Management der Implementierung des Kanals Internet – Barrieren

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Management der Implementierung des Kanals Internet
– Barrieren und Gestaltungsempfehlungen
DISSERTATION
der Universität St. Gallen,
Hochschule für Wirtschafts-,
Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Wirtschaftswissenschaften
vorgelegt von
Mirko Jazbec
aus
Slowenien
Genehmigt auf Antrag der Herren
Prof. Dr. Torsten Tomczak
und
Prof. Dr. Christian Belz
Dissertation Nr. 3049
Difo-Druck
II
Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften
(HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den
darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.
St. Gallen, den 19. April 2005
Der Rektor:
Prof. Ernst Mohr, PhD
III
Vorwort
Ende der 90er Jahre wurde das relativ neue Medium Internet euphorisch gefeiert, um danach
Mitte 2000 wieder unsanft auf dem Boden der Realität zu landen. Viele Unternehmen mussten feststellen, dass ihre Internetaktivitäten mit zu hohen Erwartungen, Irrwegen und vielfältigen Problemen verknüpft waren, die sich oftmals noch bis heute auswirken. Dies führt dazu, dass die möglichen Nutzenpotenziale – sowohl für Unternehmen als auch ihre Kunden –
bislang nur unzureichend genutzt werden. Auf dieser Problematik aufbauend widmet sich
die vorliegende Dissertation der Analyse der vorherrschenden Probleme bei der weiterhin
andauernden Implementierung des Internet als Kommunikations-, Absatz- oder CRMKanal. Die Betrachtung führender Unternehmen bildet die Basis für die Erarbeitung fundierter Lösungsansätze.
An dieser Stelle möchte ich mich bei denjenigen Personen bedanken, die einen massgeblichen Beitrag zur Vollendung meiner Dissertation geleistet haben.
In erster Linie gebührt mein Dank meinen Referenten Prof. Dr. Torsten Tomczak und Prof.
Dr. Christian Belz. Beiden standen mir mit fachlichem Rat stets zur Seite. An dieser Stelle
ist auch Prof. Dr. Marcus Schögel zu nennen, der wichtige Anregungen lieferte. Des Weiteren danke ich für ihre Unterstützung und Freundschaft meinen Kollegen Tim Brexendorf
und Dr. Dominik Pfeiffer. Für ein angenehmes Arbeitsklima im Kompetenzzentrum für
Distribution und Kooperation danke ich insbesondere Dr. Inga D. Schmidt und Dr. Achim
Sauer. Ein herzliches Dankeschön gebührt auch den zahlreichen Experten aus der Praxis,
ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Besonderer Dank gebührt Gunter Thomá
für seine aufwändigen Korrekturarbeiten. Meinen Eltern danke ich für die unermüdliche
Unterstützung auf meinem Weg. Am meisten danke ich meiner Frau Dr. Doris Benz, die
mich mit ihrem einzigartigen Rückhalt bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt hat. Ihr
widme ich diese Arbeit.
St. Gallen, im August 2005
Mirko
Jazbec
I
Abbildungsverzeichnis............................................................................................................ V
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. VII
Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................... VIII
1.
Einleitung........................................................................................................................ 1
1.1.
Problemstellung ....................................................................................................... 1
1.2.
Begriffsklärung ........................................................................................................ 3
1.3.
Stand der Forschung ................................................................................................ 7
1.4.
Bezugsrahmen, Forschungsfragen und Forschungsziele....................................... 12
1.5.
Forschungsansatz und Forschungsvorgehen.......................................................... 15
1.5.1.
Wissenschaftstheoretische Leitideen und Ansatz der Theoriebildung .......... 15
1.5.2.
Forschungsansatz und -methodik .................................................................. 21
1.5.3.
Forschungsvorgehen ...................................................................................... 25
1.6.
2.
Aufbau der Arbeit .................................................................................................. 28
Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen ................................................................... 30
2.1.
Nutzung des Internet in Unternehmen ................................................................... 30
2.1.1.
Überblick........................................................................................................ 30
2.1.2.
Nutzung im Marketing: Kommunikationskanal und Internet-Marketing...... 34
2.1.3.
Nutzung in Marketing und Vertrieb: Absatzkanal und E-Commerce ........... 35
2.1.4.
Nutzung in Marketing, Vertrieb und Kundenservice: E-CRM...................... 38
2.1.5.
Nutzung des Internet über die gesamte Wertkette hinweg: E-Business........ 45
2.1.6.
E-Services: Instrumente der Leistungserbringung im Internet...................... 46
2.1.6.1. Dienstleistung (Service): Begriff und Charakteristika .............................. 46
2.1.6.2. E-Services: Begriff und Charakteristika.................................................... 49
2.2.
Implementierung .................................................................................................... 55
2.2.1.
Charakteristika der Implementierung ............................................................ 55
2.2.2.
Grundlegende Implementierungsansätze....................................................... 60
2.2.2.1. Verhaltensbezogene Dimension der Implementierung.............................. 62
2.2.2.2. Strukturelle Dimension der Implementierung ........................................... 75
II
2.2.2.3. Prozessbezogene Dimension der Implementierung................................... 77
2.2.3.
3.
Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse der Implementierungsforschung 79
Situative Problemanalyse und situatives Management der Implementierung des ...
Kanals Internet............................................................................................................. 81
3.1.
Typologie der Implementierung des Kanals Internet ............................................ 82
3.1.1.
Grundlagen der Typenbildung ....................................................................... 82
3.1.2.
Typenbildung anhand der implementierten Funktionen des Kanals Internet 84
3.2.
Vorläufiges Framework der Implementierung des Kanals Internet ...................... 90
3.3.
Management der Implementierung des Kommunikationskanals Internet............. 93
3.3.1.
Charakteristika und Anforderungen............................................................... 93
3.3.2.
Erfolgsbarrieren ........................................................................................... 102
3.3.2.1. Geringe Akzeptanz des Kanals ................................................................ 104
3.3.2.2. Formale Mängel der Web-Site................................................................. 106
3.3.2.3. Inhaltliche Mängel der Web-Site............................................................. 109
3.3.2.4. Mängel im Kontaktmanagement.............................................................. 112
3.3.2.5. Hohe Kosten der Pflege der Web-Site..................................................... 114
3.3.3.
Typenspezifisches Implementierungsmanagement ..................................... 116
3.3.3.1. Erhöhung der internen Akzeptanz ........................................................... 117
3.3.3.2. Implementierung einer erhöhten Kundenorientierung............................. 120
3.3.3.2.1. Formale Gestaltung: Gewährleistung der Usability.......................... 120
3.3.3.2.2. Inhalte der Web-Site: Gewährleistung der Bedürfnisorientierung ... 124
3.3.3.2.3. Vereinheitlichung der Web-Sites von Verkaufsniederlassungen ..... 127
3.3.3.3. Implementierung eines systematischen Kontaktmanagements ............... 130
3.3.3.4. Maßnahmen der Effizienzsteigerung ....................................................... 132
3.4.
Management der Implementierung des Absatzkanals Internet............................ 134
3.4.1.
Charakteristika und Anforderungen............................................................. 134
3.4.2.
Erfolgsbarrieren ........................................................................................... 139
3.4.2.1. Mangelnde Initiierung von Online-Käufen ............................................. 141
3.4.2.2. Mängel im Kaufprozess ........................................................................... 148
3.4.2.3. Hohe Kosten ............................................................................................ 150
3.4.3.
Typenspezifisches Implementierungsmanagement ..................................... 152
III
3.4.3.1. Nachweis des Erfolgs des Absatzkanals Internet .................................... 152
3.4.3.2. Umgang mit Kanalkonflikten .................................................................. 156
3.4.3.3. Umgang mit weiteren Konflikten ............................................................ 162
3.4.3.4. Ausschöpfung von Anreizen für Kunden ................................................ 164
3.4.3.5. Erhöhung der Qualität des Absatzkanals Internet ................................... 166
3.4.3.6. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung ....................................................... 169
3.5.
Management der Implementierung des CRM-Kanals Internet............................ 170
3.5.1.
Charakteristika und Anforderungen............................................................. 170
3.5.2.
Erfolgsbarrieren ........................................................................................... 179
3.5.2.1. Unzureichende Erfassung von Kundendaten (Identifikation) ................. 181
3.5.2.2. Unzureichende Analyse von Kundendaten und Kundenselektion .......... 184
3.5.2.3. Mängel in der Kundeninteraktion ............................................................ 186
3.5.2.4. Mangelnde Automatisierung von Kundeninteraktionsprozessen ............ 187
3.5.3.
4.
Typenspezifisches Implementierungsmanagement ..................................... 188
Problemanalyse und Gestaltungsempfehlungen für das Management der
Implementierung des Kanals Internet ..................................................................... 191
4.1.
Erweitertes Framework der Implementierung des Kanals Internet und
Vorgehen bei der Analyse von Erfolgsbarrieren, Implementierungsbarrieren
und -lücken........................................................................................................... 191
4.2.
Bestimmung der Ausgangssituation: Audit des Implementierungsgegenstands ......
(1. Schritt) ............................................................................................................ 196
4.3.
Bestimmung der Kunden- und Anbieterprozesse (2. und 3. Schritt)................... 200
4.4.
Ermittlung ineffektiver und ineffizienter Anbieterprozesse
(4. Schritt) ............................................................................................................ 201
4.5.
Ermittlung struktureller und verhaltensbezogener Implementierungslücken ...........
und -barrieren (5. Schritt) .................................................................................... 203
4.5.1.
Ermittlung verhaltensbezogener Implementierungswiderstände................. 203
4.5.2.
Ermittlung struktureller Implementierungslücken und -barrieren............... 210
4.6.
Auswahl geeigneter Implementierungsmaßnahmen (6. Schritt): .............................
Generelle Gestaltungsempfehlungen und typenspezifische Schwerpunkte ........ 215
4.6.1.
Grundlagen................................................................................................... 215
IV
4.6.1.1. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache „negative
individuelle Zielerreichung“ .................................................................... 216
4.6.1.2. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache „kein Glaube ........
an Erfolg“................................................................................................. 222
4.6.1.3. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache ..............................
„Überforderung“ ...................................................................................... 223
4.6.2.
Typenübergreifende Implementierungsmaßnahmen ................................... 224
4.6.3.
Typenspezifische Implementierungsmaßnahmen........................................ 225
4.6.3.1. Kommunikationskanaltypus .................................................................... 225
4.6.3.2. Absatzkanaltypus ..................................................................................... 230
4.7.
Analyse der Implementierungsfähigkeiten des verantwortlichen E-Business- .........
Managers (7. Schritt) ........................................................................................... 233
5.
4.7.1.
Adoption verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Forschung ........
zur Marketingimplementierung ................................................................... 235
4.7.2.
Anforderungen an den verantwortlichen E-Business-Manager................... 239
Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf .............................................. 245
5.1.
Zusammenfassung ............................................................................................... 245
5.2.
Kritische Würdigung des Frameworks und weiterer Forschungsbedarf ............. 247
Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 251
Anhang A: Verzeichnis der Expertengespräche .................................................................. 289
Anhang B: Gesprächsleitfaden Expertengespräche Phase 1 (25.07.2003 – 07.12.2003).... 294
Anhang C: Gesprächsleitfaden Expertengespräche Phase 2 (13.04.2004 – 12.08.2004).... 298
Anhang D: Dissertationsbeschreibung................................................................................. 303
Anhang E: Verzeichnis der Workshops mit Unternehmensvertretern ................................ 306
Anhang F: Verzeichnis der Teilprojekte mit der Microsoft Schweiz GmbH im Rahmen .......
des Forschungsprojekts „Total Customer Care“ des Instituts für Marketing .........
und Handel der Universität St. Gallen ............................................................... 308
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Heuristischer Bezugsrahmen ..................................................................... 13
Abbildung 2:
Forschungsphasen, -ziele und -methodik .................................................. 26
Abbildung 3:
Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 28
Abbildung 4:
Einordnung relevanter Begriffe in die Systematik der Primäraktivitäten
der Wertkette von Porter ........................................................................... 30
Abbildung 5:
Der Buying Cycle ...................................................................................... 31
Abbildung 6:
Blueprint von Anbieter- und Kundenprozessen ........................................ 33
Abbildung 7:
Kreuzungsraster der Aufgabenverteilung in Mehrkanalsystemen ............ 38
Abbildung 8:
Das Spektrum von Austauschprozessen .................................................... 42
Abbildung 9:
E-Service und Self-Service........................................................................ 50
Abbildung 10:
Einordnung von E-Services in das Gütersystem ....................................... 52
Abbildung 11:
Reichweite der Implementierung von Marketing-Aktionen, -Programmen
und -Richtlinien ......................................................................................... 57
Abbildung 12:
Konzept und Implementierung: Problemdiagnose .................................... 59
Abbildung 13:
Analyseebenen organisatorischen Verhaltens ........................................... 62
Abbildung 14:
Bedingungen des Verhaltens ..................................................................... 66
Abbildung 15:
Determinanten des Motivationsprozesses.................................................. 69
Abbildung 16:
Der Verhaltensentwurf des Individuums ................................................... 74
Abbildung 17:
Typische Funktionen des Internetkanals im Verlauf des Buying Cycle ... 84
Abbildung 18:
Implementierungsstufen und Funktionsumfang des Kanals Internet ........ 86
Abbildung 19:
Einordnung der Fälle in die Internetkanaltypologie .................................. 89
Abbildung 20:
Vorläufiges Framework der Implementierung des Kanals Internet .......... 91
Abbildung 21:
Informations- und Kontaktfunktion des Kommunikationskanaltyps ........ 94
Abbildung 22:
Beeinflussungsfaktoren der Kundenzufriedenheit .................................... 98
VI
Abbildung 23:
Prozessschritte beim Management von Kundenkontakten auf dem
Internet ..................................................................................................... 100
Abbildung 24:
Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des
Kommunikationskanaltyps .................................................................. 103
Abbildung 25:
Ebenen und Einflussgrößen der E-Service Quality (E-SQ)..................... 138
Abbildung 26:
Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des
Absatzkanaltyps....................................................................................... 140
Abbildung 27:
Multichannel-Effekte bei der Quelle AG ................................................ 154
Abbildung 28:
Umgang mit Kanalkonflikten im E-Business .......................................... 156
Abbildung 29:
Prozess der Informationsgewinnung und -nutzung ................................. 174
Abbildung 30:
Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des CRMKanaltyps................................................................................................. 181
Abbildung 31:
Zusammenhang zwischen Mehrwert, Transaktionen und Vertrauen...... 183
Abbildung 32:
Erweitertes Framework der Implementierung des Kanals Internet......... 192
Abbildung 33:
Vorgehen bei der Analyse von Erfolgsbarrieren des Kanals Internet..... 194
Abbildung 34:
Kontinuum von E-Service-Strategien...................................................... 198
Abbildung 35:
Kunden- und Anbieterprozesse nach Internetkanaltypen ........................ 201
Abbildung 36:
Übersicht über die identifizierten Ursachen verhaltensbezogener
Widerstände beim Kommunikationskanaltyp.......................................... 206
Abbildung 37:
Übersicht über die identifizierten Ursachen verhaltensbezogener
Widerstände beim Absatzkanaltyp .......................................................... 208
Abbildung 38:
Dimensionsen und Faktoren der strukturellen
Implementierungsdimension des Kanals Internet ................................. 211
Abbildung 39:
Handhabung von Konflikten ................................................................... 217
VII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Ausgewählte Publikationen zur Erforschung der Implementierung .................
des Kanals Internet ........................................................................................ 11
Tabelle 2:
Forschungsziele und Forschungsschritte ....................................................... 15
Tabelle 3:
Wissenschaftstheoretische Leitideen und Bedeutung für die ...........................
Implementierung des Kanals Internet ............................................................ 16
Tabelle 4:
Gütekriterien qualitativer Forschung und deren Berücksichtigung in der
Dissertation .................................................................................................... 25
Tabelle 5:
Einflussfaktoren der Rigidität eines Individuums ........................................ 72
Tabelle 6:
Dimensionen und Faktoren der Qualität von Web-Sites ............................... 97
Tabelle 7:
Widerstandsursachen und Maßnahmen ....................................................... 216
Tabelle 8:
Informationsinhalte im Rahmen der Implementierung des Kanals Internet
und primäres Ziel ihrer Vermittlung............................................................ 219
VIII
Abkürzungsverzeichnis
Anm. d. Verf.
Anmerkung des Verfassers
Aufl.
Auflage
Bsp., bspw.
Beispiel, beispielsweise
B-to-B
Business to Business
B-to-C
Business to Consumer
bzw.
beziehungsweise
CD
Corporate Design
CH
Schweiz
CI
Corporate Identity
CIC
Customer Interaction Center
CM
Content Management
CMS
Content Management System
CRM
Customer Relationship Management
DE
Deutschland
d.h.
das heisst
DMS
Dokumenten Management System
DWH
Data Warehouse
e-CRM
Electronic Customer Relationship Management
E-Commerce
Electronic Commerce
Erg. d. Verf.
Ergänzung des Verfassers
ERP
Enterprise Resource Planning
e-SQ
Electronic Service Quality
FuE
Forschung und Entwicklung
ggfs.
Gegebenenfalls
Hrsg.
Herausgeber
HSG
Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und
Sozialwissenschaften
HTML
Hyper Text Markup Language
i.d.R.
in der Regel
i.e.S.
im eigentlichen Sinn
IMH
Institut für Marketing und Handel
IX
IMH – HSG
Institut für Marketing und Handel an der Universität St. Gallen
IT
Informations-Technologie
IVR
Interactive Voice Response
i.w.S.
im weiteren Sinn
IVW
Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von
Werbeträgern e.V.
J.
Jahr
Kap.
Kapitel
o. V.
ohne Verfasser
OLAP
Online Analytical Processing
PC
Personal Computer
PDA
Personal Digital Assistant
ROI
Return on Investment
S.
Seite
SCM
Supply Chain Management
SERVQUAL
Service Quality
SST
Self Service Technologies
u.a.
unter anderem
URL
Unique Resource Locator
usw.
und so weiter
v. a.
vor allem
vgl.
vergleiche
VIE-Theorie
Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-Theorie
WWS
Waren-Wirtschafts-System
WWW
World Wide Web
1
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Die Euphorie um die Nutzung des Internet in Unternehmen wurde Anfang des neuen Jahrtausends jäh beendet. Vielen Unternehmen wurde aufgrund enttäuschender Ergebnisse klar,
dass sie einerseits die Adoption1 des Internet durch Kunden – insbesondere was den postulierten E-Commerce-Boom angeht – stark überschätzt hatten. Andererseits wurde zunehmend offensichtlich, dass vielfach Kosten für E-Business-Investitionen und Schwierigkeiten
bei der Implementierung unterschätzt worden waren.2 Umfragen zu Beginn des neuen Jahrtausends stellten heraus, dass 60 Prozent aller Unternehmen der „Old Economy“ mit den
Ergebnissen der Umsetzung ihrer E-Business-Projekte nicht zufrieden waren. Nur ein gutes
Drittel aller Unternehmen konnte häufig genannte operative Ziele wie Kostensenkungen oder einen höheren Kundennutzen erreichen.3 Monetäre Rückflüsse aus E-BusinessInitiativen sind somit spärlich, stehen aber in der Regel Investitionen in Millionenhöhe gegenüber. Der Stellenwert des E-Business wurde und wird in Unternehmen häufig neu diskutiert. Zunehmend wird die Frage nach der (realistischen) Rolle der E-Business-Aktivitäten
im Unternehmen gestellt.4 Vielfach wurden Projekte gestrichen, Budgets gekürzt und EBusiness-Abteilungen redimensioniert.5
Zwar gewinnt das Internet als Kommunikations- und Absatzkanal in manchen Unternehmen
zunehmend an Bedeutung. Für eine zunehmende Anzahl von Verbrauchern ist es heutzutage
üblich, sich mittels Internet über Produkte und Dienstleistungen zu informieren und auf den
Web-Sites von Unternehmen diverse Services zu nutzen, bevor sie ein Produkt kaufen.6
Deutlich weniger Menschen nutzen es als Absatzkanal, um Produkte zu kaufen.7 Nur weni1
2
3
4
5
6
7
Unter der Adoption versteht man den Prozess von der ersten Wahrnehmung bis hin zur Entscheidung, das Internet
und darauf enthaltene Unternehmens-Web-Sites zu bestimmten Zwecken (Information, Einkauf etc.) regelmäßig zu
nutzen (Rogers 1995, S. 163ff.; Assael 1995, S. 672).
Podgainy 2001, S. 28.
O. V. 2001, S. 31, zitiert nach Bruhn 2002, S. 5; Podgainy 2001, S. 28.
Weiber/Zanner 2002, S. 16.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
Rudolph/Schröder 2004, S. 25f.
Rudolph/Schröder 2004, S. 26; van Eimeren et al. 2004, S. 355.
2
ge Branchen – insbesondere Versandhandelsunternehmen und die Luftfahrtindustrie – können bedeutende Umsatzanteile des Kanals Internet am Gesamtumsatz vorweisen.8
Trotz vielerorts steigender Nutzer- und Nutzungszahlen sind Unternehmen der „Old Economy“ heutzutage häufig noch weit davon entfernt, das Internet als neuen Kanal erfolgreich
zu nutzen. Vielfältige Implementierungsbarrieren und Implementierungslücken behindern
den Erfolg des Kanals Internet und wirken somit einer höheren Nutzung durch Interessenten
bzw. Kunden entgegen. Weiber konstatiert, dass es Unternehmen, die das Internet nutzen,
immer noch nicht in hinreichendem Maß gelingt, einerseits Integrationsmöglichkeiten zwischen externen Markt- und internen Geschäftsprozessen herbeizuführen. Andererseits werden auch die Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kunden, die sich durch die neue Technologie eröffnen, nicht in effektiver und effizienter Weise genutzt.9 Unter anderem lassen sich
die folgenden Probleme erkennen:10
⎯
zu hohe Erwartungen
⎯
Unterschätzung der Komplexität: Viele E-Business-Projekte sind zu ambitioniert, zu
wenig fokussiert und scheitern an der Komplexität sowie dem unterschätzten Zeitund Kostenaufwand11
⎯
wenig Erfahrung mit der Implementierung des Internetkanals
⎯
Überbewertung des Faktors Zeit („Geschwindigkeit“) bei der Implementierung des
Internetkanals
⎯
technische Probleme
⎯
zu einseitiger Fokus auf technische Aspekte der Implementierung12
⎯
unzureichende Planung der Implementierung
⎯
unzureichende Integration in bestehende Unternehmensprozesse13
⎯
zu geringe Orientierung an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Nutzer
⎯
zu geringe Berücksichtigung des politischen Kräftefelds
8
9
10
11
12
13
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Haldimann und Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines
Ltd.; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Weiber 2000, S. 14f.
Vgl. Lientz/Rea 2001, S. XIX, S. 11f.
Podgainy 2001, S. 28; Lientz/Rea 2001, S. 11f.
Eggert/Fassott 2001, S. 7.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
3
⎯
geringe Akzeptanz bzw. mangelnde Unterstützung des neuen Kanals im Unternehmen
Dabei ist zentral, dass die Informationstechnologie lediglich als Ausgangspunkt eines langwährenden Prozesses der Entwicklung und Integration des Kanals Internet zu verstehen ist.
Ähnliche Erkenntnisse wurden auch im Forschungsgebiet des Customer Relationship Management (CRM) und Knowledge Management gemacht, wo Unternehmen den Fokus anfänglich häufig auf Informationstechnologie legten. Sie mussten oft feststellen, dass tiefergreifende kulturelle und organisationale Veränderungen erforderlich sind, um CRM bzw.
Knowledge Management überhaupt effektiv nutzen zu können.14
1.2. Begriffsklärung
Im folgenden Abschnitt werden die für die Arbeit zentralen Begriffe definiert. Dies sind die
Begriffe Management, Implementierung und Implementierung des Kanals Internet, Kommunikations- und Absatzkanal, Erfolg und Erfolgsbarriere, Implementierungslücke,
-barriere, -widerstand und -management. Weitergehende Ausführungen theoretischer
Grundlagen erfolgen im zweiten Kapitel.
Management
Den Begriff des „Management“ kann man aus einer funktionalen oder einer organisationalen Sichtweise heraus betrachten. Im funktionalen Verständnis werden unter dem Begriff
Prozesse und Funktionen beschrieben, die in arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden. Hierunter fallen die Planung, Organisation, Führung und Kontrolle. Dabei unterscheidet man sachbezogene Führungs-, Leitungs- und Verwaltungsaufgaben von der personenbezogenen, verhaltenswissenschaftlichen Komponente des Managements. Im institutionalen
Verständnis werden mittels des Begriffs „Management“ Personen(-gruppen) beschrieben,
14
Day/Van den Bulte 2002, S. 29; vgl. a. die dort angebenen Quellen.
4
die Managementaufgaben wahrnehmen, sowie ihre dabei wahrgenommenen Tätigkeiten und
Rollen.15
Implementierung des Kanals Internet
Der Begriff der „Implementierung“ leitet sich vom lateinischen Begriff „implementum“ her,
das mit Erfüllung oder Ausfüllung zu übersetzen ist.16 Er wurde in der deutschsprachigen
Betriebswirtschaftslehre im Zusammenhang mit der Einführung und angestrebten Nutzung
technischer Systeme und der Einführung von Managementmethoden und –systemen17 und
Methoden des Operations Research eingeführt. Man versteht unter Implementierung inhaltlich die Durch- bzw. Umsetzung von konzeptionellen Ideen in zielgerichtete Aufgaben und
Aktivitäten:18 „Implementierung meint die Verwirklichung von Lösungen, die in konzeptioneller Form vorhanden sind und durch Umsetzen zu konkretem Handeln führt.“19 Alternativ
für den Begriff der Implementierung sind auch die Begriffe Einführung, Durchsetzung, Umsetzung, Erfüllung, Ausführung, Realisation und Durchführung geläufig.20 Eine Implementierung umfasst somit alle Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass ein Konzept bzw. eine
Strategie entsprechend der zugrunde gelegten Ziele umgesetzt wird, und die somit ein
Scheitern des Konzepts verhindern können.21
Da die Implementierung einen gewissen Zeitraum beansprucht und als Abfolge von miteinander verknüpften Ereignissen und Handlungen zu verstehen ist, besitzt sie Prozesscharakter.22 Darüber hinaus ist der Begriff der Implementierung als ein durch bewusstes Handeln
initiierter Prozess zu verstehen.23
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Staehle 1999, S. 71f.
Vgl. Huber 1985, S. 20.
Hierunter fallen insbesondere EDV-Systeme, Management-Informationssysteme, Planungs- und Kontrollsysteme
sowie Anreizsysteme. Welge/Al-Laham 2001, S. 527. Vgl. für einen Überblick über in diesem Zusammenhang zentrale Veröffentlichungen Hilker 1993, S. 8.
Vgl. Meffert 1994, S. 362; Kotler/Armstrong 1988, S. 88.
Hilker 1993, S. 4.
Vgl. Kolks 1990, S. 79f.; Steinle 1980, S. 287; Bleicher 1979, S. 149.
Vgl. Backhaus 1995, S. 544; Marr/Kötting 1992, Sp. 827.
Vgl. Kirsch et al. 1979, S. 38f.
Vgl. Hilker 1993, S. 4 und die dort genannten Quellen. In diesem Zusammenhang wird auch die Nähe bzw. die Überschneidung mit dem Begriff des Change Management postuliert. Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 43ff.
5
Auf Basis dieser Bemerkungen und unter Berücksichtigung des Definitionsansatzes von
Fritz, der den Begriff der Implementierung in Bezug auf das Internet bezeichnet als „praktische Realisation der Konzeption des Internet-Marketing bzw. des marktorientierten Electronic Commerce im Rahmen der Unternehmensführung“24, soll die Implementierung des Kanals Internet wie folgt definiert werden: Unter der Implementierung des Kanals Internet
wird der durch bewusstes Handeln initiierte Prozess verstanden, innerhalb dessen geeignete
Maßnahmen zu ergreifen sind, damit das Konzept des Kanals Internet so verwirklicht wird,
dass die damit verfolgten Ziele erreicht werden.
Kommunikationskanal, Absatzkanal und Kontaktpunkt
Das Internet stellt formal ein dezentrales globales Netzwerk dar, das wiederum nationale,
regionale und lokale Netzwerke beinhaltet.25 Über das Internet können verschiedene Dienste
genutzt werden.26 Die bekanntesten Dienste stellen Electronic Mail (E-Mail) und das World
Wide Web (WWW) dar.27 Unternehmen der „Old Economy“ nutzen das Internet in der Regel als Kommunikations- oder Absatzkanal. Falls ausschließlich Informationsströme fließen, spricht man von einem Kommunikationskanal. Wenn zusätzlich zu Informationsströmen auch Güter- und Geldströme fließen bzw. deren Fluss initiiert wird, handelt es sich um
einen Absatzkanal.28
Von dem Begriff des Kommunikations- bzw. Absatzkanals zu unterscheiden ist der Begriff
des Kontaktpunkts29 bzw. Service Encounters30. Ein Kontaktpunkt stellt als „moment of
truth“ den „Zeitabschnitt [dar; Erg. d. Verf.], in dem der Kunde mit irgendwelchen persönli24
25
26
27
28
29
30
Fritz 2001, S. 170.
Vgl. Gralla 1998, S. 2; Oenicke 1996, S. 28-30;.
Vgl. zur Klassifikation der Dienste im Internet Wirtz 2001, S. 604.
Von geringerer Bedeutung sind das File Transfer Protocol (FTP), Telnet und der Internet Relay Chat (IRC). Breiter/Batinic 1997, S. 215. Andere Dienste (E-Mail, FTP, etc.) sind in der Regel in das Web integriert und können somit über den Web-Browser genutzt werden (Alpar 1996, S. 95).
Weinhold-Stünzi 1999, S. 344; Angelides 1997, S. 408. In dieser Arbeit werden sowohl die Begriffe „Kommunikationskanal“ und „Absatzkanal“ gemäß der Unterscheidung der zugrunde liegenden Ströme verwendet. Wenn eine
Differenzierung nicht erforderlich ist, wird der übergreifende Begriff „Kanal“ benutzt.
Stauss 2000a, S. 323.
Shostack 1985, S. 243; Lovelock et al. 1999, S. 45ff.
6
chen und nicht persönlichen Aspekten der Unternehmung in Kontakt tritt [..]“.31 Um mit einem Unternehmen in Kontakt zu treten, können verschiedene Medien wie beispielsweise
das (Mobil-)Telefon, Fax, E-Mail, das Internet oder in Zukunft auch Personal Digital Assistant (PDA) genutzt werden. Sie bieten alternative Zugangsmöglichkeiten innerhalb eines
bzw. mehrerer Kommunikations- bzw. Absatzkanäle.32
Erfolg und Erfolgsbarriere
Den ältesten und bekanntesten Ansatz zur Konzeptualisierung von Erfolg stellt der Zielansatz dar.33 Erfolg wird in diesem Ansatz als Erreichungsgrad der von Unternehmen selbst
gesteckten Ziele definiert.34 Dies setzt jedoch voraus, dass Unternehmen tatsächlich konkrete Ziele setzen und ihr Verhalten auf das Erreichen dieser Ziele ausrichten.35 Da dies im EBusiness nicht immer der Fall ist, wird in der vorliegenden Arbeit ein anderer Ansatz gewählt. Es wird untersucht, welche Faktoren einen höheren Erfolg des Internetkanals behindern bzw. verhindern. Diese Faktoren werden als Erfolgsbarrieren bezeichnet.
Unter dem Begriff der Erfolgsbarriere lassen sich Effizienz- und Effektivitätsbarrieren subsumieren.36 Unter Effektivität versteht man eine Maßgröße für die Zielerreichung (zielorientierte Wirksamkeit unter Berücksichtigung von Quantität, Qualität und Zeitbezug), während
Effizienz den Grad der Zielerreichung unter Berücksichtigung der eingesetzten Ressourcen
bezeichnet (ressourcenorientierte Wirksamkeit, bezogen auf Material, Anlagen, Personal,
Energie). Die Effektivität ist somit auf den Output bezogen und stellt das Resultat einer (externen) Marktbewertung dar, während Effizienz eine Input-Output Relation (Produktivität)
bezeichnet.37
31
32
33
34
35
36
37
Lehmann 1998, S. 80; vgl. a. Grönroos 1990, S. XIX f.; Heskett et al. 1990, S. 2; Shostack 1985, S. 243.
Gronover/Riempp 2001a, S. 12.
Vgl. Naether 1993, S. 126. Daneben sind auch noch der Systemansatz und der interessenpluralistische Ansatz zu
nennen. Vgl. Böeing 2001, S. 42f. und die dort angegebenen Quellen.
Vgl. Bühner 1977, S. 51.
Die Tatsache, dass manche Unternehmen keine Zielplanung durchführen und somit auch keine Ziele nennen können, wurde in der empirischen Studie von Barth/Hartmann bestätigt. Vgl. Barth/Hartmann 1992, S. 140.
Vgl. zur Unterscheidung von Effizienz- und Effektivitätszielen bei E-Services Bruhn 2002, S. 29; Effizienz- und
Effektivitätsziele im E-Business finden sich bei Weiber 2000, S. 21; Weiber/Krämer 2000, S. 152ff.
Hopfenbeck 1996, S. 646; Ahn/Dyckhoff 1997, S. 2-6; Thommen 1999, S. 145f. und 439.
7
Implementierungslücke, -barriere, -widerstand und -management
Der Begriff Implementierungslücke bezeichnet die Diskrepanz zwischen dem beabsichtigten
Konzept und seinen Teilaspekten sowie der tatsächlichen Verwirklichung im Unternehmen.38 Unter dem Begriff der Implementierungsbarriere sind Hindernisse zu verstehen, die
im Rahmen der Implementierung auftreten.39 Unter Implementierungswiderständen sind
verhaltensbezogene Implementierungsbarrieren zu verstehen; sie sind somit dem übergeordneten Begriff der Implementierungsbarriere unterzuordnen. Unter Implementierungsmanagement ist in inhaltlicher Sicht die Planung, Kontrolle und Steuerung von Implementierungsmaßnahmen zu verstehen. In institutioneller Sicht bezeichnet der Begriff die Gesamtheit aller Personen, die Führungsaufgaben der Veränderung wahrnehmen.40
1.3. Stand der Forschung
Wie aus der Problemstellung hervorgeht, ist ein mangelnder Erfolg des Kanals Internet vielfach auf Implementierungsprobleme zurückzuführen.41 Im Zentrum des Forschungsinteresses der vorliegenden Dissertation steht somit die Erforschung der Implementierung des Kanals Internet.
Die Literaturanalyse fördert zutage, dass die Implementierung des Kanals Internet bislang
kaum erforscht ist und allenfalls vereinzelte wissenschaftliche Publikationen zum übergeordneten Forschungsfeld der E-Business-Implementierung vorhanden sind. Den meisten
Monografien und Sammelwerken im Forschungsfeld E-Business ist gemeinsam, dass sie
sich überwiegend mit konzeptionellen Aspekten und den potenziellen Möglichkeiten des Internet beschäftigen, jedoch Implementierungsaspekte nur vereinzelt und in der überwiegenden Anzahl der Publikationen überhaupt nicht berücksichtigt werden.42
38
39
40
41
42
Bruhn 2003, S. 13.
Feucht 1996, S. 69.
Reiß 1993, S. 551; Duck 1993, S. 109.
Lientz/Rea 2001, S. XIX, 11f.; Podgainy 2001, S. 28.
Beispiele für eine nahezu vollständige Vernachlässigung der Implementierungsthematik finden sich bei den Werken
von Biethahn/Nomikos 2002; Keuper 2002; Gabriel/Hoppe 2002; Fazlollahi 2002; Pepels 2002; Sagarra 2002;
8
Zunächst ist auf eine Gruppe von Publikationen hinzuweisen, die sich mit Aspekten der Integration des Internet in die Organisation befassen. Hierbei hat sich mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass es für Unternehmen der sog. „Old Economy“ in der Regel vorteilhaft ist, das Internet als Kanal in ihr Stammgeschäft zu integrieren.43 Dies erfordert neben der technischen Integration eine Integration in die bestehende Organisation, sowie bestehende Prozesse der Leistungsgestaltung im Rahmen von Marketingprogrammen und operativen Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen. Von wesentlicher Bedeutung ist hierbei das Verhalten von Organisationsmitgliedern, wenn deren Unterstützung bei der Implementierung des Kanals Internet erforderlich ist bzw. hierbei sogar Implementierungswiderstände abzubauen sind.44
Eine größere Zahl der Publikationen nähert sich dem Thema der Implementierung über das
Projektmanagement und die Zuhilfenahme eines Umsetzungsplans in Form einer praxisnahen Roadmap, wobei die Bestandteile je nach Fokus divergieren.45 Die Auswahl der Bestandteile der Roadmaps erfolgt überwiegend kaum theoriegestützt.
Vereinzelt erfolgt eine meist oberflächliche Betrachtung ausgewählter Aspekte der Implementierung. Einige Publikationen fokussieren auf technische und rechtliche Aspekte der
Implementierung. Andere befassen sich wiederum mit organisatorischen Aspekten. Die Untersuchung organisatorischer Strukturen im E-Business fördert Hinweise darauf zutage, dass
sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen dadurch unterscheiden, wer die
Aufgabe der Implementierung des E-Business wahrnimmt. Bislang wird diese in den meisten Unternehmen noch durch Personen aus dem Funktionalbereich IT durchgeführt, wobei
Outsourcing an externe Partner in relativ geringem Umfang stattfindet. Laut Willcocks/Plant unterscheiden sich im E-Business erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen dadurch, dass E-Business-Initiativen in weniger erfolgreichen Unternehmen über-
43
44
45
Berndt 2001; Warschburger/Jost 2001; Wirtz 2001; Zerdick et al. 2001; Siebel/House 2000; Tapscott 2000; IBM
Consulting Group 1999.
Porter 2001, S. 64; Podgainy 2001, S. 30f. Gulati/Garino 2000, S. 114 und Willcocks/Plant 2001, S. 58 stellen Kriterien auf, die Unternehmen bei der Entscheidung hinsichtlich der Integration oder Separation von E-BusinessAktivitäten unterstützen. Vgl. hierzu auch Birkhofer 2001, S. 124ff.; Schögel et al. 1999, S. 297.
