11. SINFONIEKONZERT 2008|2009 ANNÄHERUNG AN SCHUMANN K LASSI K P ICK N ICKT W W W . G L A E S E R N E M A N U FA K T U R . D E O P E N A I R KO N Z E R T M I T D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N 2 0 . J U N I 2 0 0 9 | D I E G L Ä S E R N E M A N U FA K T U R B EG I N N: 21.00 U H R | E I N L ASS: 19.30 U H R E I N T R I T T: 5 , – € | K I N D E R U N D J U G E N D L I C H E B I S 1 6 J A H R E E R H A LT E N F R E I E N E I N T R I T T. K A R T E N I M VO R V E R K A U F I N D E R S C H I N K E LWA C H E ( T E L E F O N 0 3 5 1 - 4 9 1 1 - 7 0 5 ) O D E R I N D E R G L Ä S E R N E N M A N U FA K T U R . SPIELZEIT 2008|2009 FA B I O L U I S I G E N E R A L M U S I K D I R E K T O R S I R C O L I N D AV I S E H R E N D I R I G E N T 1 11. SINFONIEKONZERT SONNTAG, 7. JUNI 2009, 11 UHR MONTAG, 8. JUNI 2009, 20 UHR DIENSTAG, 9. JUNI 2009, 20 UHR SEMPEROPER Daniel Harding D I R I G E N T Renaud Capuçon V I O L I N E PROGRAMM ROBERT SCHUMANN (1810-1856 ) Ouvertüre zu «Genoveva» c-Moll op. 81 Violinkonzert d-Moll op. posth. 1. In kräftigem, nicht zu schnellem Tempo 2. Langsam 3. Lebhaft, doch nicht zu schnell PA U S E ANNÄHERUNG AN SCHUMANN Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 1. Sostenuto assai – Allegro, ma non troppo 2. Scherzo. Allegro vivace 3. Adagio espressivo 4. Allegro molto vivace Ein reines Schumann-Programm mit dem Dirigenten Daniel Harding: Spiegeln die Ouvertüre zur romantischen Oper «Genoveva» und die zweite Sinfonie Schumanns schwierige, aber fruchtbare Zeit in Dresden wider, so komponierte er das Violinkonzert 1853 in Düsseldorf für den jungen Joseph Joachim – der es aber nie öffentlich aufführte ... Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Kellerrestaurant der Semperoper Am 8. und 9. Juni 2009 Aufzeichnung durch MDR Figaro. Sendung am 6. Juli 2009, 20 Uhr 2 3 DANIEL HARDING begann Daniel Harding seine Karriere als Assistent von Sir Simon Rattle beim City of Birmingham Symphony Orchestra, mit dem er 1994 sein professionelles Debüt gab. Anschließend assistierte er Claudio Abbado bei den Berliner Philharmonikern, die er 1996 im Rahmen der Berliner Festwochen erstmals dirigierte. Er ist Principal Guest Conductor des London Symphony Orchestra, Music Director des Swedish Radio Symphony Orchestra und Principal Conductor des Mahler Chamber Orchestra. Zuvor hatte er Chefstellen beim Trondheim Symphony Orchestra in Schweden (1997-2000) und bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen (1997-2003) inne, gleichzeitig war er Principal Guest Conductor des Norrköping Symphony Orchestra (1997-2003). Harding arbeitet regelmäßig mit Orchestern wie der Sächsischen Staatskapelle Dresden, den Wiener Philharmonikern (beide dirigierte er auch bei den Salzburger Festspielen), den Berliner Philharmonikern, dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam und dem Orchestra Filarmonica della Scala zusammen. 2005 leitete er die Saisoneröffnung der Mailänder Scala (Mozart: «Idomeneo»); seitdem dirigierte er an der Scala auch «Salome» und «Herzog Blaubarts Burg/Il Prigionero». Als Operndirigent war er u.a. auch am Royal Opera House Covent Garden, bei den Salzburger Festspielen und vor allem beim Festival in Aix-en-Provence zu erleben, mit dem ihn eine enge Zusammenarbeit verbindet. Daniel Harding ist Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon und wurde für seine Debütaufnahme (Mahler: Sinfonie Nr. 10) mit den Wiener Philharmonikern hoch gelobt. Zuvor sind zahlreiche Aufnahmen bei Virgin/EMI erschienen. 2002 wurde Daniel Harding von der französischen Regierung zum «Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres» ernannt. GEBOREN IN OXFORD, 4 5 FRUCHTBARES INTERMEZZO ROBERT SCHUMANN IN DRESDEN mit seiner Ehefrau Clara in die sächsische Residenzstadt, nachdem er bei der Wahl des Zweiten Gewandhauskapellmeisters in Leipzig übergangen worden war. Doch auch in Dresden wurde er nicht glücklich. Im Musikleben der Stadt spielte er – anders als erwartet – nur eine untergeordnete Rolle. Enttäuscht beklagte er gegenüber Mendelssohn das recht konservative Klima: «Der Zopf hängt ihnen hier noch gewaltig». Dennoch komponierte er in Dresden eine Vielzahl bedeutender Werke, darunter die zweite Sinfonie, die Musik zu «Manfred» und die Oper «Genoveva». Die fremde Umgebung schien ihn zumindest kreativ anzuregen. Dies lag vermutlich auch an der «Königlichen musikalischen Kapelle», zu deren Mitgliedern er regen Kontakt pflegte. Bereits im Dezember 1843, noch vor seinem Umzug, hatte er das Orchester zum ersten Mal dirigiert, in einer Aufführung seines Oratoriums «Das Paradies und die Peri». 