Über-Ich Komponente assoziierte Signaleffekte
(Angst oder Depression)
3) Abwehroperationen des Ich, um Verlust auszuschalten oder zu vermindern
2
SPEZIELLE NEUROSENLEHRE
A) Angstneurose und Phobie
B) Zwangsneurose
C) hysterische Neurose
ad A) ANGSTNEUROSE:
1) generalisiertes Angstsyndrom
2) Phobien / situative Ängste
ad 1) Generalisiertes Angstsyndrom:
Es gibt 3 Gruppen von Symptomen:
a) Symptom als Ausdruck zunehmender innerer Spannungen:
•
motorische Symptome (z.B. Zittern, Klopfen)
•
vegetative Hyperaktivität (z.B. Mundtrockenheit als Zeichen massiver
Angst, Schwitzen)
•
kognitive Veränderungen (z.B. Gedächtnisstörung, Merkfähigkeitsstörung)
•
ängstliche Erwartungsspannung
b) Angstanfälle ohne spezielle Inhalte:
• Panikattacken (= Angstanfälle ohne äußere Bedrohung; dazwischen
symptomfreie Intervalle; bestimmte Anzahl von Angstanfällen in einem
bestimmten Zeitraum ist notwendig, um von Angstattacken sprechen zu
können)
• frei flottierende Ängste (= Gefühl von schrecklicher Bedrohung, ohne mit
körperlichen Symptomen kombiniert zu sein); oft im Anschluss an ein Trauma
im Zusammenhang mit Visualisierung des Traumas -> löst Wiederholung des
Traumas aus, dabei schreckliche Ängste)
• Angstäquivalent (Affekt Angst = völlig im Hintergrund; an seiner Stelle wird
körperliches Begleitsymptom ungebührlich hervorgehoben, z.B. Herzklopfen)
3
c) Störungen von Körperfunktionen als Ausdruck von Hemmungen:
•
passagere Impotenz und Frigidität (Potenz-, Erektionsstörungen,
•
Hemmungen von Partialtrieben durch massive Ängste [Partialtriebe =
alles, was in der kindlichen psychosozialen Entwicklung der Genitalität
vorangeht. Sadismus, Masochismus, Voyeurismus, Exhibitionismus = Triebe,
die nicht mit Genitalität verschwinden; müssen integriert werden. Werden sie
unterdrückt, so kommt es zu übertriebener Unterwürfigkeit, Aggressionen]
•
Aggressionshemmung
Ejaculatio praecox, Appetenzstörungen, Störungen des Ablaufs des
Geschlechtsakts, Vaginismus [= Unmöglichkeit der Emission und von
gynäkologischen Untersuchungen], Orgasmusstörungen)
In der Ätiologie der Angststörungen spielen die kindlichen Katastrophen eine
große Rolle.
Katastrophen der Kindheit: je jünger das Kind, desto schlechter
1. Verlust der körperlichen Integrität
2. Verlust einer wichtigen Bezugsperson
3. Verlust der Liebe einer wichtigen Bezugsperson
4. Besonders rigides, strafendes Über-Ich, bzw. Über-Ich mit sadistischen
Zügen
ad 2) Phobie:
Definition: Phobie = Versuch der Angst, sich an bestimmte Situation zu binden,
welche den neurotischen Konflikt symbolisiert.
Charakteristische Abwehrmechanismen:
•
•
Verschiebung
Projektion (= Eigenschaften, die man an sich selbst verabscheut werden
anderen in die Schuhe geschoben)
Dazu gehören:
•
•
•
einfache Phobien
Agoraphobie
soziale Phobie (Angst vor anderen; hängt zusammen mit der Angst, bloßgestellt
zu werden bzw. andere bloßzustellen
Auch in der Ätiologie der Phobien spielt die Sexualität eine große Rolle, z.B.
Agoraphobie:
Person kann nicht allein über einen freien Platz gehen, mit einer
anderen Person dagegen schon. Ist die Person zu zweit, besteht
die Unmöglichkeit, angesprochen zu werden oder sich auf ein
sexuelles Abenteuer einlassen zu müssen. Person hat das
Bedürfnis, kontrolliert zu werden.
4
ad B) ZWANGSNEUROSEN:
Symptome fast ausschließlich auf psychologischem Bereich.