Willcocks/Plant 2001, S. 56; Podgainy 2001, S. 32.
Vgl. hierzu beispielsweise Birkhofer 2001, S. 263ff.
9
wiegend durch IT-Personen durchgeführt werden.46 Es mehren sich Hinweise, dass EBusiness-Initiativen in jüngster Zeit vermehrt von Fachbereichen ausgehen, was auf eine
zunehmende Integration ins Unternehmen über den Funktionalbereich IT hinaus schließen
lässt.47
Weiber/Krämer widmen sich als einzige Autoren intensiv dem Problem von Implementierungsbarrieren. Sie bezeichnen diese als Paradoxien und identifizieren Informations-, Effizienz- und Effektivitätsparadoxien.48 Einen anderen Zugang wählen Autoren, die sich dem
Thema von der Erfolgsfaktorenforschung her nähern.49
In fast allen Fällen fehlt eine Begründung, weshalb eine Konzentration auf die jeweils untersuchten Implementierungsaspekte erfolgt. In allen Fällen wird nicht explizit auf Erkenntnisse der Implementierungsforschung – insbesondere der Strategie- und Marketingimplementierung – rekuriert.
Das Forschungsfeld der Strategieimplementierung ist bereits gut erforscht. Hierzu existieren
zahlreiche wissenschaftliche Publikationen.50 Einen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich der Strategieimplementierung geben beispielsweise die Arbeiten von
Feucht, von der Oelsnitz und Hilker.51 Das Forschungsfeld der Marketingimplementierung
wird seit den grundlegenden Werken von Bonoma Mitte der 80er Jahre stärker in der Wissenschaft berücksichtigt, wenn auch nur zögerlich, was an der überschaubaren Quantität
bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse in diesem Forschungsfeld deutlich wird. Das
Forschungsfeld ist aber deswegen von besonderem Interesse für die Erforschung der Implementierung des Kanals Internet, weil sich manche Publikationen explizit mit der strategisch-operativen Ebene der Implementierung von Marketing-Programmen und der operativen Ebene der Implementierung von Marketingmaßnahmen beschäftigen. Diesen Ebenen ist
auch die Implementierung des Kanals Internet zuzuordnen.52 Die folgende Auflistung gibt
46
47
48
49
50
51
52
Willcocks/Plant 2001, S. 53.
Grant 2003, S. 19.
Weiber/Krämer 2002, S. 185ff.; Weiber/Krämer 2000, S. 153ff.
Böing 2001; Strauss/Schoder 2002.
Vgl. zu wesentlichen Erkenntnissen aus dem Bereich der Strategieimplementierung Kap. 2.2.3.
Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 55ff.; Feucht 1996, S. 42ff.; Hilker 1993, S. 62f.
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 4.3.
10
somit einen Überblick über die relevante Literatur in den Bereichen der E-BusinessImplementierung sowie der Marketingimplementierung.
Forschungsschwerpunkte in der
E-Business-Implementierung
Zentrale Quellen/Autoren
Integration des Internet in die Organisation
Podgainy 2001; Willcocks/Plant 2001; Porter 2001;
Gulati/Garino 2000; Semmler 2000; Angelides 1997
Implementierung durch Projektmanagement bzw. anhand einer
Roadmap
Schögel et al. 2002; Bullinger 2002; Cassidy 2002;
Koushik/Straeten 2002; Birkhofer 2001; Maass o. J.;
Lientz/Rea 2000
Technische und rechtliche Aspekte
Fritz 2001 (S. 170ff.); Hanson 2000 (S. 397ff.);
Hermanns/Sauter 1999 (S. 175ff.)
Organisatorische Aspekte
Grant 2003; Sieber/Zenger 2002; Willcocks/Plant
2001
Implementierungsbarrieren
Weiber/Krämer 2000 und 2002
Erfolgsfaktoren im E-Business/ECommerce
Böing 2001; Strauß/Schoder 2001
Forschungsschwerpunkte in der
Marketing-Implementierung53
Zentrale Quellen/Autoren
Adoption des Marketing im Unternehmen (allgemein)
Hilker 2001, 1993; Von der Oelsnitz 1999; Piercy
1988; McNamara 1972; Barksdale/Darden 1971; Levitt 1960; Felton 1959
Implementierung von MarketingKonzepten bzw. Strategien
Belz 2003; Belz 2002; Belz/Senn 1997;
Bonoma/Crittenden 1988; Bonoma 1986, 1985, 1984
Verhalten des Organisationsgestalters bei der Implementierung
Sashittal/Jassawalla 2001; Noble/Mokwa 1999;
Sashittal/Wilemon 1996; Govindarajan 1988;
Sproull/Hofmeister 1986
Implementierungsmaßnahmen
bzw. –taktiken
Cespedes/Piercy 199654; Guth/MacMillan 1986; Nutt
1986
Implementierungsbarrieren
Simkin 2002a, 2002b
53
54
Vgl. hierzu auch ergänzend den Überblick bei Noble/Mokwa 1999, S. 59f. sowie von der Oelsnitz 1999, S. 50ff.
Cespedes/Piercy 1996 liefern einen Überblick über die Thematik sowie einen Vergleich zwischen verschiedenen
Implementierungstaktiken und –strategien.
11
Wettbewerb/Koordination betroffener Funktionalbereiche
Shipley 1994; Whittington/Whipp 1992
Organisation von Marketing und
Verkauf
Workman et al. 1998
Tabelle 1:
Ausgewählte Publikationen zur Erforschung der Implementierung des Kanals Internet
(Quelle: eigene Darstellung)
Aus der erarbeiteten Problemstellung und dem Stand der relevanten Forschung ist der folgende Forschungsbedarf erkennbar.
Bislang ist eine Prüfung der Anwendbarkeit und eine daraus resultierende Nutzung geeigneter Erkenntnisse der Forschungsfelder der Marketingimplementierung und der Strategieimplementierung im Forschungsfeld der E-Business-Implementierung und der Erforschung der
Implementierung des Kanals Internet noch nicht vollzogen worden. In den gesichteten Werken, die sich mit Implementierungsaspekten im E-Business befassen, fehlt nahezu vollständig eine theoretische Herleitung, weshalb eine Konzentration auf die jeweils untersuchten
Implementierungsaspekte erfolgt. Grundlegende Erkenntnisse aus der Implementierungsforschung werden nicht berücksichtigt.
Des Weiteren ist auch keine ganzheitliche Sichtweise der E-Business-Implementierung verfügbar, da ausschließlich Teilaspekte behandelt werden. Darüber hinaus fehlen situative Ansätze, um unterschiedliche Unternehmenssituationen zu erfassen und darauf aufbauend situativ differierende Handlungsempfehlungen hinsichtlich des Managements der Implementierung des Kanals Internet abzuleiten. Es ist somit den Worten von Backhaus zuzustimmen,
wenn er im Hinblick auf die Marketingimplementierung folgendes bemerkt, was genauso
für das Thema dieser Arbeit zutrifft: „Oft ist unklar, welche Vorgehensweisen in welcher
Form [..] eingesetzt werden können. Es fehlt ein mit Werkzeugen gefüllter, strukturierter
Werkzeugkasten mit Handlungsempfehlungen [..]“55.
55
Backhaus 1997, S. 729.
12
1.4. Bezugsrahmen, Forschungsfragen und Forschungsziele
Aus der Problemstellung, dem Stand der Forschung und dem der Forschung zugrundgelegten Bezugsrahmen – auf den im Folgenden zunächst eingegangen wird – lassen sich die
Forschungsfragen und die Forschungsziele ableiten, die im Anschluss daran abgehandelt
werden.
Der grundsätzliche Zusammenhang zur Lösung der Forschungsproblematik wird in dem in
Abbildung 1 enthaltenen Bezugsrahmen dargestellt. Dieser heuristische Bezugsrahmen steht
im Mittelpunkt des Lernprozesses und wird auf Basis der kritischen Reflexion des durch das
theoretische Vorverständnis und die empirische Datensammlung gewonnenen Realitätsbilds
weiterentwickelt und angepasst.56 Er dient als provisorisches Erklärungsmodell der Strukturierung und Steuerung des Forschungsproblems, sowie der Identifikation des grundsätzlichen Mechanismus des Forschungsobjekts, der relevanten Größen und ihrer Beziehungen.57
Er wird im Verlauf des Forschungsprojekts ständig weiterentwickelt. Hierfür ist er zu überarbeiten, neu zu strukturieren, zu diskutieren, zu kritisieren, neu zu konstruieren und schließlich im Forschungsdialog mit der Realität zu konfrontieren und umzugestalten.58 Ein Bezugsrahmen der Implementierung des Kanals Internet wird im Verlauf dieser Arbeit systematisch aus der Theorie hergeleitet. Die folgende Abbildung 1 veranschaulicht schon jetzt
seinen grundsätzlichen Aufbau.
56
57
58
Tomczak 1992, S. 84; Es ist unrealistisch, dass sich der qualitativ orientierte Forscher der Realität ohne theoretische
Vorannahmen nähert, wie dies bei einem streng „induktiven“ Vorgehen der Fall ist. Vorhandenes Vorwissen kann
nicht einfach außer Betracht gelassen werden. Ohne dieses Vorwissen droht der Forscher „[…] in den Daten regelrecht zu ertrinken“ (Kluge/Kelle 1999, S. 17).
Tomczak 1992, S. 126f.
Kubicek 1977, S. 24ff.
13
Konzeption
Erfolg des
Kanals
Internet
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Implementierung
Markt-und
undUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Markt-
Abbildung 1:
Heuristischer Bezugsrahmen (Quelle: eigene Darstellung)
Um den Kanal Internet erfolgreich zu betreiben, sind insbesondere die Dimensionen EBusiness-Manager (hierbei insbesondere sein Verhalten), Konzeption der Nutzung des Kanals Internet, dessen Implementierung und die herrschenden Markt- und Umfeldbedingungen zu berücksichtigen. Diese Dimensionen können sich auf den Erfolg des Einsatzes des
Kanals entweder begünstigend oder hemmend auswirken. Der E-Business-Manager nimmt
hierbei eine zentrale Funktion ein, indem er sowohl die Konzeption als auch die Implementierung steuert, die den erfolgreichen Einsatz des Kanals Internet wesentlich beeinflussen.
Dabei hat er die herrschenden Markt- und Umfeldbedingungen zu beachten.59
Der (Miss-)Erfolg der Nutzung des Kanals Internet hat schließlich Rückwirkungen. Erfolg
bestätigt die konzeptionellen Überlegungen und die Implementierung, und somit auch das
Verhalten des E-Business-Managers. Misserfolg hingegen lässt darauf hindeuten, dass Anpassungsmaßnahmen auf einer oder mehreren Ebenen erforderlich sind. Bei erwartungsgemäßer (bzw. nicht erwartungsgemäßer) Kundenakzeptanz bzw. Nutzung des Kanals ist mit
einer positiven (bzw. negativen) Auswirkung auf die internen Voraussetzungen für die weitere Implementierung zu rechnen.60
59
60
Vgl. hierzu Kap. 3.2 und Kap. 4.1.
Vgl. hierzu Kap. 3.2 und Kap. 4.1.
14
Basierend auf der Problemstellung, der skizzierten Forschungslücke und dem Bezugsrahmen sind die folgenden Forschungsfragen abzuleiten:
Zentrale Forschungsfrage:
⎯
Welche Erfolgsbarrieren behindern den erfolgreichen Einsatz des Kanals Internet in
Unternehmen und wie werden diese Barrieren überwunden?
Konkretisierende Forschungsfragen:
⎯
Welche Implementierungsdimensionen und –faktoren beeinflussen die Implementierung des Kanals Internet?
⎯
Welche Implementierungsbarrieren und Implementierungslücken behindern die erfolgreiche Nutzung des Kanals Internet?
⎯
Auf welche Ursachen sind die identifizierten Implementierungslücken und Implementierungsbarrieren zurückzuführen?
⎯
Welche Implementierungsmaßnahmen sind dazu geeignet, Implementierungslücken
und -barrieren zu schließen bzw. zu überwinden?
Das grundlegende Forschungsziel besteht darin, die aufgeworfenen Forschungsfragen zu
beantworten. Im Einzelnen sind aus den Forschungsfragen die folgenden Forschungsziele
abzuleiten, welche bestimmte Forschungsschritte nach sich ziehen:
Forschungsziele:
Forschungsschritte:
⎯
Erarbeitung eines Frameworks, das
der Identifikation von Implementierungslücken und der Analyse von
Implementierungsbarrieren dient und
somit Ansatzpunkte für Lösungen liefert
⎯
Ermittlung von Implementierungsdimensionen und –teildimensionen und
deren Bedeutung für die Implementierung des Kanals Internet
⎯
Ermittlung von konkreten Implementierungslücken und Implementierungsbarrieren sowie ihrer Ursachen
Erarbeitung eines „Werkzeugkastens“, aus dem sich Manager situativ
erforderlicher Implementierungsmaßnahmen bedienen können
⎯
Ermittlung von Implementierungsmaßnahmen und Prüfung der Eignung für
die Implementierung des Kanals Internet
⎯
15
⎯
Aufzeigen von konkreten Handlungsempfehlungen zum Management der
Implementierung
⎯
Ermittlung von situativ differierenden
Vorgehensweisen bei der Implementierung des Kanals Internet und den dabei
angewandten Implementierungsstrategien, -taktiken und -maßnahmen
⎯
Ermittlung situationsübergreifender
Implementierungsempfehlungen
Tabelle 2: Forschungsziele und Forschungsschritte
1.5. Forschungsansatz und Forschungsvorgehen
1.5.1. Wissenschaftstheoretische Leitideen und Ansatz der Theoriebildung
Wissenschaftstheoretische Leitideen
„Ausgangspunkt jedes Forschungsprozesses sind Phänomene, von deren Bedeutung vermutet wird, dass das dabei erzeugte Wissen zur Verbesserung von Entscheidungs- oder Verhaltensprozessen beiträgt.“61
Die im Folgenden dargestellten wissenschaftstheoretischen Programme dienen der Forschungsarbeit im Sinne von „Leitideen“ als Wegweiser und Forschungsdirektiven und sind
weniger als ausgefeilte, bewährte Theorien zu verstehen. Sie liefern Hinweise hinsichtlich
des grundsätzlichen Vorgehens und regen dazu an, weiterführende Fragen zu stellen. Die
Leitideen innewohnenden heuristischen Potenziale ermöglichen es, vorher nicht zur Kenntnis genommenes Wissen zu generieren und es zu strukturieren.62
In der vorliegenden Arbeit wird eine mehrdimensionale, ganzheitliche Betrachtung der vorliegenden Problemstellung angestrebt. Sowohl psychologische, soziologische, ökonomische
61
62
Hildebrandt 2000, S. 36.
Schanz 2000, S. 89; Meffert 1999, S. 4.
16
als auch technische Aspekte fließen mit ein.63 Somit ist es naheliegend, dieser Arbeit einen
wissenschaftlichen Pluralismus im Sinne einer kritisch-konstruktiven Ideenkonkurrenz
zugrunde zu legen.64 Im Rahmen der Arbeit wird auf Erkenntnisse der folgenden wissenschaftstheoretischen Leitideen zurückgegriffen.
Wissenschaftstheorie
Bedeutung für die Implementierung des Kanals Internet
Systemtheorie
Ganzheitliche theoretische Basis für die Gestaltung, Lenkung
und Entwicklung von Implementierungsprozessen
Konstruktivismus
Aufzeigen von (subjektiv) gangbaren Prozessen der Implementierung des Kanals Internet, ohne den objektiv geeignetsten Weg ermitteln zu können
Verhaltenswissenschaftlich Relativierung und Konkretisierung „genereller“ Aussagen
situativer Ansatz (Kontin- durch situative Differenzierung. Berücksichtigung subjektiv
genzansatz)
wahrgenommener vermeintlicher und tatsächlicher Handlungsspielräume des für die Implementierung verantwortlichen Managers
Konfigurationsansatz
Tabelle 3:
Interne Konsistenz verschiedener Implementierungsmaßnahmen, um den Erfolg des Kanals Internet zu maximieren
Wissenschaftstheoretische Leitideen und Bedeutung für die Implementierung des Kanals Internet (eigene Darstellung)
Der systemtheoretische Ansatz stellt die theoretische Basis für die Untersuchung der Implementierungsproblematik dar. Er ermöglicht die Schaffung einer ganzheitlichen Problemsicht und die Aufdeckung komplexer Gesamtzusammenhänge, und ist damit für die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Unternehmen im Allgemeinen und von Implementierungsprozessen im Speziellen geeignet.65 Im Rahmen der systemtheoretisch orientierten betriebswirtschaftlichen Forschung werden Unternehmen als komplexe, produktive, offene soziale Systeme modelliert.66 Sie bestehen aus Subsystemen, zwischen denen Wechselwirkun63
64
65
66
Vgl. Meffert 1992, S. 700. Ulrich plädiert dafür, zur Lösung eines (Praxis-)Problems Wissen aus verschiedenen
Fachrichtungen zurate zu ziehen, beispielsweise aus der volkswirtschaftlichen, soziologischen, psychologischen und
technologischen Forschung (Ulrich 1978, S. 275).
Vgl. Tomczak 1992, S. 81.
Köhler 1988, zitiert nach Meffert 1999, S. 14. Vgl. a. Schwaninger 1998, S. 27; Ulrich 1970.
Ulrich 2001, S. 11ff.
17
gen herrschen.67 Änderungen innerhalb eines Subsystems wirken sich somit in der Regel
auch auf andere Subsysteme aus.68 Zusätzlich zu diesem eher mechanistischen Verständnis
von Unternehmen rücken in der Managementforschung im Allgemeinen und der marketingbezogenen Systemanalyse im Besonderen verhaltensbezogene Aspekte in den Vordergrund.
Systemische und verhaltenswissenschaftliche Managementansätze ergänzen sich hierbei.69
Als weitere Leitidee dient der Konstruktivismus. In der konstruktivistischen Sichtweise stellt
die Umwelt ein Produkt des Gehirns und seiner Erkenntnismöglichkeiten und –grenzen dar.
Unter Berücksichtigung dieser zentralen Prämisse können keine Aussagen über die „wahre“, objektive und einzig richtige Beschaffenheit der Welt getroffen werden.70 Die wissenschaftliche Forschung in dieser Arbeit beschäftigt sich somit nicht mit dem „Finden der
Wahrheit“, sondern mit der Generierung relevanter Forschungsergebnisse und der Lieferung
möglichst passgenauer Konstruktionen, die der (subjektiven) Erfahrungswelt standhalten
können. Dies ermöglicht Vorhersagen über bestimmte, zu erwartende Tatbestände, und somit auch die Einflussnahme auf deren Entstehung bzw. Verhinderung.71 Somit werden
Handlungen zur rational gelenkten Veränderung und Neugestaltung von (zukünftigen)
Wirklichkeiten möglich.72 Letztlich ist es in dieser Arbeit somit zentral, einen (subjektiv)
gangbaren, verlässlichen Weg des Prozesses der Implementierung des Kanals Internet aufzuzeigen, ohne jedoch notwendigerweise genau wissen zu müssen (und zu können), welcher
Weg objektiv am besten geeignet ist.73
Mittels des situativen Forschungsansatzes (Kontingenzansatz) werden in dieser Arbeit generelle Aussagen relativiert und konkretisiert, indem formal- und verhaltenswissenschaftli67
68
69
70
71
72
73
Kast/Rosenzweig (1985, S. 17) unterscheiden die Subsysteme umfeldbezogenes „Suprasystem“, das Ziel- und Wertesystem, das technische Subsystem, das psychosoziale Subsystem, das strukturelle (organisationale) Subsystem und
das Management-Subsystem (Ziele setzend, Planung, Organisationsgestaltung, Controlling). In einer anderen Systematik unterscheidet man zwischen Informations-, Planungs- und Kontrollsystemen. Informationssysteme bilden
mit den zu liefernden Informationen auf Basis einmaliger oder laufender Erhebungen und einer Daten- und Modelldatenbank die Basis für Planungssysteme, welche von Kontrollsystemen ergänzt werden (Meffert 1971, S. 181f.).
Ackoff 1988, S. 157; Oberkampf 1976, S. 55ff. und 88ff.
Staehle 1999, S. 149.
Von Glasersfeld 1985, S. 21.
Esser et al. 1977, S. 227f., zitiert nach Schnell et al. 1995, S. 103; Kromrey 1998, S. 24; von Glasersfeld 1995, S.
33.
Ulrich 1978, S. 274.
Von Glasersfeld 1981, S. 20f.; von Glasersfeld 1985, S. 33.
18
che Erkenntnisse situationsadäquat differenziert werden.74 Hierfür wird ein verhaltenswissenschaftlich geprägter situativer Ansatz gewählt.75 Charakteristisch für diesen Ansatz ist
es, dass Handlungsspielräume von Akteuren nicht objektiv vorgegeben sind – wie dies beim
klassisch situativen Ansatz postuliert wird – sondern subjektiv wahrgenommen werden.
Somit entstehen subjektiv nutzbare Spielräume, die verhaltenswissenschaftlich fundiert
werden. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass sich der Organisationsgestalter in der Realität einer Vielzahl vermeintlicher und tatsächlicher Begrenzungen seines Handlungsspielraums ausgesetzt sieht.76 Diese beruhen darauf, dass die Wahrnehmung des Unternehmenskontextes, der Unternehmensstruktur und der Effizienz eines Unternehmens interindividuell
differiert.77 Organisationsspielräume werden einerseits durch die Einflussnahme von Individuen mit unterschiedlichen Interessen beschränkt. Andererseits sind aber auch die technischen, ökonomischen, sozialen und rechtlichen Grenzen organisatorischer Gestaltung zu berücksichtigen. Giddens geht in einer zwischen Determinismus und Voluntarismus vermittelnden Position davon aus, dass Strukturen sowohl ermöglichende (enabling) als auch einschränkende (constraining) Eigenschaften besitzen.78
Diese zentralen Annahmen des verhaltenswissenchaftlich geprägten situativen Ansatzes
werden durch konfigurationstheoretisches Gedankengut ergänzt. Es ist strittig, ob der Konfigurationsansatz als Weiterentwicklung des situativen Ansatzes zu verstehen ist oder im
Gegensatz dazu einen „radically different approach“79 darstellt.80 Wie im situativen Ansatz
wird im Konfigurationsansatz eine holistische Betrachtung von Unternehmensmerkmalen
und Merkmalen des Umfelds angestrebt. Während jedoch im Kontingenzansatz das Hauptaugenmerk auf die externe Kontingenz – d.h. die Bedingtheit organisatorischen Handelns
durch externe Situations- bzw. Kontextfaktoren – gerichtet ist, betont der Konfigurationsansatz die organisationsinterne Konsistenz.81 Im Konfigurationsansatz werden die betrachteten
Attribute zudem als in einem sich im Zeitablauf verändernden Beziehungsgeflecht stehend
74
75
76
77
78
79
80
81
Staehle 1999, S. 48.
Sydow 1985, S. 266; Giddens 1988; Crozier/Friedberg 1979, S. 73;.
Staehle 1999, S. 55f.
Staehle 1999, S. 59.
Vgl. Giddens 1988, zitiert nach Stahle 1999, S. 55.
Miller 1981, S. 2; zitiert nach Scherer/Beyer 1998, S. 335f.
Scherer/Beyer 1998, S. 335f. Staehle beschreibt den Konsistenz-Ansatz als Ergänzung der Kontingenz-Ansätze
(Staehle 1999, S. 48).
Staehle 1999, S. 48.
19
verstanden, die sich wechselseitig beeinflussen und sich in verschiedenen Konfigurationen
jeweils andersartig gruppieren.82 Zusammenhänge zwischen den Elementen sind jedoch
nicht deterministisch modelliert. Vielmehr wird unterstellt, dass verschiedene Wege zum
Erfolg möglich sind (Equifinalitätsthese).83 Zentral für die Betrachtungen dieser Arbeit ist
die dem Konfigurationsansatz inhärente Harmoniethese, mittels der zum Ausdruck gebracht
wird, dass Unternehmen einen internen und externen Fit zwischen Strategie, Struktur und
Umwelt anstreben. Diese Erkenntnis ist bei der Implementierung des Kanals Internet zu berücksichtigen. Organisationen versuchen demnach, eine Konsistenz ihrer internen Charakteristika, eine Komplementarität interner Prozesse und einen Fit mit der Situation zu erzielen.
Die interne Konsistenz dominiert dabei tendenziell die externe Konsistenz: Unternehmen
zeigen in der Regel eine Beharrungstendenz und neigen erst dann zu (größeren) Veränderungen, wenn die Zwänge aus der Umwelt zunehmen und einen bestimmten Schwellenwert
überschreiten.84 Um sowohl eine interne wie auch externe Konsistenz herzustellen, sind Organisationsgestalter gefragt, denen – wie bereits erwähnt – ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht, den sie zur kreativen Ausgestaltung eines situationsadäquaten Erfolgsmusters
einsetzen sollten.85
Ansatz der Theoriebildung
Um die dargestellten Denkansätze möglichst adäquat im vorliegenden Forschungsprojekt zu
nutzen, wird zur Abbildung und Erklärung der zugrundeliegenden Zusammenhänge innerhalb der vorliegenden Problemstellung der Framework-Ansatz gewählt.86 Bei Frameworks
fungieren relevante Fragen der Praxis als Basis der Forschung. Frameworks zeigen im Gegensatz zu (geschlossenen) Modellen mögliche Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen auf, ohne diese jedoch fest vorzuschreiben. Ähnlich wie beim Mapping wird beim
Frameworking Erkenntnisfortschritt durch Zusammenwirken deduktiv gebildeter Modelle
und induktiv ermittelter Einsichten aus Einzelfallstudien, Fallbeispielen und Konzepten ge-
82
83
84
85
86
Miles/Snow 1994, zitiert nach Scherer/Beyer 1998, S. 336.
Diese Position steht im Kontrast zur Auffassung des Kontingenzansatzes, dass nur genau ein Weg als erfolgversprechend zu erachten ist. Vgl. Scherer/Beyer 1998, S. 336 und die dort zitierten Quellen.
Scherer/Beyer 1998, S. 337.
Scherer/Beyer 1998, S. 344.
Idealtypisch können fünf Ebenen der Theoriebildung unterschieden werden: Formale Systeme, Modelle, Maps bzw.
Frameworks, Konzepte und Ad-hoc-Erklärungen (Osterloh/Grand 1994, S. 278ff.).
20
neriert. Dieses Vorgehen ermöglicht somit die Integration von zueinander passenden Theorien „von oben“ und von Konzepten sowie Ad-hoc-Erklärungen „von unten“.87
Ein als Framework konzipierter Bezugsrahmen ermöglicht eine auf die Situation zugeschnittene Interpretation und Lösung: „Frameworks identify the relevant variables and the
questions which the user must answer in order to develop conclusions tailored to a particular
industry and company.”88 Frameworks stellen somit „Redeinstrumente“ dar, mittels derer
nicht nur die „strong links“, sondern auch „weak links“ zwischen Strategie, Struktur und
Umwelt untersucht werden können. Dies unterstützt somit das Streben nach einem
ganzheitlich verbesserten Verständnis der Beziehungen in einer konkreten Problemsituation.89 Da die zu untersuchende Problemstellung durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet ist, kann sie mittels eines Frameworks besser erfasst werden, da Modelle lediglich eine
beschränkte Komplexität widerspiegeln. Während Modelle eine Vielzahl von Teilmodellen
für spezifische Situationen integrieren, sollen Frameworks letztlich ein Set von Werkzeugen
bereitstellen, das es ermöglicht, Antworten auf eine breite Fragestellung zu liefern.90
Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein Framework zu erarbeiten, das es Unternehmen ermöglicht,
Barrieren bei der Implementierung des Kanals Internet zu analysieren und darauf aufbauend
geeignete Werkzeuge zur Lösung der aufgezeigten Probleme abzuleiten.91 Hierfür sind geeignete Konfigurationen zu identifizieren und zu beschreiben, wofür in der vorliegenden
Arbeit der Weg der analytischen Konstruktion bzw. der Typologisierung gewählt wird. In
diesem Zusammenhang bedient man sich des gedanklichen Konstrukts eines Idealtypus, der
mit beobachteten realen Konfigurationen in Unternehmen verglichen wird, welche den Idealtypen mehr oder weniger ähneln.92
87
88
89
90
91
92
Osterloh/Grand 1994, S. 280.
Porter 1991, S. 98.
Osterloh/Grand 1994, S. 280.
Osterloh/Grand 1994, S. 279f.; vgl. a. Williamson 1991; Porter 1991.
Vgl. Kap. 1.4.
Scherer/Beyer 1998, S. 341.
21
1.5.2. Forschungsansatz und -methodik
Den Ausgangspunkt für die Auswahl des adäquaten Forschungsansatzes stellen die ermittelte Forschungslücke und die Forschungsfragen dar. Wie dargestellt wurde, sind in dem Forschungsfeld E-Business nur vereinzelte verwertbare Erkenntnisse über Implementierungsprozesse verfügbar. Der Reifegrad des Forschungsfeldes ist somit als gering zu bezeichnen.
Somit ist in dieser Arbeit ein überwiegend beschreibend-exploratives93 Forschungsvorgehen
anzuwenden: Das „Verstehen von Neuem“ steht im Mittelpunkt, um somit ein umfassendes
und tiefgreifendes Verständnis von den Problemen und Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit der Implementierung des Kanals Internet zu generieren.94
Die Wissenschaft liefert in diesem Verständnis einen Beitrag zur Bewältigung von Praxisproblemen; man spricht in diesem Zusammenhang auch vom praktischen Wissenschaftsziel,
das dieser Arbeit zugrunde liegt.95 Das primäre Ziel der praxisorientierten betriebswirtschaftlichen Forschung liegt somit darin, der betrieblichen Praxis Lösungshilfen zur Verfügung zu stellen und damit Wissen zur Veränderung und Neugestaltung von Wirklichkeit rational zu lenken.96
Hierbei soll die Erkenntnisgewinnung anhand von Praxisproblemen und -erfahrungen verschiedener Unternehmen vorangetrieben werden. Hierfür eignet sich eine qualitativempirische Forschungsmethodik. Die durch qualitative Forschungsmethoden erreichte Konkretisierung und Anpassung der im Rahmen des Literaturstudiums erarbeiteten Inhalte trägt
dazu bei, die Praxisprobleme präzise und vollständig durch Beschreibung und Erklärung zu
erfassen, und auf dieser Basis relevante und glaubhafte Ansatzpunkte für die Lösung der
Praxisprobleme und die Entwicklung möglicher zukünftiger Realitäten zu generieren.97
93
94
95
96
97
Unter Exploration versteht man den Prozess der Gewinnung „neuer“ Hypothesen. Tomczak 1992, S. 83. Die Exploration kann jedoch auch der Modifizierung bereits bestehender Hypothesen sowie deren (partiellen) Prüfung dienen
(Lamnek 1995, S. 95ff.).
Vgl. Tomczak 1992, S. 84.; Bortz 1984, S. 218ff.
Schanz 2000, S. 83; Ulrich 2001, S. 221. Das primäre Interesse theoretischer Wissenschaften besteht hingegen in
der Erkenntnisgenerierung bzw. dem Erkenntnisfortschritt, was als kognitives Wissenschaftsziel bezeichnet wird.
Vgl. zu weiteren Unterschieden zwischen theoretischen und anwendungsorientierten Wissenschaften Ulrich 2001, S.
220.
Ulrich 1970, S. 160.
Tomczak 1992, S. 80-83; Ulrich 1981, S. 3ff.
22
Gemäß der grundlagentheoretischen Position des interpretativen Paradigmas, das die qualitative Methodologie stark geprägt hat, konstituiert sich soziale Realität erst in der kontinuierlichen Interpretation von Interaktionsprozessen.98 Zentral ist hierbei die Rekonstruktion
der sozialen Realität: „Theorie- und Typenbildung vollzieht sich auf der Grundlage […] der
Rekonstruktion des Erfahrungswissens, welches für die Alltagspraxis konstitutiv ist“99.
Im Zentrum der qualitativen Forschung steht die ganzheitliche Betrachtung und Analyse
von einzelnen Fällen (Induktion). Aufgrund dieses induktiven Vorgehens kann jedoch kein
genereller Wahrheitsanspruch geltend gemacht werden. Um dennoch zu Aussagen zu gelangen, die über den Einzelfall hinausgehen, wird in dieser Arbeit die Methode der Typenbildung gewählt. Die Bildung prägnanter Typen schlägt auf mittlerem Abstraktionsniveau
eine Brücke zwischen generellen Aussagen und konkretem Einzelfall.100 Die Typenbildung
erfolgt anhand der Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ausprägungen der
für relevant erachteten Merkmalsdimensionen. Somit erfolgt eine situative Relativierung der
Erkenntnisse.
In der vorliegenden Arbeit wird kein expliziter Branchenfokus verfolgt. Vielmehr werden
gezielt verschiedene Branchen berücksichtigt. Die Analyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Managements der Implementierung des Kanals Internet über verschiedene
Branchen hinweg soll branchenübergreifend anwendbare Erkenntnisse zutage fördern. Zudem ermöglicht die Analyse verschiedener Branchen die gründliche Durchdringung der
Thematik in ihrer gänzlichen Vielschichtigkeit.101
Im Vorfeld der Datenerhebung102 wurde ein Bezugsrahmen erstellt, der auf dem theoretischwissenschaftlichen Vorverständnis basiert, das durch das Literaturstudium erarbeitet wurde.103 Der Bezugsrahmen konstituiert die thematischen Schwerpunkte des Leitfadens.104 Der
98
99
100
101
102
103
104
Lamnek 2002, S. 168.
Bohnsack 1991, S. 8f., zitiert nach Lamnek 2002, S. 169.
Belz 1989, S. 8f.; Knoblich 1972, S. 142.
Vgl. Schögel 1997, S. 8.
Grundsätzlich sind qualitative Untersuchungsverfahren in Methoden der Datenerhebung, Datenaufbereitung und –
auswertung zu differenzieren (Mayring 2002, S. 40, 65). Vgl. für einen Überblick über qualitative Erhebungsverfahren Bortz/Döring 2002, S. 306f.
Vgl. Kap. 1.4.
Meuser/Nagel 1991, S. 454.
23
Leitfaden dient insbesondere als Orientierungsrahmen für die Experten und begrenzt die
Bandbreite der Informationen, die von ihnen erbracht werden sollen.105
Die Datenerhebung erfolgte mittels der Durchführung von Experteninterviews. Interviews
sind zu verstehen als „planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem
die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen
Informationen veranlasst werden soll“106. Experteninterviews stellen eine Spielart des Leitfaden-Interviews dar.107 Dem Befragten obliegt in seiner Rolle als Experte108 die Aufgabe,
dem Forscher Informationen über ihn interessierende Sachverhalte aus seiner subjektiven
Sichtweise zu vermitteln.109 Mittels der Experteninterviews und der Analyse von Informationsmaterialien der Unternehmen wurden Fallbeispiele erstellt, die in die entsprechenden
Passagen der Dissertation eingearbeitet wurden.110
Es wurde vom Autor darauf geachtet, dass die Leitfadengestaltung und Interviewdurchführung vier zentralen Kriterien genügen, und zwar der Nichtbeeinflussung der Interviewpartner, der Erfassung eines breiten Spektrums, der Spezifität, sowie der Tiefgründigkeit und
dem personalen Bezugsrahmen des Interviewten.111
Aufgrund ihres eher „weichen“ Charakters muss die qualitative Forschungsmethodik kontrolliert werden und sich an geeigneten Gütekriterien messen lassen. Diese müssen zur Kon105
106
107
108
109
110
111
Lamnek 2002, S. 176; Flick 1996, S. 109f.; Vgl. zu weiteren Details Meuser/Nagel 1991, S. 448f.
Scheuch 1967, S. 70.
Vgl. für einen Überblick über verschiedene Arten von Leitfaden-Interviews Flick 1996, S. 94ff., sowie für einen
Überblick über verschiedene Arten qualitativer Interviews Lamnek 2002, S. 172ff. Vgl. zur Stellung von Experteninterviews im Forschungsdesign Meuser/Nagel 1991, S. 445.
Als Experten gelten Personen, die Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer
Problemlösung haben bzw. diejenigen Personen, die über einen privilegierten Zugang zu relevanten Informationen
verfügen (Meuser/Nagel 1991, S. 443f.).
Lamnek 1995, S. 38. Vgl. zu wichtigen Aspekten der Interviewdurchführung Bortz/Döring 2002, S. 308; Lamnek
2002, S. 176; Atteslander 2000, S. 143f.; Lamnek 1995, S. 39ff., 63f., 96; Meuser/Nagel 1991, S. 449ff.
Vgl. zu Details Yin 1994, S. 103ff.; vgl. a. Kromrey 2002, S. 523; Miles/Hubermann 1994, S. 10; Belz 1989, S. 8f.;
Bonoma 1986, S. 33.
Flick 1996, S. 94ff. Insbesondere wurde berücksichtigt, dass der Interviewleitfaden die Thematik in ihrer vollen
Breite abdeckt, und dass das Antwortverhalten der Interviewten nicht beeinflusst wurde und somit auch neue bzw.
nicht gebührend berücksichtigte Aspekte miteinfliessen konnten. Um die Spezifität zu erhöhen wurden auch gezielte
24
trolle des Forschungsprozesses und der Ergebnisse herangezogen werden. Mayring nennt
hierfür sechs Gütekriterien qualitativer Forschung. Im Folgenden wird dargestellt, wie diese
Anforderungen in der Dissertation umgesetzt wurden.112
Gütekriterien qualitativer Forschung
113
Umsetzung in der Dissertation
1. Verfahrensdokumentation: Detaillierte Dokumentation des Forschungsprozesses sowie der Ergebnisse mittels Gesprächsprotokollen
- Dezidierte Darstellung des Verfahrens in
dem vorliegenden Kapitel
- Verwendung eines Tonbandgeräts
- Transkription der Aufnahmen
2. Argumentative Interpretationsabsicherung
- Verarbeitung der Erkenntnisse der grundlegenden Literatur der Forschungsfelder der
Marketing- und der Strategieimplementierung
- Anwendung von Analogieschlüssen
3. Regelgeleitetheit: Einhalten von Verfahrensregeln und systematische Arbeitsweise
- Versand einer Dissertationsbeschreibung114
zur Klärung der Geeignetheit der angesprochenen Personen als Experten
- Verwendung eines Interviewleitfadens, der
den Experten ein bis zwei Tage vor dem Interview zugesandt wurde115
- Analyse der Interviewdaten in vier Phasen116
4. Nähe zum Gegenstand: Enge Anbindung Alle Interviews fanden im jeweiligen Unterdes Forschers an die Alltagswelt der be- nehmen des Interviewten statt
112
113
114
115
116
Fragen gestellt. Die Experteninterviews wurden in mündlich-persönlicher Form in den Unternehmen der Interviewten durchgeführt. Vgl. a. Lamnek 1995, S. 93f.
