Viren als Ursache der ambulant erworbenen Pneumonie

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© 2004
Schattauer GmbH
Viren als Ursache der ambulant erworbenen
Pneumonie
B. Schweiger
Nationales Referenzzentrum für Influenza, Robert Koch-Institut, Berlin
Schlüsselwörter
Keywords
Ambulant erworbene Viruspneumonie, konventionelle respiratorische Viren, Influenzavirus, Respiratory Syncytial
Virus
Community-aquired viral pneumonia, conventional respiratory viruses, influenza virus, respiratory syncytial virus
Zusammenfassung
Acute respiratory tract infections are caused by a variety of
viruses. Only some of them are considered conventional respiratory viruses such as influenza virus, respiratory syncytial virus (RSV), parainfluenza virus, adenoviruses, rhinoviruses, and enteroviruses excluding polioviruses and coronaviruses. The disease is mainly restricted to the upper respiratory tract with generally a good prognosis. Infants, immunocompromised patients, persons with underlying diseases and the elderly are more prone to develop serious or
life-threatening disease.
This paper discusses conventional respiratory viruses along
with data on the etiology and epidemiology. The most important etiologic agents associated with community acquired pneumonia (CAP) during infancy are RSV and parainfluenza viruses whereas CAP in adults is – according to
CAPNETZ-data mainly caused by influenza virus and RSV.
Akute respiratorische Erkrankungen werden durch eine
Vielzahl von Viren, hauptsächlich jedoch durch die „konventionellen“ respiratorischen Viren wie Influenza-, Respiratory Syncytial (RS)-, Parainfluenza-, Adeno-, Rhino-, Entero- und Coronaviren verursacht. Die Erkrankungen bleiben überwiegend auf die oberen Luftwege beschränkt.
Kleinkinder, Immunsupprimierte, Personen mit vorbestehenden chronischen Erkrankungen und ältere Menschen
haben ein erhöhtes Risiko für virale Infektionen des unteren
Respirationstrakts und schwere Infektionsverläufe.
In diesem Beitrag werden die „konventionellen“ respiratorischen Viren vorgestellt und ausgewählte Daten bezüglich
Ätiologie und Epidemiologie diskutiert. Für ambulant erworbene Pneumonien im Kleinkindalter sind vorrangig RSund Parainfluenzaviren verantwortlich. Bei Erwachsenen
kommt bei ambulant erworbener Pneumonie entsprechend
der CAPNETZ-Daten den Influenzaviren und RSV die größte
Bedeutung zu.
A
kute Erkrankungen der oberen
Atemwege sind überwiegend auf
Infektionen mit respiratorischen
Viren zurückzuführen. Eine Vielzahl von
Viren (>150) kann den Respirationstrakt infizieren, aber nur einige davon werden als
„konventionelle“ respiratorische Viren
(KRV) bezeichnet. Dazu zählen die Influenzaviren, RS-, Parainfluenza-, Rhino- und
Enteroviren, ausgenommen die Polioviren,
sowie Corona- und Adenoviren. In die
Gruppe der KRV sind auch die vor kurzem
beschriebenen humanen Metapneumoviren
einzuordnen (35).
Generell verursachen die KRV zwar eine
hohe Morbidität, sind aber in der Regel mit
einer guten Prognose für die Infektion assoziiert. Schwere Verläufe einschließlich
Summary
Viruses causing community acquired pneumonia
Med Welt 2004; 55: 327–31
Pneumonie wurden überwiegend in den sogenannten Risikogruppen wie älteren Menschen, chronisch Kranken und Immunsupprimierten beobachtet. Diese Daten stammen weitestgehend aus kleineren Studien
mit definierten Patientengruppen.
Eine der Zielstellungen von CAPNETZ
besteht darin, virologische und epidemiologische Daten in Deutschland zu erheben
und somit Informationen zur Rolle von konventionellen respiratorischen Viren bei ambulant erworbener Pneumonie (CAP) basierend auf einem großen Patientenkollektiv zu
erhalten. Schwerpunkt unseres CAPNETZProjekts bilden die Influenza-, RS-, Adenound Enteroviren. Bei 11% der CAP-Patienten konnte ein Virus identifiziert werden.
Influenza- und RS-Viren kam die größte
Bedeutung zu, während Adeno- und Enteroviren je einen Anteil von 8% einnahmen.
