Montag 8.11.2010

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Mathematik für Physiker I, WS 2010/2011
Montag 08.11
$Id: funktion.tex,v 1.5 2010/11/09 17:37:49 hk Exp $
$Id: reell.tex,v 1.3 2010/11/09 17:38:03 hk Exp hk $
§3
Funktionen
In der letzten Sitzung hatten wir injektive, surjektive und bijektive Funktionen
definiert, und zwar war eine Funktion f : M → N

 injektiv, wenn f (x) = y für jedes y ∈ N höchstens eine Lösung x ∈ M hat,
surjektiv, wenn f (x) = y für jedes y ∈ N mindestens eine Lösung x ∈ M hat,

bijektiv, wenn f (x) = y für jedes y ∈ N genau eine Lösung x ∈ M hat.
Äquivalent konnte man sagen das die Funktion f genau dann bijektiv ist wenn sie
surjektiv und injektiv ist. Auch die Injektivität einer Funktion f : M → N hatte
verschiedene gleichwertige Umformulierungen
f ist injektiv ⇐⇒ ∀(x, y ∈ M ) : x 6= y ⇒ f (x) 6= f (y)
⇐⇒ ∀(x, y ∈ M )f (x) = f (y) ⇒ x = y.
Um diese Begriffe etwas einzuüben wollen wir jetzt ein grundlegendes Lemma über sie
beweisen.
Lemma 3.2 (Grundeigenschaften von Injektivität und Surjektivität)
Seien f : A → B und g : B → C zwei Funktionen.
(a) Sind f und g injektiv, so ist auch g ◦ f injektiv.
(b) Ist g ◦ f injektiv, so ist auch f injektiv.
(c) Sind f und g surjektiv, so ist auch g ◦ f surjektiv.
(d) Ist g ◦ f surjektiv, so ist auch g surjektiv.
Beweis: (a) Seien x, y ∈ A mit x 6= y. Da f injektiv ist, ist dann f (x) 6= f (y) und da
auch g injektiv ist, haben wir (g ◦ f )(x) = g(f (x)) 6= g(f (y)) = (g ◦ f )(y). Somit ist
auch g ◦ f injektiv.
(b) Seien x, y ∈ A mit x 6= y. Dann g(f (x)) = (g ◦ f )(x) 6= (g ◦ f )(y) = g(f (y)) und
insbesondere muss f (x) 6= f (y) sein. Damit ist f injektiv.
(c) Sei z ∈ C. Da g surjektiv ist, existiert ein y ∈ B mit z = g(y). Da weiter auch
f surjektiv ist, existiert auch ein x ∈ A mit y = f (x) und wir haben (g ◦ f )(x) =
g(f (x)) = g(y) = z. Damit ist g ◦ f surjektiv.
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(d) Sei z ∈ C. Da g ◦f surjektiv ist, existiert ein x ∈ A mit (g ◦f )(x) = z. Damit haben
wir das Element f (x) ∈ B mit g(f (x)) = (g ◦ f )(x) = z. Somit ist auch g surjektiv.
Wie schon früher angekündigt wollen wir den Begriff der Umkehrfunktion eine Funktion untersuchen. Ist f : M → N eine Funktion, so soll die Umkehrfunktion von f
bei gegebenen Wert y = f (x) ∈ N aus y das Argument x rekonstruieren, es ist also
die Gleichung f (x) = y nach x aufzulösen. Dass dies überhaupt möglich ist, bedeutet
das es für jedes y ∈ N auch genau eine Lösung x ∈ M von f (x) = y gibt, das also
die Funktion f bijektiv ist. In diesem Fall können wir die Lösung x von f (x) = y als
Funktion von y auffassen, und erhalten
Definition 3.3 (Umkehrfunktionen)
Seien M, N zwei Mengen und f : M → N eine bijektive Abbildung. Dann gibt es für
jedes y ∈ N genau ein Element f −1 (y) ∈ M mit f (f −1 (y)) = y, und wir nennen
f −1 : N → M ; y 7→ f −1 (y)
die Umkehrfunktion von f . Explizit ist dabei
f −1 = {(y, x)|(x, y) ∈ f }.