Vgl. zu Details Mayring 2002, S. 144ff.
Vgl. hierzu auch Lamnek 1995, S. 94ff.
Vgl. Anhang D.
Vgl. hierzu auch Meuser/Nagel 1991, S. 453.
Die vier Analysephasen bestehen aus der Transkription, der Einzelanalyse, der generalisierende Analyse und der
Kontrolle (Lamnek 1995, S. 108ff.). Vgl. zu Details zum Verfassen von Transkripten Bortz/Döring 2002, S. 312;
Mayring 1999, S. 68f. Die Daten wurden inhaltlich strukturiert und einerseits unter die Kategorien des Interviewleitfadens subsumiert (Subsumption). Andererseits konnten auch neue, bislang unberücksichtigte Kategorien gewonnen
werden (Abduktion). Vgl. hierzu Mayring 1999, S. 78f.; Kluge/Kelle 1999, S. 55ff.; Meuser/Nagel 1991, S. 457f.
25
forschten Subjekte
5. Kommunikative Validierung: Ergebnisse und Interpretationen den Forschungssubjekten vorlegen und gegebenenfalls diskutieren
Alle Transkripte wurden den Interviewten
zur Durchsicht vorgelegt, und wurden von
ihnen bestätigt bzw. ggfs. korrigiert
6. Triangulation: Erhöhung der For- Mehrere Analysegänge bei der Einzelanaschungsqualität durch Heranziehen mehlyse und der generalisierenden Analyse
rerer Analysegänge und unterschiedli- Heranziehen von weiteren Materialien der
cher Datenquellen
untersuchten Unternehmen
Tabelle 4:
Gütekriterien qualitativer Forschung und deren Berücksichtigung in der Dissertation (Quelle:
Mayring 2002, S. 144ff.; eigene Ergänzungen)
1.5.3. Forschungsvorgehen
Der Forschungsprozess ist grob in drei Forschungsphasen aufzuteilen. In der folgenden
Abbildung 2 werden die Forschungsphasen durch die Beschreibung der jeweiligen Untersuchungsziele und der Untersuchungsmethoden konkretisiert.
26
1. Phase
2. Phase
3. Phase
Ziele:
• Erarbeitung der
Problemstellung, der
Forschungsfragen und des
Ziels der Arbeit
• Erarbeitung des
Bezugsrahmens
• Ausarbeitung der
Forschungsmethodik
• Identifikation relevanter
theoretischer Zugänge
Ziele:
• Anpassung und
Weiterentwicklung des
Bezugsrahmens/
Frameworks
• Erfassung von Implementierungslücken und
-barrieren sowie von
Lösungsansätzen anhand
einzelner Fälle
Ziele:
• Bildung von
Implementierungstypen
• Beschreibung situativer
Implementierungslücken,
-barrieren und
Lösungsansätze
• Beschreibung
übergreifender
Implementierungsempfehlungen
Methodik:
• Sekundäranalyse
• Forschungsprojekt mit der
Microsoft Schweiz GmbH
• Fokusgruppe „New Media
and Marketing“
• Explorative
Expertengespräche
Methodik:
• Explorative
Expertengespräche
• Fallbeispiele
• Sekundäranalyse
• Analogien
• Best-Practice in
Marketing-Tagung
Methodik:
• Vertiefende
Expertengespräche
• vertiefende Fallbeispiele
und Fallstudien
• Sekundäranalyse
• Analogien
Abbildung 2:
Forschungsphasen, -ziele und -methodik (eigene Darstellung)
In der ersten Forschungsphase wurden insbesondere Erkenntnisse aus der Sekundäranalyse,
eines Forschungsprojekts mit der Microsoft Schweiz GmbH, der Fokusgruppe „New Media
and Marketing: Welcome to the Real World“ des Instituts für Marketing und Handel an der
Universität St. Gallen (IMH-HSG) und der ersten Phase von explorativen Expertengesprächen zur Erkenntnisgenerierung genutzt.117 Das Hauptprojekt innerhalb der Projektarbeit
unter dem Titel „Customer Contact for Business Decision Maker (BDM)“, lief von November 2001 bis Juli 2002. Es umfasste die gemeinsame Erarbeitung von konzeptionellen
Grundlagen zur Erhöhung der Effektivität und Effizienz der eingesetzten Marktbearbeitungs- und Kundenbindungsmaßnahmen bei der Zielgruppe der BDM.
Die Fokusgruppe „Marketing and New Media“118 umfasste Gastvorträge und Workshops
mit Praktikern zu verschiedenen Aspekten im Bereich New Media und Internet. In den
117
118
Vgl. Anhang.
Die Fokusgruppe war Teil des Forschungsprojekts „Best Practice in Marketing“ des Instituts für Marketing und
Handel an der Universität St. Gallen, und fand am 18. und 19. August 2003 in St. Gallen statt.
27
Workshops wurden Cases der Partnerunternehmen Winterthur Versicherungen, Microsoft
AG, Roche Pharma, Rentenanstalt/Swiss Life und Hilti AG diskutiert, die zahlreiche implementierungsrelevante Aspekte enthielten. Die Fokusgruppe diente auch der Auswahl geeigneter Unternehmen und Experten für die Expertengespräche.
In der ersten Phase der Expertengespräche wurden Experten aus insgesamt elf verschiedenen Unternehmen befragt.119 Um sich ein möglichst umfassendes Bild über die Situation,
Bedeutung und den Stand der Implementierung des Kanals Internet aus einer übergeordneten (Makro-)Perspektive des Kunden- und Kanalmanagement machen zu können, wurden
Experten befragt, die diese Themengebiete verantworten bzw. zumindest für Teilbereiche
verantwortlich sind. Dabei wurde stets auf den Bezug zum Kanal Internet geachtet und im
Vorfeld abgeklärt, ob die Zielpersonen spezifisch zu internetbezogenen Fragestellungen
Auskunft geben können. Des Weiteren wurden auch für Internetaktivitäten verantwortliche
Manager aus dem Funktionalbereich E-Business befragt.120 Zusätzlich wurde eine Person
befragt, die für die technische Realisierung von CRM-Aspekten zuständig ist.121
In der zweiten Forschungsphase wurden die Erkenntnisse aus der ersten Forschungsphase
dazu genutzt, den Interviewleitfaden122 zu überarbeiten. Neben der teifergehenden Analyse
von Implementierungslücken und -barrieren und der Weiterentwicklung des Bezugsrahmens
zum Framework der Implementierung des Kanals Internet diente die zweite Runde explorativer Expertengespräche dazu, Erkenntnisse über die Gestaltung (Verwertungszusammenhang) von Implementierungsprozessen zu generieren. Hierbei wurden ausschließlich EBusiness-Verantwortliche befragt. Die dabei ermittelten Praktiken und situativen Rahmenbedingungen wurden umfassend analysiert und in Form von Fallbeispielen dokumentiert.
Im Rahmen der Best-Practice in Marketing-Tagung 2004 wurden weitere Erkenntnisse und
Experten durch Einzelgespräche und einen die Fokusgruppe „Marketing and New Media“
abschließenden Workshop gewonnen.
Die dritte Forschungsphase wurden insbesondere dazu genutzt, die untersuchten Unternehmen zu typisieren und darauf aufbauend situativ unterschiedliche Vorgehensweisen bei der
119
120
121
Vgl. Anhang A.
Dies waren Herr Warren und Herr Booth im Rahmen des Expertengesprächs bei der Hilti AG.
Hierbei handelt es sich um Herrn Amann im Rahmen des Expertengesprächs bei der Swisscom IT-Services.
28
Implementierung des Kanals Internet zu erarbeiten. Hierzu wurden vertiefende Expertengespräche geführt und Fallbeispiele erstellt. Insgesamt wurden in der zweiten und dritten Phase Experten aus 13 Unternehmen befragt.
Während der drei Phasen wurde kontinuierlich ein Literaturstudium bzw. Desk Research betrieben. Dabei wurden relevante Erkenntnisse aus den Forschungsfeldern der Marketingund Strategieimplementierung erarbeitet. Hierbei wurden auch Analogien genutzt. Ergänzend wurden weitere erforderliche theoretische Grundlagen erarbeitet, insbesondere aus den
Forschungsgebieten E-Business, Distributionsmanagement, Dienstleistungs-management
und des Kundenbeziehungsmanagement bzw. Customer Relationship Management (CRM).
1.6. Aufbau der Arbeit
Die Dissertation gliedert sich in insgesamt fünf Kapitel (vgl. Abbildung 3).
Kapitel 1: Problemstellung, Begriffsklärung, Stand der Forschung, Bezugsrahmen, Forschungsziele,
Forschungsmethodik, Aufbau der Arbeit
Kapitel 2: Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
Kapitel 3: Situative Problemanalyse und situatives Management
der Implementierung des Kanals Internet
Kapitel 4: Problemanalyse und Gestaltungsempfehlungen für das Management
der Implementierung des Kanals Internet
Kapitel 5: Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf
Abbildung 3:
Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)
Im ersten Kapitel wurde die Problemstellung herausgearbeitet, die relevanten Begriffe geklärt bzw. definiert, der Stand der Forschung aufgezeigt, die Forschungslücke dargestellt
122
Vgl. Anhang B und C.
29
und die Relevanz für Wissenschaft und Praxis herausgestellt. Des Weiteren wird der Bezugsrahmen aufgezeigt, die Forschungsfragen und Forschungsziele definiert, und das zur
Erreichung der Forschungsziele erforderliche Vorgehen und die Forschungsmethodik geschildert. Der Aufbau der Arbeit schließt das erste Kapitel ab.
Im zweiten Kapitel werden die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen gelegt. Neben den
Bereichen des E-Business, Internet-Marketing und der E-Services, des Distributionsmanagement, des Customer Relationship Management umfasst das Kapitel die Darstellung zentraler und für die Problemstellung relevanter Erkenntnisse der Implementierungsforschung.
Das darauf folgende dritte Kapitel widmet sich der situativen Problemanalyse und dem situativen Management der Implementierung des Kanals Internet. Hierzu wird zunächst eine
Typologisierung der untersuchten Fälle vorgenommen. Im Folgenden wird das Framework
der Implementierung des Kanals Internet vorgestellt, das der Forschung als Grundlage dient.
Daran anschließend wird das situative Management der Implementierung der identifizierten
Internetkanaltypen dargestellt. Hierfür werden jeweils die zentralen Charakteristika und die
Anforderungen an den jeweiligen Internetkanaltypus dargestellt. Hierauf folgt die Analyse
der zentralen Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und Implementierungsbarrieren.
Daran schließt sich das typenspezifische Implementierungsmanagement an.
Im vierten Kapitel wird das Framework der Implementierung des Kanals Internet anhand
der Erkenntnisse der Analyse der identifizierten Internetkanaltypen (Kapitel drei) erweitert.
Im Folgenden wird aufgezeigt, wie dieses generelle Analyseframework dazu genutzt wird,
um Implementierungslücken und –barrieren zu identifizieren. Hierfür wird ein detailliertes
Vorgehensmodell entwickelt. Dabei wird sowohl aufgezeigt, wie typenübergreifend bei der
Analyse vorzugehen ist, als auch welche typenspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen sind.
Kapitel fünf dient der Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse dieser Arbeit und liefert
darüber hinaus einen Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf.
30
2. Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen
2.1. Nutzung des Internet in Unternehmen
2.1.1. Überblick
Das Forschungsfeld des Implementierungsmanagement stellt den Kern der Forschungsbemühungen dieser Arbeit dar. Bevor auf relevante Grundlagen des Implementierungsmanagement eingegangen wird, ist zunächst zu erklären, wie das Internet von Unternehmen genutzt wird. Hierfür wird auf das Konzept der Wertkette von Porter zurückgegriffen, mit dem
eine systematische Abgrenzung der verschiedenen Nutzungsarten des Internet hinsichtlich
der Reichweite der Unterstützung der Primäraktivitäten der Wertkette vorgenommen wird.
Eingangslogistik
Leistungserstellung
Marketing
Vertrieb,
Logistik
Kundendienst
E-Commerce/Absatzkanal
(E-)CRM
E-Services
Internet-Marketing, Kommunikationskanal
E-Business
Abbildung 4:
Einordnung relevanter Begriffe in die Systematik der Primäraktivitäten der Wertkette von Porter (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Porter 2000, S. 63f.)
Am wenigsten weitreichend ist die Nutzung des Internet zu Zwecken des InternetMarketings bzw. als Kommunikationskanal. Sie betrifft ausschließlich die Marketingfunktion eines Unternehmens (Kap. 2.2.). Im Rahmen der Nutzung des Internet als Absatzkanal
bzw. zu Zwecken des E-Commerce ist über die Marketingfunktion eines Unternehmens hinaus auch seine Vertriebs- und Logistikfunktion betroffen (Kap. 2.3.). Eine Nutzung des Internet im Rahmen des (E-)CRM umfasst und integriert die Unternehmensfunktionen Marketing, Vertrieb/Logistik und Kundendienst (Kap. 2.4.). Am weitesten reicht schließlich die
31
Nutzung des Internet im Rahmen des E-Business, womit sämtliche Primäraktivitäten im Unternehmen unterstützt werden (Kap. 2.5.). E-Services betreffen alle Nutzungsarten des Internet, da sämtliche internetbezogenen Aktivitäten als elektronische Dienstleistungen bzw.
Services123 (E-Services) gegenüber dem Kunden zu verstehen sind (Kap. 2.6.).124
Um die unterschiedlichen Funktionen des Internet und der darauf angebotenen E-Services
sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager detaillierter zu systematisieren, bedient man
sich des Konzepts des Buying Cycle (vgl. Abbildung 5). Hierbei werden typische Prozesse
der Kunden im Verlauf des Kaufprozesses identifiziert und systematisiert.
Wiederkaufphase
Suchphase
Kunde
Nutzungsphase
Abbildung 5:
Kaufphase
Der Buying Cycle (Quelle: Tomczak/Dittrich 1997, S. 9)
Die Suchphase ist durch die Suche des Kunden nach Informationen geprägt, die ihm dabei
helfen, ein spezifisches Problem zu lösen oder ein Bedürfnis zu befriedigen. Er sucht dabei
insbesondere nach näheren Angaben zu Produkteigenschaften und Qualitätsmerkmalen,
vergleicht unterschiedliche Produkte und bewertet die Leistungen verschiedener Anbieter.
In dieser Phase können über die Web-Site eines Unternehmens umfangreiche Informationen
123
124
Der Begriff „Dienstleistung“ und der anglo-amerikanische Begriff „Service“ werden in dieser Arbeit synonym verwendet.
Schögel/Jazbec 2004, S. 2.
32
zu Produkten und deren Merkmalen geboten werden. Außerdem kann mittels InternetMarketing – insbesondere in Form von Banner-Werbung oder redaktionellen Beiträgen auf
anderen Web-Sites – die Aufmerksamkeit auf das eigene Angebot gelenkt werden.125 Die
Kaufphase umfasst alle Aktivitäten des Kunden, die mit dem Erwerb einer Leistung verbunden sind. Diese reichen von der Festlegung der zu kaufenden Leistung(en), der Preise,
über die Vereinbarung der Lieferkonditionen bis hin zum eigentlichen Bestell- und Bezahlvorgang. Hier kann die Web-Site im Rahmen eines E-Commerce-Angebots einen E-Shop
bieten, wo sämtliche Funktionen im Zusammenhang mit dem Kauf online angeboten werden. Die Nutzungsphase umfasst den Zeitraum vom Empfang der Leistungen durch den
Kunden bis hin zum Ende des Gebrauchs. In diesen Bereich fallen somit alle Formen von
After Sales Services, wie beispielsweise Informationen zur Nutzung von Produkten und zur
Behebung von Störungen. Hier sind aber auch weitere Funktionen möglich. Dies betrifft
beispielsweise die Verwaltung persönlicher Daten (Adressinformationen, Merkmale) bis hin
zur Einsicht von Nutzungsdaten bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen, z.B. der
online Verwaltung eines Telefonanschlusses und der monatlichen Telefonrechnungen.126
Schließlich beinhaltet die Wiederkaufphase alle Aktivitäten des Kunden, um neue oder ergänzende Leistungen zu erwerben. Hier sind somit wie in der Suchphase auch wieder Informationen zu Produkten und Dienstleistungen gefragt. Ergänzend zu standardisierten Informationen bietet sich hier prinzipiell die Möglichkeit, auch auf Basis von Informationen
über Kunden und ihre bisher gekauften Produkte interindividuell differierende Informationen über weitere bzw. ergänzende Produkte (Cross- bzw. Up-Selling) zu bieten.127
Kunden- und Anbieterprozesse im Verlauf des Buying Cycle können noch detaillierter mittels des Konzepts des Blueprints visualisiert und analysiert werden, welches das Konzept
des Buying Cylce integriert und weitere Analyse- und Gestaltungsmöglichkeiten bietet.128
Die horizontale Achse spiegelt i.d.R. die Chronologie der Aktivitäten bzw. Service-Prozesse
wider, während die vertikale Achse unterschiedliche Ebenen bzw. Bereiche von Aktivitäten
trennt. Hier unterschiedet man eine Kunden- und eine Unternehmensebene, die durch die
125
126
127
128
Vgl. Kap. 2.1.2.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Schögel et al. 2002, S. 47.
Vgl. zur detaillierten Darstellung des Konzepts des Blueprint Shostack 1984; Zeithaml/Bitner 2000, S. 206. Vgl. zu
einer detaillierteren Darstellung weiterer Ebenen und Bestandteile des Blueprint auf Seiten des Unternehmens
Fließ/Kleinaltenkamp 2002, S. 7ff.
33
„line of interaction“ getrennt werden (vgl. Abbildung 6).129 Je nach Bedarf können entweder
Kundenprozesse genauer analysiert werden – wobei der Fokus auf Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu legen ist – oder interne Prozesse Gegenstand der Analyse sein. Bei
letzterem interessiert i.d.R. die Optimierung interner Prozesse.130
Kunde
Phasen des
Buying Cycle
Suchphase
Kaufphase
Nutzungsphase
Wiederkaufphase
Kundenbedürfnisse im Buying
Cycle
Informationen über
Produktmerkmale,
-konfiguationen
Preis- und Konditionenvereinbarung,
bequeme und sichere
Bezahlung
Zusatzinformationen
zur Nutzung,
Problembeseitigung
Informationen über
Zusatz- oder ErsatzProdukte
Kundenprozesse
Informationssuche
Bestellung,
Bezahlung
Informationssuche,
Problembeseitigung
Informationssuche
Anbieterprozesse
Informationsdarbietung, Kundenberatung
Finanzierung
Lieferung,
Kundenberatung,
Problemlösung
Informationsdarbietung, Kundenberatung
E-Services
Informationsservices, Produktpräsentationen,
Newsletter
Produktkonfigurator,
Virtueller Verkäufer,
E-Shop, Händlersuche
FAQ, Problemdiagnose,
Kundenkonto, Beschwerdeservice
(personalisierter)
Newsletter
Cross- oder UpSelling-Angebote
Unternehmen
"line of interaction"
Back-End-Prozesse und Anwendungen
Abbildung 6:
Blueprint von Anbieter- und Kundenprozessen (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an
Bitner et al. 2002, S. 98ff.; Blaho et al. 1998, S. 82; Tomczak/Dittrich 1997, S. 9)
Somit unterstützt der Kanal Internet aus Unternehmenssicht verschiedene Funktionen bzw.
(Kern-)Aufgaben im Marketing. Die Such- und Kaufphase sind somit primär der Kernaufgabe der Kundenakquisition zuzurechnen – mit der Möglichkeit des online Kaufs eines Produkts bzw. einer Dienstleistung. Die Nutzungs- und Wiederkaufphase hingegen dienen primär der Unterstützung der Kernaufgabe der Kundenbindung.131
129
130
131
Vgl. zu Details und weitergehenden Ausführungen Fließ/Kleinaltenkamp 2002, S. 3f. Vgl. zu diversen Weiterentwicklungen des Konzepts Kleinaltenkamp 2000b, S. 5ff.
Kleinaltenkamp 2000b, S. 16ff.
Tomczak/Reinecke 1999; Tomczak/Reinecke 1998a; Tomczak/Reinecke 1998b; Tomczak/Reinecke 1996.
34
2.1.2. Nutzung im Marketing: Kommunikationskanal und Internet-Marketing
Wie bereits in der Begriffsklärung in Kap. 1.2 verdeutlicht wurde, nutzen Unternehmen der
sogenannten „Old Economy“ das Internet primär als Kommunikations- bzw. als Absatzkanal.
Wenn ausschließlich Informationsströme fließen, spricht man von einem Kommunikationskanal.132 Hierbei sind in Abhängigkeit von der Kontaktinitiierung zwei Fälle von kommunikativen Aktivitäten zu unterscheiden, die Inbound und die Outbound Kommunikation. Bei
der Inbound Kommunikation geht die Initiative zur Kontaktaufnahme vom Interessenten
bzw. Kunden aus. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Kunden die Web-Site eines
Unternehmens aufrufen, um Information über das Unternehmen und seine Leistungen zu erhalten. Eine weitere Möglichkeit der Inbound Kommunikation besteht darin, dass Kunden
Unternehmen per E-Mail kontaktieren, beispielsweise um Antworten auf weitergehende
Fragen zu bekommen oder einen Termin mit einem persönlichen Berater zu vereinbaren.
Bei der Outbound Kommunikation133 hingegen initiiert das Unternehmen einen (potenziellen) Kontakt. In diesem Zusammenhang spricht man vom Internet-Marketing, bzw. synonym auch vom Online- bzw. E-Marketing.134 Unter dem Begriff Internet-Marketing versteht man die systematische Nutzung der Internet-Dienste (z.B. E-Mail, Web) für die Zwecke des Marketings.135 Das Internet-Marketing verfolgt somit primär das Ziel, die Anbahnung von Transaktionen zu unterstützen. Internet-Marketing umfasst aber auch unternehmerische Aktivitäten im Internet, die nicht unmittelbar auf die Unterstützung von Markttrans-
132
133
134
135
Weinhold-Stünzi 1999, S. 344; Angelides 1997, S. 408.
Vgl. zu Details Thieme/Steffen 2000, S. 40f.
Fritz 2001; Gräf 1999; Albers et al. 1998; Bruhn 1997; Alpar 1996; Hünerberg et al. 1996. Hierbei wird untersucht,
wie das Internet als Instrument des Marketing-Management genutzt werden kann (Fritz 2001) bzw. wie es in Teilbereichen des Marketing-Management eingesetzt werden kann (z.B. in der Kommunikationspolitik, vgl. Bruhn 1997).
Weitgehend synonym zum Begriff des Internet-Marketings wird auch der Ausdruck interaktives Marketing bzw.
Multimedia-Marketing verwendet (Weiber 2001, S. 675; Link 1998, S. 7). Fritz versteht den Begriff des InternetMarketing jedoch als Teilbereich des Online Marketing, das er als Marketing mittels kommerzieller Online-Dienste
(AOL, T-Online) versteht (Fritz 2001, S. 22).
Fritz 2001, S. 22.
35
aktionen ausgerichtet sind, z.B. im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit (PR) oder des Sponsoring.136
2.1.3. Nutzung in Marketing und Vertrieb: Absatzkanal und E-Commerce
Das Internet wird von Unternehmen dann als Absatzkanal137 genutzt, wenn zusätzlich zu Informationsströmen auch Güter- und Geldströme über das Internet fließen bzw. deren Fluss
durch das Internet initiiert wird.138 In diesem Zusammenhang spricht man auch von ECommerce und bezeichnet damit die Vermarktung von Unternehmensleistungen mithilfe
eines umfassenden Einsatzes neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Hierbei steht somit der Transaktionsprozess – der Austausch von Gütern und Dienstleistungen
gegen Geld über elektronische Netze, insbesondere das Internet – und dessen Unterstützung
im Vordergrund.139
Jeder „Strom“ des Absatzkanals bzw. im E-Commerce stellt eine Funktion innerhalb einer
Wertkette140 dar, die von verschiedenen Akteuren bzw. Institutionen erbracht wird. Letztere
konstituieren somit ein Distributionssystem.141 Die Aufgabe der Distribution besteht in der
Sicherstellung der Verfügbarkeit der Leistungen eines Unternehmens für die Endkunden.
Ziel des Distributionsmanagements ist es somit, die Präsenz der Unternehmensleistungen
am Markt zu gewährleisten. Hierbei stellen die Absatzkanäle das zentrale Handlungsfeld
dar, deren Gestaltung und Steuerung im Mittelpunkt des Distributionsmanagement steht.142
Durch das Angebot des direkten Absatzkanals Internet übernehmen Unternehmen letztlich
136
137
138
139
140
141
142
Fritz 2001, S. 22.
In der Literatur werden auch häufig die synonymen Begriffe „Absatzkanal“ (Kuhlmann 2001, S. 48), „Distributionskanal“ (Weinhold-Stünzi 1999, S. 335; Specht 1998, S. 14) und „Marketing Channel“ (Coughlan et al. 2001, S.
1f.) verwendet.
Weinhold-Stünzi 1999, S. 344.
Wirtz 2001, S. 40; vgl. a. Schögel et al. 2002, S. 22f.;. Manche Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch
von E-Commerce in engerem Sinn (Meffert 2000a, S. 917; Fritz 2001, S. 23).
Porter 2001, S. 63f.; vgl. a. Day 1990, S. 221.
Coughlan et al. 2001, S. 2f., 10; Rosenbloom 1999, S. 9.
Ahlert 1992, S. 20.
36
die Vermarktung und Distribution ihrer Leistungen und somit wertschöpfende Prozesse innerhalb des distributiven Wertschöpfungssystems.143
Um den Anforderungen eines aktiven, systematischen und differenzierten Kunden(beziehungs-)managements gerecht zu werden, ist die Ausgestaltung und Abstimmung
der einzelnen Absatzkanäle innerhalb des gesamten Absatzkanalsystems von zentraler Bedeutung.144
Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Kommunikations- bzw. Absatzkanal Internet die bestehenden Kanäle ergänzt und nicht ersetzt.145 Dies wird durch das
Verhalten der Kunden bestätigt, die situations- und verhaltensspezifisch unterschiedliche
Kanäle nutzen, um ihre Informations- oder Kaufbedürfnisse zu befriedigen. Reichheld/Schefter sind sogar der Meinung, dass eine Separationsstrategie langfristig die Kundentreue untergräbt, da Kunden nicht primär zwischen (bestimmten) Kanälen differenzieren, sondern alle Kanäle insgesamt zu ihren Erfahrungen mit einem Unternehmen beitragen.146 Die Integration der Absatz- und Kommunikationskanäle bringt eine Abstimmung der
Kanäle auf strategischer, prozessualer und informationstechnischer Ebene mit sich.147
Auf der strategischen Ebene ist zu berücksichtigen, dass mit zunehmender Anzahl der verfügbaren Kanäle die Komplexität des gesamten Absatz- und Kommunikationskanalsystems
steigt, was die Führung und Koordination dieses Systems erschwert.148 Dies erfordert meist
eine funktionale und auf Kundendaten bezogene Neuabstimmung der verschiedenen Kanäle,
um ein stimmiges Multi-Channel-System in Hinsicht auf dessen Effektivität und Effizienz
aufzubauen. Es zeigt sich, dass Unternehmen häufig mit Multi-Channel-Konzepten überfordert sind. Die zentralen Herausforderungen stellen einerseits die kundenorientierte Gestal-
143
144
145
146
147
148
Wirtz 2000, S. 46. Man spricht von Disintermediation, wenn Zwischenstufen in der Wertschöpfung (z.B. Großhandel, Einzelhandel) eliminiert werden, um die Wertschöpfung eines Anbieters zu optimieren, dadurch die Kosten der
Distribution zu reduzieren und einzelne wertschöpfende Aktivitäten im Distributionssystem verstärkt koordinieren
und kontrollieren zu können (Whinston et al. 1997, S. 373f.).
Vgl. Rapp 2000, S. 179.
Porter 2001, S. 63f.; Gulati/Garino 2000, S. 107ff.
Reichheld/Schefter 2001, S. 79f.
Link/Gerth 2001, S. 315f.
Schögel 1997, S. 101ff.
37
tung und andererseits die Optimierung der eingesetzten Kanäle und Medien dar, mit dem
Ziel, beschränkte Ressourcen optimal einzusetzen.149
Eines der zentralen Ziele des Auf- und Ausbaus des Kanals Internet besteht in der Effizienzsteigerung des gesamten Kanalsystems. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der
Aufbau und Betrieb eines neuen Kanals Kosten verursacht.150 Um Effizienzsteigerungen realisieren zu können, ist eine Neu- bzw. Umverteilung von Aufgaben erforderlich. Hinsichtlich der Phasen des Buying Cycle soll eine abgestimmte und differenzierte Aufgabenverteilung erreicht werden.151 Aus Effizienzgründen heraus sollten die mit den einzelnen Kanälen
verbundenen Kosten mit dem (erwarteten) Potenzial des einzelnen Kunden abgeglichen
werden, und die Kunden in Bezug auf ihre Kanalwahl dementsprechend gesteuert werden.152
Da das Internet i.d.R. hinsichtlich der operativen Kosten den effizientesten Kommunikations- und Absatzkanal darstellt153, lassen sich Effizienzsteigerungen insbesondere dann erzielen, wenn ein Teil der bisher über andere Kanäle durch die Kunden getätigten Interaktionen bzw. Transaktionen über den Kanal Internet abgewickelt wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass eine zu restriktive (Inbound-)Kanalsteuerung auch zu Irritationen und Frustration bei den Kunden führen kann, wie das Beispiel der Deutschen Bank 24 belegt, wo Kunden eines bestimmten Tarifmodells nur das Internet als Kontaktkanal angeboten wurde.154
Auf der prozessualen Ebene ist eine Abstimmung sämtlicher Kanäle auf Kundenprozesse
über verschiedene Phasen des Buying Cycle hinweg anzustreben.155 Die Kunden sollen das
Unternehmen über verschiedene Absatzkanäle hinweg konsistent wahrnehmen.156 Um die
Kanäle auf Kunden auszurichten, können diese im folgenden Kreuzungsraster den Phasen
des Buying Cylce zugeordnet werden. Somit lassen sich Schwerpunkte bestimmen und ziel-
149
150
151
152
153
154
155
156
Gronover/Riempp 2001b, S. 26.
Gerth 1999, S. 269f.
Schögel 1997, S. 196ff.; Schwartz 1995, S. 2; Töpfer/Greff 1993, S. 194.
Link/Gerth 2001, S. 316.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet.
Link/Gerth 2001, S. 316.
Bach et al. 2000, S. 130.
Gronover/Riempp 2001b, S. 25.
38
gerichtet Aufgaben im Mehrkanalsystem verteilen. Hierbei ist zu beachten, dass sich die
Schwerpunkte insbesondere in Abhängigkeit von der Branche, der verfolgten Marketingstrategie und den Ansprüchen und dem Problemlösungsbedarf einzelner Kundensegmente
ergeben.157 Des Weiteren können somit Dysfunktionalitäten, Doppelspurigkeiten etc. vermieden werden.158
Suchphase
Kaufphase
Nutzungsphase
Wiederkaufphase
Kanäle
Handel
Shops
Internet
Aussendienst
Call Center
Abbildung 7:
Kreuzungsraster der Aufgabenverteilung in Mehrkanalsystemen (in Anlehnung an
Tomczak/Dittrich 1997, S. 9 und Moriarty/Moran 1991, S. 101)
Auf der informationstechnischen Ebene ist im Hinblick auf ein abgestimmtes Mehrkanalsystem die Integration von Informationen und Informationssystemen von zentraler Bedeutung. Zusätzliche Kanäle führen oft zu einer Intensivierung der Kommunikation, ohne dass
Inhalte und Ergebnisse von Interaktions- oder Transaktionsprozessen abgeglichen werden.
Somit ist es sinnvoll, dass alle Kanäle auf relevante Informationen zurückgreifen können.159
2.1.4. Nutzung in Marketing, Vertrieb und Kundenservice: E-CRM
Eine Nutzung des Internet im Rahmen des (E-)CRM umfasst und integriert die Unternehmensfunktionen Marketing, Vertrieb/Logistik und Kundendienst und umfasst damit ideal-
157
158
159
Belz et al. 1996, S. 153f.
Schögel 1997, S. 196ff.; Moriarty/Moran 1991, S. 101.
Day 2000b, S. 7. Hierbei unterscheidet man zwischen den sich gegenseitig bedingenden und in einer engen Beziehung zueinander stehenden Elementen des operativen, analytischen und kollaborativen CRM. Vgl. hierzu die Ausführungen am Schluss des Kapitels 2.1.4.
39
erweise die Unterstützung des gesamten Buying Cycle des Kunden.160 Bevor auf die Nutzung des Internet im Rahmen des (E-)CRM eingegangen wird, ist zunächst der Begriff des
CRM zu definieren und zu charakterisieren. Hierfür werden im weiteren Verlauf des Kapitels die Prinzipien und Perspektiven des CRM aufgezeigt.
In der Marketingwissenschaft und der Unternehmenspraxis gewinnt der Theorieansatz des
Relationship Marketing161 unter dem vermeintlich neuen Begriff des Customer Relationship
Management162 (CRM) seit Ende der Neunziger Jahre wieder zunehmend an Bedeutung.163
Unter dem Begriff CRM rückt die aktive, systematische und differenzierte Steuerung von
Kundenbeziehungen in den Fokus.164 Neu am CRM ist somit „[..] eine professionelle Gestaltung und die Integration sämtlicher kundenbezogener Aktivitäten in einem komplexen
Unternehmensumfeld mit einer Vielzahl von Kunden und Kundengruppen, mannigfaltigen
Leistungen und verschiedenen Kanälen und Kommunikationsinstrumenten.“165
Aus einer strategisch-konzeptionellen Sicht umfasst das CRM sämtliche Maßnahmen der
Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, Stabilisierung, Intensivierung und Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen des Unternehmens – insbesondere zu den Kunden – mit dem Ziel des gegenseitigen Nutzens die-
160
161
162
163
164
165
Vgl. Kap. 2.1.1.
Relationship Marketing wird zu Deutsch als Beziehungsmarketing bezeichnet. Vertreter des Relationship Marketing
sind insbesondere Hennig-Thurau/Hansen 2000; Peck et al. 1999; Diller 1998; Bruhn/Bunge 1996; Kleinaltenkamp
1996; Payne 1995; Grönroos 1994, Gummesson 1994; Berry 1983.
Relationship Marketing und CRM stellen jedoch keine Neudefinition des Marketinggedankens dar (Tomczak 1996,
S. 195). Der Begriff „CRM“ ist als neue Bezeichnung für ein altes Phänomen zu verstehen (Gummesson 1998, S.
10; Gummesson 1994, S. 18; Bruhn/Bunge 1996, S. 173). Beide Begriffe werden weitgehend synonym verwendet
(Hildebrand 2000; Rapp 2000).
Meffert 1999, S. 23. In diesem Zusammenhang wird häufig von einem „Paradigmenwechsel“ im Marketing gesprochen (Sheth/Parvatiyar 2000; Brodie et al. 1997; Grönroos 1994; Kotler 1992). Von einem „Paradigmenwechsel“ ist
dann zu sprechen, wenn „sich innerhalb einer Wissenschaft ein grundlegender Erklärungsumbruch einstellt, der ein
neuartiges wissenschaftliches Grundverständnis zutage fördert“ (Backhaus 1997, S. 30). Backhaus sieht jedoch im
Fall des CRM die zwei notwendigen Bedingungen für einen Paradigmenwechsel, den umfassenden Erklärungsgehalt und den Neuigkeitsgehalt, nicht erfüllt (Vgl. Backhaus 1997, S. 31ff.).
Grönroos 2001; Diller 1995, S. 444; Grönroos 1994.
Belz 2002, S. 49.
40
nen.166 Aus einer organisationalen Sichtweise heraus wird CRM als ein unternehmensweit
integrierendes Führungs- und Organisationsprinzip verstanden, das mittels geeigneter Maßnahmen auf eine verbesserte Kundenorientierung des Unternehmens und erhöhte Kundenzufriedenheit zielt.167
CRM ist somit zu verstehen als „[..] a cross-functional process for achieving a continuing
dialogue with customers, across all their contact and access points, with personalized treatment of the most valuable customers, to increase customer retention and the effectiveness of
marketing initiatives.”168 Dies umfasst die Initiierung langfristig profitabler Kundenbeziehungen (Akquisition), deren Aufrechterhaltung (Retention), der Intensivierung im Zeitablauf (Entwicklung bzw. Penetration)169, der Rückgewinnung verlorener Kunden170 sowie einer ggfs. notwendigen Beendigung von Kundenbeziehungen.171
In Bezug auf die Nutzung des Kanals Internet im Rahmen des CRM spricht man auch vom
Electronic Customer Relationship Management (E-CRM).172 Dabei ist insbesondere auf die
Rolle des Internet und weiterer Informationstechnologie als Enabler173 des CRM abzustellen.174 Von der Informationstechnologie und dem Internet erhofft man sich, die Ziele des
Relationship Marketing nicht nur wirksamer (Effektivität), sondern insbesondere wirtschaftlicher (Effizienz) erreichen zu können.175 Auf Basis von CRM-Technologien, die eine möglichst hohe Automatisierung der Prozesse der Datensammlung und -analyse ermöglichen
sollen, können Kunden aufgrund der kostengünstigen Distribution per Internet effizient mit
166
167
168
169
170
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174
175
Diller 2001c, S. 163ff.; Bruhn 2001, S. 9; Diller 1998; Berry 1983, S. 25. Das Beziehungsmarketing ist dem Beziehungsmanagement zuzuordnen, und zwar als vertikales Beziehungsmanagement, das auf den (End-)Kunden zielt
(Diller 2001b, S. 162).