1849 stand er ein weiteres Mal am Pult der Kapelle und leitete unter anderem die Uraufführung von Teilen seiner «Faust»-Szenen. Auch mit einzelnen Kapellmitgliedern tauschte sich Schumann aus, die Hornisten etwa spielten ihm als erste sein «Konzertstück für vier Hörner» vor. Andererseits jedoch fehlte sein Name auf dem Programm des Festkonzerts zum 300-jährigen Kapelljubiläum 1848, das ansonsten ausschließlich Werke historischer und zeitgenössischer Dresdner Komponisten vorsah. Und bei der Neubesetzung der Kapellmeisterstelle, die durch die Flucht Richard Wagners nach dem Dresdner Maiaufstand 1849 vakant geworden war, wurde Schumann erneut übergangen. So packte er im September 1850 wieder die Koffer und zog als Städtischer Musikdirektor nach Düsseldorf. In Clara fand das Verhältnis zur Dresdner Hofkapelle später noch eine Fortsetzung: Die Pianistin, die bereits in jungen Jahren mit dem Orchester konzertiert hatte, wurde 1866 – zehn Jahre nach Schumanns Tod – zum Ehrenmitglied des 1854 gegründeten Tonkünstler-Vereins TOBIAS NIEDERSCHLAG ernannt. SCHUMANN ZOG IM DEZEMBER 1844 ROBERT SCHUMANN * 8. JUNI 1810 IN Z WICK AU † 29. JULI 1856 IN ENDENICH BEI BONN KOHLEZEICHNUNG VON SCHUMANNS DRESDNER MALERFREUND EDUARD BENDEMANN (1859) 6 7 L I N K S : D I E F I N A L E S Z E N E A U S D E M 4 . A K T D E R O P E R « G E N O V E VA » VON DER S TA N D H A F T E N L I E B E ZU SCHUMANNS «GENOVEVA»-OUVERTÜRE aus dem Geiste der Romantik: So ließ sich Robert Schumann von einer mittelalterlichen französischen Figur verführen, der sagenhaften Genoveva von Brabant. Ihre Geschichte zählte im 18. Jahrhundert neben denen des Faust und des Don Juan zu den meistbekannten volkstümlichen Stoffen. Auf der «Genoveva»-Legende basiert dann auch die gleichnamige vieraktige Oper, die Schumann zwischen April 1847 und August 1848 in Dresden schrieb. In dem Malerdichter Robert Reinick glaubte der Komponist einen geeigneten Librettisten gefunden zu haben, was sich jedoch später als Irrtum herausstellte. Reinick, ein Mann ohne jegliche Bühnenerfahrung, bezog sich auf Ludwig Tiecks «Leben und Tod der heiligen Genoveva» von 1799 und damit auf eine lyrische Version, Schumann hingegen bevorzugte mit Friedrich Hebbels 1843 veröffentlichter Tragödie «Genoveva» die finstere Variante. Eine Einigung war schwer zu erzielen – mit dem Ergebnis, dass Schumann seinem Mitstreiter eine Absage erteilte und nur rund 200 Verse des Autors in der Oper verblieben. Teilweise übernahm Schumann nun den originalen Wortlaut von Hebbel, der Rest stammte von ihm selbst. Gleichwohl unterscheidet sich das Libretto inhaltlich von den beiden genannten Vorlagen. Es fehlt die dramatische Zuspitzung, die bei Hebbel eine wichtige Rolle spielt, und die positive Lösung im Finale geht sogar über diejenige bei Tieck hinaus. In gebotener Kürze die Geschichte: Im Mittelpunkt steht die liebende Ehefrau Genoveva, die im ersten Akt ihren Mann, den Pfalzgrafen Siegfried, in den Krieg verabschiedet. Siegfried überträgt Golo, «dem Besten», jegliche Vollmacht sowie den Schutz seiner Frau. Da dieser die Gräfin liebt, versucht er, den ehrenvollen Auftrag von sich zu weisen – vergeblich. Als Genoveva aus Abschiedsschmerz in Ohnmacht fällt, küsst Golo die ihm anvertraute Frau. Diese Intimität beobachtet die Amme Margaretha, die vor Jahren wegen ihrer Hexenkunst von Siegfried davongejagt wurde. Sie wittert nun ihre Chance zur Rache, indem sie Golo in seinem Glauben bestärkt, Genoveva sei ihm wohl gesonnen. A L S WÄ R E E S E I N S T Ü C K OUVERTÜRE ZU «GENOVEVA» C-MOLL OP. 81 ENTSTANDEN 1847 IN DRESDEN URAUFGEFÜHRT AM 25. FEBRUAR 1850 IM GE WANDHAUS ZU LEIPZIG ( GE WANDHAUSORCHESTER, DIRIGENT: ROBERT SCHUMANN ); UR AUFFÜHRUNG DER OPER AM 25. JUNI 1850 IM STADT-THE ATER ZU LEIPZIG BESETZUNG 2 FLÖTEN, 2 OBOEN, 2 KL ARINE T TEN, 2 FAGOT TE, 4 HÖRNER, 2 TROMPE TEN, 3 POSAUNEN, PAUKEN, STREICHER VERLAG EDWIN F. K ALMUS, FLORIDA DAUER CA. 10 MINUTEN 8 9 Akt II: Golo überbringt Genoveva die Nachricht vom siegreichen Kampf ihres Mannes und gesteht ihr seinen Kuss, woraufhin sie ihn mit den Worten »Zurück, ehrloser Bastard« zutiefst verletzt: Die Liebe des Verschmähten schlägt in Hass um, der Golo das Gerücht in die Welt setzen lässt, Genoveva habe ein Verhältnis mit dem Kaplan. Als man gar in ihrem Gemach den Haushofmeister Drago entdeckt, der zuvor dorthin bestellt worden war, um auf die Herrin Acht zu geben, scheint sich ihre Zügellosigkeit zu bestätigen. Drago wird getötet, Genoveva in den Turm geworfen. Akt III: Siegfried hält sich verletzt in Straßburg auf, möchte jedoch so schnell T H E AT E R Z E T T E L D E R L E I P Z I G E R als möglich zurückkehren. URAUFFÜHRUNG (1850) Margaretha ist zu ihm geeilt, um ihn davon abzuhalten. Golo kommt, um ihm von der angeblichen Untreue Genovevas zu berichten. Siegfried schenkt dem Bericht Glauben und fordert ihren Tod. Außerdem bittet er Margaretha, ihn in den Zauberspiegel blicken zu lassen, um Erkenntnis zu finden. Er glaubt dem Trugbild der schadenfrohen Amme und bekräftigt das Todesurteil für seine Frau. Derweil erscheint Margaretha der Geist Dragos und beschwört sie unter Androhung des Scheiterhaufens, die Wahrheit zu sagen. Akt IV: Genoveva wird in den Wald geführt. Golo erscheint mit dem Ring und dem Schwert Siegfrieds, um dessen Befehl auszuführen, sie zu töten. Genoveva beteuert ihre Unschuld, unterwirft sich aber dem Urteil des von ihr noch immer geliebten Gatten. Golo nutzt abermals ihre Schwäche und bietet an, mit ihr zu fliehen, würde sie ihn erhören. Genoveva jagt Golo davon und erwartet ihren Tod. In letzter Minute erscheint Margaretha, die Siegfried herbeigerufen hat, um ihr Seelenheil zu retten. Dieser ist untröstlich über das seiner Frau (auch von ihm selbst) zugefügte Unrecht. Er bittet sie um Vergebung – Genoveva verzeiht. 