Die ökonomische Rolle des Staates 8.Vorlesung Demokratische

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Die ökonomische Rolle des Staates 8.Vorlesung
Demokratische Willensbildung:
„Ökonomische Theorie der Demokratie“ oder„Neue Politische
Ökonomie“
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Die Koordinierung des Handelns in der Demokratie erfolgt zu einem
erheblichen Teil durch Wahlen bzw. Abstimmungen (Legislative) und
über hierarchische Strukturen (Exekutive)
Zwei grundlegende Fragen
1.
Erklärung und Prognosemöglichkeiten von Handlungsmustern für
Menschen in anderen sozialen Rollen als denen, in denen sie auf
Märkten auftreten (Politiker, Beamte, Richter...)
2.
Entscheidungsmechanismen („Präferenzaggregation“) und die
Probleme der demokratischen Willensbildung
Dazu einleitend:
Ein interessantes und oft weniger beachtetes Problem ist das, dass die
bisherige Präsentation von Aufgaben und Aufgabenlösungen Ökonomen
und Entscheidungsträger in einer besonderen Stellung sieht,nämlich für
Ökonomen: für Regierungen die objektiv beste Lösung zu finden.
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Und für Entscheidungsträger (Politiker): Interesse an optimalen
Lösungen, wobei sie sich bei der Umsetzung paternalistisch oder wie
wohlwollende Diktatoren verhalten.
Was Letztere betrifft, so sprechen sowohl die ökonomische Logik als
auch empirische Befunde dagegen: Auch Politiker sind „homini
oeconomici“, die ihren Nutzen maximieren indem sie eigennützige Ziele
verfolgen: Sie wollen an der Macht bleiben und ihr Einkommen sichern
usw., was benevolentes Handeln relativiert.
Ihr Handeln wird zwar von diesen Motiven (Präferenzen) bestimmt, aber
sie können nicht ganz beliebig das tun und lassen, was sie wollen:
Sie unterliegen zwei Arten von Beschränkungen
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Erstens erlauben das die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht
(lassen sich zwar ignorieren, aber nicht ausser Kraft setzen)
Zweitens müssen sich Politiker den Bürgern in Wahlen stellen und
brauchen die Mehrheit der Stimmen (so mancher hat versucht, dem
dadurch zu entgehen, dass er sich diktatorische Machtbefugnisse
zugelegt hat → „nichtdemokratische“ Entscheidungen, können Aufstände
bewirken → dazu „An economic theory of revolutions“ von Gordon
Tullock!)
Analog lässt sich auch das Verhalten von Verwaltungsbeamten
(Bürokraten), ja selbst Richter und Staatsanwälte oder den Chefs von
Notenbanken als Nutzenmaximierung und Randbedingungen
analysieren.
Diese Theorie kann viele Mißstände in der Wirtschaft und Gesellschaft
oft besser erklären, als die traditionelle Theorie der Wirtschaftspolitik!
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Die ökonomische Theorie der Politik kann allerdings weniger gut
verwendet werden, um die Art und den Einsatz von Instrumenten zur
Erreichung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen zu berechnen.
Aber sie kann helfen, die Mängel in den „Spielregeln“ von Demokratie
und Wirtschaftspolitik besser zu verstehen und entsprechende
Verbesserungen in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
herbeizuführen
(etwa ein Wahlrecht, das bestimmte Gruppen weniger bevorzugt oder
eine Verteilung von Kompetenzen, die weniger Anreiz zum Missbrauch
gibt: hier ist ein gutes Beispiel die Notwendigkeit der Einstimmigkeit von
Beschlüssen im Ministerrat und die Regel, dass nur der Ministerrat, nicht
aber einzelne Minister Gesetzesanträge einbringen dürfen usw.)
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Zum Handlungs- und Verhaltensmuster:
Politiker (gelegentlich auch „Politische Parteien“):
An die Stelle der Nutzenmaximierung tritt die Maximierung von Macht und
Einfluss, ev.auch kombiniert mit Einkommen und Ansehen.
Die Realisierung kann auf zwei Wegen gesehen werden (die einige
Gemeinsamkeiten aufweisen):
Erster Weg dorthin führt über das Instrument
der Maximierung von Wählerstimmen. Dazu muss der Politiker wissen oder
„erraten“, was die Präferenzen der Wählerschaft bezüglich politischer
Massnahmen sind (dazu später noch mehr). Politiker operieren dann mit
Wahlprogrammen, welche eine Mehrheit der Wähler ansprechen.
Zweiter Weg: Die „Theorie des politischen Unternehmertums“. Politiker
haben hier die gleichen Ziele wie vorher, bringen aber zu deren Realisierung
ihre speziellen Fähigkeiten zum Verhandeln und taktischen Durchsetzen der
Wünsche bestimmter Wählergruppen (Parteien) ein. Sie verdingen sich
gewissermassen im Tausch gegen Einkommen und Unterstützung solchen
Gruppen.
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Bürokraten: Sie maximieren PPP: Pay, Power und Prestige und nutzen dabei
vor allem ihre Wissensvorsprünge gegenüber der Legislative und der
Wählerschaft.
Dieser Ansatz ist wichtig für eine „Theorie des Staatsversagens“, die man der
„Theorie des Marktversagens“ gegenüberstellen kann.
Im Rahmen dieser Vorlesung werde ich nur gelegentlich darauf zurückkommen
[Es gibt aber eine Verbindung zur Privatisierungsdirkussion].
Wähler: Sie maximieren ihren Nutzen entsprechend ihren (politischen)
Präferenzen.
Sie geben daher jenem Politiker (jener Partei) ihre Stimme, von der sie sich den
höchsten Beitrag zu ihrem Ziel erwarten können.
Problem dabei ist oft: Das Wissen um die Wahlprogramme, noch mehr aber die
geringe Wahrscheinlichkeit, mit der eigenen Stimme einen Wahlgang
entscheidend beeinflussen zu können
→ Theorie der Wahlbeteiligung
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Ein einfacher Kalkül der Nutzen und Kosten der Wahlbeteiligung:
Stimmabgabe V = p.B – C
p: Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Stimme Einfluss hat
B: Benefizien aus dem unterstützten Wahlprogramm
C: Kosten der Wahlbeteiligung
→ Dieser einfache Kosten-Nutzen-Kalkül lässt es sehr unwahrscheinlich sein,
dass jemand zur Wahl geht
→ Hypothese von der rationalen Unwissenheit (oder besser: Uninformiertheit)
Variante V = p.B – C + D
D: „Sozialisation“, bürgerliches „Pflichtgefühl“...
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Das Grundmodell der ökonomischen Theorie der Demokratie:
Wirtschaftssystem reagiert
und kreiert Informationen,
vor allem Arbeitslosenrate,
Inflationsrate, ev. auch
Einkommen
Wähler geben ihre
Stimmen entsprechend
der empfangenen Daten
ab
Regierung verwendet ihre
Instrumente zur
Steuerung der Wirtschaft
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Das Problem der Willensbildung
1.1 Das Grundproblem
1.2 Direkte Demokratie: Einstimmigkeit, qualifizierte Mehrheit oder einfache
Mehrheit?
Orientierung: Pareto – Optimum bzw. Pareto – Effizienz; neuere Entwicklung:
das Konzept der fairen Allokation, Sonderfall des Altruismus
Das Problem, bei mehreren Alternativen zu einer einstimmigen Lösung zu
gelangen und die möglichen Auswege  Wahlparadoxon, verallgemeinert im
Arrow´schen Unmöglichkeitstheorem
„Ausweg“ Medianwählermodell
Die besondere Antwort der Wohlfahrtsökonomie  der Kompensationstest
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(die folgenden drei Punkte sind Gegenstand der 9.Vorlesung)
1.3 Repräsentative Demokratie: Politische Unternehmer, Parteienwettbewerb,
vergessliche oder „faule“ Wähler und siegreiche (minimale) Koalitionen;
die Berücksichtigung der Intensität von Präferenzen im Stimmentausch
1.4 Der Einfluß von Interessengruppen und –verbänden: Rentenstreben und
Lobbying
1.5 Wahlkämpfe, Wahlkampfausgaben und Wählermobilisierung
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Ad 1.1. Grundproblem Ausgangspunkt 1:
Lindahls Modell der „voluntaristischen“ Parteieneinigung auf Versorgungsniveau
und den Finanzierungsschlüssel
G
H=
h+
(1H)
G*
G Versorgungsniveau
G* Einigungsniveau
H Finanzbedarf
h Finanzierungsanteil
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Dazu Wicksell: Die Macht des Veto bei der Forderung nach Einstimmigkeit,
wenn einzelne Stimmberechtigte einen extremen Standpunkt einnehmen; daher
Forderung nach „Quasi-Einstimmigkeit“, um die Macht des Veto zu brechen.
Außderdem sollte über Versorgungsniveau und Finanzierung nie getrennt
abgestimmt werden!
Ad 1.1. Grundproblem Ausgangspunkt 2:
Dazu illustrativ: das Condorcet-Paradoxon
Wähler/Alternative
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2
3
Kollektives Ergebnis
A
B