Kuß/Tomczak 2004a, S. 141.
Day/Van den Bulte 2002, S. 5; vgl. a. Strauß 2001, S. 249ff.
Berry 1983, S. 25.
Stauss 2000b.
Hentschel 1991, S. 25; Finsterwalder 2000.
Schögel/Schmidt 2002, S. 42f.; Coffee 2001, S. 44; Fairhurst 2001; Eggert 2001, S. 89.
Hagel et al. 1996, S. 67.
Wright et al. 2002, S. 341; Fairhurst 2001, S. 138; von Frielitz et al. 2000, S. 4.
Link 2001a, S. 3. Unter Effektivität versteht man im Allgemeinen die zielorientierte Wirksamkeit („to do the right
things“) in Bezug auf quantitäts-, qualitäts- und zeitbezogene Aspekte. Der Begriff der Effizienz zielt hingegen auf
die ressourcenorientierte Wirksamkeit („to do the things right“) des eingesetzten Personals, der Anlagen, des Materials und der Energie (Hopfenbeck 1996, S. 646).
41
individualisierten Informationen versorgt werden.176 Man erhofft sich insbesondere beim
Vorliegen einer hohen Anzahl an Kunden – wie das insbesondere in Konsumgütermärkten
der Fall ist – auf Basis des Kanals Internet die erstmalige Ermöglichung einer gezielten individuellen Bearbeitung einer umfangreichen Zahl von Kunden.177
Diller überprüft das Internet auf seine Tauglichkeit im Hinblick auf die Prinzipien des CRM
und kommt zu dem Schluss, dass das Internet in Bezug auf gewisse Aspekte herausragende
Potenziale für ein erfolgreiches Beziehungsmarketing besitzt.178 Das Internet ermöglicht die
Sammlung von Kundeninformationen. Neben den Inhalten von Web-Sites kann auch die
Präsentation der Inhalte individualisiert werden.179 Aufgrund der Möglichkeit zur multimedialen Präsentation können Kunden im Rahmen von Online-Marketing-Aktivitäten stärker
aktiviert werden.180 Schließlich ist die Integration des Kunden in Prozesse der Leistungserstellung und damit die Externalisierung von Serviceleistungen von zentraler Bedeutung, so
dass der Aufwand der Kundenbetreuung mittels E-Self-Services von Unternehmen teilweise
an Kunden übertragen werden kann.181
Inwieweit das Internet im Rahmen eines CRM-Konzepts sinnvoll genutzt werden kann ist
jedoch umstritten. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass analog zur Anwendung des CRM
im Allgemeinen auch die Nutzung des Kanals Internet im Rahmen des CRM nicht in allen
Produktmärkten bzw. Branchen ökonomisch sinnvoll ist.182 Des Weiteren wird angeführt,
dass E-CRM Maßnahmen und der zugrunde liegende Ansatz des Database Marketing183
den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können und deswegen nur eine begrenzte Rolle
176
177
178
179
180
181
182
183
Eggert/Fassott 2001, S. 7.
Diller 2001e, S. 83; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Diller 2001e, S. 73ff.; vgl. hierzu auch Hildebrand 2000, S. 82; Weiber/Kollmann 1997, S. 548ff.
Englbrecht et al. 2002, S. 288.
Diller 2001e, S. 80.
Diller 2001e, S. 81f.
Diller 2001e, S. 83. Es ist festzuhalten, dass bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse darüber existieren, unter welchen Bedingungen die Entscheidung für Relationship Marketing bzw. Transaktionsmarketing ökonomisch sinnvoll ist. Um relevante Aspekte herauszuarbeiten, ist somit insbesondere auf praxisorientierte Literatur zurückzugreifen. Vgl. hierzu insbesondere Day 2000b, S. 18; Peppers et al. 1999, S. 156ff; Meffert 1999, S. 25; Brodie
et al. 1997, S. 400; Tomczak 1996, S. 196.
Link 2001c; Link/Hildebrand 1993.
42
beim Auf- und Ausbau von Kundenbindung und Kundenbeziehungen spielen können.184
Daran sind die Auffassungen zweier gegensätzlicher „Lager“ zu erkennen: Während manche Personen die einzigartigen Möglichkeiten des Internet für bessere und intensivere Kundenbeziehungen betonen, wird das Internet von anderen tendenziell eher als Bedrohung für
erfolgreiche Kundenbeziehungen angesehen.185
Prinzipien des CRM
Beim CRM rücken mehrwertstiftende und kollaborative Austauschprozesse zwischen Kunde und Unternehmen in den Vordergrund (vgl. Abbildung 8). Dies wird im Folgenden anhand der Prinzipien Information, Individualisierung, Investition, Interaktion, Integration
gezeigt, mittels derer CRM vom konventionellen, transaktionalen (Massen-) Marketing abzugrenzen ist.186
Transaktionales
Marketing
Transaktionale
Austauschprozesse
Anonyme,
Automatisierte
Interaktionen
Abbildung 8:
Relationship Marketing
Mehrwertstiftende
Austauschprozesse
Kollaborative
Austauschprozesse
Lückenlose
Zusammenarbeit und
Integration von Kunden und
Partnern
Das Spektrum von Austauschprozessen (Quelle: In Anlehnung an Day 2000a, S. 25)
CRM basiert auf Informationen über einzelne Kunden. Um diese im Marketing zu nutzen,
müssen sie umfassend, korrekt und aktuell sein.187
184
185
186
187
Diller 2001e, S. 71; Pels et al. 2000, S. 16ff. Vgl. zum Unterschied von Kundenbindung und Kundenbeziehung Eggert 2001.
Fassott 2001, S. 133.
Diller 2001e, S. 73ff.; Diller 1995, S. 443ff.
Diller 2001e, S. 73.
43
Das Ziel ist es, auch im Konsumgütermarketing, wo die Grundidee des Relationship Marketing noch nicht so stark verbreitet ist wie im Investitionsgüter- und Dienstleistungsmarketing, individualisiertes188 Marketing, welches auch als One-to-One-Marketing bezeichnet
wird, zu betreiben.189 Unter One-to-One-Marketing sind sämtliche Marketing-Maßnahmen
zu verstehen, die auf die Befriedigung der spezifischen Bedürfnisse einzelner Kunden abzielen.190 Dies umfasst eine Anpassung aller Instrumente des Marketing-Mix an spezifische
Bedürfnisse des Kunden – sofern dies ökonomisch vertretbar ist.191 Letztlich stellt sich die
Frage der Relation von Aufwand und Nutzen der Individualisierung. Dies erfordert eine Orientierung am Kundenwert.192
Ein zentrales Charakteristikum des CRM stellt die verstärkte interaktions- und prozessbezogene Grundhaltung dar.193 Anbieter und Kunde stehen hierbei in wechselseitigen (reziproken) Austauschprozessen zueinander. Neben dem Austausch von Gütern gegen Geld gewinnt insbesondere der Austausch von Informationen an Bedeutung.194 Dies schlägt sich in
einer stärkeren Dialogorientierung der Kommunikationspolitik (über Internet, Call-Center,
Kundenclubs, Coupon-Werbung, Beschwerdemöglichkeiten etc.) nieder.195 Durch einen
möglichst kontinuierlichen Dialog im Sinne einer „Learning Relationship“196 über diverse
Kommunikationskanäle hinweg werden Informationen über Kunden gesammelt. Hierfür ist
eine aktive Kommunikationsstrategie erforderlich, die den Kunden gezielt dazu auffordert,
188
189
190
191
192
193
194
195
196
„Individualisierung“ enthält als Überbegriff zwei Komponenten: Unter dem Begriff „Customization“ wird subsumiert, dass ein Kunde durch die Angabe seiner eigenen Präferenzen individualisierte Informationen erhält. Bei einer
„Personalisierung“ hingegen äußert der Kunde nicht explizit seine Wünsche, sondern sie werden auf Basis von Informationen über seine bisherigen Präferenzen bzw. unter Hinzunahme von Informationen über Kunden mit ähnlichen Präferenzen ermittelt (Nunes/Kambil 2001, S. 32).
Becker 2000; Becker 1996. Backhaus spricht von einer "Wiederentdeckung" des Relationship Marketing im Konsumgüterbereich (Backhaus 1997, S. 30). Vgl. zu Überschneidungen und zur Abgrenzung des Begriffs des „Direktmarketing“ zum Relationship Marketing bzw. CRM Belz 2002, Link 2001b und Belz 1997b.
Tomczak/Brockdorff 2000; Becker 2000; Peppers/Rogers 1994.
Diller 2001e, S. 75.
Vgl. zu Details zur Bestimmung des Kundenwerts Rudolf-Sipötz/Tomczak 2001.
Diller 2001e, S. 79; Diller/Kusterer 1988.
Hildebrand 2000, S. 76.
Diller 2001c, S. 165f.; Diller/Kusterer 1988, S. 211. Pels et al. gebrauchen in diesem Zusammenhang den Begriff
des „Interaction Marketing“. Vgl. Pels et al. 2000, S. 15.
Peppers et al. 1999, S. 151.
44
Bedürfnisse, Wünsche und Vorschläge zu äußern. Im Gegenzug ist ein offenes Informationsverhalten gegenüber dem Kunden angebracht.197
Die stärkere Kundenintegration (Customer Integration198) ermöglicht eine transaktionsübergreifende Integration des Kunden und dessen aktive Einbindung in Marketing-, Vertriebsund Planungsprozesse.199 Beispiele für die Integration des Kunden im Rahmen der Produktpolitik stellen die Vorwärtsintegration (z.B. durch die Schulung des Kunden) oder die
Rückwärtsintegration (z.B. durch FuE-Kooperationen) dar.200 Im Rahmen von Serviceprozessen sind der Kunde und seine Informationen in den Prozess der Dienstleistungserstellung
zu integrieren. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Kunde im Rahmen einer zunehmenden Externalisierung von Dienstleistungsprozessen mehr (Teil-)Leistungen
selbst übernimmt.201
Perspektiven des CRM
Man unterscheidet die in einer engen Beziehung zueinander stehenden Elemente des operativen, analytischen und kollaborativen CRM.202
Das operative CRM betrifft die informationstechnische Unterstützung sämtlicher Kundenmanagementprozesse des Front-End-Bereichs über sämtliche Kanäle und Medien hinweg
mit Hard- und Software-Systemen im Back-End-Bereich. Auf der Ebene der Informationssysteme ist eine zentrale Kundendatenbank zu schaffen, die über Schnittstellen mit verschiedenen betriebswirtschaftlichen Basissystemen (ERP, CRM) verbunden ist.203 Dies ermöglicht erst einen individuellen Dialog mit einzelnen Kunden über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg.204
197
198
199
200
201
202
203
204
Hildebrand 2000, S. 76.
Vgl. zu Details insbesondere Kleinaltenkamp 1996; Fließ/Jacob 1996; Fließ 1996.
Sheth/Parvatiyar 1995, S. 264.
Kleinaltenkamp 2000; Kleinaltenkamp 1997.
Vgl. Kap. 2.1.6.1.
Frielitz et al. 2000, S. 22ff; Meta Group 1999; Vermeehren 2001, S. 26.
Monse/Janusch 2003.
Link/Gerth 2001, S. 317.
45
Das kollaborative CRM umfasst die Abstimmung zwischen verschiedenen Kanälen. Ziel ist
es, Kunden mittels eines durchgängigen Prozesses zu unterstützen und ihnen über sämtliche
Kanäle hinweg dieselben Kundeninformationen zu bieten.
Im Rahmen des analytischen CRM werden die gesammelten Kunden- und Leistungsdaten
ausgewertet und können so als Entscheidungsgrundlage zur Gestaltung weiterer Kundeninteraktionen dienen.
2.1.5. Nutzung des Internet über die gesamte Wertkette hinweg: E-Business
Am weitreichendsten ist die Nutzung des Internet im Rahmen des E-Business, womit sämtliche Primäraktivitäten im Unternehmen unterstützt werden.205 Unter dem Begriff
„E-Business“ sind sämtliche elektronisch gestützten Interaktions- und Transaktionsprozesse
innerhalb einer Wertkette zu verstehen, an deren Gestaltung verschiedene Akteure (Lieferant, Produzent, Handel und Endkunde) beteiligt sind. Man kann E-Business somit auch
„[…] als die Anbahnung sowie die teilweise respektive vollständige Unterstützung, Abwicklung und Aufrechterhaltung von Leistungsaustauschprozessen mittels elektronischer
Netze“206 verstehen. Zentral für das E-Business ist die Integration von Markt- und Unternehmensprozessen und stellt daher „[...] die Gesamtheit der aufeinander abgestimmten Verfahrensweisen dar, die durch den Einsatz von neuen Technologien (insbesondere IuKTechnologien) eine ressourcensparende Integration von Geschäfts-, Kommunikations- und
Transaktionsprozessen auf der Markt- und Unternehmensebene ermöglicht.“207 Dies verdeutlicht das dominierende Ziel der Ressourceneinsparung aller E-Business-Anwendungen
durch Standardisierung und eine möglichst weitgehende Automatisierung von Geschäftsprozessen.208 Außerdem wird die Tragweite ersichtlich: E-Business bezieht idealerweise alle Arten von Austauschströmen209 mit diversen Marktpartnern mit ein.210 E-Business fun-
205
206
207
208
209
210
Vgl. Kap. 2.1.1.
Wirtz 2001, S. 34.
Weiber 2000, S. 11f.
Lientz/Rea 2001, S. 10f.
Weinhold-Stünzi (2002) unterscheidet im E-Business zwischen Informations-, Geld- und Leistungsströmen.
Vgl. für eine Systematisierung der Akteure des E-Business Wirtz 2001, S. 34ff. Eine zentrale E-BusinessAnwendung stellt der elektronische Datenaustausch (Electronic Data Interchange, EDI) zwischen Unternehmen –
46
giert somit als Überbegriff für E-Commerce und E-Services, die jeweils Teilbereiche abdecken.
2.1.6. E-Services: Instrumente der Leistungserbringung im Internet
Die Leistungserbringung auf Web-Sites von Unternehmen erfolgt im Wesentlichen mittels
E-Services. Sämtliche internetbezogenen Aktivitäten sind als elektronische Dienstleistungen
bzw. Services gegenüber dem Kunden zu verstehen.211 Bevor auf die zentralen Charakteristika von E-Services eingegangen wird, sind zunächst die wesentlichen Charakteristika von
Dienstleistungen bzw. Services darzustellen, welche grundlegend für die Charakterisierung
von E-Services sind.
2.1.6.1. Dienstleistung (Service): Begriff und Charakteristika
Es existiert keine einheitliche Definition des Begriffs Dienstleistung.212 Um Dienstleistungen zu charakterisieren, sind verschiedene Definitionsansätze möglich: Eine Definition kann
anhand einer Aufzählung von Beispielen (enumerative Definition), durch eine Abgrenzung
zu Sachgütern213 mittels einer Negativdefinition oder durch eine Herausarbeitung ihrer konstitutiven Merkmale erfolgen. Meist wird der letztgenannte Ansatz in der Literatur gewählt,
weil insbesondere dadurch Implikationen für das Marketing abgeleitet werden können. Allgemeine konstitutive Merkmale von Dienstleistungen stellen ihre Immaterialität214, die
211
212
213
214
beispielweise zwischen Hersteller- und Handelsunternehmen – dar (Stahlknecht/Hasenkamp 2002, S. 385; Specht
1998, S. 250f.).
Schögel/Jazbec 2004, S. 2.
Der Begriff Dienstleistung und der anglo-amerikanische Begriff „Service“ werden im Weiteren synonym verwendet.
Dienstleistungen unterscheiden sich von Sachgütern durch ihre Immaterialität. Maleri 1997, S. 42. Genauer betrachtet können Prozeß und Ergebnis einer Dienstleistung immateriell sein, während die Wirkung und das Angebot der
Leistungsfähigkeit (s.u.) immer immateriell sind (Meyer 1997, S. 183f.)
Die Abgrenzung zu Sachgütern erfolgt meist in Bezug auf die Immaterialität von Dienstleistungen (Maleri 1997, S.
42). Genauer betrachtet können Prozess und Ergebnis einer Dienstleistung immateriell sein, während die Wirkung
und das Angebot der Leistungsfähigkeit immer immateriell sind (Meyer 1986, S. 20f.).
47
Nichtlagerfähigkeit und Nichttransportfähigkeit, die Simultanität von Produktion und Konsumption („Uno-actu-Prinzip“), die Integration eines sogenannten externen Faktors
(Mensch, Objekt etc., s.u.) in den Prozess der Leistungserstellung und die Individualität der
Leistungen dar.215
Nach dem chronologischen Ablauf der Dienstleistungserstellung werden drei Phasen bzw.
Dimensionen von Dienstleistungen unterschieden: Die Potential-, die Prozess- und die Ergebnis- bzw. Wirkungsdimension.216 Die Potentialdimension beschreibt die Dienstleistung
als die Bereitstellung von Potenzial-, Verbrauchsfaktoren, Halb- und Fertigfabrikaten, wofür
Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit erforderlich sind.217 Die Leistungsbereitschaft
betrifft insbesondere Motivation, Einstellung und Verhalten und ist in Bezug auf zeitliche,
räumliche, quantitative, qualitative und intensitätsmäßige Aspekte zu steuern.218 Die Leistungsfähigkeit unterteilt man in eine persönliche und eine maschinenbezogene Komponente,
je nachdem ob eine Dienstleistung durch Menschen, automatisiert oder als Kombination aus
beiden erbracht wird. Die persönliche Leistungsfähigkeit wird durch das Wissen und Können der Mitarbeiter determiniert.219
Die Prozessdimension220 beschreibt den eigentlichen Vorgang der Leistungserstellung, in
den der externe Faktor integriert wird, an dem schlussendlich die Leistung zu erbringen ist.
Den Kunden bezeichnet man somit auch als „Prosumer“, zusammengesetzt aus „Producer“
und „Consumer“.221 Die Integration des Kunden bedingt, dass bei der Leistungserfüllung
durch den Anbieter neben den Fähigkeiten und dem Willen des Anbieters zur Leistungserstellung auch die Fähigkeiten und der Wille des Kunden zur Partizipation am Erstellungsprozess berücksichtigt werden müssen.222 Letzteres ist insbesondere dann von Bedeutung,
215
216
217
218
219
220
221
222
Corsten 1997, S. 34; Bruhn 2000, S. 23; Meffert/Bruhn 2000, S. 27ff.
Meffert/Bruhn 2000, S. 30; Corsten 1997, S. 21ff.; Hilke 1989, S. 10ff.
Kleinaltenkamp 1997, S. 351; vgl. a. Bühler 1999, S. 79.
Meffert/Bruhn 2000, S. 50.
Meffert/Bruhn 2000, S. 54f; Corsten 1997, S. 21ff.
Ein Prozess beschreibt die spezifische Abfolge einzelner Aktivitäten. Prozesse stellen letztlich die Struktur dar,
durch die ein Unternehmen für seine Kunden Nutzen stiftet: „A process should be designed to produce outputs that
satisfy the requirement of the customer“ (Davenport 1993, S. 1f.).
Stauss 1994, S. 21; Toffler 1980, S. 284.
Pepels 1996, S. 16.
48
wenn der Kunde im Rahmen einer zunehmenden Externalisierung223 von Dienstleistungsprozessen mehr (Teil-)Leistungen selbst übernehmen soll.224 Hierbei stellt die Vermittlung
der Prozessevidenz eine zentrale Aufgabe des Anbieters dar:225 Er muss dem Kunden den
Prozessablauf der Leistungserstellung verständlich machen und ihm beibringen, sich im
Sinne der beidseitigen Zielerreichung in den Prozess der Leistungserstellung zu integrieren.226 Konkret muss der Anbieter hierfür gewährleisten, dass die vom Kunden benötigten
Informationen verständlich sind.227
Die Ergebnis- bzw. Wirkungsdimension beschreibt schließlich das Ergebnis des Erstellungsprozesses und die Wirkung, die am externen Faktor erzielt wird. Ziel der Dienstleistungserstellung ist die Stiftung eines Nutzens beim externen Faktor.228 Grundsätzlich kann
dieser Nutzen durch die Schaffung, Erhaltung bzw. Wiederherstellung, oder die Vernichtung von Merkmalen und deren Ausprägungen bei Gütern oder Personen hergestellt werden.229
Des Weiteren soll noch auf zwei wichtige Aspekte eingegangen werden, und zwar auf die
Unterscheidung von Primär- und Sekundärleistungen230 und auf die Abgrenzung des Begriffs der Dienstleistung zum Begriff Information. Primärdienstleistungen bilden den Kern
einer Austauschbeziehung, während Sekundärdienstleistungen eine Sachleistung oder eine
Primärdienstleistung ergänzen.231
223
224
225
226
227
228
229
230
231
Von einer Externalisierung der Dienstleistungserstellung spricht man dann, wenn der Anteil der Aktivitäten des
Nachfragers im Verhältnis zur Gesamtheit der zu erbringenden Aktivitäten steigt (Meffert/Bruhn 2000, S. 292; vgl.
a. Finsterwalder 2002, S. 146ff. und die dort genannten Quellen).
Michel 1996.
Fließ 2001, S. 68ff; Fließ 1996, S. 92ff.
Kleinaltenkamp 2000a, S. 348; Isoniemi/Snellman 2000, S. 6.
Fließ/Völker-Albert 2002, S. 270f.
Meffert/Bruhn 2000, S. 27; Corsten 1990, S. 20.
Corsten 1997, S. 23; Meyer 1986, S. 46f.
Synonym ist auch von Kern- und Zusatzleistungen bzw. von Stand-Alone- und Value-Added-Services die Rede
(Bruhn 2002, S. 15; Wirtz/Olderog 2002, S. 516ff; Meffert/Bruhn 2000, S. 289ff.).
Corsten 1997, S. 34. Sekundärleistungen lassen sich hinsichtlich ihrer funktionalen „Nähe“ zum Kernprodukt bzw.
zur primären Dienstleistung in obligatorische und fakultative ergänzende Dienstleistungen unterscheiden (Lovelock
2001, S. 232f.; Meffert/Bruhn 2000, S. 289; Lovelock et al. 1999, S. 126, 137ff, 299ff; Parasuraman et al. 1991, S.
42).
49
Unter dem Begriff „Information“ versteht man Daten, die zweckorientiert aufbereitet und in
einen bestimmten Handlungskontext gesetzt wurden, so dass sie eine spezifische Bedeutung
erlangen. Daten werden als erlebbare, wahrnehmbare Phänomene (Klänge, Zeichen, Bilder,
Formen, etc.) definiert, die isolierte Bedeutungen ohne unmittelbare Zweckorientierung darstellen.232 Dienstleistungen werden von Informationen meist aufgrund ihres Verrichtungscharakters unterschieden, den Informationen im Gegensatz zu Dienstleistungen nicht aufweisen.233 Davon zu unterscheiden ist jedoch die Bearbeitung von Informationen. Die Bearbeitung (Sammlung, Auswahl, Veränderung und Darstellung) von Informationen zum
Zweck ihrer Abgabe stellt einen (Verrichtungs-)Prozess dar und ist somit auch als Dienstleistung aufzufassen.234
2.1.6.2. E-Services: Begriff und Charakteristika
Ein Blick in die Literatur zeigt, dass recht heterogene Auffassungen und Facetten des Begriffs E-Service vorzufinden sind. Mittels der folgenden Definitionsansätze werden die zentralen Charakteristika dieses Begriffs dargestellt.
E-Services sind aus dem Englischen als elektronische Dienstleistungen zu übersetzen. Grönroos et al. streichen deren Bereitstellung über das Internet heraus.235 Hierzu müssen sie „[..]
in Form von Binärdaten dargestellt, übertragen und verarbeitet werden können.“236. Ebenfalls auf die Bereitstellung über das Internet zielen ähnliche Begriffe wie „Cyberservice“237
und „Internet-Related Service“238.
232
233
234
235
236
237
Picot et al. 2003, S. 91. Informationen werden in der Literatur bislang nicht einheitlich definiert. Hohe Übereinstimmung herrscht hingegen hinsichtlich der hierarchischen Beziehung zwischen Daten, Informationen und Wissen.
Auf der untersten Ebene stehen Daten, die isolierte Bedeutungen ohne Zweckbezug repräsentieren. Informationen
hingegen sind Daten, die zweckorientiert aufbereitet und in einen spezifischen Kontext gesetzt wurden. Damit erlangen sie eine spezifische Bedeutung. Wissen stützt sich als Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten von Individuen zur Problemlösung auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Vgl. Doutreval 2002, S. 17ff. und die dort angegebenen Quellen.
Scheuch 1982, S. 16.
Meffert/Bruhn 2000, S. 27; Corsten 1985, S. 171; Scheuch 1982, S. 64.
Grönroos et al. 1999, S. 4.
Stelzer 2000, S. 836; vgl. hierzu auch Stahlknecht/Hasenkamp 2002, S. 18, 95.
Pitt et al. 1999, S. 11ff.
50
Dahingegen beschränken sich Begriffe wie „Virtual Service“239 oder „Self-Service Technologies (SST)“240 nicht auf die Bereitstellung über das Internet, sondern umfassen alle Arten
von technologiegestützten Services, bei deren Nutzung der Kunde keinen Kontakt mit Mitarbeitern des Unternehmens hat, sondern mit technologischen Leistungspotenzialen, die er
selbst bedienen muss. Dies umfasst somit auch Services, die über andere Medien als das Internet genutzt werden, wie beispielsweise das Telefon (Interactive Voice Response (IVR),
automatisiertes Telefonmenü) und Interactive Kiosks (z.B. Bank-Automaten).241 E-Services
können hingegen auch von Menschen erbracht werden. Dies ist beispielsweise bei der Beantwortung einer E-Mail der Fall. Somit können sie in Abhängigkeit der Beteiligung von
Menschen am Prozess der Leistungserstellung in automatisierte und nicht automatisierte EServices dichotomisiert werden. Die folgende Abbildung 9 verdeutlicht den Zusammenhang
zwischen E-Service und Self-Service.
E-Service
Prozess der Leistungserstellung
nicht automatisiert
automatisiert
mit menschlicher
Teilnahme erbrachte E-Services
E-Self-Service
Self-Service
internetbasiert
nicht internetbasiert
Kanal
Self-Service
Abbildung 9:
238
239
240
241
E-Service und Self-Service (Quelle: Eigene Darstellung)
Angehrn 1997, S. 361ff.
Isoniemi/Snellman 2000, S. 2.
Meuter et al. 2000, S. 50ff.
Meuter et al. 2000, S. 52.
51
Manche Autoren verstehen bereits eine Web-Site selbst als E-Service. E-Service wird in
diesem Verständnis definiert als „[..] a website to be a service that provides a user with information and communication.”242 Dieser Auffassung soll hier nicht gefolgt werden, da eine
Web-Site diverse E-Services (Produktkonfigurator, Beschwerdemöglichkeit etc.) enthält
und somit übergeordnet ist. Die Bereitstellung von E-Services erfolgt in der Regel auf der
Web-Site eines Unternehmens. Sie können jedoch auch an anderen „Orten“ im Internet platziert werden, z.B. auf Web-Sites von anderen Unternehmen. Aus technischer Sicht stellen
E-Services oft selbständige Software-Produkte dar, die in der Regel als Modul (bzw. „PlugIn“) in die Web-Site integriert werden.243 In Bezug auf den Interaktionsgegenstand von EServices herrscht keine Einigkeit: Hierunter werden je nach Auffassung sowohl Informationen, digitale Produkte als auch Sachgüter subsumiert.244 Breithaupt unterscheidet zwischen
digitalen Produkten245 (z.B. Software, die zum Download angeboten wird), Dienstleistungen
im Internet und Informationsgütern.246
Bei genauerer Betrachtung ist festzustellen, dass Informationen in vielen Fällen als Interaktionsgegenstand von E-Services fungieren.247 Hierbei lassen sich E-Services i.e.S. von EServices i.w.S. unterscheiden (vgl. Abbildung 10). E-Services i.e.S. zeichnen sich durch (eine gewisse) Interaktivität aus, z.B. bei einer Echtzeit-Beratung (Chat).248 Dabei ist der Nutzer funktional interaktiv in den Prozess der Dienstleistungserstellung eingebunden, bringt
steuernde Informationen mit ein und kann das Ergebnis in einem bestimmten Ausmaß indi-
242
243
244
245
246
247
248
Alpar 1999, S. 273.
Stolpmann 2001, S. 72, 300. Eigenständige E-Service-Module bei BMW sind beispielsweise der FahrzeugKonfigurator, eine Angebotsanfrage beim BMW-Händler, eine Probefahrtanfrage etc. Kleebinder/Reitz 2002, S.
366ff. bzw. http://www.bmw.de/de/interaktiv/index.html.
Kannan unterscheidet hierbei unterschiedliche Ströme (Flows) als Interaktionsgegenstände: Informationsbasierte
Flows, Anrechte, Verhandlungen, Werbeaktivitäten und Produkt- bzw. Dienstleistungsströme. Kannan 2001, zitiert
nach Rust/Kannan 2002, S. 4.
Whinston et al. 1997, S. 77. Digitale Güterströme sind dann möglich, wenn die Leistungen von Anbietern digitalisierbar sind. Hierunter fällt eine Vielzahl von Produkten bzw. Dienstleistungen, z.B. Software (inkl. Computerspiele), Musik, Bilder, Auskünfte (z.B. Reiseauskünfte), Informationsdienste und Datenbankrecherchen sowie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher.
Breithaupt 2002, S. 180ff.
Bruhn 2002, S. 6ff.
Fließ/Völker-Albert 2002, S. 270. Vgl. hierzu auch Whinston et al. 1997, S. 76f., die den Begriff „interaktive Produkte“ verwenden.
52
viduell gestalten.249 Je höher das Niveau der Interaktivität ausfällt, desto intensiver und individueller kann die Interaktion geführt werden.250
Unter E-Services i.w.S. sind darüber hinaus alle über das Internet bereitgestellten digitalen
Produkte und Informationen zu verstehen.251 Hier ist der Grad der Interaktivität i.d.R. gering, da lediglich der Prozess der Leistungserstellung durch den Nutzer angestoßen wird.252
Dies ist beispielsweise bei einer Datenbankabfrage oder einem Download von (digitalisierten) Produkten der Fall.
Dienstleistung
Intangibles Gut
Restaurantbesuch
Marke
Digitales Produkt
Download von Software
Dienstleistung im
Internet (E-Service
i.e.S.) Online-Beratung
Informationsbereitstellung
Informationsgut
CD
E-Service i.w.S.
Abbildung 10: Einordnung von E-Services in das Gütersystem (Quelle: In Anlehnung an Breithaupt 2002,
S. 185 und Luxem 2000, S. 20)
249
250
251
252
Breithaupt 2002, S. 184.
Vgl. zu weiteren Details Gömann 1996, S. 6; Fink et al. 1995, S. 470; Backhaus/Glomb 1994, S. 7f. Vgl. zu unterschiedlichen Niveaus der Interaktivität im Rahmen der Mensch-Maschine-Interaktion (Human-ComputerInteraction) beispielsweise Helander et al. 1997; Preece et al. 1994.
Die Ausführungen im vorangehenden Kapitel haben gezeigt, dass auch die Bereitstellung von Informationen als
Dienstleistung zu verstehen ist. Dies trifft somit auch auf die Bereitstellung von digitalen Produkten zu. Vgl. Kap.
2.1.6.1.
Fließ/Völker-Albert 2002, S. 270; Isoniemi/Snellman 2000, S. 7.
53
Zur Nutzung der auf einer Web-Site angebotenen E-Services muss sich der Nutzer als externer Faktor in den Prozess der Leistungserstellung einbringen, indem er die Web-Site und
die gewünschten Services aufruft und mittels Eingabe bzw. Auswahl Informationen in den
Prozess miteinbringt.
Unter Bezug auf die vorangegangenen Bemerkungen und in Anlehnung an die Definition
von Breithaupt253 liegt dieser Arbeit die folgende Definition von E-Services zugrunde:254
Unter E-Services werden digitalisierbare Leistungspotenziale verstanden, die über das Internet – und dabei meist auf der Web-Site des sie anbietenden Unternehmens – verfügbar
gemacht werden und i.d.R. in ein umfassendes Service-Angebot auf der Web-Site eingebettet sind (Potenzialdimension). Der Kunde nutzt E-Services in teilweise oder vollkommen
selbst zu durchlaufenden Prozessen, wobei er diesen Prozess zumindest selbst anstoßen
muss und ggfs. Informationen in den Prozess mit einbringt (Prozessdimension), um eine
nutzenstiftende Wirkung zu erlangen (Ergebnisdimension).
Im Folgenden werden E-Services noch in Bezug auf die Bedeutung der Nutzenstiftung für
den Kunden, der Art der Zielgruppe (Markt- und Interaktionsbereich) und dem Grad der Beteiligung menschlicher Mitarbeiter des Anbieters unterschieden.
In Bezug auf die Bedeutung der Nutzenstiftung für den Kunden lassen sich in Analogie zum
Dienstleistungsmanagement primäre von sekundären E-Services unterscheiden. Erstere
zeichnen sich dadurch aus, dass sie „[..] selbständige, marktfähige Leistungen [..]“255 darstellen. In der Regel handelt es sich bei E-Services um elektronische Sekundärdienstleistungen, da sie in Bezug auf ein primäres Produkt oder eine primäre Dienstleistung diverse Informationen (z.B. zu den Produkteigenschaften, zu Einsatzmöglichkeiten, Kaufmodalitäten,
253
254
255
Breithaupt 2002, S. 185.
Von E-Services abzugrenzen ist der Begriff „Web-Service“. Er ist technisch geprägt und umfasst Standards und
Werkzeuge, die eine vereinfachte Integration verschiedener Informationssysteme und Dienste innerhalb des Unternehmens mit denjenigen von Geschäftspartnern ermöglichen, und das Ziel einer (möglichst) automatisierten Zusammenarbeit (collaboration) mit damit einhergehenden Kostensenkungen verfolgen, z.B. verringerte Logistikosten
durch automatisierte Warenflüsse oder verringerte Transaktionskosten durch elektronischen Datenaustausch (Electronic Data Interchange, EDI) (Alt et al. 2003, S. 63; UDDI.org 2002, S. 2; Stahlknecht 2002, S. 385; Grand Central
2001, S. 7).
Bruhn 2002, S. 6.
54
zum Gebrauch oder zur Behebung von Störungen) bzw. Dienstleistungen (z.B. Produktkonfigurator, Online-Shop, Online-Fehlerdiagnose, Beschwerdemöglichkeit) bieten.256
Man kann E-Services des Weiteren noch nach der Art der Zielgruppe bzw. dem Markt- und
Interaktionsbereich differenzieren. Hier werden insbesondere Endkonsumenten (Businessto-Consumer, B-to-C), gewerbliche Kunden (Business-to-Business, B-to-B) und öffentliche
Institutionen (Business-to-Administration) unterschieden.257 Es ist festzustellen, dass im Bto-B-Markt i.d.R. ein deutlich weiteres Spektrum an möglichen Sekundärdienstleistungen
zur Verfügung steht als im B-to-C-Markt, z.B. hinsichtlich der Finanzierung, Schulung und
im Bereich des technischen Kundendiensts (z.B. Informationen zur Inspektion, Wartung,
Reparatur von Maschinen, zur Ersatzteilverfügbarkeit etc.).258
Nach dem Grad der Beteiligung menschlicher Mitarbeiter des Anbieters am Prozess der
Leistungserstellung kann man auf einem Kontinuum zwischen vollautomatisierten EServices (keine menschliche Beteiligung beim Erstellungsprozess) und vollständig persönlich erbrachten E-Services, die sich lediglich des Kontaktkanals Internet bedienen, unterscheiden. In dem letztgenannten Fall schickt der Nutzer Daten per Internet (z.B. per E-Mail)
an den Anbieter, der sie bearbeitet und dann wieder auf demselben Weg zurückschickt, z.B.
im Rahmen der Beantwortung einer Anfrage durch den Kunden, oder bei (Real-Time) Chats
zwischen Kunden und Mitarbeitern eines Unternehmens.259
Eine Standardisierung von (Teil-)Prozessen ist als Voraussetzung für die Automatisierung
von Services zu erachten. Eine Standardisierung geht jedoch auch mit eingeschränkten
Möglichkeiten einher, flexibel auf kundenindividuelle Wünsche einzugehen.260 Mit zunehmendem Automatisierungsgrad sinken die variablen Kosten der Erbringung eines EServices aufgrund der abnehmenden Notwendigkeit menschlicher Intervention. Variable
Kosten fallen dann ins Gewicht, wenn Mitarbeiter in den Prozess der Leistungserstellung
eingreifen, z.B. bei einem Online-Chat oder zur Beantwortung von Kundenanfragen per E256
257
258
259
260
Fassott 2000, S. 281f.
Vgl. hierzu die analog anwendbare Auflistung von Markt- und Transaktionsbereichen des E-Commerce bei Hermanns/Sauter 1999, S. 23; vgl. a. Bruhn 2002, S. 9.
Bliemel/Fassott 2002, S. 148; Körner 2002; Belz et al. 1997, S. 41.
Vgl. Bruhn 2002, S. 13; Theobald 1999, S. 314ff.
Jacob 1995 und Gersch 1995, zitiert nach Fließ/Völker-Albert 2002, S. 281.
55
Mail.261 Bei der Leistungserbringung im Internet entstehen in erster Linie fixe Kosten durch
die Anschaffung und Implementierung von E-Services.262
2.2. Implementierung
2.2.1. Charakteristika der Implementierung
In der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie blieben Fragen der Implementierung lange
Zeit unberücksichtigt. Es wurde überwiegend vorausgesetzt, dass eine geeignete Organisation vorhanden ist, mittels der sich Pläne verwirklichen lassen.263 Pläne wurden unter der Prämisse der „vollkommenen Durchsetzbarkeit“ aufgestellt und erlaubten es somit, Implementierungsprobleme auszuklammern.264
Ein Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass die Prämisse der „vollkommenen“ Durchsetzbarkeit oftmals realitätsfern ist. Die Durchsetzung konzeptioneller Vorgaben ist in der Regel
mit zahlreichen Konflikten und Widerständen verbunden, die insbesondere durch unterschiedliche Interessen individueller Mitarbeiter ausgelöst werden.265 Damit Pläne möglichst
effektiv und effizient verwirklicht werden können, ist es somit oft erforderlich, potenzielle
Widerstände zu antizipieren und in der Planung zu berücksichtigen, damit diese mittels geeigneter Maßnahmen beseitigt werden können.266
Kaplan/Norton berichten von verschiedenen Studien, in denen ermittelt wurde, dass die Fähigkeit zur Umsetzung einer Strategie als wichtiger eingeschätzt wird, als die Qualität der
Strategie selbst. So wurde beispielsweise in einer Umfrage von Managementberatern in den
frühen 80er-Jahren festgestellt, dass weniger als 10 Prozent der formulierten Strategien auch
tatsächlich erfolgreich implementiert wurden.267 In der betriebswirtschaftlichen Literatur be261
262
263
264
265
266
267
Wirtz/Olderog 2002, S. 517.
