Gruppentheorie und Symmetrie in der Chemie

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Gruppentheorie und Symmetrie in der Chemie
Martin Schütz
Institut für theoretische Chemie, Universität Stuttgart
Pfaffenwaldring 55, D-70569 Stuttgart
Stuttgart, 3. Mai 2002
M. Schütz, Vorlesung Gruppentheorie und Symmetrie in der Chemie / 3. Mai 2002
Gruppen von Transformationsoperatoren
• Gegeben sei eine Gruppe G von Transformationsoperatoren G ∈ G , die auf
einen Vektor ~r ∈ L wirken (L entspricht etwa einem 2-D (L ≡ E2) oder
3-D (L ≡ E3) Raum von Ortskoordinaten):
• Die Operatoren G ∈ G wirken nur auf Ortskoordinaten in E3, nicht etwa auf
andere Objekte, wie etwa auf Funktionen f (~r) dieser Koordinaten.
• Um etwa Funktionen transformieren zu können, müssen neue Operatoren
OG definiert werden. Wie hängen diese neuen Operatoren OG mit den G ∈
G zusammen ?
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Gruppen von Transformationsoperatoren
• OG sei ein Transformationsoperator, der auf die Funktion f (~r) wirkt. Die
transformierte Funktion soll am Punkt G~r denselben Wert haben, wie die
ursprüngliche Funktion an ~r.
• es soll also gelten: OGf (~r 0) = OGf (G~r) = f (~r) = f (G−1~r 0),
und nach Umbenennung von ~r 0 auf ~r: OGf (~r) = f (G−1~r). Dies beschreibt
das Transformationsverhalten von Funktionen.
Man hätte vielleicht intuitiv so etwas erwartet wie OGf (~r) = f (G~r). Dies ist
aber falsch!
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Gruppen von Transformationsoperatoren
• Öfters ist es notwendig, ein Produkt zweier Funktionen zu transformieren
OGf (~r)g(~r) = OGh(~r) = h(G−1~r) = f (G−1~r)g(G−1~r)= OGf (~r)OGg(~r).
• Beispiel:
f (~r) = X(~r) = he1|~ri
g(~r) = Y (~r) = he2|~ri


1 −1 0
√
D(G) = 22  1 1 0  , D(G−1) =
0 0 1


1 1 0
2  −1
1 0 .
2
0 0 1
√
OGX(~r)Y (~r) = OGX(~r)OGY (~r) = X(G−1~r)Y (G−1~r)
= X([x y z]D(G−1))Y ([x y z]D(G−1))
=
√
2
2
√
(x(~r) − y(~r)) 22 (x(~r) + y(~r))= 12 (x(~r)2 − y(~r)2)
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Gruppen von Transformationsoperatoren
• Betrachte zwei aufeinanderfolgende Transformationen HG~r = F ~r. Für die
Funktion f (~r) gilt dann:
OH OGf (~r) = OH f (G
−1
~r) = f (G
−1
= f (F −1~r) = OF f (~r)
−1 −1
H ~r ) = f ([HG] ~r)
⇒ HG = F impliziert also OH OG = OF .
• Fortan werden wir nicht mehr OG (für Funktionen) und G (für Vektoren) verwenden, sondern nur noch G. Man sollte sich aber des Unterschieds zwischen Transformationen von Funktionen und Transformationen von Vektoren
bewusst sein!
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Basisfunktionen von Irreps
• {f1, . . . , fn} sei eine Menge von Funktionen f (~r) mit demSkalarprodukt
Z b
hfi|fj i =
fi∗(~r)fj (~r)dω.
a
• Die Funktionen (f1 . . . fn) leben in einem n-dimensionalen Vektorraum, dem
Hilbertraum L .
• Die Funktionen (f1 . . . fn) transformieren unter dem linearen Operator G ∈
G (oder eigentlich OG) untereinander wie
G(f1 . . . fn) = (f1, . . . , fn)D(G).
• Eine Teilmenge von nα Funktionen {f1α, . . . , fnαα }, die untereinander wie
G(f1α . . . fnαα ) = (f1α . . . fnαα )Dα(G)
transformieren, nennt man Basisfunktionen der irreduzible Darstellung α.
• Die ite Partnerfunktion in der Menge {f1α, . . . , fiα, . . . , fnαα } wird als Symmetriespezies (α, i) bezeichnet.
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Projektionsoperatoren
• Die Funktionen {f1α, . . . , fnαα }, ∀α bilden eine neue Basis für den n-dim. Hilbertraum L : Für eine beliebige Funktion f ∈ L gilt deshalb
nα
nα
XX
XX
α
α
α
f=
cα
f
,
und
es
gilt
:
Gf
=
c
Gf
(1)
i i
i
i .
α
α
i=1
i=1
• Andererseits gilt für die einzelnen Symmetriespezies
nα
X
Gfiα =
fjαDα
ji (G).
(2)
j=1
• Einsetzen von (2) in (1) ergibt: Gf =
nα
XX
α α
cα
f
i j Dji (G).