2:1
C



A



2:1 2:1
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Verallgemeinerung: Arrow: Die Unmöglichkeit, eine einstimmige soziale
Auswahlfunktion aus individuellen Präferenzordnungen zu gewinnen oder: Unter
bestimmten Voraussetzungen sind freiwillige, einstimmige Ergebnisse
unmöglich!
Da schon die Forderung nach Einstimmigkeit eine Entscheidung darüber
voraussetzt, was wiederum die Einigung auf einen Wahlmodus voraussetzt
(Problem des infiniten Regress), operiert Arrow mit Postulaten für eine freie
Gesellschaft
1. Alle Präferenzreihungen sind zugelassen
2. Jeder muß das Recht haben, daß seinem Wunsch entsprochen wird
3. Niemandes Wunsch darf den der anderen dominieren
4. Irrelevante Alternativen sind ausgeschlossen
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Abhilfe: Verzicht auf wenigstens eine der Bedingungen für das obige
Ergebnis (Duncan Black „The Theory of Committees and Elections“)
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3
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Alternativen: z.B.
Höhe des Budgets
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b) Übergang auf einen anderen Begründungsansatz (Theorie der
Verfassungsverträge)
Anwendung des Medianwählermodells in der (direkten) Demokratie
Wie im einfachen Fall von zwei führenden Parteien die
Strategie zur Erringung der einfachen Stimmenmehrheit
aussieht (das Modell von Hotelling)
[n/2] + 1
Sonnenanbeter (Wähler) geordnet von links nach rechts 1 ….n
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Problematik der Präferenzen, Information, Wahlbeteiligung
Ideologie bzw. Sozialisation (dazu Beiträge im american Political Science
Review)
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