Wirtz/Olderog 2002, S. 517ff; Wirtz 2000, S. 177; Shapiro/Varian 1999, S. 118.
Szyperski 1969, S. 52.
Wollnik 1992, Sp. 1388; Szyperski 1969, S. 51ff.
Wollnik 1992, Sp. 1389.
Hilker 1993, S. 7.
Kaplan/Norton 2001, S. 3.
56
fasst sich die Implementierungsthematik
tierungsgegenstand der Strategie.268
am
häufigsten
mit
dem
Implemen-
Auch in der Marketing-Wissenschaft sind Implementierungsprobleme trotz einiger früher
Werke bis Mitte der achtziger Jahre weitgehend unberücksichtigt geblieben. Bereits Anfang
der 60er Jahre wurden Probleme bei der Implementierung von Marketing-Konzepten diskutiert. Levitt kritisierte 1960, dass Marketing oftmals falsch verstanden wird und in der Praxis Umsetzungsprobleme aufwirft.269 Insbesondere die Publikationen von Bonoma Mitte der
80-er Jahre haben die Forschungsrichtung wieder neu belebt.
Bonoma unterscheidet hierbei die Implementierungsebenen der Marketing-Aktionen, Marketing-Programme und Marketing-Richtlinien.270 Marketing-Aktionen entsprechen im Wesentlichen der operativen Ebene der Marketing-Mix-Instrumente. Marketing-Programme
sind in der Regel weitreichender und daher abteilungsübergreifend angelegt, wie z.B. das
Key-Account-Management. Noch weitreichender sind Marketing-Richtlinien. Darunter subsumiert Bonoma einerseits das kulturelle Verständnis über die Funktion des Marketing im
Unternehmen und über die Wichtigkeit der Interaktion mit Kunden („Policies of Identity“).
Andererseits versteht er hierunter die Steuerung der zentralen Stossrichtung des Marketing
mittels marketingstrategischer Gesichtspunkte („Direction Policies“).271 Dies entspricht somit der Sichtweise des Marketing als „Maxime“ und somit als Leitprinzip einer marktorientierten Unternehmensführung.272
268
269
270
271
272
Vgl. für einen Überblick über Veröffentlichungen zur Strategieimplementierung von der Oelsnitz 1999, S. 55ff.;
Feucht 1996, S. 42ff.; Hilker 1993, S. 62f.
Levitt 1960.
Vgl. Bonoma 1985, S. 22ff.; vgl. a. Bonoma/Crittenden 1988, S. 7f. Die von Bonoma unter Marketingsysteme subsumierten internen und externen Informations- und Kontrollsysteme werden hier nicht berücksichtigt, da sie als
Grundlage für alle drei Ebenen zu betrachten sind. Vgl. zu Details Bonoma 1985, S. 75ff.
Bonoma 1985, S. 22ff.
Vgl. Meffert 2000a, S. 4; Nieschlag et al. 2002, S. 7.
57
MarketingAktionen
wenige
Marketingabteilung
MarketingProgramme
Anzahl beteiligter Funktionsträger
Reichweite
MarketingRichtlinien
viele
Gesamtunternehmen
Abbildung 11: Reichweite der Implementierung von Marketing-Aktionen, -Programmen und -Richtlinien
(Quelle: In Anlehnung an Belz/Senn 1997, S. 45 und Bonoma 1985, S. 22ff.)
Wie bereits in Kap. 1.2. dargelegt wurde, umfasst eine Implementierung alle Maßnahmen,
die sicherstellen sollen, dass ein Konzept bzw. eine Strategie entsprechend der zugrunde gelegten Ziele umgesetzt wird, und die somit ein Scheitern des Konzepts verhindern können.273 Die Implementierung des Kanals Internet wurde definiert als ein durch bewusstes
Handeln initiierter Prozess, innerhalb dessen geeignete Maßnahmen zu ergreifen sind, damit
das Konzept des Kanals Internet so verwirklicht wird, dass die damit verfolgten Ziele erreicht werden.
Dies entspricht somit einer eher operativen Einordnung der Thematik auf der Ebene von
Marketing-Aktionen. Zusätzlich tangiert sie auch die strategisch-operative Programmebene,
wenn dadurch auch die Bereiche des (integrierten) Kommunikationsmanagements, des
(Multi-)Channelmanagements und des Customer Relationship Managements betroffen
sind.274
Der gesamte Prozess der Implementierung besteht aus einzelnen kontinuierlichen Implementierungsschritten, die wiederum diverse Implementierungsmaßnahmen enthalten.275 Die
Kontinuität ist deswegen erforderlich, weil einerseits eine permanente Anpassung des Konzepts an Umfeldbedingungen erfolgt276, und andererseits zusätzlich Implementierungslü-
273
274
275
276
Backhaus 1995, S. 544; Marr/Kötting 1992, Sp. 827; Kotler 1991, S. 704.
Vgl. Kap. 2.1.2., 2.1.3. und 2.1.4.
Kirsch et al. 1979, S. 19.
Backhaus 1995, S. 558.
58
cken und –widerstände auftauchen, mit deren Schließung bzw. Beseitigung sich das Implementierungsmanagement befasst.277
Bei der Implementierung lassen sich zwei Problemebenen voneinander unterscheiden. Dies
sind zum einen der Gegenstand der Implementierung und zum anderen die Vorgehensweise
der Implementierung.278 Gegenstand der Implementierung ist eine konzeptionelle Idee, deren Umsetzung durch die Implementierung angestrebt wird. Die Vorgehensweise der Implementierung adressiert die Thematik, wie ein Konzept bzw. eine Strategie im Unternehmen
umgesetzt wird.279 Sie umfasst somit alle Maßnahmen zur Sicherung der Umsetzung eines
Konzepts, um letztlich zugrundegelegte Ziele des Konzepts zu erreichen.280 Geeignete
Maßnahmen umfassen sowohl sachorientierte Spezifizierungs-vorgänge („Umsetzung“) als
auch Maßnahmen der verhaltensorientierten Akzeptanz-förderung („Durchsetzung“).281 Gegenstand und Vorgehensweise der Implementierung sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig.282 Ein unzureichender Erfolg eines Konzepts kann sowohl auf
Mängel bei der Implementierung als auch auf Mängel des Konzepts selbst zurückzuführen
sein (vgl. Abbildung 12).283
277
278
279
280
281
282
283
Man unterscheidet in Bezug auf den Zeithorizont der Implementierung zwischen einer Erstimplementierung bzw.
projektbezogenen Implementierung sowie einer kontinuierlichen Implementierung (Belz/Senn 1997, S. 45).
Backhaus 1997, S. 730.
Bonoma et al. 1988, S.7.
Backhaus 1995, S. 544; Hilker 1993, S. 11.
Kolks 1990, S. 79; vgl. a. Meffert 1998, S. 1014f.
Hilker 1993, S. 11f. Empirische Untersuchungen belegen, dass auch in der Praxis die Entwicklung von Konzeptionen und deren Implementierung kaum voneinander zu trennen sind (Kolks 1990, S. 91).
Hilker 2001, S. 830. Bliemel/Fassott unterscheiden hinsichtlich Sekundärdienstleistungen ebenfalls die Konzeptions- von der Umsetzungsebene (Bliemel/Fassott 2002, S. 151f.).
59
Konzept/
Strategie
IV
III
geeignet
Misserfolg
Erfolg
ungeeignet
Misserfolg
„Roulette“
I
II
ungeeignet
geeignet
Implementierung
Abbildung 12: Konzept und Implementierung: Problemdiagnose (Quelle: In Anlehnung an Bonoma
1988, S. 12; Meffert 1994, S. 362.)
⎯
Feld I: Dieser Fall ist am schwierigsten zu diagnostizieren, da ein ungeeignetes Konzept durch ungeeignete Implementierungsmaßnahmen verdeckt wird.
⎯
Feld II: Hier kann sich sowohl Misserfolg als auch Erfolg einstellen. Misserfolg ist
dann zu verzeichnen, wenn der Effekt des ungeeigneten Konzepts überwiegt und geeignete Implementierungsmaßnahmen den Misserfolg beschleunigen. Erfolg tritt dann
ein, wenn der Effekt geeigneter Implementierungsmaßnahmen überwiegt und die Ungeeignetheit des Konzepts mildern kann.
⎯
Feld III: Ungeeignete Implementierungsmaßnahmen behindern ein geeignetes Konzept. So wird ein geeignetes Konzept möglicherweise verworfen, weil falsche oder unzureichende Implementierungsschritte und -maßnahmen ergriffen wurden.
60
⎯
Feld IV: Erfolg stellt sich dann ein, wenn eine geeignete Strategie mit geeigneten Implementierungsmaßnahmen einhergeht.284
2.2.2. Grundlegende Implementierungsansätze
Bislang existiert noch keine allgemein akzeptierte Theorie der Implementierung. Somit ist
ein Rückgriff auf gesicherte Erkenntnisse nur eingeschränkt möglich.285 Daher wird insbesondere auf Erkenntnisse der Forschungsfelder der Strategieimplementierung und der Marketingimplementierung zurückgegriffen.
Zur grundlegenden Systematisierung von Implementierungsansätzen soll die Systematisierung von Hilker herangezogen werden, der zwischen statischen und prozessbezogenen Ansätzen sowie Partial- und Totalansätzen der Implementierung unterscheidet.286
Im Rahmen der statischen Implementierungsforschung liegt das Hauptaugenmerk der Forschung auf der Beschreibung von Objektbereichen bzw. Zieldimensionen, auf die das Implementierungshandeln ausgerichtet sein kann.287 Sie werden im Folgenden als Implementierungsdimensionen bezeichnet. Eine Implementierungsdimension wird dann zu einem relevanten Objektbereich der Implementierung, wenn diese den Verlauf bzw. das Ergebnis einer
Implementierung maßgeblich beeinflusst.288
In der Literatur zur statischen Implementierungsforschung werden strukturelle von verhaltensbezogenen Aspekten der Implementierung unterschieden, zwischen denen oftmals
Wechselwirkungen bestehen.289 Diese Dichotomisierung entspricht der Unterscheidung von
284
285
286
287
288
289
Bonoma 1985, S. 12ff.
Dies ist jedoch weniger als Problem eines fehlenden Kenntnisstandes hinsichtlich Einzelaspekten der Implementierung zu betrachten, als vielmehr in der fehlenden systematischen und integrierenden Aufarbeitung der implementierungsrelevanten Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten aus dem Managementbereich und den Organisationswissenschaften (Hilker 2001, S. 829).
Hilker 1993, S. 52ff., 220ff.
Hilker 1993, S. 220f.
Vgl. zur Verwendung des Begriffs der „Implementierungsdimension“ Hilker 1993, S. 60.
Hilker 1993, S. 55; Bleicher 1991, S. 11; Bonoma/Crittenden 1988; Bonoma 1985.
61
Umsetzungsaufgaben bzw. sachorientierten Spezifizierungsvorgängen und Durchsetzungsaufgaben, die der verhaltensorientierten Akzeptanzförderung dienen.290 Sowohl die existierenden Strukturen als auch das Verhalten von Individuen können auf die zu implementierenden Konzepte bzw. Maßnahmen fördernd oder hemmend wirken.291 In der Literatur überwiegen bislang strukturelle Aspekte, durch die eine (Marketing-) Strategie ausgeführt
wird. Diese werden in Kapitel 2.2.2.2. abgehandelt. Verhaltensbezogene Aspekte werden im
Marketing erst in jüngerer Zeit vermehrt thematisiert. Bonoma bemerkt hierzu: „There is, as
well, a noticeable absence of the recognition that marketing departments are social organizations staffed with people, and that implementation may have much to do with interactive
phenomena.”292 Details zu verhaltensbezogenen Ansätzen sind in Kapitel 2.2.2.1. ersichtlich.
Prozessbezogene Ansätze widmen sich der Untersuchung des zeitlichen Ablaufs der Implementierung. Sie haben zum Ziel zu ermitteln, welche Implementierungsdimensionen, instrumente und –methoden in welcher zeitlichen Abfolge zur Marketingimplementierung
eingesetzt werden sollen.293 Details zu prozessbezogenen Ansätzen werden in Kap. 2.2.2.3.
dargelegt.
Unter Partialansätzen der Implementierung versteht man diejenigen Ansätze, welche sich
der Untersuchung von Einzelaspekten der Implementierung widmen. Hierzu sind auch solche Beiträge zu zählen, welche zwar die Implementierung als Ganzes betrachten, jedoch einen eindeutigen Schwerpunkt auf eine Betrachtungsebene legen.294 Wie eben dargestellt,
werden Partialansätze in eine struktur- und verhaltensorientierte Dimension differenziert.
Als Totalansätze der Implementierung werden diejenigen Ansätze bezeichnet, die gleichgewichtig mehrere Betrachtungsebenen sowohl der struktur- als auch der verhaltensorientierten Dimension annähernd gleichgewichtig analysieren.295
290
291
292
293
294
295
Vgl. Kap. 2.2.1.
Bonoma/Crittenden 1988, S. 7f.
Bonoma 1984, S. 503.
Hilker 1993, S. 220.
Hilker 1993, S. 57.
Hilker 1993, S. 57. Vgl. zu einem Überblick über Totalansätze die Ausführungen bei Hilker 1993, S. 157.
62
2.2.2.1. Verhaltensbezogene Dimension der Implementierung
Die hohe Heterogenität verhaltensorientierter Ansätze macht es erforderlich, organisatorisches Verhalten differenziert zu analysieren. Mittels der Mehr-Ebenen-Analyse, die der soziologischen Forschung entlehnt ist werden idealtypisch verschiedene Ebenen sozialer Einheiten gebildet, die sich jeweils durch spezifische Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten
voneinander unterscheiden.296 Staehle unterscheidet die folgenden vier Analyseebenen organisatorischen Verhaltens (vgl. Abbildung 13):297
1. Ebene:
Ebene: Unternehmens-Umwelt-Beziehung
Unternehmens-Umwelt-Beziehung
1.
(Strategieebene)
(Strategieebene)
2. Ebene:
Ebene: Gesamt-Unternehmensverhalten
Gesamt-Unternehmensverhalten
2.
(Unternehmenskultur)
(Unternehmenskultur)
3. Ebene:
Ebene: InterInter- und
und IntraIntra- Gruppenverhalten
Gruppenverhalten
3.
(Funktionsbereiche)
(Funktionsbereiche)
4. Ebene:
Ebene: Individualverhalten
Individualverhalten
4.
(Mitarbeiter)
(Mitarbeiter)
Abbildung 13: Analyseebenen organisatorischen Verhaltens (Quelle: In Anlehnung an Staehle 1999, S. 161)
Diese Ebenen stehen in wechselseitigen Wirkungsbeziehungen zueinander. Somit ist zu berücksichtigen, dass Aspekte einer Ebene i.d.R. auch Aspekte anderer Betrachtungsebenen
tangieren.298 Sowohl die Strategieebene als auch die Ebene der Unternehmenskultur stellen
für alle Mitarbeiter einen handlungsleitenden Rahmen dar und sind somit als Basis des
Gruppen- und Individualverhaltens zu betrachten. Umgekehrt wird jedoch auch die Unter-
296
297
298
Staehle 1999, S. 151; Steinle 1985, S. 461ff.
Staehle 1999, S. 161; vgl. auch die dort angegebenen Quellen; vgl. a. Hilker 1993, S. 56f.
Wie diese Ebenen zueinander in Wirkungsbeziehungen stehen, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Steinle
beschreibt acht verschiedene Modelle, die diese Wirkungsbeziehungen zu erklären versuchen (Steinle 1985, S.
512ff.).
63
nehmenskultur durch charismatische Führungspersönlichkeiten geprägt. Weiterhin ist zu unterstellen, dass der Einzelne das Gruppenverhalten beeinflussen kann, während auch Gruppenerfahrungen umgekehrt das Verhalten von Individuen mit prägen.299
In der Implementierungsliteratur werden auf den genannten vier Ebenen insbesondere die
folgenden Aspekte diskutiert.300
Unternehmens-Umwelt-Beziehung
Auf dieser Ebene wird insbesondere die Implementierung spezieller Unternehmensstrategien analysiert, die zumeist auf der Geschäftsbereichsebene (Business Level) angesiedelt
sind.301
Gesamtunternehmensebene
Auf der Gesamtunternehmensebene wird die Unternehmenskultur analysiert. Dies geschieht
insbesondere im Zusammenhang mit der Implementierung des Marketings als Leitprinzip
einer marktorientierten Unternehmensführung. Hierbei wird sowohl auf die Identifikationsfunktion, die zur Stärkung von Verantwortung und Gemeinschaftssinn im Unternehmen beiträgt, als auch insbesondere auf die Orientierungsfunktion zur Ausrichtung der Handlungen
der Mitarbeiter auf grundsätzlich festgelegte Verhaltensvorgaben wie der Kundenorientierung verwiesen.302
Gruppenebene
Auf der Gruppenebene werden in der Implementierungsforschung insbesondere die funktionsübergreifende Zusammenarbeit und der Wettbewerb unter Fachbereichen diskutiert. Insbesondere bei der Implementierung von Marketingprogrammen und des Marketing als Leitprinzip einer marktorientierten Unternehmensführung sind vielfältige Interaktionen zwischen Mitgliedern verschiedener Funktionsbereiche und damit eine funktionsübergreifende
299
300
301
Hilker 1993, S. 152.
Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 59.
Vgl. Hrebiniak/Joyce 1984. Vgl. a. von der Oelsnitz 1999, S. 57 und die dort aufgeführten Quellen.
64
Zusammenarbeit mit den dazugehörigen Schnittstellen erforderlich.303 Die überwiegende
Anzahl der Arbeiten beschäftigt sich insbesondere mit der Zusammenarbeit zwischen den
Funktionsbereichen Marketing und F&E bzw. der Produktion.304 Andere Arbeiten hingegen
widmen sich der Untersuchung der Zusammenarbeit von Marketing und Verkauf.305 Des
Weiteren wird die Thematik des Einflusses der Marketing-Abteilung unter besonderer Berücksichtigung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Fachbereichen diskutiert.306
Individualebene
Veröffentlichungen, die sich auf die Individualebene der Implementierung beziehen, fokussieren auf die folgenden drei Aspekte:307
⎯
Gründe und Erscheinungsformen des personalen Widerstands gegen Wandel
⎯
Taktiken und Methoden zur Überwindung des Widerstands und der Sicherstellung personaler Kooperation und Motivation
⎯
persönliche Charakteristika und Fähigkeiten von (Marketing-)Managern
Gründe und Erscheinungsformen des personalen Widerstands gegen Wandel werden im Detail im weiteren Verlauf dieses Kapitels diskutiert. Die Anwendung verschiedener Implementierungstaktiken zur Überwindung des Widerstands und der Sicherstellung personaler
Kooperation und Motivation lässt sich als Beeinflussungsaufgabe beschreiben.308 Nutt unterscheidet die typisierten taktischen Maßnahmen der Intervention, Überzeugung, Partizipation und Verordnung.309 Ein Vergleich verschiedener Implementierungstaktiken findet sich
bei Cespedes/Piercy (1996).310 Persönliche Charakteristika und Fähigkeiten des Marketingmanagers zur Bewältigung von Implementierungsaufgaben wurden im Marketing insbe302
303
304
305
306
307
308
309
310
Hilker 1993, S. 74.
Hilker 1993, S. 91ff.
Hilker 1993, S. 95 und die dabei angegebenen Quellen.
Klumpp 2000.
Whittington/Whipp 1992.
Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 59.
Vgl. Zalezinik/Moment 1964 S. 475ff.; zitiert nach Böhnisch 1979, S. 120.
Nutt 1986.
Cespedes/Piercy 1996, S. 146; vgl. a. die dort zitierten Quellen. Vgl. a. Bourgeois/Brodwin 1984; Kotter/Schlesinger 1979.
65
sondere von Bonoma in die Forschung eingebracht. Er führt an, dass Marketing-Manager
ihre Fähigkeiten im Rahmen bestehender Strukturen einsetzen, um Unzulänglichkeiten von
vorhandenen Strukturen, beispielsweise einem Wettbewerbsinformationssystem oder der
Organisationsstruktur, auszugleichen und somit die anstehenden Marketingaufgaben trotz
hemmender Umstände ausführen können.311 Damit Marketingmanager ihre Ziele trotz turbulenter Marktbedingungen erreichen, sind bestimmte Fähigkeiten und Verhaltensweisen
zur effektiven Implementierung erforderlich.312 Des Weiteren wird auch der Fit zwischen
den Fähigkeiten und Erfahrungen von Managern und der Strategie einer Geschäftseinheit
betrachtet. Die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen werden situativ anhand zweier
Strategievarianten differenziert.313
Wie aus den Ausführungen der letzten Abschnitte deutlich wurde, werden Implementierungsaspekte auf der Gesamtunternehmensebene und der Gruppenebene insbesondere bei
der Implementierung des Marketings als Leitprinzip einer marktorientierten Unternehmensführung sowie der Implementierung von Marketing-programmen tangiert. Die Implementierung des Kanals Internet hingegen bewegt sich insbesondere auf einer operativen Ebene und
tangiert zusätzlich auch Aspekte auf der Marketingprogrammebene. Die Experteninterviews
haben zutage gefördert, dass insbesondere Aspekte auf der Individualebene im Rahmen der
Implementierung des Kanals Internet von zentraler Bedeutung sind.314 Einerseits betrifft die
Individualebene den für die Implementierung verantwortlichen E-Business-Manager und die
Untersuchung der spezifischen Fähigkeiten, die im Rahmen der Implementierung von wichtiger Bedeutung sind. Andererseits sind damit die Widerstände anderer Organisationsmitglieder angesprochen.315
311
312
313
314
315
Bonoma/Crittenden 1988, S. 7f.; Bonoma 1985, S. 34ff.
Sashittal/Jassawalla 2001; Sashittal/Wilemon 1996.
Govindarajan 1988. Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei von der Oelsnitz 1999, S. 56f., der weitere Forschungsarbeiten zu diesem Themengebiet auflistet.
Vgl. hierzu insbesondere die Kapitel 3.3.2, 3.4.2. und 3.5.2.
Noble/Mokwa stellen fest, dass im Rahmen der Implementierungsforschung im Marketing bislang hauptsächlich
Untersuchungen auf der Ebene der Organisation und der Funktionseinheiten vorliegen, während die Individualebene
vernachlässigt wurde. Vgl. Noble/Mokwa 1999, S. 58.
66
Soziales Dürfen und Sollen
Normen und
Regelungen
Individuelles Wollen
Motivation
Werte
Verhalten
Situative Ermöglichung
Hemmende oder
begünstigende
äußere Umstände
Persönliches Können
Fähigkeiten
Fertigkeiten
Abbildung 14: Bedingungen des Verhaltens (Quelle: von Rosenstiel 2003, S. 55)
Abbildung 14 stellt die grundsätzlichen Einflussfaktoren menschlichen Verhaltens dar. Das
Verhalten des Individuums wird demnach durch situative äußere Faktoren, durch Normen
und Regelungen („soziales Dürfen und Sollen“), durch Fähigkeiten und Fertigkeiten („Können“), sowie durch die Motivation („Wollen“) bestimmt. Können, Wollen, Dürfen und
Rahmenbedingungen stehen dabei in vielfältiger Wechselwirkung. So wird man langfristig
nur das wollen, was man auch kann und sein Wollen dem anpassen, was man darf. Letztlich
wird man auch nur das Können verbessern, das man zu erlangen wünscht und Routine in
den Fertigkeiten entwickeln, die durch die Rahmenbedingungen auch zugelassen werden.316
Man versteht eine Handlungs- bzw. Verhaltensweise erst dann, wenn man die Situation rekonstruiert hat, in der der Handelnde Probleme und Kontext wahrgenommen hat. Unter dem
Begriff der Situation versteht man die „Gesamtheit der objektiv herrschenden und der von
den handelnden Individuen wahrgenommenen und erlebten Handlungsbedingungen [..]“317.
In unterschiedlichen Situationen und in Abhängigkeit der jeweiligen Person sind unterschiedliche Kriterien relevant, die den wahrgenommenen Gestaltungsspielraum von Akteu316
317
Vgl. zur Anwendung dieses Konzepts auf Veränderungsprozesse von Rosenstiel 1997, S. 202.
Staehle 1999, S. 196. Als „objektiv“ werden Situationen dann bezeichnet, wenn sie von mehreren Personen intersubjektiv unabhängig voneinander identisch beschrieben werden (Staehle 1999, S. 197).
67
ren beeinflussen.318 Situative Kriterien, die in bestimmten Situationen Relevanz erlangen
können, sind sowohl im Unternehmensumfeld (Volks- und Weltwirtschaft, verfügbare
Technologien, sozio-kulturelle Gegebenheiten, geographisch-klimatische Bedingungen, politisch-rechtliches System etc.), dem Markt (Wettbewerber, Lieferanten, Kunden, Absatzmittler etc.) sowie Charakteristika des Unternehmens zu suchen (Unternehmenskultur, struktur, -ressourcen etc.).319
Bei der Wahrnehmung von situativen Gegebenheiten sind somit diverse Einflussfaktoren zu
berücksichtigen, auch Verzerrungen der Wahrnehmung.320 Im Rahmen der Implementierungsforschung wird die Rolle der Deutung von Wahrnehmungen, die als Attribution bezeichnet wird, öfters herausgestrichen.321 Der Kern der Attributionstheorien besteht darin,
dass Menschen subjektive Vermutungen über die Ursachen eines wahrgenommenen Verhaltens bzw. dessen Folgen anstellen, um Kontrolle über Ereignisse auszuüben. Dies wird auch
als Kausalattribution bezeichnet.322 Die Ursachen können hierbei in der Person selbst oder
in ihrer Umwelt liegen. Rotter spricht im ersten Fall von interner Attribution, in letzterem
von externer Attribution. Im Rahmen des von ihm formulierten Locus of Control Konzepts
unterstellt Rotter den Menschen die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung ihrer Leistungsfähigkeit auf Basis früherer Erfahrungen. Er bezeichnet Menschen dann als intern kontrolliert,
wenn sie davon ausgehen, die Geschicke ihres Lebens weitgehend selbst bestimmen zu
können. Extern kontrollierte Menschen fühlen sich jedoch gegenüber Umweltbedingungen
relativ ohnmächtig und neigen dazu, Erfolg bzw. Misserfolge situativen Bedingungen zuzuschreiben.323
Hinsichtlich des persönlichen Könnens sind insbesondere die Begriffe Qualifikation, Fähigkeit, Fertigkeit und Kompetenz voneinander zu unterscheiden. Unter der Qualifikation versteht man die „Gesamtheit an individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen im
Berufsleben [..], die zur Erledigung arbeitsplatzspezifischer Tätigkeiten befähigt.“324 Bei
318
319
320
321
322
323
324
Gebert/von Rosenstiel 1996, S. 26f., 36f.
Nieschlag et al.2002, S. 70ff.
Vgl. zu einem Überblick zu den beiden Themengebieten Staehle 1999, S. 197ff.
Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen bei Sproull/Hofmeister 1986; Bonoma 1986, S. 187.
Weary et al. 1989, S. 3f.
Rotter 1966.
Staehle 1999, S. 179.
68
Qualifikationen werden funktionale und extrafunktionale Qualifikationen unterschieden. Als
funktionale Qualifikationen werden technisch-fachliche, prozessgebundene Qualifikationen
bezeichnet. Extrafunktionale Qualifikationen sind prozessungebunden und beziehen sich auf
normative Orientierungen. Sie betreffen beispielsweise die Verantwortungsbereitschaft, Arbeitsdisziplin, Anpassungsbereitschaft, Flexibilität, Fähigkeit zur Kooperation und die Motivation zum „Mitdenken“.325
Fähigkeiten „[..] beinhalten die Gesamtheit der psychischen Bedingungen, die zum Vollzug
einer Tätigkeit notwendig sind.“326 Der Begriff der Fertigkeit ist enger, er ist auf spezifische, eng umschriebene Aufgaben bezogen (z.B. Fremdsprachen sprechen). Unter „Kompetenz“ werden Dispositionen verstanden, die auf das Prinzip der selbstorganisierten und
selbstbestimmten Auseinandersetzung mit einem Gegenstandsbereich verweisen.327
Es herrscht keine Einheitlichkeit in Bezug auf die Einflussfaktoren des „Wollens“. Neben
möglichen Einflussfaktoren wie Instinkten/Trieben, Werten und Einstellungen, dem Anspruchsniveau bzw. den Erwartungen spielen insbesondere Bedürfnisse bzw. Motive und
die Motivation eine zentrale Rolle. Unter Bedürfnissen sind physiologische Ungleichgewichte wie Hunger oder Durst zu verstehen. Sie bezeichnen somit ein generelles Mangelgefühl, das einen Menschen in allgemeine Handlungsbereitschaft versetzt. Von Motiven
spricht man hingegen dann, wenn bereits eine inhaltliche Klassifikation von angestrebten
Zielzuständen erfolgt – man spricht hierbei auch von einem gerichteten Mangelempfinden –
sowie eine Bereitschaft zu deren Beseitigung besteht.328 Motivation ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Charakteristika einer Person mit spezifischen Motiven einer Situation. Bestimmte Bestandteile einer Situation werden als Anreize wahrgenommen, welche die Motive in einer Person aktivieren und dadurch ihr Verhalten in seiner Intensität, Richtung, Form
und Dauer bestimmen.329 Diese Zusammenhänge sind in dem folgenden Modell ersichtlich:
325
326
327
328
329
Staehle 1999, S. 179f.
von Rosenstiel 2003, S. 66.
Erpenbeck/Sauer 2000, zitiert nach von Rosenstiel 2003, S. 148.
Heckhausen 1989, S. 9f.
Von Rosenstiel 2003, S. 226.
69
ArbeitsbedinArbeitsbedingungen
gungen
Individuelle
Individuelle
Einflüsse
Einflüsse
Situative
Situative
Einflüsse
Einflüsse
Motivstruktur
Motivstruktur
WahrgenomWahrgenommener
Anreiz
mener Anreiz
Eignung
Eignung
LeistungsverLeistungsverhalten
halten
AnstrengungsAnstrengungserwartung
erwartung
Belohnung
Belohnung
Zufriedenheit/
Zufriedenheit/
Unzufriedenheit
Unzufriedenheit
KonsequenzKonsequenzerwartung
erwartung
Abbildung 15: Determinanten des Motivationsprozesses (Quelle: Becker 1995, Sp. 35)
Mittels des spezifischeren Begriffs der Arbeitsmotivation wird versucht, die inhaltliche
Ausrichtung des arbeitsbezogenen Verhaltens, die Intensität und die Zeitdauer des Verhaltens zu erklären.330 Die Stärke der Arbeitsmotivation ist insbesondere von zwei Variablen
abhängig.331 Dies sind einerseits die Wünschbarkeit bzw. die sog. Valenz (der Wert) des
Verhaltensergebnisses sowie andererseits die Erwartung bzw. die angenommene Wahrscheinlichkeit, dass auf ein Verhalten hin ein bestimmtes Ergebnis auch tatsächlich eintritt.
In der Literatur sind unzählige Klassifizierungen von Motiven bzw. Bedürfnissen sowie Inhaltstheorien der Motivation bekannt, die versuchen zu erklären, welche Aspekte im Individuum bzw. in seiner Umwelt Verhalten erzeugt bzw. aufrechterhält.332
Über Inhaltstheorien hinausgehend beschäftigen sich Prozesstheorien damit, wie ein bestimmtes Verhalten zustande kommt und welche kognitiven Prozesse dabei im Individuum
ablaufen. Verhalten erklärt sich im Allgemeinen aus der psychologischen Kraft, die innerhalb des Lebensraums auf eine Person in Richtung auf ein Ziel wirkt.333 Die Kraft wird als
Funktion der Qualität und der Entfernung des Ziels beschrieben. Ziele sind mit positiven
oder negativen Valenzen versehen, die vom Individuum unterschiedlich wahrgenommen
werden, was somit die Qualität des Ziels aus Sicht des Individuums bestimmt. Ziele werden
330
331
332
333
Gebert/von Rosenstiel 1996, S. 38.
Lawler 1977, S. 70.
Vgl. zu einer Übersicht Gebert/von Rosenstiel 1996, S. 38ff; Staehle 1999, S. 221ff.
Todt 1977, zitiert nach Stahle 1999, S. 231.
70
auch als unterschiedlich nah oder fern (Entfernung) und damit unterschiedlich schwer erreichbar wahrgenommen.334
Erwartungswerttheoretische Konzepte wie die Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungs-(VIE)Theorie von Vroom335 gehen als psychologisch orientierte ökonomische Entscheidungstheorie davon aus, dass Menschen diejenigen Alternativen wählen, die den subjektiv erwarteten
Nutzen maximieren. Dabei hat jedes Individuum unterschiedliche Präferenzen für unterschiedliche Ziele bzw. Ergebnisse. Individuen hegen Erwartungen über die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Handlungen zu einem erwünschten Verhalten führen, und Erwartungen über
die Wahrscheinlichkeit, dass einem bestimmten Verhalten ein bestimmtes Ergebnis folgen
wird. Das hierbei zugrundeliegende Mittel-Zweck-Denken wird als Instrumentalität bezeichnet.336
Mittels der Zieltheorie von Locke wird die Bedeutung von Zielen für die Motivation hervorgehoben, die beim Individuum zu Spannungen führen, die durch eine intensive Bewegung auf das Ziel hin reduziert wird. Zielsetzung, Motivation und Handlung sind dynamisch
miteinander verknüpft. Ziele allein motivieren jedoch nicht zu hohen Anstrengungen bzw.
Leistungen. Hierfür ist zusätzlich erforderlich, dass Zielklarheit herrscht, Zielakzeptanz
vorhanden ist, die Zielschwierigkeit feststeht und ein Feedback über die Zielerreichung gegeben wird.337
Im Motivationsmodell von Porter/Lawler wird der Zusammenhang zwischen Motivation,
Leistung und Zufriedenheit ermittelt. Zufriedenheit tritt dann ein, wenn die tatsächlich erhaltenen Belohnungen den erwarteten Belohnungen zumindest entsprechen oder sie übersteigen; unterschreiten sie die Erwartungen, ist mit Unzufriedenheit zu rechnen (vgl.
Abbildung 15).
334
335
336
337
Gebert/von Rosenstiel 1996, S. 53ff.
Vroom 1964.
Lawler 1977, S. 49.
Locke 1976, 1968.
71
Attributionstheoretische Motivationsmodelle führen das Verhalten darauf zurück, ob der Erfolg bzw. der Misserfolg internen Faktoren (z.B. Fähigkeit, Anstrengung) oder externen
Faktoren (Aufgabe, Zufall, Glück) zugeschrieben wird.338
Verhaltensbezogene Implementierungswiderstände
Verhaltensbezogene Implementierungswiderstände können bereits in der Persönlichkeit des
Individuums begründet liegen. Persönlichkeitsmerkmale sind als allgemeine Prädispositionen von Personen zu verstehen, auf Veränderungen mit Zustimmung oder Ablehnung zu reagieren.339
Die Bereitschaft, Gewohntes aufzugeben, Veränderungen anzunehmen und auf Neues mit
Offenheit zu reagieren, ist nicht bei jedem Menschen in gleichem Maß ausgeprägt. Man unterscheidet diesbezüglich flexible Persönlichkeitsstrukturen von verschlossenen, traditionsbewussten und starr auf Veränderungen reagierenden Persönlichkeiten. Völlige Inflexibilität
wird als Rigidität bezeichnet. In der Realität werden selten die beiden Extremformen einer
vollkommen flexiblen bzw. starren Persönlichkeit auftreten, jedoch lassen sich in der Regel
Schwerpunkte festlegen.340 Im Folgenden werden die wesentlichen Einflussfaktoren auf die
Rigidität eines Individuums dargestellt.
1. Homöostase
Homöostase drückt den Wunsch nach größtmöglicher Konstanz bestimmter Variablen zur Erreichung der existentiell notwendigen
Stabilität aus.
2. Gewohnheit
Gelerntes und gewohntes Verhalten bedingen, dass ein Individuum
auch auf neuartige Reize in der gewohnten Form reagiert.
3. Primärverhalten
Erfolgreich bewältigte Situationen bewirken verfestigte Verhaltensmuster, die man auch auf neuartige Problemstellungen zu übertragen versucht.
4. Selektive
Wahr- Individuen speichern und nehmen bevorzugt solche Informationen
nehmung und se- wahr, die nicht zu Dissonanzen bezüglich des eigenen Verhaltens
338
339
340
Vgl. hierzu auch die Ausführungen auf Seite XXX.
Dienstbach 1972, S. 107.
Böhnisch 1979, S. 28ff.
72
lektives Behalten
5. Abhängigkeit
führen. Informationen, die Unsicherheit auslösen, werden entweder
ignoriert oder falsch interpretiert.
Die konservative Adaption vorgelebter Verhaltensmuster aus der
Kindheit führt zur Abhängigkeit von den damaligen Bezugspersonen.
6. Vermeintliche Un- Die Möglichkeit zur Innovation liegt vermeintlich außerhalb des
fähigkeit
eigenen Einflussbereichs und der eigenen Kompetenzen.
7. Über-Ich
Als Über-Ich wird die Ausprägung bestimmter Standards bezeichnet, in denen sich das Bild der perfekten und allmächtigen Bezugsperson widerspiegelt.
8. Misstrauen gegen
sich selbst
Die Ablehnung eigener kreativer und spontaner Eingebungen aufgrund der akzeptierten Autorität des Über-Ichs führt zu Misstrauen
gegen sich selbst.
