IAS-Konferenz Sydney, 22.-25 Juli 2007 Medizinische Prävention (biomedical prevention) Armin Schafberger, MPH Axel J. Schmidt, MPH Referent für Medizin und Gesundheitspolitik Deutsche AIDS-Hilfe e.V. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschungsgruppe Public Health Wissenschaftszentrum Berlin Bericht von der 4. IAS-Konferenz in Sydney für HIV im Dialog, 31.8.2007 Prävention: Maßnahmen zur Vermeidung eines schlechteren Gesundheitszustandes Kuration, Rehabilitation: Maßnahmen zur Erreichung eines besseren Gesundheitszustandes A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Primärprävention: Verminderung von (Teil-)Ursachen bestimmter Erkrankungen oder von Krankheit überhaupt Sekundärprävention: Entdeckung von biomedizinisch eindeutigen (auch symptomlosen) Frühstadien einer Erkrankung und deren Frühtherapie sowie Rezidivprophylaxe Tertiärprävention: Verhütung / Verzögerung der Verschlimmerung einer manifesten Erkrankung bzw. Verminderung / Milderung bleibender, insbesondere sozialer Funktionseinbußen A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Strukturelle Primärprävention: Versuch der Veränderung kulturell und sozial produzierter Verhaltensmuster in der Gesellschaft bzw. vulnerabler Gruppen. („Sexaffirmative“ Haltungen, Diskriminierungsfreie Umgebung, allgemeine und zielgruppenadäquate Aufklärung über Risiken, breite Verfügbarkeit von Kondomen) HAART-Primärprävention - allgemeiner früherer Therapiebeginn zum Schutz der Allgemeinheit? - individuell früherer Therapiebeginn zum Schutz bestimmter oder unbestimmter Partner? Individuelle nicht-medizische Primärprävention: Versuch der Veränderung individueller Verhaltensmuster. (weniger Risiken beim Sex, individuelle & kontextabhängige Verwendung von Kondomen) Individuelle medizinische Primärprävention chirurgische Maßnahmen (Beschneidung), medikamentöse Maßnahmen (PEP, PrEP, rektale Mikrobizide), Diaphragma mit oder ohne Mikrobizide, Schutzimpfungen A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Medizinische Prävention Beschneidung Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) Diaphragma Vaginale Mikrobizide Rektale Mikrobizide A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Beschneidung Eintrittspforten für HIV: Innere Vorhaut Frenulum (Bändchen) McCoombe SG and Short RV Potential HIV-1 target cells in the human penis. AIDS 2006, 20:14911495 Beschneidung Interventionsstudien mit heterosexuellen Männern Ort Südafrika 2005 Kenia 2006 Uganda 2006 Schutzeffekt Schutzeffekt ITT in % AT in % (intend-to-treat) (as treated) 60 53 51 76 60 55-60 WHO 60% Beschneidung MSM in den Anden Anden: konzentrierte Epidemie (MSM) Steigende Infektionszahlen trotz Präventionsmaßnahmen Wirkung bei heterosexuellen Männern belegt (~60%) Unterschiede zwischen Schleimhaut der Vagina und Schleimhaut des Enddarms Unterschiede bezüglich Positionierung (MSM z.T. sowohl insertiv als auch rezeptiv) Frage: Ist eine Beschneidungsstudie durchführbar? Guanira et al. Beschneidung MSM in den Anden Ort Lima (Peru) Arequipa (Peru) Ica (Peru) Guayaquil (Equador) Gesamt ausschließlich insertiv 30 58 49 33 40 hauptsächlich insertiv 12 8 4 7 8 50 % insertiv 22 12 12 29 20 hauptsächlich rezeptiv 18 7 9 8 11 ausschließlich rezeptiv 19 16 27 24 21 N = 2048, Altersdurchschnitt 26 J Angaben in % Guanira et al. Beschneidung MSM in den Anden Bislang niedrige Beschneidungsrate bei MSM in der Andenregion Guanira et al. Beschneidung MSM in den Anden Frühe Syphilis HIV-Prävalenz HIV-Inzidenz Hohe Raten an STI und HIV Keine Assoziation zwischen HIV-Infektion und Beschneidungsstatus. Aber: geringe Power, da nur wenige Beschnittene Guanira et al. Beschneidung MSM in den Anden Bereitschaft zur Beschneidung: Steigt mit Schulbildung; höher in großen Städten Guanira et al. Beschneidung MSM-Kohorte in Sydney Hintergrund: Interventionsstudien bislang nur bei heterosexuellen Männern Ca. 1500 HIV-negative MSM Jährliche ausführliche Interviews zu Sexualverhalten STI- und HIV-Tests Beschneidungsstatus stichprobenhaft kontrolliert: 2/3 sind beschnitten Follow-up (Median): 3 Jahre Beschneidung MSM in Sydney Beschneidungsstatus 49 Serokonversionen Ergebnis: Circumcision = Beschneidung HR = Hazard Ratio (Risikoverhältnis zwischen 2 Gruppen) CI = Konfidenzintervall KEIN Unterschied zwischen Beschnittenen und Nicht-Beschnittenen Templeton et al. MSM in Sydney: multivariate Analyse Beschneidung Templeton et al. Beschneidungsstatus Alter Zuwachs pro Jahr Ungeschützter Analverkehr (UAI) und Partner-Status Gonorrhoe (Tripper) rektal Tripper Feigwarzen (selbst berichtet) Beschneidung MSM in Sydney ohne ungeschützten rezeptiven Analverkehr Beschneidungsstatus Templeton et al. 9 Serokonversionen Circumcision = Beschneidung HR = Hazard Ratio CI = Konfidenzintervall Ergebnis für MSM ohne ungeschützten rezeptiven Analverkehr AUCH KEIN Unterschied zwischen Beschnittenen und Nicht-Beschnittenen Medizinische Prävention Beschneidung Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) Diaphragma Vaginale Mikrobizide Rektale Mikrobizide A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 http://www.prepwatch.org PrEP Ort Population Zwischenanalyse Medikament Abschluss Interventionsstudien, laufend Thailand 2000 Botswana 1200 Hetero TDF / FTC ~2009 1400 TDF / FTC ~ 2010 Peru/Ecuador IVD MSM TDF Frühjahr 2008 Sommer 2009 Interventionsstudien in Planung Ost-/Südafrika Frauen TDF / FTC Kenia/Uganda disk. het. Paare TDF / FTC Studien zu Sicherheit USA 400 MSM TDF Studien zu Sicherheit in Planung Thailand Frauen TDF / FTC ~ 2008 PrEP Warum gerade TDF und FTC?? Einmal tägliche Einnahme, wenig Nebenwirkungen Lange intrazelluläre Halbwertszeit (s.u.) PrEP Warum gerade TDF und FTC?? Konzentration von HIVMedikamenten im männlichen Genitaltrakt im Vergleich zum Serum TDF 500% TDF 400% FTC 600% Konzentration von HIVMedikamenten im weiblichen Genitaltrakt im Vergleich zum Serum Cohen, Kashuba 2007 PrEP Was wird, wenn die PREP kommt? Vorteile: - Medikamente bereits zugelassen - USA und Deutschland: off-label auf Privatrezept möglich - keine Entwicklung von Produktionskapazitäten erforderlich - keine neuen Vertriebswege (Arzt-Apotheker) - Methode für Frauen UND Männer - Unabhängig vom Zeitpunkt der Exposition - Wirkt eventuell bei verschiedenen Expositionen (vaginal, anal, IVD) - Absetzen in Zeiten geringen Risikos möglich PrEP Was wird, wenn die PREP kommt? PrEP Was wird, wenn die PrEP kommt? Nachteile und offene Fragen: - Resistenzentwicklung bei Infektion trotz PrEP - Resistenzentwicklung bei PrEP trotz Infektion - „Druck“ auf SexarbeiterInnen („da gibt es doch die Pille“) - Langzeitnebenwirkungen - Hoher Preis: 480 €/Monat für TDF in Deutschland 770 €/Monat für TDF/FTC - Hochprävalenzländer: Treat or Prevent? - Tägliche Einnahme für ein Risiko 1/Woche oder 1/Monat bei unklaren Langzeitnebenwirkungen - Warum wird nicht zwischen Präexpositions- und Dauerprophylaxe unterschieden? Medizinische Prävention Beschneidung Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) Diaphragma Vaginale Mikrobizide Rektale Mikrobizide A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Diaphragma Interventionsstudie Diaphragma/Gel + Kondom vs. Kondom >5000 Frauen in Südafrika und Zimbabwe Beratung (jedes Quartal) und Testung 3 Jahre Beobachtungszeit erwartete HIV-Inzidenz 4% Nancy S. Padian Diaphragma Diaphragma Gel oft verwendbar „female controlled“ ohne Wissen des Mannes weltweit erhältlich over the counter-Produkt gebräuchliches Gel zur Befeuchtung der Scheide nicht-kontrazeptiv Nancy S. Padian Diaphragma Ergebnisse 1 Diaphragma-Gruppe hat keinen zusätzlichen Schutz vor HIV Nancy S. Padian Diaphragma Ergebnisse 2 Kontrollgruppe (Kondom) Interventionsgruppe (Diaphragma + Kondom) Niedrigerer Kondomgebrauch in Diaphragma-Gruppe ! Nancy S. Padian Diaphragma Ergebnisse 3 Compliance Kontrollgruppe (Kondom) 85 % Kondomgebrauch Interventionsgruppe (Diaphragma-Kondom) 70 % Diaphragmagebrauch 50 % Kondomgebrauch Power der Studie, eine Reduktion der HIV-Inzidenz um > 1/3 (33%) zu entdecken, ist geringer als 25% Nancy S. Padian Diaphragma Ergebnisse Zusammenfassung Diaphragma bietet in dieser