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Die Standardabweichung
Ein anderes Maß, das wir im Zusammenhang mit den Messdaten und ihrem Durchschnittswert
kennenlernen, ist die sogenannte Standardabweichung der Messdaten von ihrem arithmetischen
Mittelwert.
Definition 2. Die Standardabweichung sx einer N Daten umfassenden Messreihe ist die
positive Quadratwurzel der Varianz der Messreihe; also:
q
sx = s2x.
!! Klausurrelevant !!
In unserem begleitenden Beispiel der Körpergröße ergibt sich für die Standardabweichung:
sx =
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√
35.75 ≈ 5.78.
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Beispiel 1. Bei der Durchführung eines Experiments soll die Genauigkeit und die Präzision
einer Pipette überprüft werden. Als Genauigkeit einer Pipette bezeichnet man die Differenz
zwischen dem Mittelwert einer Anzahl wiederholter Messungen und dem Nominalwert, also dem
Wert, den der Hersteller für die Pipette angegeben hat. Die Präzision einer Pipette gibt an wie
gut die Messwerte übereinstimmen. Der Versuchsaufbau sei der folgende:
Mit einer Kolbenhubpipette werden 100 Mikroliter (mit der Einheitsbezeichnung µl) destilliertes
Wasser pipettiert und das Gewicht der Probe gemessen. Dieses Vorgehen wird weitere 9 Mal
wiederholt. Hierbei erhält man z.B. folgende Messreihe, wobei mit gj (in mg ) das Gewicht der
j -ten Probe bezeichnet sei:
j
gj
1
103.1
2
100.3
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3
100.1
4
100.4
5
97.6
6
100.3
7
100.1
8
100.0
9
100.0
10
97.9
27
Da die Dichte des Wassers bekannt ist und 1g/cm3 beträgt, kann aus dem Gewicht einer
Probe ihr Volumen berechnet werden. Man erhält dabei folgende Werte, wobei hier nun vj (in
μl) das Volumen der j - ten Probe bezeichne:
j
vj
1
103.1
2
100.3
3
100.1
4
100.4
5
97.6
6
100.3
7
100.1
8
100.0
9
100.0
10
97.9
Um die Genauigkeit zu überprüfen bildet man zuerst den Mittelwert der Messreihe
vM
N
1 X
1
999.8 = 99.98.
=
vj =
N j=1
10
Die Genauigkeit G berechnet sich dann als
˛
˛
G = ˛vM − vnominal˛ = |99.98 − 100| = 0.02(μl),
wobei vnominal = 100μl der Nominalwert sei. Die relative Genauigkeit, die in Prozent gegeben
ist, bestimmt man durch
0.02
G
= 0.02%.
=
vnominal
100
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Als Maß für die Präzision benutzt man die empirische Standardabweichung (bzw. den Variationskoeffizienten). Für die Standardabweichung erhalten wir in diesem Fall
v
u
u
sv = t
1 X
(vj − vM )2 = 1.496μl.
N − 1 j=1
N
Um die Standardabweichung mit der Größe der Messwerte in Bezug zu bringen, berechnen wir
den Variationskoeffizienten
V
=
sv
1.496
=
vM
99.98
≈
0.01496 = 1.496%.
Nun soll die Frage beantwortet werden, ob die untersuchte Pipette genau und präzise ist. Die
Herstellerrichtlinien für die Pipette schreiben vor, dass die relative Genauigkeit G/vnominal
unter 0.8% und der Variationskoeffizient V unter 0.15% liegt. Die hier angestellten Berechnungen implizieren jedoch, dass die untersuchte Pipette zwar genau jedoch nicht präzise ist.
Daher sollte man die Pipette für die Experimente nicht benutzen, sondern an den Hersteller
zurück schicken.
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2. Elementare Rechenoperationen
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2.1 Welche Zahlen sind aus der Schule bekannt?
1. Die natürlichen Zahlen = {1, 2, 3, ....}, die wir mit dem Symbol IN bezeichnen werden.
Wir wollen unterscheiden zwischen den natürlichen Zahlen IN und den natürlichen Zahlen
einschließlich der Null unterscheiden, die wir mit dem Symbol IN0 notieren.
2. Die Menge der ganzen Zahlen = {0, ±1, ±2, ±3, ...}, die wir mit dem Symbol Z
darstellen.