Letztere Formel kann man dann auch so interpretieren das die Umkehrfunktion f −1
aus f durch Spiegeln an der Diagonalen“ entsteht. Das Wort Spiegeln“ muss man
”
”
hierzu allerdings recht großzügig auslegen, um eine wirkliche geometrische Spiegelung
handelt es sich nur im Fall M, N ⊆ R, im allgemeinen Fall muss man sich halt das
Vertauschen der beiden Komponenten eines Paares als Spiegelung denken. Wir wollen
nun ein paar einfache Beispiele besprechen, bei denen wir keine wirklichen Rechnungen
durchführen müssen.
1. Wie schon früher in einem Beispiel bemerkt ist die Funktion
f : R≥0 → R≥0 ; x 7→ x2
bijektiv. Zum Bestimmen der Umkehrfunktion muss die Gleichung y = f (x) =
√
x2 gelöst werden, und dies geschieht durch x = y. Die Umkehrfunktion des
Quadrierens auf R≥0 ist also die Wurzelfunktion.
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2
2
1.8
1.8
1.6
1.6
1.4
1.4
1.2
y
1.2
y
1
1
0.8
0.8
0.6
0.6
0.4
0.4
0.2
0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
0
2
1.8
0.2
0.4
0.6
0.8
x
1
1.2
x
√
f −1 (x) =
f (x) = x2
1.4
1.6
1.8
2
x
2. Als nächtes wollen wir den Sinus betrachten, nur ist dieser leider weder injektiv
noch surjektiv. Dabei können wir die Surjektivität leicht erreichen indem wir die
Menge N = [−1, 1] = {x ∈ R| − 1 ≤ x ≤ 1} als Zielmenge verwenden. Um den
Sinus auch injektiv zu machen schauen wir uns nur Argumente x zwischen −π/2
und π/2 an. Wie schon früher einmal bemerkt, geben wir die Argumente der
trigonometrischen Funktionen immer im Bogenmaß an. Dann ist die Funktion
h π πi
sin : − ,
→ [−1, 1]; x 7→ sin x
2 2
bijektiv, und ihre Umkehrfunktion
h π πi
arcsin : [−1, 1] → − ,
2 2
wird als der Arcus Sinus bezeichnet.
1.5
1.5
1
1
y
y
0.5
–1.5
–1
–0.5
0
0.5
0.5
1
1.5
–1.5
–1
–0.5
0
x
0.5
1
1.5
x
–0.5
–0.5
–1
–1
–1.5
–1.5
f (x) = sin x
f
−1
(x) = arcsin x
3. Beim Cosinus sind die Verhältnisse weitgehend analog, nur müssen wir eine andere Menge als Definitionsbereich verwenden, zwischen −π/2 und π/2 ist der
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Cosinus nicht inkjektiv. Die übliche Wahl ist die Menge der Winkel zwischen 0
und π, d.h. wir betrachten die bijektive Funktion
cos : [0, π] → [−1, 1]; x 7→ cos x
und ihre Umkehrfunktion
arccos : [−1, 1] → [0, π]
wird als der Arcus Cosinus bezeichnet.
3
3
2
2
y
y
1
–3
–2
–1
0
1
1
2
3
–3
–2
0
–1
1
x
2
3
x
–1
–1
–2
–2
–3
–3
f (x) = cos x
f
−1
(x) = arccos x
4. Als letztes nehmen wir den Tangens. Dieser als Abbildung nach R surjektiv,
und betrachten wir ihn nur zwischen −π/2 und π/2 so ist er auch injektiv. Wir
nehmen also die bijektive Funktion
π π
h π πi n π πo
tan : − ,
:= − ,
\ − ,
→ R; x 7→ tan x
2 2
2 2
2 2
und ihre Umkehrfunktion
π π
arctan : R → − ,
2 2
heißt der Arcus Tangens.