10 In der Durchgestaltung des Schumannschen Librettos ist manche dramaturgische Schwäche unübersehbar – insbesondere ein Mangel an narrativer Stringenz und eine undeutliche Personenzeichnung. Bemerkbar ist auch eine gewisse Nähe zu Wagner, zu dem Schumann ein gespaltenes Verhältnis hatte; er vermisste bei ihm häufig das «eigentliche Musikalische». In der Oper «Genoveva» finden sich gleichwohl mehr musikalische Anlehnungen an Wagner, als es sich ihr Schöpfer vermutlich eingestehen wollte. So fällt etwa die geballte Leitmotivik in der Ouvertüre auf, die Schumann vor den vier Akten komponierte. Fast scheint es, als habe er sich beim Schreiben DER DRESDNER HOFKAPELLMEISTER der Ouvertüre in die Ideen- und RICHARD WAGNER (UM 1843) Motivsphäre des Sujets eingearbeitet. Gleich im dritten Takt tritt das die Einleitung prägende finstere Golo-Motiv auf, dem sich sofort das Bastard-Motiv anschließt. Im «Leidenschaftlich bewegt» überschriebenen Hauptteil der Ouvertüre vernimmt man das zentrale Motiv Genovevas in den Begleitfiguren; in Gänze zu hören ist es im Wechselspiel zwischen Violine und Klarinette. Das anschließende Seitenthema bringt das Motiv Siegfrieds und der Durchführungsbeginn seinen von den Hörnern intonierten Abschiedsruf, der wiederum vom Golo-Motiv abgelöst wird. Letzteres beherrscht dann in seinem gleichermaßen bedrohlichen wie leidenschaftlichen Gestus die Durchführung. Den Anfang der Reprise prägt die Klage der Genoveva, und auch die Coda konzentriert sich zunächst auf diese Protagonistin; seinen Höhepunkt indes findet dieser Schlussteil wiederum in Golos Motiv (in dreifachem Forte!). Die starke Präsenz Golos in der «Genoveva»-Ouvertüre: Ist sie, wie kritische Zungen meinen, symptomatisch für die dramaturgischen Schwächen der Oper oder vielleicht nicht doch von Schumann ganz bewusst gewollt im Sinne der Hebbelschen Vorlage? CHRISTINE MELLICH 11 DER GEIGER JOSEPH JOACHIM (UM 1853) «... DAS FEHLENDE BINDEGLIED DER V I O L I N L I T E R AT U R » ZU SCHUMANNS VIOLINKONZERT D-MOLL vom September 1853 ist Schumanns letzte Komposition für Orchester. Kein bedeutendes Werk der Musikliteratur ist mit so vielen Missverständnissen belastet und Geheimnissen umgeben, keines hat eine so merkwürdige und verwickelte Rezeptionsgeschichte erlebt. Erst 84 Jahre nach seiner Entstehung erschien es 1937 in einer mangelhaften Ausgabe im Druck, erstmals gespielt wurde es von einem drittklassigen Geiger in einer böse verstümmelten Version. Die Nationalsozialisten propagierten es als «Ersatz» für das inzwischen verfemte Violinkonzert des Juden Mendelssohn. Seitdem (und auch schon vorher) wurde viel Überflüssiges und viel grober Unfug über das Stück geschrieben. Erst die minutiösen Analysen und Studien zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte, die Reinhard Kapp und Michael Struck vorgelegt haben, brachten Klarheit in das undurchdringliche Dickicht von Vermutungen, Fehlurteilen und Halbwahrheiten. Beim 31. Niederrheinischen Musikfest in Düsseldorf im Mai 1853 lernte das Ehepaar Schumann den erst 22 Jahre alten genialen Geiger Joseph Joachim kennen, der durch seine Interpretation von Beethovens Violinkonzert großes Aufsehen erregte. Am 2. Juni 1853 wandte sich Joachim in einem Brief an Schumann: «Möchte doch Beethoven’s Beispiel Sie anregen, den armen Violinspielern, denen es, ausser der Kammermusik, so sehr an Erhebendem für ihr Instrument fehlt, aus Ihrem tiefen Schacht ein Werk an’s Licht zu ziehen, wunderbarer Hüter reichster Schätze!» Diesen schon lange zuvor von seinem Freund Ferdinand David, dem Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters und Lehrer Joachims, geäußerten Wunsch griff Schumann, durch einen weiteren Besuch Joachims inspiriert, auf, komponierte Anfang September 1853 zunächst die Phantasie für Violine und Orchester op. 131 und begann am 21. September mit einem «Stück f. Violine», wie im Haushaltsbuch vermerkt ist. Am 1. Oktober, einen Tag nach der denkwürdigen ersten Begegnung mit dem jungen Brahms, war das «Concert f. Violine beendigt», am 3. Oktober «fertig instr.» Schon am 7. Oktober wollte er es Joachim schicken und bemerkte dazu: «Hier lege ich auch etwas Neues bei, was Ihnen vielleicht ein Abbild von einem gewissen Ernst gibt, hinter dem oft eine fröhliche Stimmung hervorsieht. Oft waren Sie, als ich schrieb, meiner DA S V I O LI N KO N Z E R T D - M O LL VIOLINKONZERT D-MOLL OP. POSTH. ENTSTANDEN Z WISCHEN 21. SEPTEMBER UND 3. OK TOBER 1853 IN DÜSSELDORF URAUFGEFÜHRT AM 26. NOVEMBER 1937 IM DEUTSCHEN OPERNHAUS IN BERLIN-CHARLOT TENBURG ( SOLIST: GEORG KULENK AMPFF, BERLINER PHILHARMONIKER, DIRIGENT: K ARL BÖHM ) BESETZUNG VIOLINE SOLO 2 FLÖTEN, 2 OBOEN, 2 KL ARINE T TEN, 2 FAGOT TE, 2 HÖRNER, 2 TROMPE TEN, PAUKEN, STREICHER VERLAG SCHOT T, MAINZ DAUER CA. 30 MINUTEN 12 13 Phantasie gegenwärtig, was wohl zu der Stimmung