1) Zwangshandlungen:
= stereotyp ablaufende Verhaltensmuster, die sich gegen den Willen des Patienten
aufdrängen
2) Zwangsgedanken:
= Bewusstseinsinhalte, die sich dem Patienten aufdrängen und Unruhe, Erregung
und Angst auslösen; sich wiederholende Gedanken.
spezielle Varianten:
a) Zweifel (Unsicherheit über Ereignisse)
b) Impulse (innerer Drang, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun; werden
ichdysthon erlebt; z.B. blasphemische Gedanken bei einem sehr religiösen
Menschen)
c) Vorstellungen und Bilder (lebhafte, unangenehme gedankliche
Vorstellungen, z.B. Kind fällt aus einem Fenster im 20. Stock)
Epidemiologie:
•
•
•
•
Verteilung Männer zu Frauen = gleich;
keine Schichtauffälligkeit;
Bildungsstatus ist gleich;
milde familiäre Häufigkeit, man kann aber nicht von genetischer Komponente
reden.
Alter bei Beginn:
•
•
•
im Durchschnitt 23 Jahre;
kann schon in Kindheit beginnen, in Adoleszenz besser werden und erst nach der
Adoleszenz manifest werden.
Auffallend ist, dass sich der Patient sehr lange bemüht, allein mit der Erkrankung
fertig zu werden (Behandlungsbeginn durchschnittlich 7 Jahre nach
Beginn der Erkrankung (das entspricht dem Strafcharakter der Erkrankung)
Oft verbunden mit Depression, aber IMMER zuerst den Zwang, dann die
Depression behandeln (Antidepressiva helfen NICHT gegen den Zwang!)
5
Beitrag der Psychoanalyse zur Zwangsstörung:
= gut erforscht; Struktur von Zwangspatienten = sehr genau bekannt; Behandlung
liegt aber noch im Argen (sowohl pharmakologisch als auch psychotherapeutisch);
Verhaltenstherapie ist nicht schlecht, aber nur bei leichten Zwängen!
2 Gruppen von Symptomen:
•
Symptome, die zeigen, dass dem Trieb nachgegeben wird:
Î Symptom = Entstellung oder Verzerrung einer Triebbefriedigung (z.B.
Zwangshandlung, Klopfen, OHNE Affekt)
•
Symptome, die zeigen, dass der Trieb verdrängt wird
Î z.B. Waschzwang = Verzerrung der Lust am Schmutz
Straf- oder Bußcharakter (z.B. bei Waschzwang: Überkompensation des
anstößigen Triebes. Die Abwehr überwiegt; gefürchtet wird ein innerer Vorgang
Unterschied zwischen Zwang und Phobie:
•
•
Zwang: Zwangssymptom hat Sinn, intrapsychischen Vorgang abzuwehren;
Phobie: bei Phobie dagegen sucht man etwas Äußeres zu vermeiden!
Charakteristika von Zwangssymptomen:
1) Verschiebung auf Banalitäten: Verschiebung auf völlig banales Detail (z.B.
man darf Fußboden nicht berühren oder einen Gegenstand, der mit ihm in
Berührung gekommen ist, nicht angreifen -> einmal genügt es, wenn Person
den betreffenden Gegenstand abschleckt, ein anderes Mal muss sie ihn
abwaschen, um Verseuchung mit Bakterien zu vermeiden [vgl. Widerspruch
darin! Abschlecken ist ja viel ärger von wegen der Bakterien...]
2) Zweizeitigkeit: zwei entgegengesetzte Handlungen werden gleichzeitig oder
kurz hintereinander ausgeführt
3) Nähe des Symptoms zur Masturbation (Selbstbefriedigung)
4) Befriedigung, wenn Ritual ohne Störung durchgeführt werden kann
5) Grausamkeit und überkompensierende Güte bestehen meist
gleichzeitig (vgl. KZ-Aufseher, der an einem Tag einem Kind Schokolade
schenkt und ihm am nächsten Tag den Schädel einschlägt)
6) Charakterzüge wie Zweifeln, Grübeln, Aberglauben
7) Ähnlichkeit zu Ritualen im Zusammenhang mit religiösen Ausübungen (=
Ritualisierung)
6
Charakteristische Abwehrmechanismen:
•
•
Isolierung
Ungeschehenmachen
Symptom läuft ohne begleitenden Affekt ab (Gegenstand, der auf Boden
gefallen ist, wird abgeschleckt -> Berührung mit Boden wird ungeschehen gemacht;
vgl. Freuds Rattenmann: muss einen Stein aufheben [Aggression] und wieder
niederlegen [symbolische Buße / Wiedergutmachung])
Zwangsneurose hat viel von prägenitaler Sexualität an sich:
1) Zwiespältigkeit / Ambivalenz (anale Phase)
2) Sadismus (anale Phase)
3) Symbolisierung der Analität -> Geldgier, Geiz als Merkmale des
Zwangscharakters.