Influenzaviren
Influenzaviren sind umhüllte Viren mit einem einzelsträngigen segmentierten RNAGenom negativer Polarität. Sie bilden die
Familie der Orthomyxoviridae und werden
in die Typen A, B und C unterteilt. Von epidemiologischer Bedeutung sind allein die
Typ-A- und -B-Viren. Influenza-A-Viren
besitzen neben dem Menschen noch ein
großes tierisches Reservoir und werden aufgrund ihrer antigenen Eigenschaften in eine
Vielzahl von Subtypen differenziert. Besonders charakteristisch für die Influenzaviren
ist ihre große Variabilität. Die kontinuierliche Veränderung der Hüllproteine resultiert
in einer Antigendrift, die eine jährliche Aktualisierung des Impfstoffs erfordert. Aufgrund des segmentierten Genoms dieser Viren besteht die permanente Gefahr einerAntigenshift durch genetisches Reassortment
oder direkte Speziestransmission und somit
eines pandemischen Infektionsgeschehens
(39).
Die Infektion mit Influenzaviren erfolgt
über virushaltige Aerosole. Zu den charakteristischen Symptomen zählen der akute
Krankheitsbeginn mit plötzlich auftretendem Fieber, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie ein trockenen Husten. Gefürchtete Komplikationen einer Influenza
sind vor allem Pneumonie, Myokarditis, Perikarditis und Enzephalopathie (39).
Die primäre virale Pneumonie, die innerhalb weniger Tage zum Tod führen kann,
tritt vor allem bei Angehörigen von Risikogruppen wie älteren Menschen und Personen mit chronischen Herz- und Lungenerkrankungen auf. Über ein Drittel der Fälle
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wurde allerdings bei Personen ohne Vorerkrankungen und bei Schwangeren beobachtet. Die viral-bakterielle Pneumonie
kommt wesentlich öfter als die primäre virale Pneumonie vor und wird am häufigsten
als Koinfektion mit Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus beobachtet. Die Mortalität
lag bei diesen beiden Pneumonie-Syndromen bei 12%, stieg aber bei Koinfektion mit
Staphylococcus aureus auf bis zu 42% (39).
Schwere und fatale Verläufe bei primär
viraler und viral-bakterieller Pneumonie bei
Kindern und jungen Erwachsenen ohneVorerkrankungen sind bekannt und in einzelnen
Fallberichten beschrieben. (23, 33). Über eine Pneumonierate von fast 50% wurde bei
hospitalisierten Influenzapatienten berichtet. Eine bakterielle Koinfektion war nur in
40% der Fälle nachweisbar. Die Mortalitätsrate betrug 29%. Zu den Pneumoniepatienten zählten auch gesunde Erwachsene, aber
in der Mehrzahl waren es ältere Menschen
mit schweren chronischen Erkrankungen
(28).
Angaben über die Häufigkeit des Nachweises von Influenza in Zusammenhang mit
einer Pneumonie schwanken je nach Studiendesign und Zeitraum. In einer Langzeitstudie wurden bei 18% der Pneumoniepatienten KRV nachgewiesen mit in der Hälfte der Fälle als einzigem Pathogen. Influenzaviren waren mit 64% am häufigsten vertreten. Diese Ergebnisse stehen im wesentlichen in Übereinstimmung mit früheren Daten. Das höchste Risiko für eine primäre
Pneumonie besaßen Patienten mit chronischen Herzerkrankungen (7). Andere Untersuchungen wiesen Influenzaviren mit 7%
als das nach Streptococcus pneumoniae und
Haemophilus influenzae am dritthäufigsten
identifizierte Pathogen aus (21).
Eine sekundäre bakterielle Pneumonie
als Folge einer Influenza ist die am häufigsten auftretende Komplikation. Die Erkrankung beginnt mit einer typischen Influenzasymptomatik, gefolgt von einer über wenige
Tage einsetzenden Besserung und den dann
beginnenden Anzeichen einer Pneumonie.
Oft bleibt ein Influenzanachweis in dieser
Phase negativ. Bei dieser milderen Form der
Pneumonie wurde eine Mortalitätsrate von
7% beschrieben (39).
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Trotz sporadischer Todesfälle bei Kindern und gesunden Erwachsenen entfällt die
überwiegende Zahl der während einer Influenzawelle in interpandemischen Perioden
registrierten Hospitalisierungen und Todesfälle auf die sogenannten Risikogruppen
(31, 34). Daher wird auch vor allem diesem
Personenkreis eine Influenzaschutzimpfung
empfohlen, deren Wirksamkeit in vielen
Studien dokumentiert wurde (26). Für die
Therapie einer Influenza stehen Neuraminidasehemmer zurVerfügung. Eine rechtzeitige Therapie kann dazu beitragen, schwere
Verläufe sowohl bei Personen ohne Vorerkrankung als auch bei Angehörigen von
Risikogruppen zu reduzieren (19). Es wurde
auch über den therapeutischen Einsatz bei
Influenza-Pneumonie berichtet, die Effektivität dieser Therapie bedarf jedoch noch einer umfassenden Evaluierung (28).