9. Unsicherheit
Auch wenn bisherige Verhaltensweisen nicht mehr zum gewünschten Erfolg führen, neigen Individuen dazu, an diesen festzuhalten,
da sie die Sicherheit von Erlebnissen zurückliegender Erfahrungsbereiche suchen.
Tabelle 5: Einflussfaktoren der Rigidität eines Individuums (Quelle: Böhnisch 1979, S. 29ff.)
Menschen reagieren jedoch nicht ausschließlich starr und inflexibel auf Neuerungen, sondern es sind stets auch flexible Reaktionsanreize Bestandteil einer Persönlichkeit. Somit ist
eine alleinige ursächliche Rückführung der Widerstandsentfaltung personaler Akteure auf
das Merkmal der Rigidität kaum zweckmäßig. Vielmehr macht man es sich zu leicht, wenn
man Akteure als konservativ und starr „abstempelt“, statt sich mit ihren Argumenten bzw.
Zielsetzungen auseinanderzusetzen und somit andere Widerstandsursachen zu erkennen.341
Auf der Ebene des Individualverhaltens sind insbesondere die folgenden drei Problemdimensionen zu diskutieren:342
⎯
341
342
Barrieren des „Kennens“ und „Verstehens“,
Klöter 1997, S. 79.
Hilker 1993, S. 16.
73
⎯
Barrieren des „Wollens“ (Motivation)
⎯
Barrieren des „Könnens“ (Fähigkeiten und Fertigkeiten)
Grundvoraussetzung für das „Können“ und „Wollen“ ist jedoch, dass den Betroffenen Ziele
und Inhalte eines Konzepts bekannt sind und sie diese auch verstehen (Kennen und Verstehen).343 Bei Willensbarrieren (Barrieren des „Nichtwollens“) sind die beteiligten Personen
nicht gewillt, den vertrauten Zustand zu verändern. Fähigkeitsbarrieren treten insbesondere
dann auf, wenn Manager befürchten, dass sie in Bezug auf ihre fachlichen Fähigkeiten überfordert sind.344
Diese Problemdimensionen stehen i.d.R. in vielfältigen Wechselwirkungen zueinander. Die
Überwindung von Widerständen auf einer Ebene kann sich positiv auf die Überwindung
von Widerständen auf einer anderen Ebene auswirken.345 Eine bestimmte Reihenfolge bei
der Lösung der Teilprobleme ist jedoch plausibel. So ist es zunächst erforderlich, dass die
Ziele und der Nutzen des Einsatzes des Kanals Internet den betroffenen Mitarbeitern so
vermittelt werden, dass sie ihnen bekannt sind und auch verstanden werden, bevor danach
die Fähigkeiten und die Motivation zur Akzeptanz des neuen Kanals geschaffen werden
können.346
Wie Individuen somit auf die Implementierung des Kanals Internet reagieren, ist letztlich
davon abhängig, wie sie die Konsequenzen bewerten, die für sie daraus erwachsen. Dienstbach hat ein Modell entwickelt, das vom Grundaufbau ein SOR-Modell darstellt. Ein Individuum reagiert demnach mit einer Prognose und Bewertung der Konsequenzen auf die Informationen, die es bezüglich eines Konzepts bzw. dessen Implementierung erhält. Das
Spektrum möglicher Reaktionen reicht auf einem Kontinuum zwischen voller Anpassungsbereitschaft bis zu Widerstand oder gar Ausscheiden.
343
344
345
346
Hilker 2001, S. 831; Hilker 1993, S. 13 und die dort genannten Quellen. Schulz erweitert diese Einteilung um Ressourcenbarrieren, die beim Initiativprozess wirksam werden. Unter Ressourcenbarrieren werden insbesondere der
Mangel an qualifiziertem Personal, finanzielle Engpässe und der Mangel an notwendigen Informationen subsumiert
(Schulz 1977, S. 61ff.).
Witte 1973, S. 20.
Hilker 1993, S. 20.
Hilker 1993, S. 20f.
74
Prognose der
Konsequenzen
Bewertung der
Konsequenzen
Reaktion des
Individuums
eindeutig
positiv
Volle Anpassungsbereitschaft
Beschränkte
Anpassungsbereitschaft
neutral
Konzept/Plan
(Implementierung)
Indifferenz
passiver
Widerstand
aktiver Widerstand
unklar
negativ
Ausscheiden
Bewertung nicht
möglich
Vorläufig keine
Reaktion
Intensität des Suchverhaltens
Kontrollmöglichkeiten der Implementierung
Vertrauen in den Planer/Implementierenden
Abbildung 16: Der Verhaltensentwurf des Individuums (Quelle: mit leichten Modifikationen entnommen
aus Dienstbach 1972, S. 107)
Diesem Ansatz liegt die Anreiz-Beitrags-Theorie zugrunde.347 Des Weiteren sind Überschneidungen mit dem erwartungswerttheoretischen Gedankengut zur Erklärung des Zustandekommens von Motivation zu erkennen.348 Widerstände sind dann zu erwarten, wenn
Anreize und Beiträge in der subjektiven Bewertung des Einzelnen in einem ungünstigen
Verhältnis stehen. Die Bewertung basiert auf dem Versuch der Prognose und der Bewertung
der Konsequenzen für den Einzelnen, der daraufhin einen Verhaltensentwurf als Reaktion
auf ein Konzept bzw. die Implementierung des Konzepts entwickelt.349 Auf einem Kontinuum können auf der einen Extremposition die vollkommene Anpassungsbereitschaft bzw.
Akzeptanz und auf der anderen Extremposition der aktive Widerstand bzw. das Ausscheiden aus dem Unternehmen unterschieden werden. Dazwischen existieren verschiedene gra347
348
349
Vgl. Barnard 1937, zitiert nach Böhnisch 1979, S. 86.
Vgl. hierzu die Ausführungen auf Seite 70.
Böhnisch 1979, S. 86f.
75
duelle Abstufungen.350 Von Bedeutung ist hier die Unterscheidung zwischen aktivem und
passivem Widerstand, auch wenn eine Grenzziehung nicht immer eindeutig möglich ist. Aktiver Widerstand zeichnet sich dadurch aus, dass Akteure auf den Innovationsprozess gestaltend einwirken.351 Der Begriff des passiven Widerstands hingegen bezeichnet diejenigen
Verhaltensweisen, die durch Unterlassung jeglicher Förderung eines Konzepts gekennzeichnet sind.352 Des Weiteren ist zwischen offenem und verdecktem Widerstand zu unterscheiden. Unter offenem Widerstand werden diejenigen Verhaltensweisen subsumiert, die
für andere Beteiligte klar und zweifelsfrei identifiziert werden können. Bei verdecktem Widerstand hingegen wird versucht, ein Konzept auf allen erdenklichen „stillen Pfaden“ zu
verhindern. Die Identifizierung von verdecktem Widerstand ist somit wesentlich schwieriger als bei offenen Widerstand.353
2.2.2.2. Strukturelle Dimension der Implementierung
In der Implementierungsliteratur herrscht keine Einigkeit darüber, welche Aspekte unter der
strukturellen Implementierungsdimension zu subsumieren sind. Im Forschungsfeld der
Marketingimplementierung ergibt die Analyse von nach 1980 erschienenen englischsprachigen Grundlagenwerken zum Marketing, dass unter der Marketing-implementierung insbesondere Aspekte der Marketing-Planung, der Marketing-Organisation und der MarketingKontrolle behandelt werden.354
Planung, Organisation und Kontrolle werden in der Managementliteratur den Führungsbzw. Managementsystemen zugeordnet. Managementsysteme umfassen die Gesamtheit des
Instrumentariums sowie der Regeln, Institutionen und Prozesse, mit deren Hilfe Führungsaufgaben erfüllt werden. Unter den Begriff des Managementsystems werden neben Pla-
350
351
352
353
354
Judson 1966, S. 41.
Dienstbach 1972, S. 106.
Dienstbach 1972, S. 106.
Vgl. Hauschildt 1993, S. 102. Vgl. zur Unterscheidung weitere Formen des Widerstands Klöter 1997, S. 160ff.
Hilker 1993, S. 53f.; vgl. hierzu auch Bonoma 1984, S. 517.
76
nungs-, Organisations- und Kontrollsystemen auch Informations- und Personalführungssysteme subsumiert.355
Auch in der Literatur zur Strategieimplementierung lässt sich feststellen, dass bestimmte
strukturelle Dimensionen der Implementierung besonders häufig diskutiert werden. Hierbei
werden insbesondere die Organisationsstruktur, das Planungssystem bzw. die operative Detailplanung, Informations-, Kontroll-, Allokations- und Anreizsysteme, die Unternehmenskultur und die Personalführung als bedeutende Dimensionen eingestuft.356 Die Organisationsstruktur und die operative Detailplanung werden besonders häufig abgehandelt.357
In der Regel wird die Auswahl und Zuordnung der jeweiligen Einflussfaktoren kaum theoretisch gestützt, sondern häufig mit Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis begründet.358
Es herrschen auch allenfalls Vermutungen darüber vor, dass und wie diese einzelnen Dimensionen in Interdependenz miteinander stehen. Hierbei sind insbesondere Prozessmodelle
relativ selten vorzufinden.359
Strukturelle Implementierungsaspekte werden auch im Hinblick auf ihren Fit mit dem zu
implementierenden Konzept bzw. der zu implementierenden Strategie untersucht.360 Studien
belegen hierbei die Wichtigkeit eines schlüssigen Fits zwischen organisationalen Strategie-,
Personal- und Strukturmerkmalen.361
355
356
357
358
359
360
361
Schierenbeck 1993, S. 99ff.; Wild 1982, S. 32.
Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 55 und die dort zitierten Quellen. Hilker 1993, S. 61ff. liefert einen tabellarischen
Überblick über zentrale strukturelle Implementierungsdimensionen in der Literatur.
Hilker 1993, S. 61.
Von der Oelsnitz 1999, S. 61.
Vgl. zu einer Ausnahme das Ablaufmodell zur Strategieimplementierung und zum organisatorischen Veränderungsprozess von Hrebiniak/Joyce 1984, S. 9ff.
Vgl. hierzu Kap. 1.5.1.
Hamilton/Shergill 1992 und Donaldson 1987; zitiert nach von der Oelsnitz 1999, S. 57.
77
2.2.2.3. Prozessbezogene Dimension der Implementierung
In den bisherigen Ausführungen wurden statische Implementierungsansätze dargestellt. Statische Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich mit den Objektbereichen bzw.
Zieldimensionen auseinandersetzen, auf die das Implementierungshandeln ausgerichtet sein
kann. Damit beschäftigt sich ein Grossteil der Implementierungsliteratur. Statische Ansätze
vernachlässigen jedoch den zeitlichen Ablauf der Implementierung. Bislang ist somit ein
Mangel an geeigneten Prozessmodellen zu verzeichnen, die sich damit befassen, in welcher
zeitlichen Abfolge die Implementierungsebenen, ihre Dimensionen bzw. Teildimensionen
und die damit verbundenen Implementierungsinstrumente und –methoden eingesetzt werden
sollten.362
Dieses Defizit wird insbesondere in jüngeren Forschungsarbeiten zunehmend kritisiert.363
Prozessbezogene Ansätze können ergänzende Erkenntnisse zur Implementierung und damit
ein vollständigeres Abbild der relevanten Dimensionen und Einflussgrößen der Implementierung liefern.364
Bislang liegt jedoch noch kein allgemein akzeptierter Ansatz zur Strukturierung von Implementierungsprozessen vor. Prozessmodelle entstammen Forschungsarbeiten zum geplanten organisatorischen Wandel, die mit Arbeiten zur Organisationsentwicklung verwandt
sind.365 Forschungsarbeiten zum geplanten Wandel von Organisationen und zur Organisationsentwicklung beschäftigen sich mit der Veränderung von Systemen – auf Basis von dahinterstehenden Plänen, Modellen oder Ideen, die den erwünschten Zustand von realen Systemen ausdrücken.366
Hilker entwirft ein allgemeines Prozessmodell, indem er die Phaseneinteilung von Lewin
übernimmt, der die Phasen „unfreezing“, „moving“ und „refreezing“ unterscheidet.367 Des
Weiteren geht er davon aus, dass ein Implementierungsprozess nicht einem linearen Verlauf
362
363
364
365
366
367
Hilker 1993, S. 220.
Sashittal/Jassawalla 2001, S. 50.
Hilker 1993, S. 220f.
Hilker 1993, S. 10; vgl. a. die dort angegebenen Quellen.
Kirsch et al. 1979, S. 18.
Lewin 1963, S. 262ff.
78
folgt, sondern als Abfolge iterativer Teilprozesse zu verstehen ist. Somit sind Rücksprünge
genauso möglich wie das Auslassen von (Teil-)Prozessschritten.368 Hilker weist des Weiteren darauf hin, dass es nicht immer möglich ist, einen eindeutig determinierten Zeitablauf
zu bestimmen. Dies sei auch nicht immer sinnvoll bzw. erforderlich.369 Hierzu entwirft er
ein Prozessmodell, das sich am „Markt-Back-Ansatz“ orientiert. Dieser Ansatz zeichnet sich
durch ein schrittweises und ergebnisorientiertes Vorgehen aus.370 Veränderungen werden
nur dann durchgeführt, wenn sie aufgrund ihrer Problemrelevanz erforderlich sind. Des
Weiteren sollte der Veränderungsbedarf von den Betroffenen konkretisiert werden, damit
relativ exakte Zielvorgaben definiert werden können, deren Erfüllung intersubjektiv nachprüfbar ist.371 Die Verbesserungsmaßnahmen werden zwar sofort eingeführt, jedoch erst
dann endgültig übernommen, wenn die gemessenen Ergebnisse den Erwartungen entsprechen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass regelmäßige Erfolge motivierend wirken. Hierzu müssen sie den Betroffenen verdeutlicht werden.372
Von der Oelsnitz gliedert die Implementierungsproblematik in die drei Bereiche „Content“,
„Context“ und „Process“. Unter „Content“ versteht er die Dimensionen, Implikationen und
Indikatoren der Marktorientierung. Unter „Context“ fasst er die Unternehmenskultur,
-identität und weitere Kontextfaktoren (Unternehmengröße, -alter, -technologie). Im Rahmen des Implementierungsprozesses identifiziert er die Basistätigkeiten des „Visioning“,
„Leading“, „Promoting“ und „Fitting“.373 Hierbei erfolgen jedoch keine Ausführungen darüber, unter welchen situativen Bedingungen welche Reihenfolge der Implementierungstätigkeiten sinnvoll ist.
Mehrere Autoren betonen, dass Strategieformulierung und -implementierung nicht als sequentielle Tätigkeiten aufzufassen sondern als Teil eines Prozesses zu verstehen sind.374
Hierbei sind auch die dynamische Interaktion zwischen Planern und Implementierern sowie
368
369
370
371
372
373
374
Hilker 1993, S. 222; vgl. a. die dort angegebenen Quellen.
Hilker 1993, S. 222.
Hilker 1993, S. 230; vgl. hierzu auch von der Oelsnitz 1999, S. 68. Vgl. zu einer Gegenüberstellung aktivitäts- und
ergebnisorientierter Implementierungsprozesse Schaffer/Thomson 1992, S. 81; zitiert nach Hilker 1993, S. 232f.
Beer et al. 1990, S. 35ff; zitiert nach Hilker 1993, S. 231.
Schaffer/Thomson 1992, S. 83; zitiert nach Hilker 1993, S. 233.
Von der Oelsnitz 1999, S. 138.
Belz/Senn 1997, S. 41f.; Cespedes/Piercy 1996, S. 137f.
79
die täglichen Improvisationen von Bedeutung, die nicht in Plänen vorgesehen sind, jedoch
eine wichtige Rolle bei der Implementierung der Marktorientierung in Unternehmen einnehmen.375 Belz/Senn konstatieren, dass eine Balance zwischen den Extrempolen einer zu
starken Führung des Prozesses und eines „kreativen Chaos“ bzw. einer „Laissez-Faire“Mentalität zu finden ist.376 Bisher existieren jedoch wenige konkrete Lösungsansätze dafür,
wie der Prozess der Implementierung in bestimmten Situationen auszugestalten ist. Die Charakteristika von Implementierungsprozessen sind somit noch weitgehend unerforscht.
2.2.3. Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse der Implementierungsforschung
Aus den Ausführungen der vorangegangen Kapitel wird deutlich, dass Planung und Implementierung sich wechselseitig beeinflussen. Dies hat insbesondere die folgenden Konsequenzen: Zum einen müssen bei der Planung bereits Aspekte der Implementierung berücksichtigt werden, um zu gewährleisten, dass ein Plan gemäß der ihm zugeschriebenen Ziele
um- und durchgesetzt werden kann. Hierfür müssen somit geeignete Implementierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Zum anderen können jedoch nicht alle implementierungsrelevanten Aspekte (vorab) geplant werden. Änderungen in den Marktbedingungen sowie
dem Unternehmensumfeld erfordern ggfs. eine Planrevision bzw. –änderung. Somit ist zu
berücksichtigen, dass die Implementierung von Plänen einer gewissen Unsicherheit unterliegt und somit eine agile Realisierung erforderlich ist. Nach Belz/Senn liegen die Charakteristika einer agilen Realisierung darin, „[..] eine Gesamtidee zu entwickeln, die ersten
Schritte [..] festzulegen, dann aber wieder bereit zu sein, um sie zu korrigieren, Bewährtes
zu verstärken, neue Bedingungen zu berücksichtigen, falsche Ansätze zu streichen und überraschende Teilerfolge zu multiplizieren.“377 Somit sollen Verantwortliche nicht die Perfektion von Konzepten anstreben, sondern ausgehend von einem (notwendigerweise) unvollständigen Konzept und Implementierungslücken sowohl Anpassungen im Konzept als
auch in der Realisierung vornehmen, wenn dies aufgrund veränderter Markt- und Umfelddynamik erforderlich ist.378
375
376
377
378
Sashittal/Jassawalla 2001.
Belz/Senn 1997, S. 42.
Belz/Senn 1997, S. 42.
Belz/Senn 1997, S. 42f.
80
Idealerweise verantwortet ein und dieselbe Person Planung und Implementierung. Eine
zentrale Rolle nimmt somit der verantwortliche Manager ein, der mit seinen Fähigkeiten
Implementierungslücken schließen und Implementierungshindernisse überwinden kann.
Statt sich in zu hohem Maß auf formale und starre Planungsprozesse zu stützen, muss er die
Fähigkeit zur Improvisation besitzen und hierbei informelle Beziehungen zu zentralen Personen in anderen Funktionseinheiten knüpfen.379 Hierbei erscheint somit eine zwischen Determinismus und Voluntarismus liegende Sichtweise sinnvoll, die Handlungsspielräume des
verantwortlichen Managers berücksichtigt, die durch subjektiv wahrgenommene Grenzen
im Unternehmen sowie durch Aspekte in Markt und Umfeld eines Unternehmens begrenzt
werden.380
Im Zentrum der Implementierungsliteratur steht die Erforschung der statischen Objektbereiche bzw. Zieldimensionen, auf die das Implementierungshandeln ausgerichtet sein kann.
Um statische Implementierungsaspekte im Detail zu analysieren, bietet sich eine analytische
Trennung in strukturelle und verhaltensbezogene Implementierungsaspekte an, die in vielfältigen Wechselwirkungen zueinander stehen. Darauf basierend können geeignete Implementierungsmaßnahmen entwickelt werden. Bei der Entwicklung geeigneter Maßnahmen
ist zu berücksichtigen, dass ein schlüssiger Fit zwischen organisationalen Strategie-, Personal- und Strukturmerkmalen erreicht wird.381
Prozessbezogene Implementierungsansätze liefern eine wichtige Ergänzung der Erkenntnisse der statischen Implementierungsansätze, wenn sie Anweisungen dafür geben, in welcher
zeitlichen Abfolge als geeignet identifizierte Implementierungsmaßnahmen einzusetzen
sind.382
Letztlich ist zu berücksichtigen, dass allgemeingültige Empfehlungen aufgrund der vielen
situativen Besonderheiten kaum ableitbar sind383, jedoch Ziel wissenschaftlichen Arbeitens
darstellen, um Erkenntnisfortschritte zu generieren. Somit müssen wissenschaftliche Arbei379
380
381
382
383
Belz/Senn 1997, S. 42f.
Vgl. a. Kap. 1.5.1.
Hamilton/Shergill 1992 und Donaldson 1987; zitiert nach von der Oelsnitz 1999, S. 57.
Hilker 1993, S. 220.
Belz/Senn 1997, S. 44f.; Hilker 1993, S. 10.
81
ten versuchen, Hinweise dafür zu liefern, unter welchen situativen Gegebenheiten bestimmte Implementierungsbereiche tangiert werden, welche Implementierungslücken und
-barrieren hierbei zu erwarten sind und welche Implementierungsinstrumente und
-methoden in welcher Reihenfolge im Implementierungsprozess einzusetzen sind.
3. Situative Problemanalyse und situatives Management der Implementierung des
Kanals Internet
Um gezielte Lösungen für Probleme bei der Implementierung des Kanals Internet zu erarbeiten, kann kein allgemein gültiger Ansatz gewählt werden. Hierfür wird in Kap. 3.1. zunächst eine Typologie erarbeitet, welche die situativen Unterschiede bei der Implementierung des Kanals Internet berücksichtigt. Die untersuchten Unternehmen werden dann den
drei ermittelten Typen zugeordnet.
Des Weiteren ist es erforderlich, eine in sich geschlossene Systematik der Implementierungsansätze zu erarbeiten. Basierend auf Erkenntnissen der Implementierungsforschung384
wird in Kapitel 3.2. ein Framework dargestellt, das als grundlegendes „Raster“ für die Implementierung des Kanals Internet dient. Es vermag verschiedene Implemementierungansätze
zu integrieren und bietet daher bewusst die Möglichkeit ein breites Spektrum an Implementierungsdimensionen und –faktoren abzudecken, die einen wesentlichen Einfluss auf die
Implementierung des Kanals Internet ausüben. Auf dieser Basis können situative Differenzierungen und inhaltliche Konkretisierungen in Bezug auf die Implementierungsdimensionen und –faktoren vorgenommen werden, um die jeweilige Implementierungssituation hinreichend zu erfassen.
Die inhaltlichen Konkretisierungen werden im weiteren Verlauf des dritten Kapitels anhand
der detaillierten Analyse der drei Typen vorgenommen. Hierfür werden die drei ermittelten
Typen detailliert, einem einheitlichen Schema folgend untersucht. Zunächst erfolgt die Darstellung der Anforderungen an die ideale Ausgestaltung der Implementierung des jeweiligen
Typus (Soll-Zustand). Danach erfolgt auf Basis der Ermittlung des gegenwärtigen Imple384
Vgl. Kap. 2.2.3.
82
mentierungsstands eine Darstellung der Implementierungslücken und –barrieren bzw. widerstände (Soll-Ist-Vergleich) sowie der ermittelten Ursachen. Schließlich werden die in
der Unternehmenspraxis verfolgten Lösungsansätze vorgestellt, die dem Ziel der Schließung
von Implementierungslücken und Überwindung von Implementierungs-barrieren und widerständen dienen.
3.1. Typologie der Implementierung des Kanals Internet
Handlungsempfehlungen für die Implementierung des Kanals Internet können nicht von allgemeiner Natur sein. Die hohe Heterogenität der Nutzungsmöglichkeiten des Kanals Internet macht es vielmehr erforderlich, situationsspezifisch bei der Problemanalyse und der Ableitung von Handlungsempfehlungen vorzugehen. Nur so können differenzierte, konkrete
Gestaltungsempfehlungen für die Implementierung des Kanals Internet in der jeweiligen
Unternehmenssituation abgeleitet werden.385 Um situative Unterschiede bei der Implementierung des Kanals Internet deutlich zu machen, wird in der vorliegenden Arbeit die Methode der Typologisierung bzw. Typenbildung gewählt.
3.1.1. Grundlagen der Typenbildung
Die Typologisierung bzw. Typenbildung stellt eine geeignete Methodik dafür dar, zu Aussagen zu gelangen, die über das einzelne Unternehmen hinaus generalisierbar sind.386 Die
Bildung prägnanter Typen schlägt auf mittlerem Abstraktionsniveau eine Brücke zwischen
generellen Aussagen – also hinsichtlich der Gesamtheit aller internetkanal-bezogenen EBusiness-Aktivitäten – und konkretem Einzelfall.387 Somit ermöglicht sie, die Komplexität
zu reduzieren, indem die Heterogenität und Vielzahl der Einzelfälle der Implementierung
385
386
387
Vgl. Stahle 1999, S. 48. Vgl. a. Kap. 1.5.1.
Meuser/Nagel 1991, S. 464.
Belz 1989, S. 8f.
83
von Internetkanälen überschaubar gemacht werden und man sich auf besonders ergiebige
Typen fokussieren kann.388
Bei der Typenbildung werden Einzelfälle nach bestimmten Kriterien zu Typen zusammengefasst. Hierbei sollen Aussagen über spezifische Probleme einzelner Internetkanaltypen
ermöglicht werden, aus denen letztlich Schlussfolgerungen für die erfolgreiche Implementierung des jeweiligen Internetkanaltyps abgeleitet werden können.389 Jeder Typus spiegelt
eine situative Ausgangslage für das Management der Implementierung des Kanals Internet
wider. Ein Typus ist somit als „[..] der ‚Repräsentant’ einer Reihe von Gegenständen, von
Erscheinungen, die eine Anzahl gemeinsamer Merkmale aufweisen, wobei die Auswahl der
den Typus kennzeichnenden Merkmale vom jeweiligen Untersuchungszweck abhängt.“390
Als Ausgangspunkt für typisierende Generalisierungen dient in der Regel der Vergleich einzelner Fälle und die Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden.391 Hierzu sind relevante Merkmale zu identifizieren, anhand derer prägnante und sich voneinander in den Ausprägungen dieser Merkmale unterscheidende Typen gebildet werden. Dabei ist so vorzugehen, dass zunächst die Typisierungsdimensionen festzulegen sind, die als inhaltliche Festlegung der Merkmale zu verstehen sind, über die typisiert werden soll. Anschließend sind Typisierungsmerkmale zu bestimmen. Einzelne Fälle werden dann aufgrund der Gemeinsamkeiten in den Ausprägungen der Typisierungsmerkmale zu Typen zusammengefasst. Hierbei
ist zu beachten, dass neben den Gemeinsamkeiten auch Unterschiede bzw. Widersprüche
explizit gemacht werden müssen. Die aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten ermittelten Typen
werden dann unter Bezugnahme auf die konkreten Einzelfälle dargestellt und interpretiert.392
388
389
390
391
392
Mayring 1999, S. 105.
Vgl. Bruhn 2002, S. 16.
Knoblich 1972, S. 142.
Hierfür werden thematisch vergleichbare Textpassagen ausfindig gemacht, zusammengestellt (Synopse) und deren
Überschriften vereinheitlicht. Vgl. zu weiteren Details Meuser/Nagel 1991, S. 459ff; Kluge/Kelle 1999, S. 55ff.
Vgl. zur Darstellung weiterer Details Mayring 1999, S. 105f.; Kluge/Kelle 1999, S. 75ff.
84
3.1.2. Typenbildung anhand der implementierten Funktionen des Kanals Internet
Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Expertengespräche haben zutage gefördert,
dass in der Unternehmenspraxis diverse Faktoren einen Einfluss auf den Stand und den
Fortschritt der Implementierung des Kanals Internet ausüben. Im Lauf der Analyse der Expertengespräche hat sich jedoch herauskristallisiert, dass sich die Probleme bzw. Problemmuster bei bestimmten Fällen ähneln. Die Anforderungen an die Implementierung sowie die
typischerweise auftretenden Implementierungslücken und –barrieren unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich derjenigen Funktionen, welche Unternehmen im Rahmen ihrer Internetkanalaktivitäten schwerpunktmäßig verfolgen. Dies sind in der Regel diejenigen Funktionen, welche von den Nutzern bevorzugt nachgefragt werden.
Phasen des
Buying Cycle
Kundenbedürfnisse im Buying
Cycle
Primäre Funktion
des Internetkanals
(Kundensicht)
Suchphase
Kaufphase
Suche nach weiteren
Suche und Vergleich von Inforkaufrelevanten Informationen,
mationen über LeistungsVereinbarung der
merkmale, UnternehmensKaufkonditionen
charakteristika etc.
Informationsfunktion
Inf.- &
Kontaktf.
Kauffunktion
Nutzungsphase
Wiederkaufphase
Informationsbedarf zu
Produkten bzw. deren
Nutzung; Behebung von
Problemen
Suche nach Informationen über
Zusatz- oder Ersatz- Produkte
Informations- und
Kontaktfunktion
Infor.- und Kontaktfunktion
Abbildung 17: Typische Funktionen des Internetkanals im Verlauf des Buying Cycle (Quelle: eigene Darstel
lung)
Gemeinsamkeiten sind über Branchengrenzen hinweg bei funktional ähnlichen Schwerpunkten der Nutzung des Internetkanals zu erkennen.393 Als geeignetes Typisierungsmerkmal kommen somit die aus Kundensicht ausgeübten Funktionen eines Internetkanals in Betracht. Hierbei sind im Wesentlichen die folgenden Funktionen zu unterscheiden (vgl.
Abbildung 17):
393
In Bezug auf den Implementierungsprozess konnten keine wesentlichen, typenprägenden Unterschiede festgestellt
werden. Es war bei allen Unternehmen erkennbar, dass sie nach einem Trial-and-Error-Verfahren (inkremental)
vorgingen. Alle untersuchten Unternehmen haben bereits Erfahrung mit dem Verkauf von Waren über das Internet
(E-Commerce) gemacht bzw. machen diese zum Zeitpunkt der Untersuchung. Aufgrund einer raschen Adoption
durch Kunden wurde es insbesondere im Versandhandel und in der Luftfahrtindustrie relativ früh offensichtlich,
dass sie ihre Web-Sites auch zum Verkauf ihrer Leistungen (E-Commerce) nutzen würden. Unternehmen anderer
Branchen (z.B. Versicherungen) mussten ihre Erwartungen diesbezüglich hingegen häufig senken.
85
—
—
—
Informationsfunktion
Kontaktfunktion
Kauffunktion
Die Informationsfunktion umfasst alle diejenigen Prozesse, welche insbesondere in der
Such- und Kaufphase dazu dienen, die Suche des Kunden nach Informationen über ein Unternehmen, sowie über dessen Produkte bzw. Dienstleistungen zu befriedigen. Zusätzlich
bieten manche Unternehmen auch mehr oder weniger extensiv Informationen an, welche
dazu geeignet sind, Informationsbedürfnisse während der Nutzungs- und Wiederkaufphase
zu befriedigen. In der Nutzungsphase benötigen Kunden insbesondere (weitergehende) Informationen zu den gekauften Produkten bzw. zu deren Nutzung (z.B. in Form von Anwendungstipps).394 Die Informationsfunktion im Rahmen der Wiederkaufphase ist dann weitgehend identisch mit derjenigen der Suchphase, falls bereits bestehenden Kunden dieselben
(standardisierten) Informationen angeboten werden wie Interessenten im Rahmen ihrer
Suchphase.
Das Angebot der Kontaktfunktion ermöglicht Nutzern, über einen entsprechenden E-Service
per E-Mail Kontakt mit dem betreffenden Unternehmen aufzunehmen (InboundKontaktaufnahme). Dies geschieht insbesondere deswegen, um weiteres Informationsmaterial anzufordern oder um ein Gespräch mit einem persönlichen Berater anzufordern.
Mittels der Kauffunktion können sich Nutzer schließlich über die Kaufmodalitäten informieren und den Kaufvorgang selbst über das Internet tätigen.
Typenbildung
Die untersuchten Unternehmen werden aufgrund der Schwerpunkte ihrer gegenwärtigen Internetkanalaktivitäten in verschiedene Typen eingeteilt. Die Analyse der Expertengespräche hat die Bildung der folgenden drei Typen unterstützt:
—
—
394
395
Kommunikationskanaltyp
Absatzkanaltyp395
Vgl. Kap. 2.1.1.
Vgl. zur Unterscheidung von Kommunikations- und Absatzkanälen Kap. 2.1.2. und Kap. 2.1.3.
86
—
CRM-Kanaltyp.396
Die Dimension, über die typologisiert wird, wird als Implementierungsstufe bezeichnet. Die
Implementierungsstufen unterscheiden sich hinsichtlich der Ausprägung der Merkmalsdimension der primär genutzten Funktionen. Mit zunehmender Implemen-tierungsstufe von
Typ 1 bis Typ 3 nimmt auch der Funktionsumfang des jeweiligen Internetkanaltyps zu (vgl.
Abbildung 18).
Implementierungsstufe /
Funktionsumfang
zusätzlich:
Informationsfunktion
(individual.)
Typ 3:
CRM-Kanal
zusätzlich:
Kauffunktion
Typ 2: Absatzkanal
Informationsfunktion
Kontaktfunktion
Typ 1: Kommunikationskanal
Abbildung 18: Implementierungsstufen und Funktionsumfang des Kanals Internet (Quelle: eigene Darstellung)
Die Informationsfunktion stellt die Basis aller Internetkanalaktivitäten dar, weil sie auf allen
Web-Sites enthalten ist. Hierbei divergieren jedoch die Fülle der Informationen und die Abdeckung von Informationsbedürfnissen in verschiedenen Phasen. Alle der untersuchten Unternehmen bieten ergänzend zur Informationsfunktion eine Kontaktfunktion an. Da bei beiden Funktionen ausschließlich Informationen zwischen Interessent und Unternehmen fließen, werden Unternehmen, die den Fokus auf die Informations- und Kontaktfunktion legen,
dem Kommunikationskanaltyp zugeordnet.397
396
397
Vgl. zur Bezeichnung des Internet als CRM-Kanal Hildebrand 2000, S. 83.
Vgl. hierzu auch Kap. 2.1.2.
87
Diejenigen Unternehmen, die das Internet zusätzlich zur Informations- und Kontaktfunktion
auch zum Verkauf ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen nutzen und bei denen das Internet
einen signifikanten Absatzkanal darstellt, werden dem Absatzkanaltyp zugeordnet. Das wesentliche Kriterium zur Abgrenzung des Kommunikations- vom Absatzkanaltyp besteht darin, dass eine Kauffunktion über das Internet angeboten wird, welche einen Güter- und Geldfluss zwischen Unternehmen und Kunden nach sich zieht.398 Zusätzlich ist auch das Kriterium heranzuziehen, ob diese Funktion in erheblichem Maß von den Kunden genutzt wird.
Beispielsweise bieten Unternehmen der Versicherungsbranche teilweise an, Versicherungen
online abzuschließen. I.d.R. wird dieses Angebot jedoch nur bei spezifischen Versicherungen von den Kunden genutzt, und auch bei diesen meist in sehr geringem Umfang, gemessen am Anteil am gesamten Umsatz. Bei einigen der untersuchten Unternehmen werden über das Internet unter 1% aller Umsätze in einer Produktkategorie bzw. bei einzelnen Produkten getätigt. Das Internet stellt bei diesen Unternehmen einstweilen den mit Abstand unbedeutendsten Absatzkanal dar. Die Expertengespräche haben gezeigt, dass die betreffenden
Unternehmen den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten auf die Informations- und Kontaktfunktion
legen. Aufgrund der nur in geringem Maß in Anspruch genommenen Kauffunktion werden
sie dem Kommunikationskanaltyp zugeordnet. Sie ähneln hinsichtlich der Anforderungen
an die Implementierung stärker denjenigen Unternehmen, welche ausschließlich die Informations- und Kontaktfunktion ausüben, als den Unternehmen, bei denen der Absatzkanal
Internet signifikante Umsatzanteile erwirtschaftet. Dies schließt zwar nicht aus, dass auch
diese Unternehmen Erfahrungen mit typischen Implementierungsproblemen und Lösungsansätzen des Absatzkanaltyps vorzuweisen haben. Nach den Aussagen der befragten Experten ist dies jedoch in geringem Maß der Fall. Somit können sie nur teilweise Aufschluss über typische Implementierungsprobleme und –lösungsansätze des Absatzkanaltyps liefern.
Dies belegt, dass die Typen auf einem Kontinuum liegen und somit nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden können. Überschneidungen sind in der Unternehmenspraxis üblich.
Wenn Unternehmen anstreben, das Internet auf Basis der Informations-, Kontakt- und Kauffunktion im Rahmen von CRM-Aktivitäten zur Übermittlung von individualisierten Informationen und E-Services zu nutzen, soll im Folgenden von einem CRM-Kanaltyp gesprochen werden. Es ist zu berücksichtigen, dass dieser Internetkanaltyp noch in keinem der un398
Vgl. Kap. 2.1.3.
88
tersuchten Unternehmen implementiert ist. Dies ist im Wesentlichen auf die beträchtlichen
Hindernisse bei der Implementierung des CRM zurückzuführen. Dennoch befinden sich
vereinzelte Unternehmen in einem schon fortgeschrittenen Stadium, womit auch die Nutzung des Kanals Internet als CRM-Kanal für diese Unternehmen zunehmend diskutiert
wird.
Anhand der Expertengespräche kann belegt werden, dass mit zunehmender Implementierungsstufe auch das Funktionsspektrum zunimmt. Beim Kommunikations-kanaltyp werden
primär die Informations- und die Kontaktfunktion ausgeübt. Der Absatzkanaltyp beinhaltet
zusätzlich die Kauffunktion. Schließlich umfasst der CRM-Kanaltyp zusätzlich noch die
Funktion der Übermittlung von individualisierten Informationen im Rahmen der Wiederkaufphase bereits bestehender Kunden.399
Typologisierung der untersuchten Fälle
Die im Rahmen der Forschungsarbeit untersuchten Fälle können mehrheitlich jeweils einem
der definierten Typen zugeordnet werden. Ausnahmen bilden zum einen Beratungsunternehmen. Die Experten in Beratungsunternehmen wurden nach den Implementierungsproblemen und –aktivitäten ihrer Beratungskunden befragt. Zum anderen konnte die Neue Zürcher Zeitung AG (NZZ) nicht eindeutig einem der Typen zugeordnet werden. Zwar nutzt
die NZZ ihre Web-Site auch zur Übermittlung von Informationen. Die Hauptfunktion stellt
jedoch die Übermittlung des publizistischen Inhalts dar, also der Kernleistung der NZZ. Die
Web-Site der NZZ ist somit als Teil ihres Geschäftsmodells zu betrachten, da die NZZ Einnahmen aus der Online-Werbung und Online-Inseraten generiert – analog zur Papierzeitung.