3. Die Menge der rationalen Zahlen, d.h. die Menge aller als Bruch darstellbaren Zahlen, die
wir mit Q darstellen.
4. Die Menge der reellen Zahlen, also die Menge, die neben den Zahlen, die sich als Bruch
darstellen lassen, auch√jene Zahlen enthält, für die dies nicht möglich ist, wie zum Beispiel
die Kreiszahl π oder 2. Für sie werden wir das Symbol IR verwenden.
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Diese Mengen lassen sich nun durch sogenannten Teilmengenrelationen in einen Zusammenhang
bringen.
IN ⊂ Z.
Hierbei schließt das verwendete Teilmengen-Zeichen nicht ausdrücklich aus, dass die Mengen
auch die gleichen sind, d.h. es gilt auch
Z ⊂ Z.
Offensichtlich gilt für die hier angegebenen Zahlen das Nachfolgende:
IN ⊂ IN0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ IR.
Z \ IN = ∅,
wobei ∅ die sogenannte leere Menge darstellt, die Menge also, die kein Element enthält.
Die Behauptung
Q \ Z = ∅
ist leicht einzusehen.
Die Behauptung jedoch, dass die reellen Zahlen größer sind als die Menge der rationalen Zahlen,
ist nicht für jeden so leicht einsichtig.
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2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises
Behauptung 1. Das Quadrat einer ungeraden natürlichen Zahl n ist stets ungerade.
Es sei also n eine ungerade natürliche Zahl.Dann ist n darstellbar als:
n = 2k + 1, wobei k eine natürliche Zahl oder Null ist.
Hieraus folgt:
2
2
2
2
n = (2k + 1) = 4k + 4k + 1 = 2 · (2k + 2k) + 1.
Somit ist auch n2 eine ungerade Zahl.
Dies ist ein sogenannter direkter Beweis.
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2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises
Behauptung 2. Ist die Wurzel aus einer geraden natürlichen Zahl n eine natürliche Zahl, so
ist diese gerade.
Es sei also vorausgesetzt, dass n eine gerade natürliche Zahl ist. Wir nehmen nun einmal das
Gegenteil zu der eben gemachten Behauptung an:
Annahme 1.
√
n = k ist ungerade.
Nach dem eben geführten direkten Beweis ist dann
2
k =n
auch ungerade.Dies ist jedoch ein Widerspruch inserer Voraussetzung, dass n gerade ist. Somit
√
muss die von uns gemachte Annahme falsch und n eine gerade Zahl sein.
Dies ist ein sogenannter indirekter Beweis.
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2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises
Wir behaupten nun, dass IR \ Q = ∅ ist, d.h. dass es reelle Zahlen gibt, die sich nicht als
Bruch schreiben lassen.
Behauptung 3. Die Wurzel aus 2 ist ein Element der reellen√Zahlen, aber die
√ Wurzel aus 2
ist kein Element der rationalen Zahlen. In Formelschreibweise: 2 ∈ IR aber 2 ∈ Q.
Wir nehmen nun an, dass die zur Behauptung gegenteilige Aussage richtig ist. Somit gibt es
eine ganze Zahl p und eine ganze Zahl q , die die folgenden Eigenschaften besitzen:
1. p ∈ Z und q ∈ Z sind teilerfremd, d.h. es gibt keine derartigen ganzen Zahlen r, n und
m, so dass p = n · r und q = m · r mit r = ±1 gilt.
2. Die Wurzel aus 2 ist gleich dem Quotienten aus diesen beiden Zahlen p und q , d.h.
√
p
2= ,
q
wobei der Bruch auf der rechten Seite dieser Gleichung aufgrund der ersten Eigenschaft von
p und q soweit wie möglich gekürzt ist.
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2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises
√
Anmerkung 2. Dass die Zahl 2 tatsächlich auch existiert, sehen wir mit Hilfe des aus der
Schule bekannten “Satz des Phytagoras”. Für die Länge x der Diagonalen eines Quadrats mit
der Seitenlänge 1 gilt nach diesem Satz:
2
2
2
x = 1 + 1 = 2.
Wir können für die Länge x also das “Symbol”
√
2 verwenden.
