Pflanzliche Wirkstoffe gegen Krebsstammzellen

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Pflanzliche Wirkstoffe gegen Krebsstammzellen
Viele Befunde deuten darauf hin, dass der Verzehr von Kohlgemüse mit seinem Reichtum an
Senfölglykosiden eine krebshemmende Wirkung hat. Heidelberger Forscher haben jetzt
nachgewiesen, dass Sulforaphan, ein Senföl aus Brokkoli, einen Signalweg blockiert, der
Tumorstammzellen resistent gegen Chemotherapeutika macht. Durch Gabe von Sulforaphan
können im Tiermodell die Therapieresistenz und Metastasierung von
Bauchspeicheldrüsenkrebs verhindert werden.
Verschiedene Kohlgemüse mit hohem Anteil an Senfölglykosiden. © Universitätsklinikum Heidelberg
Charakteristisch für die große Pflanzenordnung der Brassicales (Kreuzblütlerartige), zu der die
Pflanzenfamilie Kreuzblütler (Brassicaceae; früher als Cruciferae bezeichnet) mit der Gattung
Kohl (Brassica) und ihre Verwandten gehören, sind bestimmte schwefelhaltige Inhaltsstoffe, die
Senfölglykoside. Sie dienen der Abwehr von Fressfeinden und werden in den Vakuolen
besonderer Zellen der Blätter, Stängel oder Wurzeln gespeichert. Kommt es zu einer Verletzung
der Zellen, zum Beispiel durch Fäulnis, Insektenbefall oder Raupenfraß, wird durch bestimmte,
im Zytoplasma der Pflanzenzellen lokalisierte Enzyme (Myrosinasen) von den aus den Vakuolen
freigesetzten Senfölglykosiden die Zuckerkomponente abgespalten. Aus dem schwefelhaltigen
Rest entstehen Senföle (Isothiocyanate), die den Pflanzen einen scharfen oder bitteren
Geschmack und manchmal auch stechenden Geruch verleihen.
Man hat bei den Kohlgewächsen mehr als 150 verschiedene Senfölglykoside nachgewiesen, die
in unterschiedlichen Zusammensetzungen und Mengen vorkommen. Viele Vertreter dieser
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Pflanzengruppe werden vom Menschen für die Ernährung oder als Gewürze genutzt, darunter
Senf, Meerrettich, Kresse, Raps, Rauke (Rucola), Rettich und Radieschen sowie Kohlrabi,
Brokkoli, Blumenkohl und alle anderen Kohlsorten auch.
Schon in der Heilkunst der griechisch-römischen Antike und in der traditionellen chinesischen
Medizin wurde den Kohlgewächsen eine heilsame Wirkung zugeschrieben, die von der
modernen Medizin durch Ernährungsstudien und experimentelle pharmakologische
Untersuchungen bestätigt worden ist. Als besonders interessant hat sich unter den vielen
getesteten Substanzen das Senfölglykosid Glukoraphan erwiesen, aus dem das aktive
Isothiocyanat Sulforaphan abgespalten wird. Die Substanz war 1992 erstmals aus Brokkoli, wo
sie in hohen Konzentrationen vorkommt, isoliert und beschrieben worden.
Vielfältige Schutzfunktionen von Sulforaphan
Prof. Dr. Ingrid Herr © Universitätsklinikum Heidelberg
Die Wirkung von Sulforaphan bei Krebskrankheiten und seine Verwendung als Therapeutikum
ist ein Forschungsschwerpunkt von Prof. Dr. Ingrid Herr und ihrer Arbeitsgruppe “Molekulare
OnkoChirurgie”, einer Kooperationseinheit zwischen der Chirurgischen Universitätsklinik
Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Ein krebshemmender Einfluss der
Substanz war in den letzten zehn Jahren schon häufig beschrieben worden, so bei Leukämien
und Melanomen sowie bei Dickdarm- und Lungenkrebs. Diese Befunde stimmen auch mit
Ernährungsstudien überein, in denen gefunden wurde, dass mit dem häufigen Verzehr von
Brokkoli und anderen Kohlgemüsen das Risiko deutlich herabgesetzt ist, an Brustkrebs zu
erkranken. Bei Prostatakrebs schien bei entsprechender Ernährung das Risiko, Metastasen zu
bilden, um die Hälfte verringert zu sein. Die molekularen Mechanismen, auf denen die Wirkung
von Sulforaphan beruht, blieben jedoch umstritten.
Sicher ist, dass Sulforaphan - ein starkes Antioxidans - an verschiedenen Stellen im
Stoffwechsel eingreift, beispielsweise durch Stimulation des programmierten Zelltodes (
Apoptose), durch Blockierung der Zellteilung, durch Aktivierung von Entgiftungsenzymen in der
Leber (sogenannte Phase-II-Enzyme der Biotransformation) sowie durch Stimulation der
Glutathion-Biosynthese und antioxidierender Enzyme, die für die Neutralisierung von freien
Radikalen verantwortlich sind. Alle diese Mechanismen können bei den für die Krebsentstehung
entscheidenden Prozessen eine Rolle spielen.
Ingrid Herr und ihre Mitarbeiter haben in Experimenten an Krebszellen und an Mäusen gezeigt,
dass Sulforaphan den NF-κB-Signalweg blockiert, der wahrscheinlich für diese
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unterschiedlichen Aktionen von zentraler Bedeutung ist. NF-κB („nuclear factor kappa-lightchain-enhancer of activated B-cells“) ist ein in nahezu allen Zelltypen vorkommender
Transkriptionsfaktor , der durch die Bindung an Regulationssequenzen auf der DNA die
Expression zahlreicher Gene beeinflusst. Neben seiner Bedeutung für die Immunantwort durch
B-Lymphozyten, für die Zellvermehrung und die Apoptose ist der NF-κB-Signalweg von
entscheidender Bedeutung bei Entzündungsprozessen.