Fixierung in analer Phase durch
•
•
•
ein Zuviel an extremer Zuwendung im Zusammenhang mit der
Sauberkeitserziehung
Vernachlässigung der Sauberkeitserziehung
Dressur bei der Sauberkeitserziehung
= prädisponierende Faktoren.
Diese Fixierung bedeutet, dass phallische Entwicklung brüchig ist
Î Regression auf anale Phase ist sehr leicht möglich
Î Aggression spielt immer eine große Rolle (z.B. Sauberkeitstraining, das
einer Dressur ähnelt, läuft nicht ohne Aggressionen der Erwachsenen
ab; Schläge auf nackten Popo = oft Grundlage für eine spätere
Zwangsneurose [Schläge auf Popo lösen sexuelle Konnotationen aus,
die sofort verdrängt werden müssen -> so wird die anale Fixierung
gefördert!]
7
ad C) HYSTERISCHE PERSÖNLICHKEIT / HYSTERISCHE NEUROSE:
Symptomatik:
zwingend =
1) Neigung zur Unterdrückung von Vorstellungsinhalten (z.B. heftige
Verdrängungsaktivität Unbewusstes und Vorbewusstes betreffend)
2) allgemeiner kognitiver Stil (= besondere Art des Denkens; z.B.
Schwierigkeiten, sich mit peniblen Details zu befassen, großzügiges
Hinweggehen über Details)
3) Wahrnehmung des Selbst und anderer Objekte wird von
Phantasietätigkeit überschattet (d.h. von sich selbst werden nur jene
Eigenschaften wahrgenommen, die ins Bild, das man von sich selbst hat,
hineinpassen; gilt auch für Objektbeziehungen)
4) Denkprozesse sind von starken Gefühlen getönt (Inhalte werden immer
sofort bewertet mit „Das gefällt mir“ oder „Das gefällt mir nicht“ -> ist
kritischer Distanz nicht förderlich!)
nicht unbedingt =
5) in Belastungssituationen kann Bewusstsein und Aufmerksamkeit
verändert sein (d.h. Neigung zu vasalen Synkopen [= kleine
Ohnmachtsanfälle] im Zusammenhang mit Belastung; vgl. Gretchen in
Goethes Faust)
6) Konversion (= theatralische Darstellung des Konflikts mittels sensorischer
Enervierungen) kann vorkommen, muss aber nicht
ad 3) Objektbeziehungen (= Beziehungen zu anderen):
a)
b)
c)
d)
In
•
•
•
Idealisierung des Partners (unrealistische Aufwertung)
Identifizierung und Romantisierung (vgl. „Einzi-Stolz-Syndrom“)
starke, intensive Bindungen (ist NICHT so bei Zwangsneurotikern)
Inszenierung von Dreiecksbeziehungen (z.B. Patient will immer
irgendeine 3. Person in Therapie einbeziehen -> Hinweis auf ödipalen
Konflikt; Hinweis auf Fixierung in ödipaler Phase)
individueller Entwicklung ist:
hysterische Neurose die späteste,
Angstneurose die früheste (d.h. sie hat die frühesten Fixierungspunkte) und
Zwangsneurose liegt dazwischen.
8
Unterschied von Zwangsneurose und hysterischer Neurose:
a)
b)
Zwangsneurose:
•
Zusammenhang zwischen veranlassender Szene oder länger dauernde
Situation in Kindheit und den Zwangssymptomen = verdrängt
•
Problem bei psychoanalytischer Therapie: dem Patienten muss geholfen
werden, einen affektiven Kontakt zwischen veranlassender Szene und
Symptom herzustellen; Zwangsneurose = affektiv nicht zugänglich
•
Abwehr: Verdrängung und Konversion
Hysterische Neurose:
•
veranlassende Szene / Situation ist total verdrängt
•
Abwehr: Isolierung, Ungeschehenmachen, Reaktionsbildung (Gegenteil
eines bestimmten psychischen Inhalts wird ins Bewusstsein gelassen)
Herunterladen