Wenn wir die Wurzel aus 2 quadrieren (also beide Seiten mit sich selbst noch einmal multiplizieren), so ergibt sich die Gleichung
p2
2
2
2 = 2 , woraus 2 · q = p
q
folgt, d.h. p2 ist eine gerade Zahl.
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2.1.1 Das Prinzip eines Widerspruchsbeweises
Somit ist aber auch p bereits schon eine gerade Zahl, da das Quadrat einer ungerade Zahl eine
ungerade Zahl ist, und wir können p mit Hilfe einer anderen ganzen Zahl p als 2 · p schreiben,
d.h.
p=2·p.
Somit gilt also, dass
4 · (p)2
2=
q2
ist,woraus nach Multiplikation mit q 2 die Gleichung
2
2
q = 2 · (p )
folgt. Somit ist auch q eine gerade Zahl.
Dies ist aber nicht möglich, da wir angenommen hatten, dass p und q teilerfremd sind.
Zwei gerade Zahlen sind jedoch nie teilerfremd, womit wir zu einem Widerspruch gelangt sind.
Also kann unsere Annahme,
dass die Wurzel aus 2 eine rationale Zahl ist, nicht richtig gewesen
√
sein und somit muss 2 ∈ Q gelten.
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2.1.2 Weitere Bezeichnungen und Notationen
Um Größenverhältnisse von Zahlen darzustellen, verwendet man die folgenden Zeichen:
1. Das Symbol “≥” bedeutet “größer als oder gleich groß wie”.
2. Das Symbol “>” bedeutet “echt größer als”.
3. Das Symbol “≤” bedeutet “kleiner als oder gleichgroß wie”.
4. Das Symbol “<” bedeutet “echt kleiner als”.
Das heißt a < b schreibt man, wenn die Zahl a echt kleiner als die Zahl b ist, wobei a ≥ b
geschrieben wird, wenn die Zahl a größer oder genauso groß sein kann wie die Zahl b.
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Die Menge aller Zahlen, die echt größer als die Zahl a sind, aber die gleichzeitig auch echt
kleiner als eine Zahl b sind, wird mit
(a, b) oder mit {x ∈ IR | a < x < b}
angegeben.Hierbei ist {x ∈ IR | a < x < b} wie folgt zu lesen. Es ist die Menge aller reellen
Zahlen x, für die gilt, dass sie echt größer a und echt kleiner b sind.Des Weiteren hat man
1. die Menge aller reellen Zahlen x, die echt größer als die Zahl a, aber kleiner oder gleich der
Zahl b sind, d.h.
(a, b] oder mit {x ∈ IR | a < x ≤ b}.
2. die Menge aller reellen Zahlen x, die größer oder genauso groß sind wie die Zahl a, aber
echt kleiner sind als die Zahl b, d.h.
[a, b) oder mit {x ∈ IR | a ≤ x < b}
3. die Menge aller reellen Zahlen x, die größer als oder genauso groß wie die Zahl a sind, die
aber gleichzeitig kleiner als oder gleich der Zahl b sind, d.h.
[a, b] oder mit {x ∈ IR | a ≤ x ≤ b}
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Man bezeichnet diese Mengen auch als Intervalle, wobei (a, b) das offene Intervall zwischen a
und b bezeichnet;[a, b) das rechts halboffene und (a, b] das links halboffene Intervall zwischen
a und b beschreibt;und [a, b] als das abgeschlossene Intervall von a bis b bezeichnet wird.Die
Zahl
a+b
m=
ist die “Intervall-Mitte” und d = b − a ist die “Intervall-Länge”,
2
sofern b ≥ a gilt.
Den Betrag einer Zahl a stellt man mit dem Symbol |a| dar.Hierbei gilt, dass der Betrag von
a immer nichtnegativ ist und wie folgt definiert wird:
|a| = a, falls a ≥ 0 und |a| = −a, falls a ≤ 0.
Also ist der Betrag der Zahl −4 gleich 4.Kürzer schreibt man eine solche Definition auch wie
folgt:
j
a,
falls a ≥ 0,
|a| :=
−a, falls a ≤ 0.