Synergie-Effekte bei Bauchspeicheldrüsenkrebs
Pankreaskarzinom; histologisches Präparat. © Pathologie, Universitätsklinikum Heidelberg
An der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg ist das Europäische Pankreaszentrum
eingerichtet worden, an dem die Bemühungen um eine Verbesserung der Therapie für
Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) fokussiert werden. Dieser gehört
zu den Krebserkrankungen mit den schlechtesten Prognosen. Oft wird die Erkrankung erst in
fortgeschrittenem Stadium erkannt, und in etwa 95 Prozent der Fälle sterben die Patienten
innerhalb eines Jahres nach der Diagnose.
Der Tumor ist weitgehend resistent gegenüber einer Behandlung mit etablierten
Chemotherapeutika und hat eine starke Tendenz zu metastasieren. Wie Ingrid Herr erklärt,
sind allein die Vorläuferzellen des Tumors, die Krebsstammzellen, dafür verantwortlich, „dass
der Tumor unkontrollierbar wächst, in weitere Organe streut und resistent gegenüber
gängigen Krebstherapien ist“ (s. "Preisgekrönte Forschungsergebnisse: Wie Brokkoli-Wirkstoffe
die Krebstherapie unterstützen", Link rechts). Die Untersuchungen der Heidelberger
Wissenschaftler haben gezeigt, dass sich diese Krebsstammzellen vor den Chemotherapeutika
durch die Aktivität des NF-κB-Signalweges schützen.
Durch Sulforaphan konnten Herr und ihr Team den Signalweg blockieren und die
Pankreaskrebs-Stammzellen für den Angriff von Chemotherapeutika sensibilisieren. An Mäusen
mit transplantierten Stammzellen menschlicher Pankreaskarzinome prüften die Forscher
auch, ob Sulforaphan aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften die Wirkung einer
Chemotherapie abschwächt, wie es zur Zeit bei antioxidativ wirkenden Vitaminen diskutiert
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wird. Die Tierversuche zeigten das Gegenteil: Sulforaphan verstärkte die Wirksamkeit der
Medikamente gegen die Krebsstammzellen, und zwar ohne zusätzliche Nebenwirkungen auf
gesunde Zellen oder Organe. Wenn die Mäuse eine Kombinationstherapie aus einem
Chemotherapeutikum wie Sorafenib zusammen mit Sulforaphan erhielten, wurden das
Wachstum des Tumors gestoppt und seine Metastasierung verhindert. Um diese ermutigenden
Ergebnisse von Laborversuchen auf die Situation von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs
übertragen zu können, sind jedoch klinische Studien erforderlich.
Nahrungsmittel gegen Krebs
Brokkoli-Gemüse, eine ergiebige Quelle von Sulforaphan. © E. Jarasch
Aus den bisherigen Befunden lässt sich - zusammen mit den erwähnten Ernährungsstudien schließen, dass die Aufnahme des Brokkoli-Inhaltsstoffs Sulforaphan bei einer Erkrankung am
Pankreaskarzinom und wohl auch anderen Krebsarten einen positiven Effekt hat.
Möglicherweise hat Sulforaphan sogar eine vorbeugende Wirkung. Es gibt außerdem zahlreiche
Untersuchungen, die zeigen, dass pflanzliche Senfölglykoside und ihre Abkömmlinge wie
Sulforaphan auch bei Infektionen durch Bakterien oder Viren und anderen Krankheiten helfen
können.
In einem Informationsblatt des Universitätsklinikums Heidelberg für Patienten (s. Link oben
rechts) gibt Prof. Ingrid Herr Hinweise, wie man ausreichende Mengen an Wirkstoff durch
Verzehr von Brokkoli und anderen Kohlsorten zu sich nehmen kann. Es werden auch Tipps
gegeben, wie man Brokkoli-Sprossen, die besonders reich an Sulforaphan sind, selbst züchten
kann. Im Internet werden auch Sulforaphan-Präparate (Extrakte oder gefriergetrocknete
Sprossen) angeboten. Es wird aber geraten, sich nicht nur auf eine Quelle oder
Darreichungsform zu beschränken. Man hat inzwischen für eine ganze Reihe anderer
Pflanzenstoffe nachgewiesen, dass sie gegen Tumorstammzellen wirken können. Einer davon
ist das ebenfalls in Kohlgemüse (aber auch vielen anderen Obst- und Gemüsesorten)
enthaltene Polyphenol Quercetin. Die Heidelberger Krebsforscher empfehlen daher eine
ausgewogene, überwiegend pflanzliche Ernährung mit hohem Rohkostanteil, um eine
breitgefächerte Wirkstoffmischung gegen Tumorstammzellen aufzunehmen.
Publikation:
Kallifatidis G, Labsch S, Rausch V, Mattern J, Gladkich J, Moldenhauer G, Büchler MW, Salnikov AV, Herr I:
Sulphoraphane increases drug-mediated cytotoxicity toward cancer stem-like cells of pancreas and prostate.
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Molecular Therapy (2011), 19 (1), 188-195.
Fachbeitrag
29.04.2013
EJ
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Informationsblatt des Universitätsklinikums Heidelberg für
Patienten
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Bioaktive pflanzliche Lebensmittel: Mehr als nur Sattmacher
Krebstherapie und Krebsdiagnostik
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