α i,j=1
• Multiplikation von (3) mit Dβkl(G)∗ und Summation über G ∈ G :
nα
X β
XX
X β
∗
α
α
ci
Dkl(G)∗Dα
Dkl(G) Gf =
ji (G)fj
G
α i,j=1
G
nα
X
X
g α
GOT
β g β
α
=
ci δαβ δkj δli fj = cl fk
nα
nβ
α i,j=1
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(3)
Projektionsoperatoren
• Wie wir gerade gesehen haben gilt:
P
∗
Dα
ij (G) Gf
G
g α
=
f .
nα i
• Wir definieren nun Projektionsoperatoren (Projectors)
P
α
ii
nα X α
=
Dii(G)∗G,
g
G
• und Schiebeoperatoren (Shift Operators)
P
α
ji
nα X α
=
Dji(G)∗G, (i 6= j).
g
G
α
• Für einen Projektionsoperator gilt: P α
ii f = fi (oder 0),
projiziert die (α, i)te Symmetriespezies aus f heraus.
α
α
α
Pα
ist
hermitisch
und
idempotent:
P
P
=
P
ii
ii
ii
ii .
α
α
• Für einen Schiebeoperator gilt: P α
ji fi = fj
erzeugt die Partnerfunktion fjα zu fiα.
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Projektions- und Schiebeoperatoren, Beispiel: S 3
P 111XY Z
P 211XY Z
P 311XY Z
P
3
21 χ3
=
1
6
{(123) + (312) + (231) + (132) + (321) + (213)}XY Z
=
1
6
{XY Z + ZXY + Y ZX + XZY + ZY X + Y XZ} = χ1
=
1
6
{(123) + (312) + (231) − (132) − (321) − (213)}XY Z
=
1
6
{XY Z + ZXY + Y ZX − XZY − ZY X − Y XZ} = χ2
=
1
6
{2(123) − (312) − (231) + 2(132) − (321) − (213)}XY Z
=
1
6
{2XY Z − ZXY − Y ZX + 2XZY − ZY X − Y XZ} = χ3
=
√
2 3
6 2
=
1 1
√
2 36
{ 2ZXY − Y ZX − XY Z + 2Y XZ − XZY − ZY X}
+
1 1
√
2 36
{−2Y ZX + XY Z + ZXY − 2ZY X + Y XZ + XZY }
+
1 1
√
2 36
{−2ZY X + Y XZ + XZY − 2Y ZX + XY Z + ZXY }
+
1 1
√
2 36
{ 2Y XZ − XZY − ZY X + 2ZXY − Y ZX − XY Z}
=
1
√
2 3
{(312) − (231) − (321) + (213)}χ3
{ ZXY − Y ZX + Y XZ − ZY X} = χ4
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Projektions- und Schiebeoperatoren
• Durch kombiniertes Anwenden eines Projektionsoperators P α
ii und nα − 1
Schiebeoperatoren P α
ji , j 6= i auf eine beliebige Funktion f im Hilbertraum
L kann eine vollständige Basis (bestehend aus nα Symmetriespezies) für
Irrep α erzeugt werden.
• i kann frei gewählt werden. Es können deshalb nα Basissätze erzeugt werden, wovon man durch Wahl von i einen selektiert.
• Alternativ kann ein Projektionsoperator auch über die Charakter χα(G) der
Irrep α, anstatt über die Elemente ihrer Darstellungsmatrizen Dα(G) definiert
werden:
nα X α
α
P =
χ (G)∗G.
g
G
Partnerfunktionen können so allerdings nicht erzeugt werden
(keine Schiebeoperatoren).
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Räumliche Symmetrie von Molekülen
• Voraussetzung: Born-Oppenheimer Approximation: Separation von
Kern- Elektronenbewegung (ein Molekül wird als fixes Kerngerüst betrachtet, um das sich die Elektronen bewegen).
• Symmetrietransformationen: Transformationen im Raume der Ortskoordinaten, die das Kerngerüst nicht verändern.
• Räumliche Transformationen:
Cn Rotation von 2π/n um Drehachse
Cnk Rotation von 2kπ/n um Drehachse
Sn Rotation von 2π/n um Drehachse plus Spiegelung an Ebene
senkrecht zur Drehachse (Drehspiegelachse, Drehspiegelung)
Snk Drehspiegelung von 2kπ/n um Drehspiegelachse
σ
Spiegelung an einer Ebene
i
Inversion bezüglich des Ursprungs (Punktspiegelung)
• Ein Molekül ist chiral, falls es als einzige Symmetrieelemente nur Drehachsen enthält.
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Drehspiegelungen
• Beispiel Aethan (“staggered”): C–C Bindungsachse ist C3 und S6 Achse:
• Die Existenz einer Sn, n gerade Drehspiegelachse impliziert die Existenz
einer Cn/2 Drehachse, nicht aber die Existenz einer Cn Drehachse und einer
σ Spiegelebene.
• Die Existenz einer Sn, n ungerade impliziert die Existenz einer Cn Drehachse und einer σ Spiegelebene und ist deshalb uninteressant.