1.5
1.5
1
1
y
y
0.5
–1.5
–1
–0.5
0
0.5
0.5
1
1.5
–1.5
–1
–0.5
0
x
0.5
1
x
–0.5
–0.5
–1
–1
–1.5
–1.5
f (x) = tan x
f
5-4
−1
(x) = arctan x
1.5
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Wir kehren jetzt zu unseren theoretischen Überlegungen zurück. Die Umkehrfunktion
einer bijektiven Funktion f : M → N ist wieder bijektiv mit
(f −1 )−1 = {(x, y)|(y, x) ∈ f −1 } = {(x, y)|(x, y) ∈ f } = f.
Die definierende Eigenschaft der Umkehrfunktion einer Funktion f : M → N war die
Gleichung f (f −1 (y)) = y für alle y ∈ N und diese kann man auch als
f ◦ f −1 = idN
lesen, wobei idN die sogenannte identische Funktion auf N ist, d.h.
idN : N → N ; y 7→ y.
Die identische Funktion auf einer Menge ist also die Funktion, die mit den Elementen
der Menge überhaupt nichts macht. Diese Funktion taucht überraschend häufig auf,
und erhält daher auch ihr eigenes Symbol. Ist jetzt wieder x ∈ M , so ist f −1 (f (x)) ∈ M
dasjenige Element u von M mit f (u) = f (x), also u = x und dies bedeutet f −1 (f (x)) =
x. Somit haben wir auch
f −1 ◦ f = idM .
Wir wollen diese Überlegungen jetzt zu einem Lemma über eine alternative Kennzeichnung der Umkehrfunktion ausbauen. Um den Nutzen des folgenden Lemmas zu
rechtfertigen, machen wir uns erst einmal klar was zu tun ist, um die Umkehrfunktion
f : M → N zu behandeln. Im ersten Schritt muss man sich überlegen, dass es überhaupt eine Umkehrfunktion gibt, d.h. man muss zeigen, dass die Funktion f bijektiv,
also sowohl injektiv als auch surjektiv, ist. Ist dies erledigt, so gibt es überhaupt eine
Umkehrfunktion und diese können wir durch Auflösen der Gleichung f (x) = y nach
x ermitteln. Hier gibt es oft eine gewisse Überlappung, die Rechnungen zum Auflösen
von y = f (x) sind häufig genau dieselben die schon zum Nachweis von Surjektiv und
Injektiv verwendet wurden.
Das folgende Lemma stellt jetzt ein alternatives Vorgehen bereit. Angenommen wir
haben schon einen Kandidaten h : N → M für die Umkehrfunktion. Wie man auf solch
einen Kandidaten kommt, hängt an der speziellen Situation, man kann beispielsweise
f (x) = y zumindest teilweise lösen oder oft kann man auch einfach geschickt raten.
Haben wir den Kandidaten h so reicht es f (h(y)) = y für alle y ∈ N und h(f (x)) = x
für alle x ∈ M nachzurechnen. Ist dies getan, so folgt sowohl das f bijektiv ist als auch
das h die Umkehrfunktion von f ist.
Lemma 3.3 (Kennzeichnung der Umkehrfunktion)
Seien M, N zwei Mengen und f : M → N eine Funktion. Dann ist f genau dann
bijektiv, wenn es eine Funktion g : N → M mit g ◦ f = idM und f ◦ g = idN gibt. In
diesem Fall ist g = f −1 .
Beweis: ”=⇒” Dass f ◦ f −1 = idN und f −1 ◦ f = idM gelten, haben wir bereits oben
eingesehen.
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”⇐=” Sei g : N → M eine Funktion mit g ◦ f = idM und f ◦ g = idN . Wir zeigen
zunächst das f injektiv ist. Seien also x1 , x2 ∈ M mit f (x1 ) = f (x2 ) gegeben. Dann
folgt
x1 = idM (x1 ) = (g ◦ f )(x1 ) = g(f (x1 )) = g(f (x2 )) = (g ◦ f )(x2 ) = idM (x2 ) = x2 .
Damit ist f zumindest injektiv. Sei jetzt y ∈ N . Dann haben wir das Element g(y) ∈ M
mit f (g(y)) = (f ◦ g)(y) = idN (y) = y. Dies zeigt zum einen, dass f surjektiv, und
damit sogar bijektiv, ist, und zum anderen das f −1 (y) = g(y) für jedes y ∈ N gilt, es
ist also g = f −1 .
