Deutsches Ärzteblatt 1989: A-151

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THE RED CROSS
Afghanistan:
HOSPITAL
FOR kigidN WAR
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Die Diplomaten gehen —
das Rote Kreuz kommt
Am 15. Februar will die Rote
Armee Afghanistan vollständig verlassen haben. Bis dahin halten die
Kämpfe an, ja, sie werden heftiger.
Die Botschaften schicken ihr Personal nach Hause. Unterdessen treffen
Mitarbeiter des Internationalen Roten Kreuzes in Kabul ein.
„Wir arbeiten hier mit dem Segen beider Seiten, das heißt sowohl
der Regierung als auch der Opposition", erklärte Jean-Jacques Fresard, Leiter des Teams des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz
in Kabul. Die Stadt wird regelmäßig
von den Mudschaheddin-Stellungen
in den umliegenden Bergen aus unter Raketenbeschuß genommen, so
daß einige Botschaften, einschließlich der amerikanischen Vertretung,
äußerst skeptisch waren, als das
IKRK im Oktober mit dem Bau eines 50-Betten-Hospitals in Kabul
begann.
Inzwischen hat das Rote Kreuz
seine Kapazitäten ausgebaut und
wird bald über 120 bis 150 Krankenhausbetten verfügen. Gegenwärtig
sind 60 IKRK-Mitarbeiter einschließlich zweier chirurgischer
Teams in Kabul tätig, die noch von
weiteren medizinischen Spezialisten
Unterstützung erhalten sollen. Bislang hat das Rote Kreuz einen Posten in der nordwestlichen Stadt Herat nahe der Grenze zu Iran und der
UdSSR errichtet, wo Verletzten erste Hilfe gewährt werden kann.
Unterdessen haben sich die Botschaftsgebäude in Festungen verwandelt mit Panzerverkleidungen
vor den Eingängen und stacheldrahtbewehrten Mauern. Die Leute
erwarten nach Angaben eines Diplomaten, daß sich die Mitglieder
der regierenden Kommunistischen
Partei und des gefürchteten Geheimdienstes Khad nach dem 15. Februar in die ausländischen Vertretungen flüchten werden. Dort arbeitet gegenwärtig nur noch ein Notstab, die Angehörigen wurden alle
nach Hause geschickt. „Das Rote
Bisher waren die Hilfsorganisationen in der Regel nicht in Afghanistan direkt vertreten,
sondern in Grenznähe in Pakistan. Hier zum Beispiel das IKRK-Hospital in Peshawar
Kreuz geht ein Risiko ein. Kabul
könnte schlimmer als Beirut werden` befürchtete ein Diplomat.
Die Hauptstadt ist zu einem politischen und militärischen Einsatz
geworden, um den sich Regierungstruppen und die rivalisierenden Rebellen-Gruppen streiten. „Die Gefahr für die Zivilbevölkerung besteht gerade in diesem Wettlauf, den
sich die Parteien der Mudschaheddin liefern, um als erste in der Stadt
zu sein", erklärte ein Diplomat.
Die Ärzte in Kabul
sind überlastet
Die Mitarbeiter des Roten
Kreuzes können solche Aussichten
nicht schwanken machen: „Das gesamte Team ist zum Bleiben bereit.
(. . .) Der größte Teil unseres ständig im Ausland arbeitenden Personals ist sehr erfahren; einige waren
bereits in Beirut und Angola" , berichtete ein Rot-Kreuz-Helfer. „Ich
bin froh, daß das IKRK Erste-HilfeStationen für die Mudschaheddin in
den Provinzen Kandahar, Kunar
und Paktia einrichtet", erklärte er,
da die Rebellen die IKRK-Teams
nämlich zunächst mit sowjetischen
Soldaten verwechselt hatten. Die
meisten Afghanen in Kabul zeigen
ihren Haß, den sie gegen die Rotarmisten hegen, ganz offen, und Kinder bewerfen manchmal Ausländer
mit Steinen, weil sie sie für Sowjets
halten.
In dem Krankenhaus des Roten
Kreuzes, dessen Fenster mit Sandsäcken zugestopft wurden, sind die
Ärzte überlastet: Amputationen von
durch Minen zerfetzten Gliedmaßen, Versorgung von Schrapnellwunden und schweren Verbrennungen sind an der Tagesordnung. Unter den Brandopfern sind häufig
Kinder, die von Magnesiumleuchtkugeln der Luftabwehr getroffen
wurden. Damit sollen die nur in
zwölf Kilometer Entfernung von der
Hauptstadt abgeschossenen BodenLuft-Raketen der Mudschaheddin
abgelenkt werden, die durch Wärme
gelenkt werden. Am tödlichsten sind
die Leuchtkugeln, die von Hubschraubern aus niedriger Höhe abgeschossen werden, weil sie nicht
selten noch brennend auf Häuser
und Menschen fallen. Den städtischen Krankenhäusern mangelt es
häufig an dem zuständigen Personal,
das solche Fälle behandeln könnte,
oder an Arzneimitteln, so daß die
Hilfe des IKRK benötigt wird.
„Seit Frühjahr 1988 dürfen wir
auch regelmäßig die Hunderte von
Häftlingen im Gefängnis Pul-iScharki und in der Jugendhaftanstalt
Dar-ul-Tabib besuchen. Wir gehen
aber auch in Gefängnisse in Herat
und Masar-i-Scharif", berichtete der
IKRK-Teamleiter Fresard. Keine
Besuchserlaubnis haben die RotKreuz Helfer hingegen für die Untersuchungshaftanstalten sowie für
die Gefängnisse des Khad.
Gilles Bertin/afp
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Dt. Ärztebl. 86, Heft 4, 26. Januar 1989 (15)
A-151
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