Basis für die Ermittlung der Exzessmortalität im Zusammenhang mit einer Influenzaepidemie ist ein gut ausgebautes Influenza-Surveillancesystem, wie es in Deutschland in enger Zusammenarbeit zwischen der
Arbeitsgemeinschaft Influenza und dem
Nationalen Referenzzentrum für Influenza
besteht. Schätzungen gehen davon aus, dass
während der Influenzasaison 2002/03 etwa
15 000–16 000 Personen direkt oder indirekt an den Folgen einer Influenza verstarben (1). Daten aus den USA belegen, dass
etwa 70% aller Influenza-assoziierten Todesfälle auf die Rubrik chronische Atemwegs- und Kreislauferkrankungen und 16%
auf die Rubrik Pneumonie und Influenza
entfielen (34). Sowohl die nationalen als
auch die internationalen Überwachungsdaten belegen damit die große Bedeutung,
die der Influenza in Zusammenhang mit einer Pneumonie zukommt.
Respiratory Syncytial Virus
(RSV)
RSV ist ein Negativstrang-RNA-Virus, das
in die Familie der Paramyxoviridae und innerhalb dieser in den Genus Pneumovirus
eingeordnet wurde. RS-Viren sind weltweit
verbreitet mit einem saisonalen Auftreten
innerhalb der nördlichen Breitengrade. Der
Gipfel der Aktivität ist im Winter, wobei so-
wohl der Zeitraum als auch die Intensität ihres Auftretens sehr schwanken können.
Das klinische Bild der RSV-Infektion variiert mit dem Lebensalter. Die primäre Infektion bis zum Alter von 2 Jahren ist gewöhnlich symptomatisch und schließt auch
oft den unteren Respirationstrakt mit ein.
RS-Viren sind im Kleinkindalter die häufigste Ursache von Bronchiolitis und Pneumonie. Therapeutische Optionen umfassen
den Einsatz von Ribavirin als Aerosol, Immunglobulin sowie zeitlich begrenzt einen
monoklonalen RSV-Antikörper zur Prophylaxe. Im Laufe des Lebens kommt es immer
wieder zu Reinfektionen, die mit Erkrankungen des oberen und unteren Atmungstrakts verbunden sind und im Schweregrad
von subklinischer Infektion bis zu Pneumonie und fatalen Verläufen rangieren (4).
Bei Erwachsenen ohne Vorerkrankung
verläuft die RSV-Infektion selten schwer
oder fatal. Im Rahmen einer Studie mit Erwachsenen im Alter von 18–60 Jahren wurde berichtet, dass 7% der Studienteilnehmer
eine RSV-Infektion erwarben, die bei 84%
von einer Symptomatik begleitet war. Erkrankungen des unteren Respirationstrakts
traten bei 26% der Fälle auf (15). Bei Erwachsenen mit ambulant erworbener Pneumonie war RSV das vierthäufigste Pathogen nach Pneumokokken, Influenza und
Mycoplasmen (8).
Eine RSV-Infektion in immunsupprimierten Personen ist mit einer signifikant
höheren Morbidität und Mortalität verbunden, wobei die Schwere der klinischen Manifestation vom Ausmaß der Immunsuppression abhängig ist. Studien belegen sowohl für Leukämiepatienten unter Chemotherapie als auch für Patienten nach
Knochenmarktransplantation (KMT) ein
besonders hohes Risiko, denn 75% der
RSV-Infektionen mündeten in eine Pneumonie mit einer Mortalitätsrate bis zu 80%
(10).