Wir wollen das Lemma einmal anwenden um eine Formel für die Umkehrfunktion einer
Hintereinanderausführung zu beweisen.
Lemma 3.4 (Hintereinanderausführungen bijektiver Funktionen)
Seien f : A → B und g : B → C zwei bijektive Funktionen. Dann ist auch g◦f : A → C
bijektiv und es gilt
(g ◦ f )−1 = f −1 ◦ g −1 .
Beweis: Wir betrachten die Abbildung h := f −1 ◦ g −1 : C → A. Mit dem Assoziativgesetz der Hintereinanderausführung Lemma 1 ergibt sich
(g ◦ f ) ◦ h = g ◦ (f ◦ h) = g ◦ (f ◦ (f −1 ◦ g −1 )) = g ◦ ((f ◦ f −1 ) ◦ g −1 )
= g ◦ (idB ◦ g −1 ) = g ◦ g −1 = idC ,
und analog folgt auch h ◦ (g ◦ f ) = idA . Nach Lemma 3 ist g ◦ f bijektiv mit (g ◦ f )−1 =
h = f −1 ◦ g −1 .
Das g ◦ f bijektiv ist, folgt natürlich auch aus Lemma 2, wir wollten hier aber einen
davon unabhängigen Beweis vorführen.
§4
Die reellen Zahlen
In den bisherigen drei Kapiteln haben wir einige mathematische und logische Grundbegriffe eingeführt, beispielsweise Mengen, Aussagen, Quantoren und so weiter, einige mathematische Objekte definiert, beispielsweise konnten wir den Funktionsbegriff
vollständig auf den Begriff der Menge zurückführen, und wir haben auch schon einige Aussagen über unsere mathematischen Begriffe festgehalten. Wie schon bemerkt
sind mathematische Definitionen letztlich immer nur Abkürzungen und genau aus diesem Grund kann man Dinge über sie beweisen. Über die Grundbegriffe kann man
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streng genommen zunächst nichts beweisen. Daher werden einige Aussagen über die
Grundbegriffe von vornherein als wahr angenommen, und derartige Aussagen deren
Wahrheit als Grundannahme der Mathematik vorausgesetzt wird, sind die sogenannten Axiome. Zusätzlich benötigt man je nach gewählten Aufbau der mathematischen
Theorie auch noch Axiome über definierte Begriffe. Manchmal ergeben“ sich die Axio”
me für einen Grundbegriff aus seiner beschreibenden Erklärung. Wir haben beispielsweise schon mehrfach verwendet das zwei Mengen genau dann gleich sind wenn sie
dieselben Elemente haben. Schauen wir uns noch einmal die Cantorsche Definition“
”
einer Menge zu Beginn von §1 an, so erscheint die Aussage über Mengengleichheit als
Selbstverständlichkeit, daher haben wir sie ja auch einfach ohne weitere Skrupel benutzt. Streng genommen handelt es sich hier um eines der Axiome der Mengenlehre,
das sogenannte Extensionalitätsaxiom. Wir wollen die üblichen Axiome der Mengenlehre hier nicht weiter diskutieren, da dies für Anfänger eher verwirrend als hilfreich
ist.
Genau wie die Wahl der Grundbegriffe letzten Endes willkürlich ist, ist es auch recht
beliebig welche Axiome man verwendet. Es gibt eine übliche minimale Wahl, also ein
Axiomensystem das versucht mit möglichst wenig Axiomen und Grundbegriffen auszukommen. Dieses System werden wir aber nicht benutzen, da wir dann zum Anfang
beispielsweise nicht einmal wüssten was 2 + 3 sein soll, tatsächlich wären noch nicht
einmal 2 und 3 selbst definiert. Wir wählen ein reichhaltiger ausgestattetes Axiomensystem als unseren Startpunkt. Die folgenden Grundbegriffe und Axiome seien gegeben:
1. Der Mengenbegriff als einer der Grundbegriffe. Die Axiome für Mengen wollen
wir wie gesagt nicht hinschreiben, wir sehen einfach alles was wir nicht beweisen
können das aber plausibel klingt als Axiom an. Dieser Standpunkt wird manchmal
etwas euphemistisch als naive Mengenlehre“ bezeichnet.