beitrug. Sagen Sie mir Alles, was Ihnen nicht zu schwer, wie ich denn Ihnen wirklich schon zum Genießen unmögliche Gerichte oder wenigstens Bissen vorgesetzt habe. Streichen Sie alles durch, was nach Unausführbarkeit schmeckt.» Die Abschrift war jedoch noch nicht fertig, so dass Schumann das Konzert erst am 13. Oktober abschickte, das Begleitschreiben konnte er dem gerade in Düsseldorf anwesenden Joachim selbst übergeben: «Sie erhalten hier das Concert; möge es Sie anmuthen! Es scheint mir leichter, als die Phantasie, auch das Orchester mehr [in] Thätigkeit. Es sollte mich nun sehr freuen, wenn wir es im 1sten Concerte hier hören könnten …» Aus dieser Uraufführung im Abonnementskonzert am 27. Oktober 1853 wurde jedoch nichts, weil die Zeit zu knapp war und man sich von Joachim eine Wiederholung des Beethoven-Konzerts wünschte. Dieser spielte aber dann erstmals die Phantasie op. 131, begann das Konzert zu üben und machte einige Verbesserungsvorschläge für die technische Grundgestaltung der Solostimme, die von Schumann dankbar übernommen wurden. Anlässlich einer Reise des Ehepaars Schumann nach Hannover, wo Joachim als Konzertmeister wirkte, wurde das Violinkonzert zweimal erprobt – am 25. Januar 1854 mit Klavier und am 30. Januar mit Orchester. Die zweite Probe scheint nicht ganz befriedigend gewesen zu sein, da der Geiger «etwas ermüdet» war, wie Schumann im Tagebuch vermerkte. Joachim geht in einem Brief an Schumann vom 17. November 1854 – als dieser bereits seit einem halben Jahr in der Nervenheilanstalt in Endenich war – darauf ein: «Könnte ich Ihnen doch Ihr D moll Concert vorspielen; ich habe es jetzt besser inne, als damals in Hannover; wo ich es in der Probe Ihrer so unwürdig spielen mußte, zu meinem großen Verdruß, weil ich den Arm beim dirigiren so sehr ermüdet hatte. Jetzt klingt der 3⁄4 Takt [im dritten Satz] viel stattlicher ...» Von einer Geringschätzung des Werkes kann also bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede sein. Erst nach Schumanns Tod 1856 kamen Zweifel auf. Am 15. Oktober 1857 meinte Joachim in einem Brief an Clara Schumann: «... es ist im letzten Satz namentlich entsetzlich schwer für Geige, aber ich hab’s ziemlich in die Finger gespielt. Wunderschöne Stellen sind im ersten und zweiten Satz ...» In seinem nächsten Brief vom 21. Oktober regte er an, ob man «nicht bei Gelegenheit eines Leipziger Aufenthaltes in einer Probe das Schumann’sche Violinconcert endlich ordentlich mit Orchester hören» könnte. Diese Probe mit dem Gewandhausorchester fand statt und ließ Clara Schumann und Joseph Joachim zu dem Entschluss kommen, das Konzert weder aufzuführen noch zu publizieren. Vergessen, was oft behauptet wurde, war es im 19. Jahrhundert keineswegs, wie mehrere Erwähnungen in der Schumann-Literatur beweisen. Seinem Biographen Andreas Moser gab Joachim in einem Brief vom 5. August 1898 eine differenzierte Begründung, warum er das Werk, dessen Manuskripte ihm Clara Schumann inzwischen geschenkt hatte, zurückhielt: «Der Umstand, daß es nicht veröffentlicht worden ist, wird Sie schon zu dem Schluß bringen, daß man es seinen vielen herrlichen Schöpfungen nicht ebenbürtig an die Seite stellen kann. Ein neues Violinconcert von Schumann – mit welchem Jubel würde es von allen Kollegen begrüßt worden sein! Und doch durfte gewissenhafte Freundessorge für den Ruhm des geliebten Tondichters nie einer Publikation das Wort reden, so vielumworben es auch von Verlegern war. Es muß leider gesagt werden daß es eine gewisse Ermattung, welcher geistige Energie noch etwas abzuringen sich bemüht, nicht verkennen läßt. Einzelne Stellen, (wie könnte das anders sein!) legen wohl von dem tiefen Gemüth des Schaffenden Zeugniß ab; um so betrübender aber ist der Contrast mit dem Werk als Ganzes.» Die falsch verstandene Pietät ging so weit, dass Joachims Sohn Johannes beim Verkauf des Nachlasses seines Vaters 1907 an die Preußische Staatsbibliothek Berlin dieser die Auflage machte, dass Schumanns Violinkonzert frühestens 100 Jahre nach dem Tode des Komponisten, also 1956, veröffentlicht werden dürfte. Zwei Großnichten Joachims, die Geigerinnen Jelly d’Aranyi und Adila Fachiri, behaupteten in den dreißiger Jahren, der Geist Schumanns bzw. ihres Großonkels sei ihnen bei spiritistischen Sitzungen erschienen und habe verlangt, das (angeblich verschollene) Violinkonzert zu finden und zur Aufführung zu bringen. Erst eine Initiative des Musikverlages Schott machte dem absurden Spektakel ein Ende und veranlasste Johannes Joachim, das Werk vorzeitig zur Aufführung und zum Druck freizugeben. Diesen besorgte Georg Schumanns Violinkonzert wurde am 26. November 1937 im Rahmen einer offiziellen NSVeranstaltung in Berlin uraufgeführt. Georg Kulenkampff spielte den Solopart, Karl Böhm – zu dieser Zeit Generalmusikdirektor der Sächsischen Staatsoper Dresden – dirigierte die Berliner Philharmoniker. Neben den frühen Rezeptionsproblemen hat diese propagandistische Aufführung zu der bis heute umstrittenen Einschätzung des Werkes beigetragen. KARL BÖHM (UM 1937) 14 15 ANSICHT VON DÜSSELDORF MIT RHEINBRÜCKE (UM 