Ältere Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen haben ebenfalls ein
wesentlich höheres Risiko für eine RSVPneumonie. Populationsbezogene Daten zu
RSV-Infektionen bei Älteren sind kaum verfügbar. Ältere Personen stellen sich oft sehr
spät dem Arzt vor. Dies beeinträchtigt wesentlich den Nachweis einer Infektion, da
ältere Menschen das Virus nur sehr kurz und
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Viren als Ursache der CAP
auch in geringeren Konzentrationen im Vergleich zu Kindern ausscheiden. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr etwa
5% der Älteren mit RSV infiziert werden
und sich bei 10–20% der Bewohner von Altenheimen sowie bei bis zu 55% der hospitalisierten Patienten eine Pneumonie entwickelt. Die Mortalitätsrate lag zwischen
3% und 5% in Heimen und bis zu 20% bei
hospitalisierten älteren Menschen (6). Als
Risikofaktoren innerhalb der Gruppe der
Älteren sind vor allem fortgeschrittenes Alter sowie chronische Lungen- und Herzerkrankungen anzusehen (36).
Eine Analyse von RSV- und InfluenzaÜberwachungsdaten aus den USA gibt Hinweise, dass nicht nur Influenza, sondern
auch RSV mit vielen letal verlaufenden
Atemwegsinfekten in Zusammenhang steht
(34). Die bisher verfügbaren Daten lassen
vermuten, dass die Bedeutung der RSV-Infektion bei Erwachsenen erheblich unterschätzt wird. Eine Diagnostik wird nur sehr
selten eingeleitet, sogar bei hospitalisierten
Patienten, da eine RSV-Infektion bei Pneumonien im Erwachsenenalter kaum in Betracht gezogen wird.
effektiv übertragen werden. Reinfektionen
treten im Laufe des Lebens immer wieder
auf, sind aber bei Immunkompetenten in der
Regel entweder asymptomatisch oder nur
mit einer leichten Erkrankung der oberen
Atemwege assoziiert. Schwere Erkrankungen wie Pneumonien wurden in 23–38% der
aufgrund von Erkrankungen der unteren
Atemwege behandelten Kinder diagnostiziert (3). Der Prozentsatz der Pneumonien,
die durch PIV verursacht werden, sinkt mit
steigendem Lebensalter und liegt bei Erwachsenen zwischen 3% und 12% (16).
PIV-Infektionen sind vor allem bei immunkompromittierten Personen wie Empfängern von Transplantaten, Tumorpatienten
und HIV-Infizierten von Bedeutung. Studien zeigten, dass PIV-Infektionen bei
24–50% der KMT- und Leukämiepatienten
zu einer Pneumonie führten, an der 22–75%
verstarben (27). Ebenso wie anderen respiratorischen Viren wird auch den PIV eine
Prädisposition im Hinblick auf eine sekundäre bakterielle Pneumonie zugeschrieben
(12).
Adenoviren
Parainfluenzaviren
Humane Parainfluenzaviren (PIV) besitzen
eine einzelsträngige RNA negativer Polarität. Sie werden in die Typen 1 bis 4 unterteilt
und gehören der Familie der Paramyxoviridae an.
PIV sind weltweit verbreitet und verursachen Erkrankungen der Atemwege. PIV1
und 2 treten saisonal auf, während PIV vom
Typ 3 endemisch sind. Die größte Bedeutung erlangen PIV bei Klein- und Schulkindern. Das Symptomspektrum umfasst überwiegend Erkrankungen des oberen Respirationstrakts. PIV1 und 2 sind die Hauptursache des Pseudokrupp, während schwerere
Erkrankungen wie Bronchiolitis und Pneumonie durch PIV3 verursacht werden. PIV3
ist nach RSV der zweithäufigste Erreger
von Pneumonie und Bronchiolitis bei Kleinkindern (3).
Familienstudien haben gezeigt, dass
PIV-Infektionen vorrangig über Vorschulkinder in die Familien eingebracht und sehr
Adenoviren (AV) besitzen ein Doppelstrang-DNA-Genom, stellen nicht-umhüllte
Viruspartikel dar und gehören zur Familie
der Adenoviridae. Von den bisher bekannten
51 AV-Serotypen sind etwa nur ein Drittel
für die meisten humanen Infektionen verantwortlich. AV können den Respirationstrakt, das Auge, den Gastrointestinaltrakt,
die Harnwege und die Leber infizieren. Die
respiratorischen Symptome gehen oft mit
einer systemischen Manifestation einher
und können in schwereren Fällen zu einer
Pneumonie führen. AV-Infektionen treten
vor allem im frühen Kindesalter auf. AV
sind nach RSV das zweithäufigste virale Pathogen, das bei respiratorischen Erkrankungen von Kindern unter 4 Jahren nachgewiesen wurde und etwa für 10% aller Pneumonien im Kindesalter verantwortlich (18).