”
2. Weiter denken wir uns die reellen Zahlen R und ihre Arithmetik als gegeben und
bekannt. Was damit genau gemeint ist, also was die Axiome für reelle Zahlen
sind, werden wir in diesem Kapitel noch näher besprechen.
3. Schließlich nehmen wir noch die übliche elementare Geometrie“ als bekannt
”
an, wir gehen also davon aus das wir wissen was Winkel, Flächen, Volumina, π
und die trigonometrischen Funktionen sind. Dies ist eigentlich überflüssig und
streng genommen auch keine besonders gute Idee, es erlaubt uns aber schon früh
vernünftige Beispiele zu haben, und auch die Einführung der komplexen Zahlen
läßt sich dann auch gleich etwas reichhaltiger durchführen. Hierfür werden wir
später einen Preis bezahlen müssen, aber dazu kommen wir wenn es soweit ist.
4.1
Die Arithmetik der reellen Zahlen
Wie gesagt denken wir uns die Menge R der reellen Zahlen als einen vorhandenen
Grundbegriff. Außerdem sollen die Grundrechenarten gegeben seien. Dies meint das
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wir zwei Abbildungen
+ : R × R → R und · : R × R → R
mit noch zu spezifizierenden Eigenschaften als gegeben annehmen. Dass hier Subtraktion und Division fehlen ist beabsichtigt, diese zählen wir nicht zu den vorgegebenen Grundoperationen sondern wir werden sie definieren. Die Axiome für Addition
und Multiplikation werden als die sogenannten Körperaxiome bezeichnet, das Wort
Körper“ hat hier aber nichts mit irgendwelchen geometrischen Objekten zu tun. Wir
”
listen die Körperaxiome jetzt auf:
Die Körperaxiome:
(A1) Das Assoziativgesetz der Addition: Für alle x, y, z ∈ R gilt
(x + y) + z = x + (y + z).
(A2) Das Kommutativgesetz der Addition: Für alle x, y ∈ R gilt
x + y = y + x.
(A3) Es gibt ein Element 0 ∈ R mit 0 + x = x für alle x ∈ R.
(A4) Für jedes x ∈ R gibt es ein Element −x ∈ R mit (−x) + x = 0.
(M1) Das Assoziativgesetz der Multiplikation: Für alle x, y, z ∈ R gilt
(x · y) · z = x · (y · z).
(M2) Das Kommutativgesetz der Multiplikation: Für alle x, y ∈ R gilt
x · y = y · x.
(M3) Es gibt ein Element 1 ∈ R mit 1 6= 0 und 1 · x = x für alle x ∈ R.
(M4) Für jedes x ∈ R mit x 6= 0 existiert ein x−1 ∈ R mit x−1 · x = 1.
(D) Das Distributivgesetz: Für alle x, y, z ∈ R gilt
x · (y + z) = x · y + x · z.
Im Distributivgesetz, und natürlich auch sonst, verwenden wir hier die übliche Konvention Punkt vor Strich“. Diese ist allerdings kein Axiom, ja nicht einmal eine mathe”
matische Aussage, sondern nur eine Frage der Notation. Auch Multiplikationszeichen
werden wir im Folgenden meist weglassen. Im Axiom (M3) ist es übrigens wirklich
notwendig 1 6= 0 zu fordern, lassen wir diese Bedingung weg, so könnte Null die einzige
reelle Zahl sein. Aus den Körperaxiomen kann man alle arithmetischen Rechenregeln
folgern. Diese Tatsache wollen wir hier nicht systematisch an allen möglichen Regeln
durchgehen, sondern wir werden hier nur exemplarisch einige ausgewählten Regeln
vorführen.
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1. Das Element 0 in Axiom (A3) ist eindeutig festgelegt. Ist nämlich auch 00 ∈ R
mit 00 + x = x für alle x ∈ R, so folgt
0 = 00 + 0 = 0 + 00 = 00 .
2. Für jedes x ∈ R ist das Element −x ∈ R in Axiom (A4) eindeutig festgelegt. Ist
nämlich y ∈ R ebenfalls mit y + x = 0, so folgt
y = 0 + y = y + 0 = y + ((−x) + x) = y + (x + (−x)) = (y + x) + (−x)
= 0 + (−x) = −x.