1850) Schünemann, der damalige Leiter der Musikabteilung der Staatsbibliothek, ohne die Quellen (autographe Partitur, Partiturabschrift, Stimmen, zwei Klavierauszüge) mit genügender Akribie auszuwerten. Paul Hindemith fertigte anonym, da in dieser Zeit bei den nationalsozialistischen Machthabern in Ungnade gefallen, eine entstellende Einrichtung der Violinstimme an, die bei der mit viel propagandistischem Beiwerk (u.a. Rede von Goebbels) veranstalteten Uraufführung benutzt wurde. Eine Uraufführung des Werkes in Amerika durch Yehudi Menuhin, der sich stets für das unbearbeitete Original eingesetzt hat, war von den Nazis aus nahe liegenden Gründen verhindert worden. Was Menuhin in einem Brief an den Dirigenten Vladimir Golschmann vom 22. Juli 1937 über das Violinkonzert geschrieben hat, besitzt noch heute uneingeschränkte Gültigkeit: «Dieses Konzert ist das historisch fehlende Bindeglied der Violinliteratur; es ist die Brücke zwischen den Konzerten von Beethoven und Brahms, obwohl es mehr zu Brahms tendiert. Tatsächlich findet man in beiden Werken die gleiche menschliche Wärme, zärtliche Geschmeidigkeit und kühne männliche Rhythmik, die gleiche liebevolle Arabesken-Behandlung der Violine, die gleichen vollmundigen und noblen Themen und Harmonien.» Das Konzert trägt keinerlei Spuren von nachlassender Geisteskraft an sich oder ist von der nahenden Krankheit überschattet, wie bis zum Überdruss immer wieder behauptet wird, sondern bietet ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die neuartige Konzeption eines Solokonzerts, die Schumann auch in den anderen konzertanten Werken des Jahres 1853 16 (Phantasie für Violine op. 131, Konzert-Allegro für Klavier op. 134) erfolgreich erprobt hat. Merkmale sind u.a. das blockhafte Gegenüberstellen von Solostimmen und Orchester, aus dem dann einzelne Instrumente in einen intensiven Dialog mit dem Solisten treten, die Adaption barocker Figurations- und Harmonie-Modelle und die lied- oder choralartige Ausgestaltung der Satzschlüsse. Der erste Satz («in kräftigem, nicht zu schnellem Tempo») setzt, wie sonst kaum bei Schumann, mit einer vollständigen Tuttiversion des majestätischen, auf Bruckner voraus weisenden ersten Themas ein, das sehr bald dem lyrischen zweiten Thema weichen muss. Dieser wundervolle, für den späten Schumann charakteristische melodische Gedanke über einem Dominant-Orgelpunkt der Dur-Parallele erweist sich als das eigentliche Zentralthema nicht nur des ersten Satzes, sondern des ganzen Konzerts. Von Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo, zu denen Schumann im Frühjahr 1853 eine Klavierbegleitung geschrieben hatte, sind die zahlreichen, oft nur von den Streichern begleiteten Figurationen der Solovioline inspiriert. Sie als virtuosen oder repetitiven Leerlauf anzusehen, verkennt ihre melodisch-motivische Bedeutung. Das Gesangsthema des zweiten Satzes («Langsam»), eine innige Melodie von ergreifender Schönheit, weist eine gewisse, in der Literatur oft überbetonte Verwandtschaft mit dem sogenannten Geisterthema auf, das Schumann in der Nacht vom 17. zum 18. Februar 1854 beim Ausbruch seiner Krankheit notierte und über das er noch fünf Variationen für Klavier komponierte. Die oft in tiefster Lage agierende Solovioline ist in das subtile orchestrale Gewebe dieses Satzes eingebettet, dessen warmes Klangbild von Synkopengängen der Celli noch zusätzlich verschleiert wird. Melodische Führung und Begleitfiguren werden zwischen Orchester und Violine immer wieder ausgetauscht. Die kurze Überleitung zum Schlusssatz («Lebhaft, doch nicht zu schnell»), die durch ein Accelerando herbeigeführt wird, erinnert etwas an den Übergang zum letzten Satz der d-Moll-Sinfonie. Dieser am meisten geschmähte Satz des Konzerts ist ein etwas verschachteltes Sonatenrondo mit überraschenden Reminiszenzen an den zweiten Satz. Den Charakter einer gravitätisch schreitenden Polonaise voller kapriziöser Episoden hat Joseph Joachim im bereits zitierten Brief an Schumann vom 17. November 1854 vortrefflich beschrieben: «Wissen Sie noch, wie Sie lachten und sich freuten, als wir meinten, der letzte Satz klänge, wie wenn Kociusko mit Sobiesky eine Polonaise eröffneten: so stattlich?» Das geistvolle Spiel mit Themen und Motiven und ihren Ableitungen und Varianten, das zahlreiche oft verdeckte Bezüge innerhalb des Satzes und des ganzen Konzerts aufweist, setzt sich bis JOACHIM DRAHEIM zum strahlenden Dur-Schluss fort. 17 « E I N FA N TA S T I S C H E S STÜCK MUSIK» DER GEIGER RENAUD CAPUÇON IM GESPRÄCH Herr Capuçon, Sie musizieren zum ersten Mal mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Welche Erwartungen haben Sie an dieses Debüt? Ich erwarte einen der schönsten Orchesterklänge, den es auf der Welt gibt. Und ich weiß, dass ich nicht enttäuscht sein werde! Ich habe die Staatskapelle zum ersten Mal in den großartigen Strauss-Aufnahmen unter Rudolf Kempe gehört. Diese Aufnahmen waren auch der Grund, weshalb ich das Strauss-Violinkonzert in mein Repertoire aufgenommen habe, das ich inzwischen ziemlich häufig spiele. Das Violinkonzert von Richard Strauss hört