Bei AV-Ausbrüchen scheint vor allem
der Aufenthalt einer größeren Anzahl von
Personen in festen Einrichtungen als Risikofaktor zu fungieren. Ausbrüche in Militärobjekten waren mit einer Morbidität bis zu
80%, einer Hospitalisierungsrate von
20–40% und fatalen Verläufen assoziiert
(25). AV-Infektionen sind außerdem bei immunkompromittierten Personen von Bedeutung. Bei KMT-Patienten kann es zur Entwicklung einer schweren und häufig fatalen
Pneumonie oder auch zu einer disseminierten Infektion kommen (22). Im Gegensatz
zu Immunkompromittierten sind bei gesunden Erwachsenen nur wenig Daten hinsichtlich einer AV-Pneumonie verfügbar. Diese
Berichte schließen einen AV-Ausbruch in
einer Pflegeeinrichtung für geistig Kranke
ein, bei dem sowohl die Anzahl der Pneumonien als auch deren fatale Verläufe ungewöhnlich hoch waren (20). Einer der selten
beschriebenen isolierten Fälle betrifft die
AV-Infektion von ansonsten gesunden Zwillingsschwestern. Beide entwickelten eine
schwere AV-Pneumonie, an der eine der jungen Frauen verstarb (2).
Enteroviren
Enteroviren (EV) sind Vertreter der Familie
der Picornaviridae. Der Genus Enteroviren
untergliedert sich in Polioviren, Coxsackieviren, Echoviren und Enteroviren. Eine Reihe von EV wurde auch in Zusammenhang
mit respiratorischen Erkrankungen nachgewiesen, wobei es sich hauptsächlich um
Erkrankungen des oberen Respirationstrakts handelte. Identifiziert wurden vor allem Coxsackie- und Echoviren. Enteroviren
als Erreger von Atemwegserkrankungen
wurden am häufigsten bei kleineren Kindern nachgewiesen. Auch schwere Erkrankungen der unteren Atemwege wie Pneumonie und Bronchiolitis standen in Zusammenhang mit einer EV-Infektion (29, 32).
EV spielen bei respiratorischen Erkrankungen von gesunden Erwachsenen keine
nennenswerte Rolle. Im Gegensatz dazu besteht jedoch bei immunkompromittierten
Personen und auch älteren Menschen die
Gefahr, dass eine durch EV verursachte
Atemwegserkrankung mit einem schweren
Krankheitsbild einhergeht (30). EV-Infektionen als Ursache für die Entstehung einer
Pneumonie bei Erwachsenen wurden bei
KMT-Patienten beschrieben. Bei den wenigen in diese Studien integrierten Patienten
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betrug die Mortalität 75% (14). Dieser Bericht verdeutlicht, dass EV-Infektionen vor
allem bei immunkompromittierten Erwachsenen schwere Erkrankungen der unteren
Atemwege verursachen können.
Rhinoviren
Rhinoviren (RV) sind, wie auch die Enteroviren, Vertreter der Familie Picornaviridae,
vermehren sich aber im Gegensatz zu den
Enteroviren nur im Respirationstrakt. RV
werden auf Grund ihrer antigenen Eigenschaften in 100 Serotypen unterteilt. Sie
sind die Viren, die am häufigsten von Personen mit milden Erkrankungen der oberen
Atemwege isoliert wurden. Die Infektion
mit RV führt in der Regel zu einer 2– bis
3-tägigen Erkrankung. Es wird vermutet,
dass eine vorangehende Rhinovirusinfektion die Entwicklung einer bakteriellen Sinusitis oder einer Otitis media begünstigt (5).
Erkrankungen der unteren Atemwege
aufgrund von RV-Infektionen wurden öfter
bei Kindern als bei Erwachsenen beobachtet. RV wurden bei Kleinkindern in direktem Zusammenhang mit einer Pneumonie
nachgewiesen (24). Es ist seit langem bekannt, dass RV auch in erheblichem Umfang an der Exazerbation von chronischer
Bronchitis als auch COPD beteiligt sind (5).
Verschiedene Berichte weisen darauf hin,
dass RV vor allem bei älteren und chronisch
kranken Menschen eine größere Bedeutung
bei Erkrankungen der unteren Atemwege
zukommt als bisher vermutet (11). Es bleibt
zukünftigen Studien vorbehalten, die spezifische Rolle von RV in Zusammenhang mit
Erkrankungen des unteren Respirationstrakts zu untersuchen.
Coronaviren
Coronaviren (CoV) sind umhüllte Viren mit
einem Positivstrang-RNA-Genom, die zur
Familie der Coronaviridae gehören.Von humanen CoV waren bisher 2 Serogruppen bekannt, die sowohl den Respirations- als auch
den Gastrointestinaltrakt infizieren können.