Die Zuteilung einzelner Fälle zu den Typen erfolgte nach den Gesprächen und wurde auf
Basis der Angaben der Experten sowie des Vergleichs der Expertengespräche durchgeführt.
Die Unternehmen Lufthansa, Microsoft und Swisscom Fixnet sind in der Abbildung 19
doppelt gelistet. Grundsätzlich sind die Internet-Aktivitäten von Microsoft dem Kommunikationskanaltyp zuzuordnen. Das Unternehmen stellt jedoch insofern einen Sonderfall dar,
als auch über die Kommunikationsfunktion hinaus erste Ansätze eines CRM-Kanaltyps in
399
Diejenigen Unternehmen, die in Bezug auf die Implementierung von CRM-Aktivitäten schon fortgeschritten sind,
haben ihren Schwerpunkt auf dem Absatzkanaltyp. Ein weiteres Unternehmen betreibt das Internet
89
Form konkreter CRM-Services implementiert wurden. Hierzu existieren somit bereits vielfältige Erfahrungen hinsichtlich deren Implementierung. Die Internetaktivitäten der Lufthansa und von Swisscom Fixnet sind grundsätzlich dem Absatzkanaltyp zuzuordnen. Darüber hinaus existieren in beiden Unternehmen schon weitreichende Erfahrungen mit der
Implementierung des CRM, so dass auch die Nutzung des Kanals Internet als CRM-Kanal
zunehmend diskutiert wird.
Die Typologisierung darf nicht derartig verstanden werden, dass jedes Unternehmen danach
streben sollte, eine möglichst hohe Implementierungsstufe und damit einen möglichst umfangreichen Funktionsumfang zu erreichen. Jedes Unternehmen muss vor dem Hintergrund
der Marktbedingungen, seiner spezifischen Situation, seiner Produkte sowie vor dem Hintergrund von internen implementierungsrelevanten Aspekten abwägen, welchen Typ es verfolgen sollte.
Implementierungsstufe /
Funktionsumfang
(Lufthansa, Swisscom
Fixnet, Microsoft)
Typ 3:
CRM-Kanal
Crédit Suisse, Hilti,
Lufthansa, Quelle,
Sixt, Swiss Airlines,
Swisscom Fixnet
Typ 2: Absatzkanal
Helsana, MercedesBenz, Microsoft,
Orange, SBB,
Swisscom Mobile,
Swisslife, Winterthur
Typ 1: Kommunikationskanal
Abbildung 19: Einordnung der Fälle in die Internetkanaltypologie (Quelle: eigene Darstellung)
90
3.2. Vorläufiges Framework der Implementierung des Kanals Internet
Um gezielte Problemlösungen abzuleiten ist es erforderlich, eine in sich geschlossene Systematik der Implementierungsansätze zu erarbeiten. Die Systematik soll dazu dienen, die
einzelnen Erkenntnisquellen konzeptionell zueinander in Beziehung zu setzen, um besser
abschätzen zu können, welche Problemlösungsbeiträge und –defizite die einzelnen Ansätze
kennzeichnen. Mittels einer geeigneten Systematisierung wird außerdem die Gefahr minimiert, dass wichtige Komponenten nicht identifiziert werden oder dass die Beziehungen
zwischen Teilkomponenten nicht in ausreichendem Maß erkannt werden. Eine solche Systematik stellt letztlich die Grundlage für die Unterscheidung von bestimmten, als typisch erachteten Fällen dar, um situativ angepasste und adäquate Problemlösungen zu erarbeiten.
Eine solche Systematik stellt das der Untersuchung zugrunde liegende vorläufige400 Framework dar (vgl. Abbildung 20). Es dient der Analyse derjenigen Faktoren, die einen negativen Einfluss auf den Erfolg der Internetkanaltypen ausüben, sowie der dafür verantwortlichen Ursachen. Auf der linken Seite des Frameworks sind die unterschiedlichen Implementierungsstufen und Internetkanaltypen enthalten, womit unterschiedliche situative Ausgangspositionen von Unternehmen berücksichtigt werden.
400
Dieses vorläufige Framework wird anhand der Erkenntnisse, die im weiteren Verlauf des dritten Kapitels dargestellt
werden, erweitert. Vgl. Kap. 4.1.
Implementierungsstufen
91
Konzeption
Typ3:
3: CRM-Kanal
CRM-Kanal
Typ
Typ2:
2: Absatzkanal
Absatzkanal
Typ
MakroEbene
MikroEbene
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Erfolg
Implementierung
Typ1:
1: KommunikationsKommunikationsTyp
kanal
kanal
strukturell
verhaltensbezogen
Markt-und
undUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Markt-
Abbildung 20: Vorläufiges Framework der Implementierung des Kanals Internet (Quelle: eigene Darstellung)
Das Framework basiert auf grundlegenden Erkenntnissen der Implementierungsforschung.401 Zum einen wird die zentrale Rolle des E-Business-Managers402 ersichtlich, der
einen gewissen, subjektiv wahrgenommenen Spielraum bei der Definition der konzeptionellen Anforderungen sowie der Beeinflussung der Implementierung hat. Zum anderen wird
die wechselseitige Beeinflussung von konzeptionellen Aspekten und Implementierung berücksichtigt. Die konzeptionelle Ebene wird in eine Mikro- und eine Makro-Ebene unterteilt. Auf der Makro-Ebene sind diejenigen übergeordneten Anbieterprozesse in Unternehmen enthalten, die im Rahmen der Leistungserstellung eines Internetkanaltyps tangiert werden. Auf der Mikro-Ebene werden sämtliche konzeptionellen Aspekte zusammengefasst,
welche die Ausgestaltung der konkreten Anbieterprozesse und Funktionalitäten des Kanals
Internet betreffen. Bei der Implementierungsdimension werden – wie in der einschlägigen
Literatur weit verbreitet – strukturelle und verhaltensbezogene Implementierungsaspekte
voneinander unterschie-den.403
401
402
403
Vgl. Kap. 2.2.
Vereinfachend wird hier von dem E-Business-Manager im Singular gesprochen, obwohl das E-Business-Team in
den meisten Unternehmen aus mehreren Personen besteht, welche die Implementierung mit beeinflussen. In dieser
Arbeit liegt der Fokus jedoch auf dem verantwortlichen E-Business-Leiter.
Vgl. Kap. 2.2.2.
92
Jeder der Internetkanaltypen stellt unterschiedliche Anforderungen an die Konzeption und
die Implementierung, die in den folgenden Kapiteln dargestellt werden. In Bezug auf das
Verhalten von E-Business-Managern konnten hingegen keine wesentlichen Unterschiede
festgestellt werden. Die hohe Übereinstimmung der Aussagen von E-Business-Managern
verschiedener Internetkanaltypen lässt vielmehr den Schluss zu, dass relativ ähnliche Faktoren des Verhaltens von E-Business-Managern förderlich bzw. hinderlich auf die Implementierung des jeweiligen Internetkanaltyps wirken. Sie werden daher erst in Kapitel 4.7. dargestellt.
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird gezeigt, welche idealtypischen Anforderungen an
die Implementierung der genannten Internetkanaltypen zu stellen sind. Diese werden mit der
tatsächlichen Implementierung in Unternehmen verglichen. Dieser Vergleich bringt Implementierungslücken und Implementierungsbarrieren zutage. Das vorläufige Framework dient
der empirischen Untersuchung als Grobraster. Hierbei wurde explorativ ermittelt, welche
konkreten Faktoren als Implementierungslücken und Implemementierungsbarrieren bzw. widerstände den Erfolg des Kanals Internet negativ beeinflussen, sowie welche Ursachen
hierfür verantwortlich sind.
Damit liefert das vorläufige Framework die Möglichkeit, situativ unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der jeweiligen Dimensionen zu identifizieren. In Abhängigkeit von dem
gewählten Internetkanaltypus sind unterschiedliche Ausprägungen der Faktoren innerhalb
der genannten Dimensionen dafür verantwortlich, ob der Einsatz eines Internetkanaltypus
erfolgreich bzw. nicht erfolgreich ist. Konkrete Faktoren innerhalb der Dimensionen Marktund Umfeldbedingungen, Verhalten des verantwortlichen E-Business-Managers, Konzeption und Implementierung wirken somit begünstigend bzw. hemmend auf den erfolgreichen
Einsatz eines Internetkanaltypus. In dem Framework wird davon ausgegangen, dass die
Herstellung eines bestmöglichen Fit der folgenden Faktoren den Erfolg des Einsatzes des
Kanals Internet positiv beeinflusst: Markt- und Umfeldbedingungen, schwerpunktmäßig zu
verwirklichender Internetkanaltypus, Verhalten des E-Business-Managers, Konzeption und
Implementierung.404
404
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1.5.1.
93
In dem Framework wird weiterhin unterstellt, dass der Erfolg bzw. Misserfolg der Implementierung eines Internetkanaltypus Rückwirkungen auf den weiteren Implementierungsprozess hat. Erfolg begünstigt weitere Implementierungsmaßnahmen, im günstigsten Fall
sogar ein Voranschreiten zur nächsthöheren Implementierungsstufe. Misserfolg hingegen
wirkt sich auf weitere Implementierungsaktivitäten tendenziell hemmend oder sogar hindernd aus.
3.3. Management der Implementierung des Kommunikationskanals Internet
3.3.1. Charakteristika und Anforderungen
Die Implementierung des Kommunikationskanaltypus ist in der Unternehmenspraxis recht
weit fortgeschritten. Dennoch bestehen auch hier noch Implementierungslücken und
–barrieren. Im vorliegenden Kapitel wird daher dargestellt, welche Anforderungen an einen
„idealen“ Kommunikationskanal im Internet zu stellen sind. Daraufhin werden die Implementierungslücken identifiziert, die zwischen der idealen und der tatsächlichen Implementierung dieses Kanaltypus existieren, sowie die dafür verantwortlichen Ursachen ermittelt.
Für viele Konsumenten ist es zunehmend üblich, sich über das Internet über die angebotenen Leistungen von Unternehmen zu informieren. Die zentralen Inhalte jeder von Unternehmen eingesetzten Web-Site stellen Informationen über ein Unternehmen und dessen
Dienstleistungen bzw. Produkte dar. Diese Informationen können in unterschiedlicher Art
präsentiert werden. Im einfachsten Fall werden auf der Welcome-Site und darunterliegenden Sites Informationen in Textform dargestellt. Der Nutzer muss hier lediglich die von ihm
gewünschte Site aufrufen bzw. anklicken, um zu den gewünschten Informationen zu gelangen. Hierbei handelt es sich somit um E-Services mit geringem Interaktionsgrad bzw. EServices i.w.S.405 Dahingegen können Informationen auch mittels interaktiver E-Services
bzw. E-Services i.e.S. bereitgestellt werden, z.B. in Form eines Produktkonfigurators oder
in Form von Demo-Versionen über Produkte, die der Nutzer selbständig zu durchlaufen hat.
405
Vgl. hierzu sowie den folgenden Ausführungen Kap. 2.1.6.2.
94
Letztlich soll durch die Darbietung von Informationsservices das Interesse des Kunden am
Kauf der Leistungen eines Unternehmens stimuliert werden.
Darüber hinaus wird zunehmend erkannt, dass Unternehmen den Kommunikationskanal Internet auch dazu nutzen, operative Kosten im Kundenkontaktmanagement zu senken.406
Dies wird insbesondere durch einen zunehmenden Kanalwechsel der Nutzer zugunsten des
Kommunikationskanals Internet erreicht. Hierbei ist es das zentrale Ziel, die Informationssuche zunehmend an den Interessenten zu externalisieren. Dadurch, dass er sich durch die
Nutzung von E-Self-Services selbst über die Leistungen eines Unternehmens informiert,
sinkt der Beratungsaufwand durch Mitarbeiter des Unternehmens bzw. Mitarbeiter von Intermediären.
Im Folgenden werden die Anforderungen an Unternehmen, die den Kommunikationskanaltyp implementieren, in Bezug auf die Informations- und Kontaktfunktion getrennt untersucht.
Kommunikationskanaltyp
Kommunikationskanaltyp
Informationsfunktion
Informationsfunktion
Kontaktfunktion
Kontaktfunktion
Abbildung 21: Informations- und Kontaktfunktion des Kommunikationskanaltyps
Anforderungen in Bezug auf die Informationsfunktion
Um den Kommunikationskanal Internet möglichst effektiv im Hinblick auf seine Informationsfunktion einzusetzen, besteht die zentrale Anforderung für Unternehmen darin, die von
den Zielgruppen gewünschten Informationen und Informationsservices zu kennen (inhaltli-
406
Vgl. Zurek et al. 2001, S. 2f. Dieses Ziel wurde bei allen Expertengesprächen explizit genannt.
95
che Komponente), und diese dann in einer geeigneten Art auf der Web-Site des Unternehmens darzustellen (formale Komponente).
Um die Güte inhaltlicher und formaler Aspekte einer Web-Site zu erfassen, sind Kriterien
zur Erfassung der Qualität von Web-Sites von zentraler Bedeutung.407 Unter „Qualität“ versteht man im Allgemeinen die „Beschaffenheit“, „Güte“ oder den „Wert“ eines Objektes.
„Qualität“ ist gemäß der Definition der Deutschen Gesellschaft für Qualität als „[..] die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung,
festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen” bzw. als die „realisierte Beschaffenheit einer Einheit bezüglich der Qualitätsforderung“ zu verstehen.408 Beim subjektiven
Qualitätsbegriff stehen Kundenwünsche und die Wahrnehmung von Leistungsmerkmalen,
die vom Kunden als wichtig erachtet werden, im Mittelpunkt der Betrachtungen.409
Die inhaltliche Komponente umfasst die Auswahl der für die Zielgruppen „relevanten“ Informationen, die Informationsbreite, -tiefe und -qualität. Im Allgemeinen zeichnen sich qualitativ hochwertige Informationen durch folgende Attribute aus:410
—
—
—
—
—
—
problemlösungsrelevant
korrekt oder zumindest wahrscheinlich
glaubhaft und überprüfbar
präzise und verständlich
detailliert und umfassend
zeitnah und aktuell
Der Kommunikationskanal sollte idealerweise sämtliche Informationen und E-Self-Services
bieten, die für Interessenten im Zusammenhang mit ihren Informationsbedürfnissen in der
407
408
409
410
Um Qualitätsdimensionen und –kriterien von Web-Sites zu identifizieren, können auch Erkenntnisse weiterer Forschungsrichtungen hinzugezogen werden, insbesondereauch Kriterien der Softwarequalität. Vgl. hierzu Breithaupt
2002, S. 190; Leung 2001, S. 135; Meyerhoff et al. 2000, S. 135. Des Weiteren werden auch in der Dienstleistungsliteratur – genauer gesagt dem Forschungsfeld zur (E-)Service-Quality – Kriterien ermittelt, um die Güte von ECommerce-Sites zu bewerten. Vgl. hierzu Kap. 3.4.1.
Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. 1995; vgl. a. Bruhn 2001, S. 27f.
Hentschel 2000, S. 295; Meffert/Bruhn 2000, S. 217; Garvin 1984, S. 25ff.
Doutreval 2002, S. 43; vgl. auch und die dort angegebenen Quellen.
96
Such- und Kaufphase sowie für bestehende Kunden im Rahmen der Nutzungs- und Wiederkaufphase von Relevanz sind. Neben der Präsentation von rein statischen Informationen ist
es verbreitet, das Web aufgrund der Multimedialität des Internet dazu zu nutzen, auch interaktive Services zur Informationsvermittlung anzubieten.411 Bei der Nutzung interaktiver EServices i.e.S. (z.B. Car Configurator) ist die aktive Teilnahme des Nutzers am Prozess der
Leistungserstellung erforderlich. Hierbei gilt es, die Prozessevidenz sicherzustellen und somit als Anbieter zu gewährleisten, dass der Nutzer versteht, welche Angaben im Lauf des
Prozesses von ihm erfordert werden.412
Um die formale Komponente der Informationsfunktion zu analysieren, wird versucht, die
Qualität von Web-Sites zu bestimmen. Die Qualität von Web-Sites wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Teildisziplinen (Marketing, E-Commerce, Wirtschaftinformatik)
untersucht, die alle unterschiedliche Kriterienkataloge vorlegen.413 Den umfangreichsten
Kriterienkatalog legen Liu/Arnett vor. Die Autoren differenzieren insgesamt sechs Dimensionen der Qualität von Web-Sites, die in Tabelle 6 dargestellt sind:
Qualitätsdimensionen
Qualitätsfaktoren
Informationsqualität
Relevante, fehlerfreie, rechtzeitige Information; flexible und kundenspezifische Darbietung der Informationen; Produkt- und Servicedifferenzierung; vollständige Beschreibung von Produkten und
Services; Preisinformation; zufriedenstellende ethische Standards;
wahrgenommene Produkt- und Servicequalität; Informationen zur
Unterstützung von Unternehmenszielen
Lernfähigkeit
Interaktivität zwischen Kunde und Unternehmen; klar definierte
Links; Hilfe-Funktion; individualisierbare Suchmaschine
Lebhaftigkeit
Freude; Reiz; Gefühl der Beteiligung; Fluchtmöglichkeit
Systemqualität
Sicherheit; schneller Zugriff; schnelle Fehlerbehebung; genaue
Arbeitsvorgänge und Berechnungen; Koordination
Systemanwendung
Vertrauen; Kontrolle; einfache, bequeme Bedienung; Datenschutz
411
412
413
Vgl. hierzu Kap. 2.1.6.2.
Vgl. Kap. 2.1.6.1.
Vgl. Aladwani/Palvia 2001; Fritz 2001; Liu/Arnett 2000; Huizingh 2000; Alpar 1999.
97
Servicequalität
Tabelle 6:
Schnelle Ansprechbarkeit; Leistungskompetenz; Einfühlungsvermögen; Folgeservice
Dimensionen und Faktoren der Qualität von Web-Sites (Quelle: Liu/Arnett 2000, S. 27; eigene
Übersetzung)
In einer anderen Systematisierung unterscheidet man zwischen subjektiven und objektiven
Qualitätskriterien. Die objektive Qualität einer Web-Site und der zugrundeliegenden Systeme (Server etc.) wird durch die Kriterien Funktionsfähigkeit, Sicherheit und Datenschutz,
Leistungsfähigkeit und Skalierbarkeit sowie Kompatibilität bestimmt.414 Subjektive Qualitätsdimensionen einer Web-Site betreffen die Benutzerfreundlichkeit („Usability“). Damit
Kunden benötigte Informationen problemlos und schnell finden können, sollte die formale
Gestaltung von Web-Sites ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit aufweisen. Eine WebSite gilt im Allgemeinen dann als benutzerfreundlich, wenn sie für ihre Nutzer logisch und
nachvollziehbar aufgebaut sowie intuitiv bedienbar ist. Unter der Benutzerfreundlichkeit
bzw. Usability werden somit die Gestaltung der formalen Aspekte einer Web-Site zusammengefasst, insbesondere die Navigation und das Design einer Web-Site.415 I.d.R. liegen für
Internet-Applikationen im Gegensatz zu klassischer Software keine Schulungen, Handbücher oder Kontext-Hilfen vor. Dementsprechend ist auch der Funktionsumfang von Internetanwendungen einzuschränken.416 Da man in der Regel auf eine hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und der Interneterfahrung heterogene Zielgruppe trifft, sind auch die (begrenzten)
Fähigkeiten von wenig erfahrenen Internetnutzern zu berücksichtigen.417
Formale und inhaltliche Mängel können sich wesentlich auf das Nutzungsverhalten von Interessenten und Kunden auswirken. Die naheliegende Reaktion eines Nutzers, dessen Erwartungen an eine Web-Site im Allgemeinen und bestimmte E-Services im Besonderen
nicht erfüllt werden, ist Unzufriedenheit. Im Allgemeinen ist die Zufriedenheit eines Kunden mit den Leistungen eines Anbieters als Ergebnis von Vergleichsprozessen zu verstehen,
bei denen Erwartungen und Ansprüche von Kunden an die erbrachte Leistung mit der aus
Kundensicht wahrgenommenen tatsächlich erhaltenen Leistung verglichen wird.418 Auf414
415
416
417
418
Vgl. zu Details Dustin et al. 2002, S. 2f., 11, 59, 115, 159f., 191ff.
Dustin et al. 2002, S. 3f.
Meyerhoff et al. 2000, S. 135.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Meyer/Dornach 1998, S. 249f; Parasuraman et al. 1985.
98
grund ihres Sekundärdienstleistungscharakters erscheint es gerechtfertigt, diesen Sachverhalt auch auf die Web-Site und die darauf angebotenen E-Services zu übertragen. Sowohl
die Erwartungen wie auch die wahrgenommene Leistung werden von mehreren Determinanten beeinflusst, wie Abbildung 22 verdeutlicht.
Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis eines Vergleichsprozesses des
Kunden zwischen
seinen
Erwartungen
Individuelles
Anspruchsniveau
Image des
Anbieters
und
Wissen des Kunden um
Alternativen
Leistungsversprechen
des Anbieters
den wahrgenommenen
Leistungen
aktuelle
Erfahrungen
subjektive
Wahrnehmung
der Leistung
individuelle
Problemlösung
Abbildung 22: Beeinflussungsfaktoren der Kundenzufriedenheit (Quelle: Meyer/Dornach 1998, S. 250)
Wenn die Erwartungen des Nutzers an eine Web-Site bzw. einen E-Service nicht erfüllt
werden, resultiert dies in der Regel in Unzufriedenheit. Unzufriedenheit führt im besten Fall
dazu, dass Kritik geäußert wird, die ein Anbieter für Verbesserungsmaßnahmen nutzen
kann.419 Im schlimmsten Fall werden bestimmte Services bzw. die Web-Site nicht mehr so
häufig bzw. gar nicht mehr genutzt. Darüber hinaus sind auch negative Rückwirkungen auf
das Markenimage eines Anbieters zu befürchten.420
In Bezug auf die wahrgenommene Leistung spielt das subjektiv empfundene Qualitätsniveau bei der Nutzung einer Web-Site eine zentrale Rolle. Das gewünschte Qualitätsniveau
stellt eine Mischung aus der als möglich erachteten und der erwarteten Leistungsqualität
dar. Wird das gewünschte Qualitätsniveau erreicht, kann man mit der Zufriedenheit des
Kunden rechnen. Kunden empfinden angebotene Leistungen selbst dann noch als zufrieden-
419
420
Vgl. Parasuraman et al. 2001, S. 468; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd..
99
stellend, wenn sie das gewünschte Qualitätsniveau unterschreiten. Angebotene Leistungen
müssen mindestens einem als angemessen empfundenen Qualitätsniveau entsprechen, ansonsten ist mit Unzufriedenheit zu rechnen. Den Bereich zwischen dem gewünschten Qualitätsniveau und dem angemessenen Qualitätsniveau bezeichnet man somit als Toleranzzone.
Wenn das empfundene Qualitätsniveau innerhalb der Toleranzzone liegt, schenkt der Kunde
der Leistungserfüllung i.d.R. keine besondere Aufmerksamkeit.421 Eine Übererfüllung des
gewünschten Qualitätsniveaus kann vom Kunden zwar positiv bewertet werden, aber nur
unterdurchschnittlich honoriert werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die zusätzlichen Qualitätskosten durch eine höhere Preisbereitschaft des Kunden nicht zumindest
kompensiert werden. Vielmehr steigt dann die Erwartungshaltung des Kunden, so dass Zufriedenheit in Folge immer schwieriger zu realisieren sein wird. Somit gilt es nicht ein maximales, sondern ein optimales Qualitätsniveau zu verwirklichen.422
Kontaktfunktion
Die Kontaktfunktion ermöglicht es den Nutzern einer Web-Site, über die Inanspruchnahme
von Informationen hinaus Kontakt mit Mitarbeitern eines Unternehmens über das Internet
aufzunehmen. Dies ist beispielsweise dann hilfreich, wenn Nutzer weitergehende Informationen oder Services benötigen, welche sie auf der Web-Site nicht finden bzw. sich tiefergehender über die Unternehmensleistungen informieren möchten. Dazu können sie beispielsweise Broschüren, Kataloge und anderes Informationsmaterial bestellen oder eine telefonische bzw. persönliche Beratung anfordern. Von dieser aus Unternehmenssicht passiven
Kontaktmöglichkeit zu unterscheiden ist die aktive Ansprache der Kunden im Rahmen der
Marketingkommunikation, z.B. mittels des E-Mail-Marketings.423
421
422
423
Parasuraman et al. 2001, S. 468.
Pepels 1996, S. 31.
Warschburger/Jost 2001, S. 242ff. Vgl. hierzu auch Kap. 1.2.
100
Initiierung von
von Kontakten
Kontakten
Initiierung
Erfassung und
und Weiterleitung
Weiterleitung
Erfassung
Bearbeitung
Bearbeitung
Erfolgskontrolle
Erfolgskontrolle
Abbildung 23: Prozessschritte beim Management von Kundenkontakten auf dem Internet (Quelle: In Anlehnung an Campell, Expertengespräch Winterthur)
Um die Anforderungen an Unternehmen zu analysieren, die eine Kontaktfunktion auf dem
Internet anbieten, werden idealtypisch die in Abbildung 23 ersichtlichen Prozessschritte
beim Management von Kundenkontakten auf dem Internet unterschieden.
Um Kontakte zu initiieren sind die Nutzer einer Web-Site, die an den Leistungen eines Unternehmens interessiert sind, dazu zu motivieren, weitere Kontaktmöglichkeiten zum Unternehmen in Anspruch zu nehmen. Damit werden sie im Buying Cycle gehalten sowie aktiv
bei dessen Durchlaufen unterstützt. Hierfür muss es ihnen ermöglicht werden, adäquate
Kontaktmöglichkeiten problemlos zu finden und in Anspruch nehmen zu können. Zur Kontaktaufnahme werden dem Nutzer auf der Web-Site in der Regel mehrere Medien zur Verfügung gestellt, insbesondere das Telefon und das E-Mail. Letztere Kontaktmöglichkeit
steht im Zentrum der Betrachtungen dieses Abschnitts. Die Kontaktaufnahme per E-Mail
sollte auch für nicht versierte Nutzer mit verschiedenen Hard- und Softwarekonfigurationen
problemlos nutzbar sein.
Im weiteren Verlauf des Prozesses ist zu gewährleisten, dass Nutzeranfragen erfasst und an
die jeweils zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet werden. Allgemeine Anfragen werden
101
meist an das Service- bzw. Call-Center424 geleitet und dort von Mitarbeitern bearbeitet.425
Spezifische Anfragen bzw. der Wunsch nach einer Kontaktaufnahme durch einen in der
Wohnregion angesiedelten Berater werden hingegen direkt an regionale Verkaufsniederlassungen bzw. Vertragshändler weitergeleitet, welche die Anfrage bearbeiten bzw. sich mit
einem Kontaktsuchenden in Verbindung setzen.426 Als zukünftiges Szenario wird das
Customer Interaction Center (CIC) propagiert, in dem die Kanäle Telefon, Fax, Web, EMail und Post zusammenlaufen. Ziel ist die Schaffung einer inbound- und outboundorientierten427 Organisationseinheit, die als zentrale Schnittstelle zwischen Unternehmen
und Kunden alle Arten von Kundenkontakten betreut.428
Diese integrierte Lösung birgt den zentralen Vorteil, dass bereits vorhandenes Wissen und
bestehende Prozesse zur Bearbeitung von Kundenanfragen genutzt werden können. Dies betrifft insbesondere das Fachwissen der Kundenkontaktmitarbeiter, deren Fähigkeiten im
Umgang mit Kunden genutzt werden, um über bewährte Prozessabläufe sowohl eine hinreichende Beratungsqualität bzw. –effektivität als auch Beratungseffizienz zu gewährleisten.
Somit wird vermieden, dass eine mit entsprechendem Ressourceneinsatz verbundene Beschäftigung, Schulung und Kontrolle von Kundenkontaktmitarbeitern, die ausschließlich internetbasierte Kontakte bearbeiten, in der E-Business-Abteilung erforderlich ist.429
Bei der Bearbeitung von Kundenanfragen ist zu gewährleisten, dass der jeweilige Mitarbeiter die Anfrage zeitnah und adäquat beantwortet, so dass der Informationsbedarf eines Interessenten bestmöglich gestillt wird. Hierfür sind geeignete Kontrollmaßnahmen zu imple424
425
426
427
428
429
Unter einem Call-Center versteht man „[..] eine selbständige Organisationseinheit, deren Ziel es ist, mit Einsatz modernster Kommunikationstechniken einen serviceorientierten und effizienten Dialog zwischen einem Unternehmen
und dessen Kunden, Interessenten und Lieferanten zu führen.“ (Thieme/Steffen 2000, S. 39).
Dyché 2002, S. 53.
Vgl. hierfür beispielsweise die entsprechenden E-Services bei Swiss Life unter https://www.Swiss Life.ch/slch/de/home/individuals/consultadvice/personalconsult.html und http://www.Swiss Life.ch/slch/de/gs/agency.html?zipcode=9000&x=5&y=5.
Unter „Inbound Calls“ versteht man alle im Call Center eingehenden Anrufe und Kontakte. Der Begriff „Outbound“
umfasst hingegen aktives Telemarketing und Teleselling durch die Call Center Mitarbeiter. Vgl. zu Details Thieme/Steffen 2000, S. 40f.
Füsgen/Höfer 2002, S. 827ff.; Ummenhofer/Schneegans 2001. Weitgehend synonym werden auch die Begriffe
Customer Care Center, Contact Center, Knowledge Center, Internet Call Center sowie web-basiertes Call Center
verwendet (Füsgen/Höfer 2002, S. 827; Dyché 2002, S. 53; Elsten/Chapuis 1999, S. 62).
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
102
mentieren. Des Weiteren ist im Rahmen der Kontrolle zu ermitteln, zu welchem Ergebnis
die weitere Beratung geführt hat.430
3.3.2. Erfolgsbarrieren
Die Experteninterviews zeigen, dass bei Unternehmen, die den Schwerpunkt auf die Nutzung des Internet als Kommunikationskanal legen, typischerweise noch Akzeptanzdefizite
bei Vorgesetzten vorherrschen, die auf eine geringe wahrgenommene Bedeutung des Kommunikationskanals Internet zurückzuführen sind. Dies ist tendenziell in Branchen mit beratungsintensiven Produkten und der damit verbundenen zentralen und historisch gewachsenen Bedeutung des persönlichen Verkaufs besonders stark ausgeprägt. Des Weiteren ist das
auch dann in besonderem Maß der Fall, wenn kein Voranschreiten des Schwerpunkts der
Aktivitäten zur nächsten Implementierungsstufe des Absatzkanals in der nahen Zukunft angestrebt wird.431
Die Akzeptanz im Unternehmen wird dadurch zusätzlich beeinträchtigt, dass typischerweise Mängel bei der formalen bzw. der inhaltlichen Ausgestaltung der Web-Sites zu verzeichnen sind. Anhand der Expertengespräche wird ersichtlich, dass Web-Sites hinsichtlich der
formalen Ausgestaltung in zu geringem Maß an den Fähigkeiten der Nutzer ausgerichtet
sind. Außerdem sind die dargebotenen Inhalte in zu geringem Maß an den Bedürfnissen der
Nutzer ausgerichtet.432
Eine weitere Erfolgsbarriere stellen die häufig verzeichneten hohen Kosten der Implementierung und Pflege von Web-Sites dar. Hier bestehen noch ungenutzte Rationalisierungspotenziale, deren Ausschöpfung vor dem Hintergrund einer zu geringen unternehmensinternen
430
431
432
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen. Bei
der SBB AG und Orange Communications SA wird hingegen angestrebt, den Kanal zum Absatzkanal auszubauen.
In diesen Fällen treten die genannten Akzeptanzbarrieren nicht in dieser Deutlichkeit in Erscheinung (Niederhauser,
Expertengespräch SBB AG; Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA).
Memper-Schmid, Exkpertengespräch Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
103
Akzeptanz und des nur schwer quantifizierbaren Nutzens des Kommunikationskanals Bedeutung erlangt.
Einen Überblick über die zentralen Erfolgsbarrieren und die dafür ursächlich verantwortlichen Implementierungslücken und –barrieren liefert die folgende Abbildung 24:
Markt- und
Umfeldbedingungen
Zeitdruck
E-BusinessManager
strukturelle
Implementierungsebene
Technisch
geprägte
Ausbildung
Dominanter
Einfluss der
IT- Abteilung
Begrenztes
Budget
Technik: Kein
CMS
verhaltensbezogene
Implementierungsebene
Formale Mängel der WebSite
MarketingKomm.:
Mangelndes
„Können“
Mkt.-Komm/
Produktmgmt.:
Mangelnde
Akzeptanz
Verkauf:
Mangelndes
Wissen und
Ressourcen
Legende:
Implementierungslücke
Implementierungsbarriere
Kein system.
Kontaktmgmt.
Inhaltliche Mängel der
Web-Site
Formale und inhaltliche
Mängel der Web-Sites von
Verkaufsniederlassungen
Hohe Kosten der Web-Site
Pflege
Unzureichende
Automatisierung
Erfolgsbarriere
Erfolgsbarrieren
Customer Care
bzw. Vertrieb:
Widerstand
Mängel im
Kontaktmanagement.
Vorgesetzte:
Geringe wahrgenommene
Bedeutung
Geringe Akzeptanz des
Kanals
Abbildung 24: Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des Kommunikationskanaltyps
(Quelle: eigene Darstellung)
104
3.3.2.1. Geringe Akzeptanz des Kanals
Eine zentrale Erfolgsbarriere stellt die geringe Akzeptanz des Kommunikationskanals Internet im Unternehmen dar. Hier wirken sich vielfach noch die enttäuschten Erwartungen und
negativen Erfahrungen der Depression nach dem Internet-Hype aus, so dass eine vorsichtige
bis skeptische Haltung in Unternehmen überwiegt.433 Besonders stark wirkt sich eine solche
Haltung bei Vorgesetzten aus, welche die Zuweisung des Budgets für das E-Business verantworten.
Wenn Vorgesetze dem Kommunikationskanal Internet im Rahmen der Marktbearbeitung
eine relativ geringe Bedeutung zumessen, dann hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die
Höhe des Budgets des E-Business und damit auch auf den finanziellen Spielraum zur Ausgestaltung und Pflege des Kanals.434 Eine geringe Bedeutung wird dem Kommunikationskanal Internet beispielsweise bei beratungsintensiven Versicherungs-leistungen zugemessen, wo die persönliche Informationsvermittlung nach wie vor stark dominiert.435 Ein Indikator für eine geringe Bedeutung ist darin zu erkennen, wenn dem E-Business keine Ziele in
Bezug auf den Kommunikationskanal Internet vorgegeben werden, so dass letztlich auch
keine Erfolgskontrolle durchgeführt werden kann.436
Die meist negativen Erfahrungen und enttäuschten Erwartungen zu Beginn des Jahrzehnts
führen dabei zu einer überwiegend pessimistisch-vorsichtigen bis abwartenden Haltung bei
Vorgesetzten. Im „schlimmsten“ Fall wird der Kanal aus „Marktzwängen“ heraus als notwendig hingenommen – insbesondere aufgrund von Wettbewerberaktivitäten – während die
Kosten seines Aufbaus und Betriebs möglichst gering gehalten werden sollen.437 Erschwert
wird dies dadurch, dass der Nutzen eines Kommunikationskanals schwierig zu quantifizieren
ist, wie die folgende Expertenaussage stellvertretend belegt:
433
434
435
436
437
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
Vuyk, Expertengespräch Helsana AG.
Vgl. Kap. 1.1.
105
—
„Es ist schwierig zu belegen, welchen konkreten Nutzen es für das Unternehmen erbringt, wenn man nur einen bestimmten Teil des Verkaufsprozesses abdeckt.“438
Begrenzte Budgets können sich wiederum negativ auf die kundenorientierte Ausgestaltung
von Web-Sites auswirken. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn aus finanziellen
Gründen keine bzw. nur sporadisch Usability-Tests durchgeführt werden.439
Weitere Akzeptanzbarrieren sind auch beim Verantwortlichen sowie den Mitarbeitern des
Funktionsbereichs Customer Care zu verzeichnen. Die Akzeptanz bei der Abteilungsleitung
Customer Care ist dann gering, wenn telefonische Anrufe beim Customer Care zunehmend
durch die Selbstbedienung des Kunden im Internet substituiert werden. Der Abteilungsleiter
Customer Care hat somit mit abnehmenden Budgets und (subjektiv empfundener) schwindender Macht zu kämpfen. Diese verhaltensbezogenen Implementierungswiderstände werden dann verstärkt, wenn kein geigneter Anreiz bzw. Zwang dazu vorliegt, Kosten im Kundenkontakt zu senken.440
Bei Mitarbeitern der Funktionalbereiche Customer Care und Vertrieb dominiert die Angst
vor der Substitution ihrer Funktionen durch den neuen Kanal Internet. Viele derjenigen Informationen, die sie dem Kunden vermitteln, können von Kunden per Self-Service über das
Internet eingeholt werden. Des Weiteren sind auch Ängste in Bezug auf Schulungsmaßnahmen zu erkennen, welche die Mitarbeiter dazu befähigen sollen, höherwertige Beratungsleistungen als zuvor zu vollbringen, während gleichzeitig die Vermittlung von grundlegenden Informationen weitgehend auf den Kanal Internet verlagert wird.441
Weitere verhaltensbezogene Implementierungswiderstände können auch bei nicht direkt
betroffenen Personen im Unternehmen zu verzeichnen sein und somit ein negatives Image
des Kommunikationskanals Internet im Unternehmen widerspiegeln. Dies ist insbesondere
dann der Fall, wenn sich der Eindruck festgesetzt hat, dass der Kommunikationskanal Inter-
438
439
440
441
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Vgl. Kap. 3.3.2.2.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
106
net zwar hohe Investitionen erfordert, jedoch keinen adäquaten Nutzen für ein Unternehmen
erbringt.442
3.3.2.2. Formale Mängel der Web-Site
Formale Mängel bzw. Usability-Mängel werden insbesondere dann offensichtlich, wenn
Nutzer Schwierigkeiten damit haben, gewünschte Inhalte auf der Web-Site zu finden oder
Self-Service-Prozesse vollständig selbständig zu durchlaufen.443 Usability-Mängel treten
insbesondere in Bezug auf die grundlegende Navigationsstruktur, die grafische Darstellung
der Navigationsmenüs und -submenüs und deren Bezeichnungen auf. Des Weiteren sind
auch Mängel bei der Nutzerführung durch Self-Service-Prozesse zu verzeichnen.