man nur sehr selten – ganz ähnlich wie dasjenige von Robert Schumann, das Sie in Dresden spielen werden. Was schätzen Sie an diesem Werk, um das viele Geiger einen Bogen machen? Ich halte es für ein fantastisches Stück Musik. Man kann darin förmlich Schumanns Emotionen spüren, in gewisser Weise auch seinen «Schmerz». Der langsame Satz ist ein seltener Moment reiner Schönheit ... Das Werk ist eines meiner Lieblingskonzerte. Sie haben das Konzert bereits vor ein paar Jahren gemeinsam mit Daniel Harding aufgenommen. Hat sich seitdem etwas an Ihrer Sicht auf das Werk geändert? Sicher – so, wie sich jeder innerhalb von fünf Jahren verändert. Ich hoffe, dass ich ein bisschen reifer geworden bin. Ein großer Unterschied ist aber sicher das Instrument, das ich heute spiele, eine Guarneri del Gesù von 1721. Ich denke, dass mir dieses Instrument hinsichtlich der Klangfarben mehr Möglichkeiten bietet, sicher auch einen reicheren Klang. 18 19 Schumann hat ein paar Jahre in Dresden gelebt. Spielt das für Sie eine Rolle, wenn Sie sein Werk hier interpretieren? Natürlich. Es ist sehr bewegend zu wissen, dass er an diesem Ort gewesen ist. Sie haben bereits mehrfach mit Daniel Harding gearbeitet. Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit beschreiben? Als einen sehr instinktiven und natürlichen Zugang zur Musik. Auch als eine große Vertrautheit und Freundschaft. Wir kennen uns seit 1995, haben uns in Berlin kennen gelernt, und es ist immer eine Freude, miteinander zu musizieren. Daniel ist nicht nur einer der talentiertesten Dirigenten heutzutage, sondern auch ein toller Mensch, der sein Können ganz in den Dienst der Musik stellt. Nach den Konzerten in Dresden werden Sie mit der Staatskapelle und Daniel Harding auch auf einer Europa-Tournee zu erleben sein. Auf welche Station freuen Sie sich besonders? Alle Stationen sind für sich genommen besonders, aber ich freue mich natürlich auf das Konzert in Paris, in meiner französischen Heimat. Sie geben mit den Konzerten bereits einen Vorgeschmack auf das Schumann-Jahr 2010. Wie werden Sie es begehen? Ich werde eine Menge Kammermusik von Schumann bei meinem Festival in Bel Air spielen, z.B. die Trios mit Hélène Grimaud, das zweite Streichquartett mit meinem eigenen Quartett und einige andere Stücke. Erst vor kurzem habe ich die beiden Sonaten gespielt, außerdem das Klavierquartett und das Klavierquintett, beide mit Martha Argerich. Mit ihr zu spielen, ist ein unglaubliches Erlebnis. Es ist, als wenn man in eine andere Welt reist. D I E F R A G E N S T E L LT E T O B I A S N I E D E R S C H L A G 20 RENAUD CAPUÇON VIOLINE mit 14 Jahren sein Studium bei Gérard Poulet und Veda Reynold und setzte es später bei Thomas Brandis und Isaac Stern fort. Schon bald vielfach ausgezeichnet, holte ihn Claudio Abbado 1997 als Konzertmeister zum Gustav Mahler Jugendorchester. Nach weiteren Preisen debütierte er 2002 bei den Berliner Philharmonikern unter Bernard Haitink und 2004 beim Boston Symphony Orchestra unter Christoph von Dohnányi. Seither konzertiert er mit den weltweit renommiertesten Orchestern und mit Dirigenten wie Semyon Bychkov, Christoph Eschenbach, Alan Gilbert, Daniel Harding und Robin Ticciati. Seine besondere Vorliebe für die Kammermusik führte ihn mit bedeutenden Instrumentalisten wie den Pianisten Martha Argerich und Daniel Barenboim, dem Bratscher Yuri Bashmet oder dem Cellisten Truls Mørk zusammen. Auch bei den großen internationalen Musikfestivals ist Renaud Capuçon regelmäßig zu Gast und gründete vor einigen Jahren in seinem Heimatort Chambéry ein eigenes Festival. Viele seiner zahlreichen Einspielungen, exklusiv für Virgin Classics, wurden ausgezeichnet. In der Saison 2008/2009 konzertiert Renaud Capuçon u.a. mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, den Bamberger Symphonikern und – zum ersten Mal – mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. In seiner vierten Saison als Exklusivkünstler des Konzerthauses Dortmund ist er dort mit drei verschiedenen Programmen zu Gast. Renaud Capuçon spielt die Guarneri del Gesù «Panette» von 1721, die zuvor Isaac Stern gehörte. RENAUD CAPUÇON BEGANN 21 ROBERT SCHUMANN LITOGRAPHIE VON EDUARD KAISER (1847) KONTINUITÄT MIT BRÜCHEN ZU SCHUMANNS ZWEITER SINFONIE seit einigen Tagen sehr (Trombe in C); ich weiß nicht, was daraus werden wird», schrieb Schumann im September 1845 an den Künstlerfreund Felix Mendelssohn Bartholdy. Heute wissen wir, was daraus geworden ist: Zwischen Dezember 1845 und Oktober 1846 komponierte Schumann seine zweite Sinfonie in C-Dur op. 61, die eigentlich seine Dritte ist – sie entstand nach der Erstfassung der späteren vierten Sinfonie. Noch 1844 hatte Schumann einen völligen physischen und psychischen Zusammenbruch erlitten, anschließend quälten ihn Depressionen und Schlaflosigkeit. «Mir ist’s, als müßte man ihr [der Sinfonie] dies anhören», gestand er einige Jahre später dem Hamburger Musikdirektor Georg Dietrich Otten. «Erst im letzten Satz fing ich an mich wieder zu fühlen; wirklich wurde ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes wieder wohler.» Nicht