• S2 = i
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Molekulare Punktgruppen
• Axiale Systeme:
Eine Hauptdrehachse (höchster Zähligkeit, eventuell unendlicher Ordnung):
Cn
C nv
C nh
S 2n
Dn
D nh
D nd
nur eine n-zählige Drehachse Cn
nur eine Drehachse Cn plus Spiegelebenen, die Cn enthalten
nur eine Drehachse Cn plus Spiegelebene senkrecht zu Cn
2n-zählige Drehspiegelachse
Drehachse Cn plus 2-zählige Drehachsen senkrecht zu Cn
D n plus Spiegelebene senkrecht zu Hauptdrehachse
D n plus 2n-zählige Drehspiegelachse
• Kubische und ikosahedrische Gruppen:
T
Td
Th
O
Oh
I
Ih
Rotationsuntergruppe des Tetraeders
Symmetrie des Tetraeders
Rotationsuntergruppe des Tetraeders plus Inversion
Rotationsuntergruppe des Würfels
Symmetrie des Würfels
Rotationsuntergruppe des Ikosaeders
Symmetrie des Ikosaeders
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Symmetrie und Quantenmechanik, der Hamiltonoperator
• Nach der Born-Oppenheimer Näherung wird der Gesamt-Hamiltonoperator
in einen elektronischen Hamiltonoperator
X
1 X 2 X −1 X
−1
−1
∇i +
rij −
ZAriA +
ZAZB RAB
,
Ĥel = −
2 i
i>j
i,A
A>B
mit fixen Kernkoordinaten {RA} und einen Hamiltonoperator der KernbeweX 1
gung
k
Ĥnuc =
∇2A + Eel
({RA})
2MA
A
k
zerlegt. Eel
({RA}) in Ĥnuc ist die elektronische Energie des kten Zustands
(kter Eigenwert von Ĥel) als Funktion der Kerngeometrie {RA}.
• Ĥel ist invariant bezüglich Transformationen G, die {RA} unverändert lassen. Solche Transformationsoperatoren G kommutieren mit Ĥel: [Ĥel, G] = 0
• Ĥel ist auch invariant bezüglich Permutationen von Elektronen.
Ĥnuc ist invariant bezüglich Permutationen von Kernen gleichen Typs.
• Ĥel und Ĥnuc kommutieren mit Spinoperatoren ⇒ zusätzliche Symmetrien.
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Symmetrie und Quantenmechanik
• Zeitunabhängige Schrödingergleichung für stationären Zustand Ψk
ĤΨk = Ek Ψk
(Ĥ ist der Hamiltonoperator des Systems).
• Gegeben sei eine Gruppe G von Transformationsoperatoren G ∈ G , die mit
Ĥ kommutieren
ĤG = GĤ, und GĤG−1 = Ĥ.
⇒ Ĥ ist invariant unter G , oder anders ausgedrückt
totalsymmetrisch bezüglich der Elemente G ∈ G .
• Es gilt:
ĤGΨk = GĤG−1GΨk = GĤΨk = GEk Ψk = Ek GΨk
⇒ Die transformierte Wellenfunktion GΨk ist also Eigenfunktion von Ĥ
mit Eigenwert Ek .
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Symmetrie und Quantenmechanik
1. Der Eigenwert Ek sei nicht entartet. Es gilt dann:
GΨk = χα(G)Ψk ,
wobei α für eine nicht entartete (1-dimensionale) Irrep von G steht.
2. Der Eigenwert Ek sei n-fach entartet
es existieren dann n Partnerfunktionen Ψpk , p = 1 . . . n, und es gilt:
X q κ
p
q
κ
1
n
GΨk = (Ψk . . . Ψk . . . Ψk )D (G) =
Ψk Dqp(G).
q
αn
1
n
• Annahme: κ sei reduzibel: ⇒ neue Basis (Φα1
k . . . Φk ) = X̂(Ψk . . . Ψk ), in
der Dκ0(G) = X−1Dκ(G)X blockdiagonal ist (verschiedene Blöcke α). Es gilt
κ
αn
1
n
1
n
G(Φα1
k . . . Φk ) = GX̂(Ψk . . . Ψk ) = (Ψk . . . Ψk )D (G)X
κ0
αn
= (Ψ1k . . . Ψnk)XX−1Dκ(G)X = (Φα1
.
.
.
Φ
)D
(G)
k
k
⇒ Dκ0(G) mischt von insgesamt n nur nα Funktionen Φαi
k mit gleichem α
(kein Grund für gleichen Energiewert bei verschiedenem α)
⇒ κ ist deshalb irreduzibel, ausser bei zufälliger Entartung
(versteckte Symmetrien)
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Symmetrie und Quantenmechanik
• Wellenfunktionen transformieren bezüglich G ∈ G , [G, Ĥ] = 0 somit wie
Basisfunktionen der Irreps der Gruppe G .
• Wellenfunktionen können deshalb bezüglich der Irreps von G klassifiziert
werden.
• Wie wir noch sehen werden, erlaubt dies auch Aussagen über die spektroskopischen Eigenschaften des Systems (Auswahlregeln).
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