Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 3

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Statistik I für Betriebswirte
Vorlesung 3
Dr. Andreas Wünsche
TU Bergakademie Freiberg
Institut für Stochastik
20. April 2017
Dr. Andreas Wünsche
Statistik I für Betriebswirte Vorlesung 3
Version: 18. April 2017
1
1.5 Zufallsgrößen
1.5.1 Zufallsgrößen und deren Verteilung
I
Oft sind Ergebnisse von Zufallsversuchen in Form von Zahlen
gegeben oder es ist für eine mathematische Behandlung günstig, den
elementaren Versuchsausgängen Zahlen zuzuordnen. Diese vom
”
Zufalls abhängigen Zahlenwerte“ werden durch eine Zufallsgröße X
(oder mehrere Zufallsgrößen X1 , X2 , . . . , Xn ) modelliert.
I
Beispiele:
I
I
I
I
Zufällige Anzahl X (von Schadensfällen, Konkursen,. . . )
mit möglichen Werten {0, 1, 2, . . .}.
Zufällige Zeit X (Lebensdauer, Ausfallzeit,. . . )
mit möglichen Werten {x ∈ R : x ≥ 0}.
Messergebnis X (Geldmenge, Temperatur, . . . ) mit entsprechenden
Zahlenwerten (ohne Maßeinheit) als möglichen Werten.
Augenzahl X beim Würfeln mit möglichen Werten {1, 2, 3, 4, 5, 6}.
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Mathematische Definition einer Zufallsgröße
I
Mathematische Definition einer Zufallsgröße:
Eine Abbildung (Funktion) X : Ω → R heißt Zufallsgröße (reelle
Zufallsvariable, kurz: ZG), falls für jedes Intervall (a, b) ⊂ R, a < b
die Menge {ω ∈ Ω : a < X (ω) < b} ein zufälliges Ereignis ist (dies
ist die sogenannte Messbarkeitsbedingung, dabei wird ein System A
von zufälligen Ereignissen mit den Eigenschaften aus den Axiomen
als gegeben vorausgesetzt).
I
Sind X , Y Zufallsgrößen zu einem Zufallsversuch, dann sind auch
X + Y , X − Y , X · Y , X /Y falls Y 6= 0, a · X mit a ∈ R und
ähnliche durch mathematische Operationen gebildete Größen
Zufallsgrößen.
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Grundtypen von Zufallsgrößen
I
Für Zufallsgrößen interessieren vor allem Wahrscheinlichkeiten der
Art P(X ≤ b), P(a < X < b) oder P(a ≤ X ≤ b) für reelle
Zahlen a < b (diese bilden die Verteilung“ der Zufallsgröße) sowie
”
abgeleitete Kenngrößen, wie Erwartungswerte, Varianzen usw.
I
Es gibt zwei wichtige Grundtypen von Zufallsgrößen, die sich zum
Teil mit unterschiedlichen mathematischen Hilfsmitteln untersuchen
lassen:
I
I
diskrete Zufallsgrößen“ (Zufallsgrößen mit diskreter Verteilung) und
”
stetige Zufallsgrößen“ (Zufallsgrößen mit (absolut) stetiger
”
Verteilung).
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Diskrete Zufallsgrößen
I
Definition: Eine Zufallsgröße X heißt diskret, wenn sie nur endlich
oder abzählbar unendlich viele Werte x1 , x2 , . . . annehmen kann.
Die Zuordnung pi := P(X = xi ), i = 1, 2, . . . heißt
Wahrscheinlichkeitsfunktion der diskreten Zufallsgröße. Sie wird
meistens durch eine Verteilungstabelle gegeben:
Werte
xi x1 x2 x3 . . .
Wahrscheinlichkeiten pi p1 p2 p3 . . .
I
Für die Wahrscheinlichkeiten pi gelten:
1. 0 ≤ pi ≤ 1
X
2.
pi = 1
i
xi
I
Beispiel:
Gerechtes Würfeln
pi
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1 .
6
5
Die Verteilung diskreter Zufallsgrößen
I
Es gelten z.B.
P(a ≤ X ≤ b) =
X
pi
i : a≤xi ≤b
für reelle Zahlen a ≤ b bzw. allgemein für eine Menge B ⊆ R
X
P(X ∈ B) =
pi .
i : xi ∈B
I
Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten pi efolgt durch
Berechnung aus Grundannahmen (oft für typischen Situationen
bzw. Verteilungen) oder experimentell mittels statistischer
Methoden.
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Zufallsgrößen mit stetiger Verteilung
I
Definition: Eine Zufallsgröße X heißt stetig, wenn es eine
integrierbare reelle Funktion fX (x) gibt, so dass
Z
b
P(a ≤ X ≤ b) =
fX (x) dx
a
für beliebige reelle Zahlen a ≤ b gilt.
I
Die Funktion fX heißt Dichtefunktion (oder Verteilungsdichte) der
Zufallsgröße X und besitzt die Eigenschaften:
1. fX (x) ≥ 0 für alle x ∈ R ;
Z ∞
2.
fX (x) dx = 1 .
−∞
I
Sie gibt die Verteilung der Wahrscheinlichkeitsmasse“ auf der
”
reellen Achse an.
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Beispiel Zufallsgröße mit stetiger Verteilung
I
Beispiel: Rein zufällige Auswahl eines Punktes (Wertes) X aus
dem Intervall [0, 1] ( auf dem Intervall [0, 1] gleichverteilte oder
”
gleichmäßig verteilte Zufallsgröße“).