zuletzt wegen seines labilen Gesundheitszustandes war Schumann im Dezember 1844 mit seiner Familie von Leipzig, wo man ihn nach Mendelssohns Weggang bei der Neuwahl des Gewandhauskapellmeisters übergangen hatte, nach Dresden gezogen. Bis 1850 sollte er in der sächsischen Residenzstadt bleiben, in der er – anders als es viele Schumann-Biografen darstellen – durchaus ein «künstlerisches» Klima vorfand: Schon bald hatte er auch hier einen Kreis von Künstlern um sich, darunter die Maler Eduard Bendemann und Ludwig Richter, der Bildhauer Ernst Rietschel und der Dirigent Ferdinand Hiller. Gelegentlich stieß auch der junge Hofkapellmeister Richard Wagner dazu, mit dem « I N M I R PA U K T U N D T R O M P E T E T E S SINFONIE NR. 2 C-DUR OP. 61 ENTSTANDEN Z WISCHEN DE ZEMBER 1845 UND OK TOBER 1846 IN DRESDEN URAUFGEFÜHRT AM 5. NOVEMBER 1846 IM GE WANDHAUS ZU LEIPZIG ( GE WANDHAUSORCHESTER, DIRIGENT: FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY ) GEWIDMET «SEINER MAJESTÄT DEM KÖNIGE VON SCHWEDEN UND NORWEGEN OSCAR I.» BESETZUNG 2 FLÖTEN, 2 OBOEN, 2 KL ARINE T TEN, 2 FAGOT TE, 2 HÖRNER, 2 TROMPE TEN, 3 POSAUNEN, PAUKEN, STREICHER VERLAG BREITKOPF & HÄRTEL, WIESBADEN / LEIPZIG DAUER CA. 40 MINUTEN 22 23 Schumann allerdings nicht richtig warm wurde: zu unterschiedlich waren ihre beiden Charaktere. Zwar konnte Schumann auch in Dresden nicht dauerhaft Fuß fassen – nach Wagners Flucht 1849 überging man ihn auch hier bei der Neubesetzung der Kapellmeisterstelle –; immerhin aber erlebte er hier seine «fruchtbarste» Zeit: Nicht weniger als ein Drittel seines Gesamtwerkes entstand in Dresden, neben der DER DIRIGENT DER URAUFFÜHRUNG: zweiten Sinfonie auch FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY andere bedeutende Werke wie das a-MollKlavierkonzert, die Musiken zu «Manfred» und «Faust», das «Album für die Jugend» und die Oper «Genoveva». Schumann strebte in seiner zweiten Sinfonie mehr noch als in anderen Werken eine Verbindung von klassischer Form und romantischem Inhalt an. Sein Ziel war es, eine «historische Kontinuität» herzustellen. So steht der schöpferischen Auseinandersetzung mit Werken Bachs, Mozarts und Beethovens, die sogar bis zum konkreten Zitat reicht, hier ein subjektiver, poetisch geprägter Ausdruckswillen gegenüber. Als «uneinheitlich» hat man das Werk deshalb häufig empfunden, seine Gestaltung mit Schumanns seelischem Zustand in Verbindung gebracht. Selten wurde der Versuch gemacht, im ästhetischen Dilemma zwischen Form und Inhalt den eigentlichen Reiz der Komposition zu sehen. Gerade das Bruchhafte und Pathologische aber dürfte die «Modernität» der Sinfonie ausmachen. Dem ersten Satz ist eine langsame Einleitung vorangestellt, die in stufenweiser Temposteigerung zum Allegro hinführt. Begleitet von einer ruhig fließenden Bewegung der übrigen Instrumente stimmen die Blechbläser ein fanfarenartiges Motiv an, ein «Motto» Beethovenscher Ausprägung, das – mit Ausnahme des Adagios – in allen Sätzen wiederkehrt. Die Impulse, die danach vom Allegro-Hauptthema mit seinen markanten Punktierungen ausgehen, prägen den ganzen Satz, der auf 24 D E R S A A L D E S A LT E N L E I P Z I G E R G E W A N D H A U S E S ( U M 1 8 8 0 ) ein ausgeprägtes Seitenthema verzichtet. Schumann selbst empfand die raffiniert instrumentierte Rückleitung zur Reprise, die über einem langen Orgelpunkt geschieht, als besonders gelungen. Das Allegro vivace an zweiter Stelle hat die Gestalt eines dämonischen Perpetuum-mobile-Scherzos. In rastloser Bewegung treiben die ersten Violinen das Geschehen voran. Einen Kontrast liefern die beiden thematisch verwandten Trios: das erste mit «trippelnden» Holzbläsern, das zweite in ruhigen Vierteln – eine lyrische Oase. Die furios gesteigerte Coda wird durch die Wiederkehr des Fanfarenmottos überhöht. Tiefsinniger Mittelpunkt der Sinfonie ist der langsame Satz, der häufig als Höhepunkt in Schumanns gesamtem sinfonischen Schaffen betrachtet wird. Hier wird der «Klassizismus» des Werkes vielleicht am überzeugendsten umgesetzt: Das ausdrucksvolle Hauptthema folgt in Umrissen dem Beginn der Triosonate aus Bachs «Musikalischem Opfer»; gleichzeitig wagt Schumann in diesem Satz auch kühne harmonische Wendungen, die bereits auf Wagners «Tristan» voraus weisen. Die «Schmerzensklänge», die er gegenüber Otten thematisierte, treten hier am deutlichsten hervor. Wie weggeblasen scheinen die Konflikte im Finale: Mit einem burschikosen Hauptthema in C-Dur stürmt dieser Satz optimistisch nach 25 ANSICHT VON DRESDEN UM 1850: Z W I N G E R W A L L M I T H O F T H E AT E R , H O F K I R C H E U N D S C H L O S S ( V. L . ) SÄCHSISCHE S T A AT S K A P E L L E DRESDEN Europa-Tournee 10. – 17. Juni 2009 DANIEL HARDING DIRIGENT RENAUD CAPUÇON VIOLINE PROGRAMME 1) Robert Schumann Ouvertüre zu «Genoveva» c-Moll op. 81 Violinkonzert d-Moll op. posth. Johannes Brahms Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 vorn; auch eine Variante des «Sehnsuchtsmotivs» aus dem langsamen Satz kann den Fluss nicht aufhalten, sie wird vielmehr elegant eingebunden. Nach einer spannungsreichen Durchführung