rauchen: suchtmerkmale bewiesen

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AKTUELL
ÖFFNUNG DER KRANKENHÄUSER
SELBSTHILFE
G-BA benennt vier neue
Krankheitsbilder
Ärzte zu Zusammenarbeit bereit
Die große Mehrheit der Ärzte bewertet die Arbeit von Selbsthilfegruppen als hilfreich bei der Patientenbehandlung. Dies geht aus Studienergebnissen hervor, die bei einer
Fachtagung der Kassenärztlichen
Foto: VISUM
Der Gemeinsame Bundesausschuss
(G-BA) ermöglicht es den Krankenhäusern, sich in größerem Umfang
als bisher für die interdisziplinäre
ambulante Versorgung zu öffnen.
Nach einem Beschluss von Mitte
Juni sollen sie künftig auch Patienten mit schwerer chronischer Herzinsuffizienz, Krebserkrankungen des
Auges, HIV/Aids und Rheuma behandeln dürfen. Festgelegt wurden
Einzelheiten zu den Krankheitsbildern, Behandlungsverläufen und
weiteren Voraussetzungen.
Darüber hinaus hat der G-BA beschlossen, dass zum 1. Januar 2009
eine Früherkennungsuntersuchung
auf Hörstörungen bei Neugeborenen
eingeführt wird. Weiterhin soll die
Positronenemissionstomografie zur
Diagnose des kleinzelligen Lungenkarzinoms künftig gesetzlich Krankenversicherten auch in der ambulanten Versorgung zur Verfügung stehen. Zudem hat der G-BA das Chronikerprogramm „Koronare Herzkrankheit“ aktualisiert und um ein
Modul für Patienten mit Herzinsuffizienz erweitert. Weitere Beschlüsse
im Internet unter: www.g-ba.de/in
formationen/beschluesse.
Rie
Selbsthilfegruppen können vom ärztlichen Fachwissen
profitieren – Ärzte vom Erfahrungswissen der
Betroffenen.
Bundesvereinigung (KBV) zur Kooperation von Ärzten und Selbsthilfe in Berlin vorgestellt wurden. Vor
allem jüngere Ärzte sowie Ärzte in
Gemeinschaftspraxen oder Ärztenetzen stünden der Selbsthilfe aufgeschlossen gegenüber, berichtete
Dr. med. Peter Scholze, der für die
KBV als Vorstandsbeauftragter für
das Thema Patientenzentrierung zuständig ist. Nach einer Umfrage der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns habe sich gezeigt, dass sich 60
Prozent der Praxen eine Möglichkeit wünschten, auch nach außen
unter dem Siegel „Selbsthilfefreundliche Praxis“ zu firmieren.
Scholze schränkte jedoch ein, dass
der Bereitschaft zur Kooperation oft
keine konkreten Schritte folgten.
Die Gründe hierfür sind nach
Meinung von Prof. Dr. Wolfgang
Slesina, Universität Halle-Wittenberg, vielfältig. Studien hätten gezeigt, dass fehlende Abrechnungsmöglichkeiten ein Kooperationshindernis seien. Ärzten, die nicht mit
Selbsthilfegruppen zusammenarbeiten, begründeten dies oft damit,
dass eine Kooperation nicht den
ärztlichen Blick für die Probleme
chronisch Kranker schärfe.
Anders die Meinung von KBVVorstand Dr. med. Carl-Heinz Müller: „Ärzte profitieren vom Erfahrungswissen einer Selbsthilfegruppe zu einem bestimmten Krankheitsbild. Dabei stärkt das größere
Verständnis der spezifischen Probleme das Verhältnis zwischen Patient und Arzt. Es verbessert die Compliance und macht einen Therapieerfolg wahrscheinlicher.“
SR
RAUCHEN: SUCHTMERKMALE BEWIESEN
Nikotinabhängige Raucher weisen in der Funktion des Dopaminsystems im Gehirn ähnliche
Defizite auf wie andere Suchtkranke. Das haben
Mainzer, Aachener und Dresdner Wissenschaftler mithilfe der Positronenemissionstomografie
(PET) herausgefunden. Die Studie, die online
im „American Journal of Psychiatry“ (http://ajp.
psychiatryonline.org/content/vol165/issue4/
index.dtl) erschienen ist, zeigt klar, dass die
neurobiologischen Auswirkungen von Nikotin
ähnlich denen von Alkohol, Kokain, Heroin oder
Amphetamin sind. Die Frage, ob Rauchen eine
echte Suchterkrankung oder doch eher eine
schlechte Angewohnheit ist, beschäftigt die
Forschung schon seit Längerem. Insbesondere
ging man nicht davon aus, dass Nikotin die
gleichen neurobiologischen Folgen hat wie die
sogenannten harten Drogen. Diese Annahme
haben die Wissenschaftler nun widerlegt.
A 1420
Mithilfe der PET haben sie den Dopaminstoffwechsel im Gehirn von 17 starken Rauchern mit demjenigen von 21 Nichtrauchern
verglichen. Nikotin setzt – ebenso wie Alkohol
oder Drogen – in einem Teil des Mittelhirns den
Botenstoff Dopamin frei. Rezeptoren auf der
Oberfläche von Nervenzellen binden Dopamin
und werden in die Zelle geschleust. Bei chronischem Nikotinkonsum kann sich infolge einer
dauerhaften Dopaminfreisetzung die Rezeptorendichte verändern.
Niedrige Rezeptorendichte ist
charakteristisch für Suchtverhalten
So zeigt die Studie, dass im bilateralen
Putamen (ein Teil des Striatums) die Verfügbarkeit bestimmter Dopaminrezeptoren bei den
Rauchern stark erniedrigt ist. Eine ähnlich niedrige Rezeptorverfügbarkeit in diesem Teil des
Gehirns tritt auch bei Patienten auf, die
alkohol-, kokain-, heroin- oder amphetaminabhängig sind. Das Dopaminsystem im bilateralen Putamen ist entscheidend daran beteiligt,
Neues interessant zu finden oder eine Belohnung bei bestimmten Auslösern zu antizipieren.
Eine niedrige Verfügbarkeit von Dopaminrezeptoren in diesem Bereich verschlechtert die
natürliche Dopaminwirkung. „Die niedrige
Verfügbarkeit war auch unter Entzugsbedingungen gegeben", beschreibt Dr. med. Christoph Fehr (Mainz) ein weiteres Ergebnis der
Studie. „Hält diese länger an, wäre dies eine
mögliche Erklärung, warum es den Betroffenen
so schwerfällt, mit dem Rauchen aufzuhören.
Denn eine anhaltende Unterfunktion des Dopaminsystems scheint ein charakteristisches
Merkmal für Abhängigkeit und Rückfallrisiko
zyl
bei einer Suchterkrankung zu sein.“
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 26⏐
⏐ 27. Juni 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
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