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2.1.3 Weitere Regeln für das Rechnen mit reellen Zahlen
Es seien a, b und c drei beliebige reelle Zahlen. Dann gelten:
1. Das Assoziativgesetz: a · (b · c) = (a · b) · c sowie a + (b + c) = (a + b) + c
2. Das Kommutativgesetz: a + b = b + a sowie a · b = b · a
3. Das Distributivgesetz: a · (b + c) = a · b + a · c
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2.2 Potenzen und Binomialkoeffizienten
Wir bezeichnen nun im Nachfolgenden mit a und b zwei beliebige reelle Zahlen und mit n und
m zwei beliebige natürliche Zahlen.Wir führen für a = 0 folgende Notationen ein:
n
a
−n
a
1/n
a
:=
a
| · ...
{z · a}
:=
n-mal
1
1
· ... ·
|a {z a}
:=
n-mal
√
n
a.
Somit sehen wir, dass
m/n
a
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=
√
n
am =
`√
´m
n
a
ist.
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In dem Spezialfall m = n = 2 gilt die Gleichung
√
2/2
a
= a2 = |a|.
Außerdem setzt man für alle reellen Zahlen a
0
0
a := 1. Insbesondere ist somit 0 := 1.
Aus den oben angegebenen Notationen folgen nun für a = 0 und b = 0 leicht die aus der
Schule bekannten Potenzgesetze:
n
m
=
n
=
n m
=
a ·a
n
a ·b
(a )
an
n−m
a
, m = a
,
a
„ «n
n
a
a
n
(a · b) , n =
,
b
b
n+m
n·m
a
.
Anmerkung 3. Tatsächlich gelten diese Regeln nicht nur für alle n, m ∈ IN, sondern sie
gelten, wenn a > 0 ist, auch für n, m ∈ IR. Dass dies wirklich so ist, werden wir in einem
späteren Kapitel noch genauer sehen.
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2.2.1 Der binomische Lehrsatz
Es seien a und b zwei beliebige reelle Zahlen, dann gelten die nachfolgenden Formeln:
(a + b)
2
=
(a + b) · (a + b) = a + 2 · a · b + b
(a − b)
2
=
(a − b) · (a − b) = a − 2 · a · b + b
(a + b) · (a − b)
=
a −b .
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2
2
2
2
2
2
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2.2.2 Binomialkoeffizienten
Für eine natürliche Zahl n wird mit der Notation
n!
das Produkt aller natürlichen Zahlen von 1 bis n bezeichnet.
Das “Ausrufungszeichen” bewirkt also, dass alle Zahlen von 1 bis n miteinander multipliziert
werden.Man schreibt n! und liest es als n Fakultät.Also ist
n! :=
n
Y
k = 1 · 2 · ... · (n − 1) · n,
k=1
wobei
0! := 1
gesetzt wird.
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Mit dem Symbol
«
n
k
wird ein sogenannter Binomialkoeffizient geschrieben.Diese Notation steht, wenn n eine
natürliche Zahl und k eine ganze Zahl bezeichnet, für den nachfolgenden Ausdruck:
8
n·(n−1)·...·(n−k+1)
n!
>
„
«
= k!·(n−k)!
, für n > k
<
1·2·...·(k−1)·k
n
(1)
:=
für n < k
0,
k
>
: 0,
für k < 0.
„
Für das Rechnen mit Binomialkoeffizienten gelten für alle n ∈ IN und k ∈ Z die nachfolgenden
Rechenregeln:
„
„
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n
k
n
k
«
„
=
«
„
=
n
n−k
n−1
k−1
«
,
«
(2)
„
+
n−1
k
«
.
(3)
46
Es gilt nämlich
„
n
k
«
n!
k! · (n − k)!
=
=
=
n!
(n − (n − k))! · (n − k)!
«
„
n
n−k
womit die erste Aussage folgt.
Um die zweite Aussage zu zeigen, überlegen wir uns, dass für n ≥ 1
„
und
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„
n−1
k−1
n−1
k
«
=
(n − 1)!
(k − 1)! · (n − k)!
=
(n − 1)!
.
k! · ((n − 1) − k)!
«
47
Wir addieren die beiden Ausdrücke und erhalten:
« „
«
„
(n − 1)!
(n − 1)!
n−1
n−1
+
+
=
k−1
k
(k − 1)! · (n − k)!
k! · ((n − 1) − k)!
=
=
=
(n − 1)! (k + (n − k))
(n − k)!k!
n!
k! · (n − k)!
„
«
n
.
k
Also gilt auch die zweite Aussage.
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