kommt die Musik aber schließlich zum Stillstand. In drei (!) Generalpausen hält sie inne, dann stimmen die Holzbläser völlig unerwartet ein neues Thema an – ein Zitat aus Beethovens Liederzyklus «An die ferne Geliebte» op. 98: «Nimm sie hin denn, diese Lieder.» Es löst, ungewöhnlich genug, eine zweite durchführungsähnliche Entwicklung aus und mündet schließlich in eine Jubel-Coda, die am Ende vom Fanfarenmotiv überstrahlt wird. Felix Mendelssohn Bartholdy, inzwischen als Kapellmeister ins Leipziger Gewandhaus zurückgekehrt, leitete im November 1846 die Uraufführung der zweiten Sinfonie – die allerdings kein Erfolg war. Immer wieder hat man dafür das überlange Programm des Konzertes verantwortlich gemacht (und tatsächlich kam es aus diesem Grund auch zu einer vorübergehenden Verstimmung zwischen den beiden Komponisten). Möglicherweise zeigte sich das Publikum aber auch damals schon von einer eigenwilligen sinfonischen Sprache irritiert, die es bis heute noch ernsthaft und ausdauernd zu entdecken gilt. 2) Robert Schumann Ouvertüre zu «Genoveva» c-Moll op. 81 Violinkonzert d-Moll op. posth. Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 10. Juni 2009 Köln Philharmonie (1) 11. Juni 2009 Luxemburg Philharmonie (2) 12. Juni 2009 Paris Théâtre des Champs-Elysées (2) 13. Juni 2009 Dublin National Concert Hall (1) 16. Juni 2009 Glasgow Royal Concert Hall (2) TOBIAS NIEDERSCHLAG D I E S T A AT S K A P E L L E I M T H É Â T R E D E S C H A M P S - E LY S É E S ( 2 0 0 7 ) 26 27 11. SINFONIEKONZERT 2008|2009 ORCHESTERBESETZUNG 1. VIOLINEN B R AT S C H E N KONTRABÄSSE HÖRNER Matthias Wollong 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Thomas Meining Michael Frenzel Christian Uhlig Jörg Kettmann Susanne Branny Barbara Meining Birgit Jahn Wieland Heinze Henrik Woll Anett Baumann Annika Thiel Anselm Telle Franz Schubert Renate Hecker Michael Neuhaus Solo Andreas Schreiber Michael Horwath Jürgen Knauer Michael Schöne Uwe Jahn Ralf Dietze Zsuzsanna Schmidt-Antal Irena Krause Matthias Neubert* Winfried Berger* Florian Kapitza* Reiner Barchmann* Solo Martin Knauer Torsten Hoppe Bernd Haubold* Helmut Branny Christoph Bechstein Thomas Grosche Johannes Nalepa Erich Markwart Solo Andreas Langosch Harald Heim Klaus Gayer 2. VIOLINEN Heinz-Dieter Richter Konzertmeister Frank Other Matthias Meißner Günter Friedrich Stephan Drechsel Jens Metzner Olaf-Torsten Spies Beate Prasse Mechthild von Ryssel Alexander Ernst Elisabeta Florea Emanuel Held Martin Fraustadt Johanna Fuchs 28 Tobias Willner Solo Gerd Graner FLÖTEN Sabine Kittel Solo Bernhard Kury VIOLONCELLI Isang Enders Konzertmeister Friedwart Christian Dittmann Solo Martin Jungnickel Uwe Kroggel Linhardt Schneider Andreas Priebst Bernward Gruner Johann-Christoph Schulze Anke Heyn Jürgen Gerlinger* TROMPETEN POSAUNEN Uwe Voigt Solo Jürgen Umbreit Lars Zobel OBOEN Céline Moinet Solo Michael Goldammer PA U K E N Bernhard Schmidt Solo KLARINETTEN Wolfram Große Solo Egbert Esterl * als Gast FA G O T T E Thomas Eberhardt Solo Thomas Berndt 29 VORSCHAU Musik aus der Frauenkirche Dresden 12. SINFONIEKONZERT Die exklusive CD-Reihe bei Carus SONNTAG, 5. JULI 2009, 11 UHR MONTAG, 6. JULI 2009, 20 UHR Aktuelle CDs mit der Staatskapelle Dresden DIENSTAG, 7. JULI 2009, 20 UHR SEMPEROPER Sir Colin Davis D I R I G E N T Nikolaj Znaider V I O L I N E Felix Mendelssohn Bartholdy Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 «Schottische» Edward Elgar Violinkonzert h-Moll op. 61 Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten Spielzeit 2008|2009 Herausgeben von der Intendanz © Juni 2009 REDAKTION Tobias Niederschlag G E S T A LT U N G U N D S AT Z schech.net | www.schech.net SCANS Janine Schütz DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB Keck & Krellmann Werbeagentur GmbH i.A. der Moderne Zeiten Medien GmbH Telefon. (0351) 25 00 670 e-Mail: [email protected] www.kulturwerbung-dresden.de BILDER Daniel Harding: Harald Hoffmann/Deutsche Grammophon; Historische Abbildungen zu Schumann: Barbara Meier, Robert Schumann, Reinbek 1995; Mendelssohn Bartholdy, Altes Gewandhaus: Martin Geck, Felix Mendelssohn Bartholdy, Reinbek 2009; Karl Böhm: Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden; Renaud Capuçon: Simon Fowler/Virgin Classics; Théâtre des Champs-Elysées: Matthias Creutziger TEXTE «Fruchtbares Intermezzo», «Kontinuität mit Brüchen» und das Interview mit Renaud Capuçon sind Originalbeiträge für die Publikationen der Sächsischen Staatskapelle Dresden von Tobias Niederschlag. «Von der standhaften Liebe» von Christine Mellich und «... das fehlende Bindeglied der Violinliteratur» von Dr. Joachim Draheim drucken wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren. Carus 83.246 Sächsische Staatsoper Dresden Intendant Prof. Gerd Uecker Generalmusikdirektor Fabio Luisi EU N IMPRESSUM Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S T A AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E Vertrieb (D) 30 Carus 83.249 vor Beginn im Kellerrestaurant der Semperoper www.carus-verlag.com Carus 11_SiKoPH.indd 4 05.06.2009 15:00:08 Uhr