Durch CoV verursachte Ausbrüche von
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Atemwegserkrankungen wurden vorrangig
während der Wintermonate registriert. Der
Schweregrad der Atemwegsinfektionen erstreckt sich von asymptomatisch bis zur
Pneumonie. Es wird vermutet, dass etwa
30% der respiratorischen Infektionen
asymptomatisch bleiben und sich bei mehr
als 50% der Infizierten die Symptomatik einer banalen Erkältung entwickelt.
Reinfektionen können immer wieder
auftreten und weisen auf eine Zirkulation
von verschiedenen Antigenvarianten hin.
Der Anteil der CoV an respiratorischen Erkrankungen lag je nach Jahreszeit und Studiendesign zwischen 5% und 30% (17).
Kürzlich wurde ein neues humanes CoV
entdeckt, das die Serogruppe 1 repräsentiert. Die Symptomatik dieser Infektion
scheint mit der anderer humaner Coronaviren vergleichbar zu sein einschließlich Erkrankungen des unteren Respirationstrakts
wie Pneumonie (13, 37). Ein schwereres Erkrankungsbild nach einer Infektion mit humanen CoV war in der Regel nur bei älteren
chronisch kranken und bei immunsupprimierten Personen nachweisbar (9, 11).
Atypische Pneumonien verursacht durch
das SARS-CoV wurden Ende 2002 in Südchina erstmals beobachtet. Dieses vermutlich von der Zibetkatze auf den Menschen
übertragene CoV war Auslöser einer auf
viele Länder übergreifenden Epidemie und
mit einer Mortalitätsrate von etwa 10% assoziiert (38). Eine kontinuierliche Zirkulation des SARS-CoV konnte bisher erfolgreich unterbunden werden.
Diagnostik einer Infektion
mit konventionellen
respiratorischen Viren
Für die Diagnostik stehen serologische, virologische und molekulare Nachweisverfahren zur Verfügung. Da serologische Tests
frühestens 7–14 Tage nach Infektion ein Resultat versprechen, sind sie eher aus epidemiologischer Sicht interessant und für die
Akutdiagnostik kaum einsetzbar. Die Virusanzucht ist generell für alle hier vorgestellten KRV möglich, kann bis zu 14 Tage in
Anspruch nehmen und bleibt meist Spezial-
Fazit für die Praxis
Konventionelle respiratorische Viren
wie RSV, Parainfluenza- und Adenoviren
sind für die Mehrzahl der Pneumonien
bei Kleinkindern verantwortlich. Bei Immunsupprimierten stehen RSV, Adeno-,
Influenza- und Parainfluenzaviren an
vorderer Stelle. Sichere und effektive
Impfstoffe sind – abgesehen von Influenza – bisher nicht verfügbar. Ambulant erworbene Viruspneumonien bei Erwachsenen werden in erster Linie durch Influenza- und RS-Viren verursacht. Besonders gefährdet sind chronisch Kranke
und ältere Menschen. Daher müssen vor
allem die Influenza-Impfempfehlungen
noch viel konsequenter umgesetzt und
Therapieoptionen noch besser genutzt
werden, um Hospitalisierungen und Todesfälle aufgrund von Influenza zu reduzieren. Generell sollte dem Screening
nach konventionellen respiratorischen
Viren eine größere Bedeutung zukommen, sowohl aus epidemiologischen
Gründen (Isolierung) als auch im Hinblick auf verfügbare oder zukünftige
neue Therapeutika.
laboratorien vorbehalten. Antigentests wie
ELISA oder Immunfluoreszenz sind – abgesehen von Corona- und Rhinoviren – für
alle anderen KRV kommerziell verfügbar.
Für den Nachweis von Influenza- und RSViren stehen seit einigen Jahren auch
Schnelltests zur Verfügung, die als „near patient test“ geeignet sind. Die Sensitivität der
Antigennachweise ist besonders von der
Qualität des Probenmaterials und dem Zeitpunkt der Probenentnahme abhängig. Der
Nukleinsäurenachweis durch Polymerasekettenreaktion (PCR) ist bezüglich der Spezifität und Sensitivität den Antigentests
überlegen.
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Korrespondenzadresse:
Dr. Brunhilde Schweiger
Nationales Referenzzentrum für Influenza
Fachgebiet Virale Infektionen
Robert Koch-Institut
Nordufer 20
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Med Welt 10/2004
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