3. Während wir bisher jede Anwendung von Kommutativ- und Assoziativgesetz
gewissenhaft mit aufgeschrieben haben, wollen wir diese Zwischenschritte ab jetzt
fortlassen. Für alle x, y ∈ R ist −(x + y) = (−x) + (−y). Wir haben nämlich
((−x) + (−y)) + (x + y) = (−x) + (−y) + y + x = (−x) + 0 + x = (−x) + x = 0,
und mit der in Schritt 2 bewiesenen Eindeutigkeitsaussage folgt
(−x) + (−y) = −(x + y).
4. Für alle x ∈ R ist 0 · x = 0, denn wir haben
0 · x = (0 + 0) · x = 0 · x + 0 · x,
und somit auch
0 · x = (−0 · x) + 0 · x + 0 · x = (−0 · x) + 0 · x = 0.
5. Sind x, y ∈ R mit x · y = 0, so ist x = 0 oder y = 0. Hierzu müssen wir zwei Fälle
unterscheiden.
Fall 1. Ist x = 0, so sind wir bereits fertig.
Fall 2. Nun nehme x 6= 0 an. Mit Schritt (4) folgt dann
0 = x−1 · 0 = x−1 · (xy) = (x−1 x)y = 1 · y = y.
6. Die Regeln (1,2,3) gelten analog, und mit denselben Beweisen, auch für die Multiplikation, d.h. das Element 1 ∈ R in Axiom (M3) ist eindeutig bestimmt, für
jedes 0 6= x ∈ R ist das Element x−1 ∈ R in Axiom (M4) eindeutig bestimmt und
für alle x, y ∈ R\{0} ist
(xy)−1 = x−1 y −1 .
Beachte dabei das nach (5) überhaupt xy 6= 0 gilt.
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Dies soll an Beispielen erst einmal reichen. Wie schon bemerkt sind Subtraktion und
Division keine eigenständigen Rechenoperationen, sondern sie können in Termen von
Addition und Multiplikation definiert werden. Für x, y ∈ R definieren wir
x − y := x + (−y)
und für x, y ∈ R mit y 6= 0 sei
x
:= x · y −1 .
y
Als eine Übungsaufgabe werden Sie zeigen, dass dann die üblichen Bruchrechenregeln
gelten. Wie schon bemerkt ergeben sich aus den Körperaxiomen alle Rechenregeln für
die Grundrechenarten. Hiermit sind allerdings nur die Gleichheiten“ gemeint, also
”
Aussagen der Form · · · = · · · , bei Ungleichheiten sieht alles anders aus. Zum Beispiel
reichen die Körperaxiome nicht aus um 1 + 1 6= 0 zu beweisen, man kann mit ihnen
nicht einmal zeigen, dass es eine von Null und Eins verschiedene reelle Zahl gibt.
4.2
Die Anordnung der reellen Zahlen
Wir kommen zur nächsten Gruppe von Axiomen für die reellen Zahlen, diese beschäftigen sich nicht mehr nur mit Addition und Multiplikation sondern auch mit der KleinerGleich Beziehung zwischen reellen Zahlen. Neben der Addition und der Multiplikation
sei auf den reellen Zahlen noch eine Anordnung gegeben, d.h. für je zwei reelle Zahlen
x, y ist festgelegt ob x ≤ y gilt oder nicht. Diese Anordnung ist für uns ein Grundbegriff,
der die folgenden Axiome erfüllen soll:
Die Ordnungsaxiome:
(R) Das Reflexivitätsgestz: Für jedes x ∈ R ist x ≤ x.
(T) Das Transitivitätsgesetz: Für alle x, y, z ∈ R gilt
x ≤ y ∧ y ≤ z =⇒ x ≤ z.
(S) Die Antisymmetrie: Für alle x, y ∈ R gilt
x ≤ y ∧ y ≤ x =⇒ x = y.
(V) Die Ordnung ist total, d.h. für alle x, y ∈ R ist stets x ≤ y oder y ≤ x.
5-10
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