Das Restaurant ist das Theater der grossen Weine

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FOOD & BEVERAGE WEIN-KOLUMNE
Das Restaurant ist das
Theater der grossen Weine
W
arum sind die besten, bekanntesten und grössten Unternehmen so
bemüht, zum Beispiel an der Bahnhofstrasse Zürich einen Laden zu
haben? Die Mieten sind hoch, neue
Lokale werden kaum frei und wenn es soweit ist,
müssen sie – nebst der astronomischen Miete –
dem Vorbesitzer noch eine hohe Ablösesumme
bezahlen. Sie wollen nicht an die Bahnhofstrasse,
weil man da den grössten Umsatz erzielt, sondern weil die Bahnhofstrasse ein grosses, globales Schaufenster ist. Damit ein gutes oder neues
Produkt beim Kunden bekannt wird, braucht es
eine breite Präsenz. Entweder da, wo Zehntausende künftige Kunden vorbeigehen, – oder eine
teure Werbekampagne. Warum sollte das beim
Lifestyle-Genussprodukt Wein anders sein? Da
gibt es zum Beispiel einen kreativen Weinproduzenten. Er stellt hervorragende Weine her, was
viel Arbeit, Geld und Innovation gekostet hat.
Natürlich möchte er seine Weine zu einem Preis
verkaufen, der nicht nur seine Kosten deckt, sondern auch noch einen Gewinn abwirft. Sein Problem ist, dass die Leute seine Weine nicht genügend kennen. Obwohl der Preis gerechtfertigt ist,
möchte niemand so viel für ein Produkt ausgeben, das man nicht kennt und das keinen Prestige-Wert hat.
Wenn man die berühmtesten oder teuersten
Weine der Welt unter die Lupe nimmt, spielt der
Qualitätsunterschied eine unbedeutende Rolle.
Neben guten Weinen sind es vor allem hervorragende Marketingprodukte, wo entweder Angebot
und Nachfrage eine Rolle spielen, – oder die Weine
wurden so berühmt gemacht, dass die Leute sie
unbedingt und zu jedem Preis haben möchten.
Kürzlich habe ich Angelo Gaja in Zürich getroffen.
Er ist nicht nur ein faszinierender Mensch und ein
guter Winzer, sondern vor allem ein hervorragender Marketingstratege. Trotz seines hohen Alters
kann die junge Generation viel von ihm lernen. Er
hat mir erzählt, wie wichtig es ist, dass die Weine
beim breiten Publikum bekannt sind. Die meisten Restaurantgäste trinken zum Essen Wein. Sie
sind auch offener und experimentierfreudiger als
Kunden vom Supermarkt, die sich nur nach dem
Aussehen der Flasche, der Etikette und dem Preis
entscheiden. Angelo Gaja sagte: «Das Restaurant
ist das Theater der grossen Weine.» Früher waren
auf Hotel-Weinkarten nur französische Spitzenprodukte zu fi nden. Heute ist das anders und es
fi nden sich viele berühmte Weine aus aller Welt
auf den Karten.
Angelo Gaja ist der Meinung, dass der Sommelier Gratiswerbung für den Weinproduzen-
11I2011
ten macht, wenn sein Wein auf der Weinkarte eines guten Restaurants erscheint. Dafür zahlen der Restaurantinhaber und seine
Gäste sogar noch hohe Preise! Er fi ndet, dass Weinproduzenten
für diese Einführungs- und Gratisarbeit der Gastronomie und der
Sommeliers zuerst auch ihren Anteil leisten sollten. Die Praxis sieht
anders aus. Heute gewähren die Produzenten den Grossverteilern
selbstmörderische Rabatte, nur damit diese ihre Weine ins Ladenregal stellen. Die Weine werden dort zu Preisen verschleudert, die
nicht mal die Produktionskosten decken. Image und Prestige des
Weinproduzenten werden dadurch geschädigt. Und wer bezahlt
die Rechnung? Natürlich die Gastronomen, die Hoteliers und am
Ende die Gäste, die neben dem höheren Einkaufspreis auch noch
die Gratiswerbung leisten sollen. Wäre es nicht selbstverständlich,
dass Winzer, die ihre Produkte fördern und aufwerten möchten, der
Gastronomie und Hotellerie entgegenkommen? Wie wäre es zum
Beispiel mit Rabatten für Product Placement, Platzgeld und Kostenbeteiligung für Imagewerbung? Hochwertige und teure Weine
müssen zuerst ihren Statuswert aufbauen. Und die Restaurantgäste, die solche Weine konsumiert haben, werden ihre Begeisterung später weiterverbreiten
und beim Einkauf im Laden ausdrücken. Es ist
verblüffend, wie viele Weinproduzenten ihre
besten Produkte lieber mit wehenden Fahnen
untergehen lassen, statt grosszügig Marketing am richtigen Ort zu betreiben.
H
Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger
ist Präsident des Deutschschweizer
Sommelierverbandes (SVS/ASSP).
Seit vielen Jahren beschäftigt er
sich professionell mit der
internationalen und der
schweizerischen Weinszene.
[email protected]
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