I
Für 0 ≤ a < b ≤ 1 gilt P(a ≤ X ≤ b) = b − a .
1 , für 0 ≤ x ≤ 1 ,
Die Dichtefunktion ist fX (x) =
0 , sonst .
I
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Verteilungsfunktion einer Zufallsgröße
I
Die Verteilungen von diskreten oder stetigen Zufallsgrößen (oder
anderen Typen) können vollständig durch die Verteilungsfunktion
der jeweiligen Zufallsgröße beschrieben werden.
I
Definition: Die Funktion FX einer reellen Variablen mit reellen
Funktionswerten, die durch
FX (x) = P(X < x) = P(−∞ < X < x),
x ∈ R,
definiert wird, heißt Verteilungsfunktion der Zufallsgröße X .
Der Funktionswert ist für jede reelle Zahl x die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass die Zufallsgröße X einen Wert annimmt, der kleiner als x
ist.
I
Bemerkung: Mitunter wird die Verteilungsfunktion einer
Zufallsgröße X auch durch FeX (x) = P(X ≤ x), x ∈ R, definiert,
insbesondere in der Zuverlässigkeitstheorie.
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Verteilungsfunktion einer diskreten Zufallsgröße
I
Für diskrete Zufallsgrößen mit endlich vielen möglichen Werten ist
die Verteilungsfunktion eine Treppenfunktion mit Sprüngen der
Höhe pi an den Werten xi .
I
Beispiel: X Augenzahl beim Würfeln mit einem gerechten
Würfel: Verteilungsfunktion FX .
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Verteilungsfunktion einer stetigen Zufallsgröße
I
I
Für stetige Zufallsgrößen ist die Verteilungsfunktion eine in allen
Punkten stetige Funktion.
Z x
FX (x) =
fX (t) dt, x ∈ R
und fX (x) = FX0 (x)
−∞
in den Werten x, in denen die Ableitung existiert.
I
Beispiel: Zufallsgröße X auf [0, 1] gleichverteilt: Verteilungsfunktion FX .
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Allgemeine Eigenschaften von Verteilungsfunktionen
I
Eine Verteilungsfunktion FX ist monoton nicht fallend.
I
Es gilt
I
Es gilt
I
Es gilt für beliebige reelle Zahlen a < b :
lim FX (x) = 0 .
x→−∞
lim FX (x) = 1 .
x→+∞
P(a ≤ X < b) = FX (b) − FX (a) .
I
I
Spezialfälle:
a = −∞ :
P(X < b) = FX (b) ,
b=∞:
P(a ≤ X ) = 1 − FX (a) .
Für eine stetige Zufallsgröße X gelten
P(a ≤ X < b) = P(a < X < b) = P(a < X ≤ b) = P(a ≤ X ≤ b) .
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1.5.2 Charakteristische Größen von Verteilungen
I
Die Gesamtinformation, die mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
gegeben wird (oder gegeben werden muss) ist häufig zu
umfangreich, dehalb nutzt man abgeleitete Kenngrößen, die in
praktischen Situationen gut zu nutzen sind. Dabei kann man bei den
Kenngrößen im Allgemeinen Lageparameter und Streuungsparameter
unterscheiden.
I
Die am häufigsten genutzte Kenngröße ist der Erwartungswert EX
einer Zufallsgröße X (auch Mittelwert der Zufallsgröße genannt). Er
ist ein Lageparameter, eine (nichtzufällige) reelle Zahl und
beschreibt den Schwerpunkt der Wahrscheinlichkeitsmasse.
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Erwartungswert einer Zufallsgröße I
I
Definition: Für eine diskrete Zufallsgröße X mit möglichen
Werten x1 , x2 , . . . und zugehörigen Wahrscheinlichkeiten
p1 = P(X = x1 ), p2 = P(X = x2 ), . . . wird der Erwartungswert
definiert durch
X
EX =
xi pi .
i
Für eine stetige Zufallsgröße X mit Dichtefunktion fX wird der
Erwartungswert definiert durch
Z ∞
EX =
x · fX (x) dx .
−∞
I
Beispiele:
I
I
X Augenzahl beim Würfeln mit einem gerechten Würfel.
X gleichmäßig verteilt auf dem Intervall [0, 1] .
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Erwartungswert einer Zufallsgröße II
Beispiele:
X Augenzahl beim Würfeln
Einzelwahrscheinlichkeiten
und Erwartungswert
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X gleichverteilt auf [0, 1]
Dichtefunktion
und Erwartungswert
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Erwartungswert einer Zufallsgröße III
I
Es gelten folgende Rechenregeln für Erwartungswerte:
sind X und Y Zufallsgrößen und a und b reelle Zahlen, dann gelten
E(a + b · X ) = a + b · EX ;
E(X + Y ) = EX + EY .
Dies sind die Linearitätseigenschaften der Erwartungswertbildung.
I
Nicht jede Zufallsgröße besitzt einen Erwartungswert.
I
Ist g : R → R eine (z.B. stetige) Funktion und X eine Zufallsgröße,
dann kann man den Erwartungswert der Zufallsgröße Y = g (X ) wie
folgt berechnen:
X
EY = Eg (X ) =
g (xi )pi
für eine diskrete ZG X ;
Zi ∞
EY = Eg (X ) =
g (x)fX (x) dx
für eine stetige ZG X .
−∞
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