Studie -zusätzlich zum „Präventionspaket“ (Kondom, intensive Beratung, HIV-Test und STI-Behandlung)keinen zusätzlichen Schutz vor HIV Nancy S. Padian Diaphragma weiterhin offene Fragen Ist die Zervix (Gebärmutterhals) die gegen HIV empfindlichste Stelle bei der Frau? Ist das Diaphragma so gut wie das Kondom? Ist das Diaphragma besser als nichts? Sind andere Barriereverfahren besser? Wäre das Diaphragma wirkungsvoller in Kombination mit einem Mikrobizid? Nancy S. Padian Diaphragma Weiterhin gut als Klinkenschutz Badewannenstöpsel Regenhut für die Katze Frisbee Diaphragma Offene Frage für Präventionsstudien Soll man die Gruppen weiterhin randomisieren oder wählt man in die Diaphragma-Gruppe / oder beide Gruppen diejenigen, die sowieso weniger Kondome verwenden? Medizinische Prävention Beschneidung Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) Diaphragma Vaginale Mikrobizide Rektale Mikrobizide A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Vaginale Mikrobizide Cellulose-Sulfat-Mikrobizid-Studie abgebrochen 2500 Frauen in Benin, Indien, Uganda, Südafrika Mikrobizid auch kontrazeptiv wirksam Studie untersucht Wirkung auf: HIV-Transmission Chlamydien- und Gonokokken-Transmission Lut van Damme Vaginale Mikrobizide Studienpopulation (CS=Cellulose-Sulfat vs. Placebo) Lut van Damme Vaginale Mikrobizide Zwischenergebnisse (CS=Cellulose-Sulfat vs. Placebo) und Abbruch der Studie am 26. Januar 2007 Auch Cellulose-Sulfat-Studie in Nigeria (FHI = Female Health International) aus Sicherheitsgründen abgebrochen Lut van Damme Vaginale Mikrobizide Erklärungen Aufnahme von HIV in die Zielzellen gefördert?? Klinisch nicht sichtbare Entzündungsprozesse oder eine Immunschwäche in der Schleimhaut durch Mikrobizid?? Scheidenflora gestört?? Lut van Damme Medizinische Prävention Beschneidung Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) Diaphragma Vaginale Mikrobizide Rektale Mikrobizide A. Schafberger, A. J. Schmidt: Medizinische Präventionskonzepte – 4. IAS-Konferenz in Sydney. „HIV-im-Dialog“, 31.8.2007 Rektale Mikrobizide Rektale Mikrobizide Häufigkeit von Analverkehr (AI) bei Heterosexuellen Ian McGowan Rektale Mikrobizide Kumulierte Häufigkeit von Analverkehr (AI) bei heterosexuellen Frauen in Südamerika und Afrika Ian McGowan Rektale Mikrobizide Wird der Analkanal selbst als Infektionsort zu wenig beachtet (im Gegensatz zum Enddarm)? Rektale Mikrobizide Anatomie des Rektums (Enddarm) Dünne empfindliche Schleimhaut (Blutgefäße sind sichtbar) Nach „oben“ keine Begrenzung, großes Lumen Wieviel Mikrobizid erforderlich? Einschichtiges Epithel, Zotten, große Schleimhautoberfläche Ian McGowan Ian McGowan Rektale Mikrobizide Rektum (Enddarm) - Scheide / Vorhaut Rektale Mikrobizide Präklinische Studien zur Sicherheit Ian McGowan Rektale Mikrobizide Schädigung der Rektalen Schleimhaut ist ein zentrales Problem bei Mikrobiziden. Beispiel: Nonoxynol-9 Vorher (ohne N-9) nach 15 min nach 2 Stunden nach 15 min nach 2 Stunden nach 8 Stunden Schnelle Schädigung schon nach 15 Minuten Rückbildung nach 8 Stunden Rektale Mikrobizide Wie ist das eigentlich mit der Osmolalität? Gleitmittel, Wasser, Einläufe, Sperma…. physiologisch: ~230 mOsm/kg Osmolalität gibt Teilchenanzahl der osmotisch aktiven Substanzen (Salz, Zucker, Proteine) pro Kilogramm Lösungsmittel (Wasser) an. Rektale Mikrobizide Effekt von hyper-osmolaren Lösungen auf die Schleimhaut iso-osmolar hyper-osmolar Rektale Mikrobizide Phase 1 Studien starten (bald) Ian McGowan Rektale Mikrobizide Carballo-Dieguez et al. Rektale Mikrobizide Relativ hohe Prävalenz von ungeschütztem Analverkehr auch bei Heterosexuellen 88% der MSM benutzen Gleitgel* 26% benutzen noch Gleitgel, das Nonoxynol-9 enthält* Ian McGowan Rektale Mikrobizide Affen: nur 2 von 6 Affen infizieren sich wenn ein Mikrobizid 15 min vor rektaler Exposition angewendet wird IAS-Konferenz Sydney, 22.-25 Juli 2007 Medizinische Prävention (biomedical prevention) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! A. Schafberger, A. J. Schmidt: Bericht von der 4. IAS Konferenz in Sydney