Ein Versäumnis besteht darin, wenn der mit einem quantitativen Wachstum einhergehenden
gestiegenen Komplexität einer Web-Site nicht durch eine Anpassung bzw. Vereinfachung
der Navigationsstruktur und der Navigationsmenüs entgegengewirkt wird.444 Zudem kann
die grafische Darstellung der Menüs und Submenüs nicht nur für ungeübte Nutzer verwirrend sein, insbesondere wenn nicht mehr ersichtlich ist, auf welcher Unterebene man sich
innerhalb einer Navigationsstruktur bewegt.445 Schließlich entspricht die Bezeichnung der
Navigationsmenüs und –submenüs nicht immer dem Sprachgebrauch („wording“) der Kunden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn interne bzw. produktorientierte Bezeichnungen gewählt werden, die Nutzern nicht zwingendermaßen geläufig sein müssen.446
„The most important element is the catalogue. It is the heart of the site. But the link does
not say “catalogue”, it says “products”. We started with “systems and solutions”, which is
442
443
444
445
446
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Druzovic; Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (2); Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Booth, Expertengespräch Hilti AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
107
really horrible. That is not the language our customers use. “Products” is better, “product
catalogue” would be even better and makes it a little bit more prominent.”447
Fallbeispiel 1: Bezeichnung von Navigationsmenüs bei Hilti (Quelle: Warren, Expertengespräch Hilti AG)
Des Weiteren äußert sich eine mangelnde Orientierung an den Fähigkeiten der Nutzer auch
darin, wenn Nutzer Schwierigkeiten beim Durchlaufen von Self-Service-Prozessen haben
oder diese gar abbrechen. Insbesondere wenig erfahrene Nutzer können hier Probleme haben und die Nutzung des E-Self-Services abbrechen, wenn die Nutzerführung nicht einfach
gestaltet bzw. inhaltlich nicht klar verständlich ist und der Nutzer somit nur unzureichend
beim Durchlaufen des Self-Service-Prozesses unterstützt wird:
—
„It is a generic figure from diverse studies that about 60% of all services are failing because of their usability.”448
Bei der Daimler-Chrysler AG hat man festgestellt, dass insbesondere wenig geübte Internet-Nutzer und solche Interessenten, welche die Produktpalette von Mercedes-Benz nicht
gut kennen, Schwierigkeiten bei der Nutzung der Mercedes-Benz Web-Site haben. Erstere
haben Mühe mit der Navigation. Sie ist dem Windows Explorer nachempfunden und kann
ab einer Navigationstiefe von zwei bis drei Unterebenen verwirrend wirken. Personen,
welche die Produkte von Mercedes-Benz nicht genau kennen, haben Schwierigkeiten,
schnell und bequem an gewünschte Informationen zu gelangen. Darüber hinaus sind ESelf-Services wie der Car Configurator zu kompliziert sowie unübersichtlich und bieten
dem Nutzer zu wenig Unterstützung während des Konfigurationsprozesses.
Fallbeispiel 2:
Usability-Mängel der Mercedes-Benz Web-Site (Quelle: Druzovic, Expertengespräch DaimlerChrysler AG)
Bei der Ursachenanalyse stößt man zunächst auf den Umstand, dass zur Zeit des InternetBooms viele Unternehmen ihre Web-Sites unter hohem Zeitdruck aufgebaut haben. Hierfür
war insbesondere der Wettbewerbsdruck verantwortlich. Jedes Unternehmen wollte als Innovator gelten bzw. zumindest gegenüber den Aktivitäten des Wettbewerbs nicht zurückfal-
447
448
Warren, Expertengespräch Hilti AG.
Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
108
len.449 Es verwundert daher nicht, dass Web-Sites hinsichtlich der Quantität ihrer WebPages schnell gewachsen sind und die Priorität auf der schnellen Implementierung von neuen E-Self-Services lag, während Usability-Aspekte vernachlässigt wurden.450
Usability-Mängel bei der formalen Gestaltung des Kommunikationskanals Internet sind neben Zeitaspekten auch auf eine zu einseitige Fokussierung auf technische Aspekte bei der
Implementierung der Web-Sites zurückzuführen. Der Auf- und Ausbau des Kommunikationskanals Internet war zu Beginn aufgrund der erforderlichen Schaffung von informationstechnologischen Systemen (z.B. Server, Anbindung an Informationssysteme) und der Programmierung von Web-Sites stark von technischen Gesichtspunkten und somit von der ITAbteilung geprägt, was sich noch bis heute auswirkt. Dies wird dann noch verstärkt, wenn
verantwortliche E-Business-Manager in Bezug auf ihre Ausbildung stärker technisch denn
betriebswirtschaftlich geprägt sind, und die Bedeutung der Usability unterschätzen.451 Wenn
die Umsetzungsverantwortung für E-Business-Projekte bei der IT-Abteilung liegt, kann dies
eine strukturelle Implementierungsbarriere einer an Kundenbedürfnissen ausgerichteten
formalen Ausgestaltung von Web-Sites darstellen.452
Der Online-Fahrplan stellt den meistgenutzten E-Self-Service auf der Web-Site der SBB
AG dar. Im Rahmen einer Überarbeitung dieses E-Self-Service wurden neue Funktionalitäten integriert. Damit hatten manche Nutzer jedoch Schwierigkeiten. So war die Informationshierarchie nicht immer klar, was zu Verunsicherung geführt hat. Dies hat entsprechend
negative Kundenreaktionen ausgelöst.
Die IT-Abteilung nimmt bei der SBB die zentrale Rolle bei der Implementierung neuer EServices bzw. E-Service-Funktionalitäten ein. Somit stand bei der Implementierung der
neuen Funktionalitäten des Online-Fahrplans eine technisch-funktionale Sichtweise im
Zentrum, während eine Überprüfung der Usability nicht durchgeführt wurde.
Fallbeispiel 3:
449
450
451
452
Vernachlässigung der Usability am Beispiel neuer Funktionalitäten des Online-Fahrplans bei
der SBB AG (Quelle: Niederhauser, Expertengespräch SBB AG)
Vgl. Kap. 1.1.
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; vgl. a. Belz 2002, S. 217.
109
Usability-Tests für E-Self-Services waren in den meisten der untersuchten Unternehmen
zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht zwingend vorgeschrieben. Aufgrund des mit solchen
Tests verbundenen monetären und zeitlichen Aufwands werden sie vorwiegend nur bei der
Implementierung zentraler E-Services oder im Rahmen einer Neugestaltung der Web-Site
vorgenommen.453 Hinzu kommt, dass bei bereits implementierten älteren E-Services aus den
genannten Kosten und Zeitgründen heraus häufig keine bzw. nur teilweise nachträglich Usability-Tests durchgeführt werden.454
Eine weitere Erfolgsbarriere des Kommunikationskanaltyps ist dann zu verzeichnen, wenn
regionale Verkaufsniederlassungen455 eigene Web-Sites betreiben und das Web-Design
nicht den Corporate Design (CD) Richtlinien entspricht.456 Erschwerend kommt hinzu,
wenn nur wenige Inhalte geboten werden und diese meist auch nur sporadisch aktualisiert
werden. Somit ist zu befürchten, dass sich solche Web-Sites negativ auf das Markenimage
des Mutterunternehmens auswirken können.457 Die Erstellung und Pflege einer Web-Site hat
häufig eine geringe Priorität gegenüber Aktivitäten, die unmittelbar dem Verkauf der Produkte und Dienstleistungen gelten. Außendienstmitarbeiter bzw. Vertragshändler haben insbesondere in Zeiten eines zunehmenden Konkurrenzdrucks und schwieriger konjunktureller
Bedingungen Schwierigkeiten damit, ihre Umsatzziele zu erreichen, und können daher nur
in geringem Ausmaß Aktivitäten nachgehen, die nicht unmittelbar mit dem Verkauf in Verbindung stehen.458
3.3.2.3. Inhaltliche Mängel der Web-Site
Die zentrale Implementierungslücke inhaltlicher Art stellt es dar, wenn die Inhalte von
Web-Sites eher „produktorientiert“ als auf die Bedürfnisse von Interessenten und Kunden
453
454
455
456
457
458
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Scheuch, Expertengespräch Helsana AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Vgl. Nieschlag et al. 2002, S. 887.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen. Vgl.
zu Details zur Corporate Identity und zum Corporate Design Birkigt et al. 2002.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
110
zugeschnitten sind. Hierfür ist es typisch, dass zwar (technische) Produktinformationen
vorhanden sind, jedoch Informationen zu konkreten Anwendungssituationen – auch im
Hinblick auf heterogene Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen – nicht bzw. nicht hinreichend verfügbar sind.459 Ein relativ geringes Nutzungsvolumen auf Web-Sites ist somit auf
eine mangelnde Attraktivität der Inhalte und E-Services aufgrund unzureichender Mehrwerte zurückzuführen.460
Die Ursache hierfür ist verhaltensbezogener Art. Wenn die E-Business-Abteilung für die
Erstellung und Pflege des Content auf der Web-Site verantwortlich ist, können Schwächen
in Bezug auf die Fähigkeit des E-Business offensichtlich werden, zielgruppengerechte
Kommunikationsinhalte zu erstellen. Zusätzliche Schwierigkeiten entstehen, wenn die Abstimmung mit dem für die Marketingkommunikation zuständigen Fachbereich und mit den
für einzelne Produktbereiche verantwortlichen Abteilungen nicht reibungslos funktioniert.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Internet bei den betreffenden Personen noch
nicht als Kommunikationsmedium etabliert und akzeptiert ist.461 Hierunter leidet in manchen Fällen auch die Häufigkeit der Aktualisierung der Inhalte und damit die Aktualität von
Inhalten selbst. Dies wird dann offensichtlich, wenn Produktneuheiten und –änderungen den
für die Aktualisierung der Web-Site verantwortlichen E-Business-Mitarbeitern nicht bzw.
nur sporadisch kommuniziert werden.462
Diese Probleme treten insbesondere dann auf, wenn der Kommunikationskanal nicht vollständig in bestehende Prozesse der Marketingkommunikation integriert ist. Dabei obliegt
die Erstellung und Pflege der Inhalte weiterhin dem E-Business-Bereich, während dieser jedoch auf die (inhaltliche) Unterstützung durch die Marketingkommunikation angewiesen
ist. Die (informelle) Betreuung bzw. Beratung hinsichtlich der Kommunikationsinhalte des
Internetkanals stellt somit eine Zusatzbelastung für die Mitarbeiter des Bereichs dar, für die
keine hinreichende Kompensation in der Form einer Zuweisung klarer Verantwortlichkeiten
und Budgets existiert.
459
460
461
462
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Vuyk/Scheuch, Expertengespräch Helsana AG; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
111
Verhaltensinduzierte Erfolgsbarrieren sind jedoch auch dann ersichtlich, wenn der Funktionsbereich der Marketingkommunikation in die Leistungserstellung des E-Business integriert ist und somit auch die Erstellung von zielgruppengerechten Kommunikationsinhalten
auf dem Internet verantwortet. Insbesondere in Investitionsgüterunternehmen ist zu verzeichnen, dass Bedürfnisse und Problemstellungen von Kundengruppen in spezifischen Anoder Verwendungssituationen zuwenig berücksichtigt werden. Häufig werden daher über
die Produktbeschreibungen hinausgehende bedürfnisspezifische Inhalte auf der Web-Site in
zu geringem Maß bereitgestellt.463
„E-Business highlights some of our shortcomings. […] We find it very difficult to get the
content. […] There is no one really there to drive it. […] And if there are certain bits missing, it is very evident. […] It is a good quality check to see what contents are in place and
what contents are missing, where we are doing well and where not.”464
Fallbeispiel 4:
Unzureichende bedürfnisorientierte Marketinginhalte bei der Hilti AG (Quelle: Booth, Expertengespräch Hilti AG)
Dies ist auf eine unzureichende Markt- bzw. Kundenorientierung zurückzuführen. Betreffende Unternehmen sind häufig durch die Dominanz von technisch orientierten Mitarbeitern
geprägt und vorwiegend produkt- bzw. technologiegetrieben statt marktgetrieben. Produktvorteile werden somit nur unzureichend in Kundenvorteile übersetzt.465
Eine weitere Erfolgsbarriere stellt eine nicht automatisierte Pflege der Inhalte einer WebSite dar, beispielsweise mittels HTML-Editoren. Sie ist zeitaufwändig und daher kostenintensiv.466 Der erforderliche Aufwand erhöht sich dann noch immens, wenn Inhalte in mehrfacher Form existieren und somit auch mehrfach gepflegt werden müssen.467 Unter Inhalten
sind sowohl Produktbilder, -texte als auch –daten zu verstehen. In vielen der untersuchten
Unternehmen stehen jedoch noch kein Content Management und kein einheitliches Content
463
464
465
466
467
Booth, Expertengespräch Hilti AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Backhaus 1995, S. 542f.
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
112
Management System zur Verfügung.468 Unter Content Management versteht man die systematische und strukturierte Erzeugung (Generierung), Verwaltung (Organisation und Aufbereitung), Zur-Verfügung-Stellung (Präsentation, Publikation und Distribution) und Schaffung von Nutzungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten (Nutzung und Wiederverwendung)
von elektronischem Inhalt, unabhängig davon, ob dieser im Internet, Intranet oder unternehmensweiten Systemen genutzt wird.469 Ein Content Management System stellt das technische System dar, das die Realisierung des Content Management unterstützt. Content Management Systeme können beträchtliche Kosten- und Flexibilitätsvorteile erbringen, sowie
dazu beitragen, die Aktualität von Inhalten über verschiedene Kanäle zu gewährleisten.470
Der Aufbau eines integrierten Content Management kann aufgrund technisch-struktureller
Implementierungsaspekte bei der Implementierung eines Content Management Systems beoder sogar verhindert werden.471 Weitere Schwierigkeiten verursachen die bereits erwähnten
Akzeptanzprobleme bei den betreffenden Abteilungen, die mit der Pflege der Inhalte betraut
werden.472
3.3.2.4. Mängel im Kontaktmanagement
Nach Expertenmeinung ist ein systematisches Management von Kundenkontakten über den
Kanal Internet nur fragmentarisch implementiert. Im Folgenden wird dargestellt, in welchen
Phasen des (idealtypischen) Prozesses des Management von Kundenkontakten473 Implementierungslücken und –barrieren zu verzeichnen sind, welche eine höhere Effektivität und Effizienz des Kontaktmanagements und damit des Kommunikationskanaltyps behindern.
468
469
470
471
472
473
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Maass/Stahl 2003, S. 41.
Zschau 2003, S. 52; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG;
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Vgl. Kapitel 3.3.2.5.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Vgl. Kap. 3.3.1.
113
Die Experteninterviews zeigen, dass die Initiierung von Kontakten über das Web manchen
Unternehmen bislang nur unzureichend gelingt, was anhand der geringen Quantität der
Kontakte per E-Mail offensichtlich wird.474 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die
Nutzungszahlen der Web-Site im Allgemeinen relativ niedrig sind. Dies ist bei Unternehmen der Fall, deren Kunden in überwiegendem Maß ein relativ geringes Produktinvolvement aufweisen, wie dies beispielsweise in der Versicherungsbranche bei Privatkunden häufig der Fall ist.475 Die Ausführungen im vorangegangenen Kap. 3.3.2.3 haben jedoch gezeigt, dass auch Implementierungslücken und -widerstände dafür verantwortlich sein können. Des Weiteren ist bei der Ursachensuche auch zu berücksichtigen, dass interessierte
Kunden vielfach noch das Telefon nutzen, um den Kontakt mit einem Unternehmen herzustellen und sich weitergehend zu informieren. Offensichtliche Usability-Mängel wirken als
Nutzungsbarrieren des Kontakts über das Internet.476 Beim Vorliegen subjektiver UsabilityMängel ist die Kontaktaufnahme per Web für Nutzer i.d.R. mit einem höheren Aufwand
verbunden, als hierfür das Telefon zu nutzen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Nutzer erst noch nach der für ihr Anliegen zuständigen Kontaktstelle bzw. -person suchen müssen, und die Kontaktfunktion somit nicht einfach auffindbar und nutzbar ist.477
Eine geringe Quantität von webbasierten Kundenanfragen führt typischerweise zu Akzeptanzproblemen bei Mitarbeitern von Verkaufsniederlassungen478 sowie auch bei Mitarbeitern von Intermediären (z.B. Vertragshändlern)479. Bei geringer Quantität von webbasierten
Anfragen ist es ökonomisch nicht zu rechtfertigen, dass Verkäufer ausschließlich für die
Bearbeitung von Internetanfragen abbestellt und geschult werden. Im Normalfall muss das
Verkaufspersonal aufgrund der Internetkontakte eine Mehrbelastung hinnehmen. Zusätzlich
wirkt es sich akzeptanzmindernd aus, wenn nur ein geringer Anteil der Anfragen Kaufpotenzial aufweist.480 Hier erweist es sich als zentrale Hürde, das Potenzial zu bewerten, da
hierfür noch keine Bewertungsmechanismen existieren: „Im Moment arbeiten wir an den
474
475
476
477
478
479
480
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Campell,
Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Vuyk, Expertengespräch Helsana AG; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG; Kuhn, Expertengespräch Winterthur
Versicherungen.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
114
Mechanismen, um herauszufinden, welcher Kunde interessant ist oder erst noch in der Phase des anfänglichen Interesses steckt.“481 Somit ist eine potenzialbasierte Weiterleitung an
die jeweils bestgeeignete Stelle im Unternehmen nicht möglich, wodurch auch wenig erfolgversprechende Anfragen an Verkäufer gelangen, die besser an das Call-Center geleitet
werden sollten.482 Eine geringe Akzeptanz des Kontaktkanals Internet bei Verkaufsmitarbeitern kann sich auch negativ auf die Einhaltung von Bearbeitungsrichtlinien, insbesondere
die Bearbeitungsdauer und –qualität, auswirken.483
Richtlinien zur Bearbeitung von Internetkontakten sind zwar oftmals vorhanden. Eine wirkungsvolle Kontrolle der Bearbeitung von E-Mail-Anfragen erweist sich jedoch dann als
weitere Implementierungslücke, wenn es Unternehmen nicht gelingt, eine systematische
Überprüfung von Bearbeitungsrichtlinien – insbesondere hinsichtlich der Bearbeitungszeit
und des Bearbeitungserfolgs – zu gewährleisten.484
Schließlich wirkt es sich negativ auf die Effizienz der Kontaktfunktion per Internet aus,
wenn die Erfassung und Weiterleitung von Kontakten kostenintensiv ist, weil sie nicht bzw.
nur teilweise automatisiert erfolgt. Somit müssen Mitarbeiter dafür eingesetzt werden, Anfragen zu selektieren und an diejenige Stelle weiterzuleiten, die für die Bearbeitung der jeweiligen Anfrage am besten geeignet ist.485
3.3.2.5. Hohe Kosten der Pflege der Web-Site
Die Erfahrungen der Praxis zeigen, dass bei der laufenden Pflege der Web-Site noch unausgeschöpfte Rationalisierungspotenziale bestehen. Die Pflege ist insbesondere dann aufwändig, wenn Unternehmen noch kein Content Management auf Basis eines Content Manage-
481
482
483
484
485
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG; Vuyk, Expertengespräch Helsana AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Vuyk, Expertengespräch Helsana AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
115
ment Systems eingeführt haben. Des Weiteren verzeichnen international tätige Konzernen
dann hohe Pflegekosten, wenn die formale Gestaltung ihrer Web-Sites den einzelnen Ländergesellschaften obliegt und nicht zentral gesteuert wird.486
Die zentrale Barriere, weswegen Unternehmen bislang kein Content-Management-System
aufgebaut haben, besteht in dem i.d.R. hohen Aufwand für die Implementierung eines Content-Management-Systems. Im Rahmen eines Content-Management-Systems werden Produktbilder und –beschreibungen, die zusätzlich zu den Basisdaten (Modellnummern, Preise
etc.) benötigt werden, in einer Datenbank zusammengeführt. Die Zusammenführung dieser
Daten ist insbesondere in großen Konzernen, wo Informationen historisch bedingt in verschiedenen Systemen vorhanden sind, eventuell sogar mehrfach vorhanden sind, besonders
aufwändig. Somit verwundert es nicht, wenn behelfsmäßig Schnittstellen zwischen einzelnen Datenbanken geschaffen werden, die jedoch mit höheren Kosten der technischen Wartung und ggfs. einer Mehrfachpflege von Daten sowie häufig mit Aktualititäts- und Konsistenzproblemen einhergehen.487
International tätige Konzerne verzeichnen zusätzlich dann hohe laufende Kosten der WebSite-Pflege, wenn sowohl die inhaltliche wie auch die formale Gestaltung der Web-Sites
den E-Business-Abteilungen einzelner Ländergesellschaften obliegt und nicht zentral gesteuert wird. Konzernweit fallen hohe Kosten an, wenn jede Ländergesellschaft unabhängig
von anderen das Web-Design und die Erstellung von E-Business-Applikationen in Auftrag
gibt. Neben einer dezentralen Gestaltung der Web-Site stellt auch die Entwicklung von EService-Applikationen, wie beispielsweise einem Service-Center bei Microsoft („Servant“)
oder dem Fahrzeugkonfigurator bei Daimler-Chrysler, einen zentraler Kostenfaktor dar.
Auch hier ermöglicht eine zentral koordinierte Erstellung von Standardapplikationen erhebliche Kostenvorteile.488 Schließlich können auch die Kosten des laufenden Betriebs der
Web-Sites gesenkt werden, wenn diese Leistung für mehrere Ländergesellschaften zentral
übernommen wird.489
486
487
488
489
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
116
Die E-Business-Einheiten der Ländergesellschaften agieren i.d.R. in hohem Maß selbständig. Es ist hierbei recht offensichtlich, dass verhaltensbezogene Widerstände die wesentliche Implementierungsbarriere eines zentralen Betriebs von Web-Sites bzw. einer zentralen
Entwicklung von E-Service-Applikationen darstellen, da hier aktiv und weitreichend in den
Aufgaben- und Kompetenzbereich der jeweiligen E-Business-Abteilungen der Ländergesellschaften eingegriffen wird.490 Bei der jeweils betroffenen E-Business-Einheit herrschen
Ängste vor, dass personelle Ressourcen abgebaut werden, weil eine Aufgabenverteilung zugunsten der E-Business-Abteilung in der Unternehmenszentrale stattfindet.491 Standardisierungs- und Zentralisierungsbestrebungen sind in allen betroffenen Konzernen noch im Gange und stellen somit eine fortlaufende Herausforderung bei der Implementierung dar.492
3.3.3. Typenspezifisches Implementierungsmanagement
Wie aus der Darstellung der Erfolgsbarrieren im vorangegangenen Kapitel deutlich wird,
muss ein typenspezifisches Implementierungsmanagement mit dem Ziel der Erhöhung des
Erfolgs des Kommunikationskanals Internet insbesondere an den folgenden Aufgabenbereichen ansetzen:
—
—
Erhöhung der internen Akzeptanz
Implementierung einer erhöhten Kundenorientierung
• Formale Gestaltung: Gewährleistung der Usability der Web-Site im Allgemeinen und
der darauf angebotenen E-Self-Services im Speziellen
• Inhalte der Web-Site: Gewährleistung der Bedürfnisorientierung
—
—
490
491
492
• Vereinheitlichung der Web-Sites von Verkaufsniederlassungen
Implementierung eines systematischen Kontaktmanagement
Maßnahmen der Effizienzsteigerung durch eine Senkung der Kosten der laufenden Pflege der Web-Site und der zugrundeliegenden IT-Systeme
Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG;
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1); Warren, Expertengespräch Hilti AG.
117
3.3.3.1. Erhöhung der internen Akzeptanz
Als übergreifende Implementierungsaufgabe ist die Schaffung und Gewährleistung der Akzeptanz des Kommunikationskanals Internet zu sehen, wie die folgenden Expertenaussagen
belegen:
—
—
„Wenn man das Internet als Kommunikationskanal erfolgreich betreiben möchte, besteht
ein großer Teil der Arbeit in Überzeugungsarbeit.“493
„Wir müssen immer noch überzeugen; die Akzeptanz ist noch nicht vollständig da.“494
Von zentraler Bedeutung ist die Beeinflussung des Vorgesetzten, der die Budgets für den
Kommunikationskanal Internet zuweist. Dies stellt die Grundlage für diejenigen Maßnahmen dar, welche auf eine Verbesserung der formalen und inhaltlichen Ausgestaltung der
Web-Sites zielen. Das primäre Ziel der Einflussnahme besteht darin, die Akzeptanz des Kanals Internet zu fördern und dadurch (finanzielle) Freiräume für anstehende Optimierungsbzw. Ausbaumaßnahmen zu schaffen. Des Weiteren richten sich Beeinflussungsmaßnahmen
insbesondere an diejenigen Funktionalbereiche, die in die Leistungserstellung des Kanals
integriert werden bzw. vom Kommunikationskanal Internet betroffen sind. Weitere Maßnahmen setzen daran an, das Image des Kanals im gesamten Unternehmen zu verbessern.
Es ist ein zentraler Ansatzpunkt in der Überzeugungsarbeit, den Nutzen des Kommunikationskanals für ein Unternehmen zu belegen.495 Da der Beitrag des Kommunikationskanals
Internet zum Umsatz eines Unternehmens nicht (direkt) gemessen werden kann, greift man
im wesentlichen auf die Zuwachsraten von Nutzungszahlen zurück: „Um weitere Aktivitäten zu rechtfertigen, müssen wir [.. die Nutzung (Erg. d. Verf.)] auf ein höheres Niveau
bringen.“496 Die zentralen Nutzungszahlen stellen Visits und PageImpressions dar.497 Sie
493
494
495
496
497
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
Die Begriffe „Visit“ und PageImpression“ werden von der IVW wie folgt definiert. „Ein Visit bezeichnet einen zusammenhängenden Nutzungsvorgang (Besuch) eines WWW-Angebots. Er definiert den Werbeträgerkontakt. Als
Nutzungsvorgang zählt ein technisch erfolgreicher Seitenzugriff eines Internet-Browsers auf das aktuelle Angebot,
wenn er von außen erfolgt. „PageImpressions (bisher PageViews) bezeichnen die Anzahl der Sichtkontakte beliebi-
118
sind als vorökonomische Kennzahlen nicht aussagekräftig in Bezug auf den ökonomischen
Erfolg des Kanals Internet. Um die Argumentation gegenüber Vorgesetzten zu stützen, werden Nutzungszahlen auch auf einzelne E-Services heruntergebrochen. Somit kann zumindest grundsätzlich belegt werden, dass der Kanal einen Beitrag zur Information einer bestimmten Anzahl von Kunden im Rahmen der Such- und Kaufphase ihres Buying Cycle
leistet: „Es bedarf einer intensiven Überzeugungsarbeit, dass intern anerkannt wird, dass es
auch einen Wert erbringt, wenn man nur einen bestimmten Teil des Verkaufsprozesses abdeckt.“498
Bei der Winterthur Versicherungen werden neben den Visits und PageImpressions die folgenden Kennzahlen ermittelt:
— Anzahl der Broschüren, die über das Web angefordert wurden
— Anzahl der Beratungen, die über das Web vermittelt wurden
— Anzahl der Personen, die den Agent-Locator benutzen
— Anzahl an Berechnungen von Versicherungsprämien
— Anzahl an Schadensmeldungen
— Anzahl der Adressänderungen
— Anzahl der online ausgefüllten Anträge
Fallbeispiel 5:
Nutzungskennzahlen der Web-Site der Winterthur Versicherungen (Quelle: Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen)
Neben den Zuwachsraten der Nutzung der Web-Site und einzelner E-Self-Services wird
mittels Prozesskostenrechnungen ermittelt, dass durch die Nutzung von E-Self-Services
Kosten im Kundenkontakt eingespart werden. Dies betrifft insbesondere die Kosten für
Call-Center-Mitarbeiter bzw. Kundenbetreuer, da Kunden Prozesse zur Befriedigung ihrer
Informationsbedürfnisse selbst durchlaufen und dafür somit kein Mitarbeiter des Unternehmens zur Verfügung stehen muss.499
498
499
ger Benutzer mit einer potentiell werbeführenden HTML-Seite. Sie liefern ein Maß für die Nutzung einzelner Seiten
eines Angebotes.“ O.V., IVW Richtlinien für die Kontrolle von Online-Medien, o.S.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Scheuch, Expertengespräch Helsana Versicherungen AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
119
Wesentlich für die Akzeptanz bei Vorgesetzten und anderen betroffenen Funktionsbereichen ist es, wenn man nachweisen kann, dass der Kanal Internet einen Nutzen für andere
Kanäle stiftet. Dies ist dann der Fall, wenn Kundenanfragen (sogenannte „Leads“), die per
E-Mail erfolgen, an Verkaufs- bzw. Vertriebsmitarbeitern weitergeleitet werden.500 Hierbei
ist jedoch darauf zu achten, dass Mängel beim Management von Kundenkontakten beseitigt
werden.501
Um die breite Akzeptanz des Kommunikationskanals Internet unter Organisationsmitgliedern zu erhöhen, kommen insbesondere die folgenden Maßnahmen in Betracht:
―
―
―
Informationen in der Mitarbeiterzeitschrift502
Veröffentlichung von (positiven) Feedbacks, z.B. von Experten, wissenschaftlichen Instituten oder Wettbewerben503
Versendung eines Newsletters, in dem über Aktivitäten und Erfolge im E-Business berichtet wird
Seit Oktober 2001 wird bei der Hilti AG monatlich der interne Newsletter „E-Business
News“ an alle Mitarbeiter verschickt. Der Newsletter informiert über die strategischen
Stossrichtungen und Entwicklungen im E-Business. Er wird insbesondere auch dazu genutzt, „Success Stories“ aus den diversen Ländergesellschaften zu beschreiben. Hierbei
werden Ländergesellschaften aufgezeigt, die besonders hohe Nutzungszahlen bzw. Zuwachsraten auf ihrer Web-Site aufweisen können. Dadurch soll die allgemeine Akzeptanz
des Kanals gefördert werden, und dargelegt werden, dass durch den Einsatz des Kanals Internet ein zunehmender Nutzen für Hilti entsteht.
Fallbeispiel 6:
Die Hilti E-Business News (Quelle: Unterlage der Hilti AG zum Workshop „Marketing & New
Media“)
Es ist für die Erhöhung der internen Akzeptanz zentral, technisch-funktionale, formale und
inhaltliche Mängel zu beseitigen.504 Negativbeispiele sind insbesondere aufgrund der in der
500
501
502
503
504
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Vgl. Kap. 3.3.2.4. und Kap. 3.3.3.3.
Vuyk, Expertengespräch Helsana Versicherungen AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Vgl. Kap. 3.3.2.
120
Anfangszeit der kommerziellen Internetnutzung weit verbreiteten Mängel noch im Denken
von Organisationsmitgliedern verhaftet und werden durch weiterhin bestehende Mängel
bestätigt.505 Es gilt, dieses negative interne Image des Kommunikationskanals durch gezielte
Maßnahmen abzubauen und somit zu belegen, dass die „Kinderkrankheiten“506 der WebSite beseitigt sind. Detaillierte Maßnahmen werden in den folgenden Kapiteln dargestellt.
3.3.3.2. Implementierung einer erhöhten Kundenorientierung
Die Grundlage für einen erfolgreichen Einsatz des Kommunikationskanals Internet bildet
die Orientierung an den Fähigkeiten der Nutzer bei der formalen Gestaltung und die Orientierung an den Bedürfnissen der Nutzer bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Web-Site.
3.3.3.2.1. Formale Gestaltung: Gewährleistung der Usability
Hinsichtlich der formalen Gestaltung steht die Gewährleistung bzw. Erhöhung der Usability
der Web-Site und der darauf enthaltenen E-Self-Services im Zentrum der Betrachtung. Die
folgenden Schritte sind hierbei zentral:
1. Schritt „Umdenken“: Kundenbedürfnisse stehen anstelle der technischen Realisierung
im Vordergrund
2. Schritt „Ständige Optimierung“: Verbesserung der Usability der bestehenden Web-Site
und der darauf enthaltenen E-Services als fortlaufenden Prozess implementieren
3. Schritt „Verpflichtung“: Obligatorische Gewährleistung der Usability bei neuen EServices bzw. bei einem Re-Launch der Web-Site
505
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
121
1. Schritt: „Umdenken“
Die Grundlage für eine erhöhte Kundenorientierung bei der Gestaltung der Web-Site stellt
ein Umdenken von E-Business-Managern dar. Sie müssen erkennen, dass die technische
Realisierung eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für einen erfolgreichen
Einsatz und damit die Nutzung der Web-Site durch Kunden darstellt. Die Gewährleistung
von obektiven Qualitätskriterien stellt lediglich die Basis dar, die um eine verstärkte Berücksichtigung von subjektiven Qualitätsmerkmalen ergänzt werden muss.
Die Experteninterviews belegen, dass in Bezug auf die Bedeutung der Usability der WebSite und der darauf enthaltenen E-Services bereits ein Umdenken bei E-Business-Managern
zu verzeichnen ist. Es wird zunehmend erkannt, dass eine konsequente Ausrichtung der
Web-Site und der darauf enthaltenen E-Self-Services an den Fähigkeiten der Nutzer die Basis für die Nutzung und damit auch den Erfolg des Kommunikationskanals darstellt, wie die
folgenden Expertenaussagen belegen:
―
―
„Sie können die schönsten Applikationen erstellen, wenn der Kunde sie nicht anwendet,
sind sie nutzlos.“507
„Der Grat, dass es sich für einen Kunden nicht mehr lohnt über das Internet zu gehen
und stattdessen zum Telefon zu greifen, ist sehr schmal.“508
Der Kunde muss Vertrauen in die Web-Site und die darauf enthaltenen E-Self-Services
entwickeln: „Grundsätzlich müssen die Prozesse bei jeder Interaktion funktionieren, es
muss Glaubwürdigkeit vorhanden sein.“509 Abgesehen von Detailverbesserungen arbeiten
einige der untersuchten Unternehmen daran, wesentliche Usability-Mängel ihrer Web-Sites
zu beseitigen, um die Attraktivität und damit auch die Nutzung des Kommunikationskanals
506
507
508
509
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
122
zu erhöhen.510 Es sollte hierbei insbesondere bedacht werden, dass Nutzer sich auch dann
zurechtfinden müssen, wenn sie nicht besonders internetaffin sind.511
Bei einem dominanten Einfluss der IT-Abteilung bei der (technischen) Realisierung von Internet- und E-Self-Services-Projekten hat der E-Business-Manager die Rolle wahrzunehmen, die Kundensicht bei der Gestaltung der Web-Site und der E-Services mit einzubringen.
Dies gelingt insbesondere dann gut, wenn die Implementierung eines E-Self-Service zu negativen Reaktionen der Kunden geführt hat, weil die Usability nicht bzw. nicht ausreichend
berücksichtigt wurde.512
2. Schritt: „Ständige Optimierung“
Optimierungen der Usability einer Web-Site und ihrer E-Services sind als ein fortlaufender
Prozess und somit als eine permanente Aufgabe zu implementieren, für die entsprechende
Ressourcen bereitzustellen sind. Zur Optimierung einer bestehenden Web-Site bzw. bestehender E-Services ist es zentral, internes Feedback sowie Feedbacks von Kunden (aktiv)
einzuholen und zu verarbeiten.513
Zur Erhöhung der Usability der bestehenden Site und der E-Self-Services werden bei der
Winterthur Versicherungen laufend Kundenfeedbacks verarbeitet. Des Weiteren hat die
Winterthur Versicherungen auch an einem nationalen Wettbewerb teilgenommen („Bestof-Swiss-Web“), und dort auch Feedback zur Web-Site bekommen.
Fallbeispiel 7:
Feedback zur Usability der Web-Site der Winterthur Versicherungen (Quelle: Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen)
Die Daimler-Chrysler AG arbeitet momentan daran, ihre E-Self-Services im Hinblick auf
eine verbesserte Kundenorientierung komplett neu zu gestalten. Im Zentrum steht eine stärkere Prozessorientierung. Den Ausgangspunkt für Verbesserungen der Usability bei beste510
511
512
513
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Booth, Expertengespräch Hilti AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (2).
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Booth, Expertengespräch Hilti AG.
123
henden E-Self-Services stellt die Ermittlung von Abbruchraten bei E-Self-ServiceProzessen dar. Die Erkenntnisse fließen dann in die Veränderung von Prozessabläufen bei
bestehenden E-Self-Services ein. Zu Beginn wird der Car Configurator grundlegend überarbeitet. Der Konfigurationsprozess wird stark vereinfacht und Interessenten werden nun
aktiv durch den Prozess begleitet, in dem ein Überblick über alle Prozessschritte geliefert
wird und der jeweils nächste Schritt ersichtlich gemacht wird. Diese stärkere Kunden- und
Prozessorientierung wird schrittweise auch bei anderen E-Self-Services realisiert, wie bei
der Gebrauchtwagensuche und der Händlersuche.
Fallbeispiel 8:
Verbesserung der Usability von E-Self-Services bei der Daimler-Chrysler AG (Quelle: Druzovic,
Expertengespräch Daimler-Chrysler AG)
3. Schritt: „Verpflichtung“
Um die Usability eines Relaunch der Web-Site und neuer E-Self-Services zu gewährleisten,
stehen neben der relativ teuren Nutzung von Usability-Labs, bei denen Probanden bei der
Nutzung einer Web-Site beobachtet werden, auch andere kostengünstigere Möglichkeiten
zur Verfügung. Hierbei ist insbesondere an Feedbacks von anderen Organisationsmitgliedern sowie der beauftragten Multimedia- bzw. Werbeagentur zu denken, die den Prototypen
der Web-Site bzw. des E-Service testen.514
Die Sixt AG arbeitet bei der Optimierung von Prozessen und der Einführung zentraler neuer Services intensiv mit einem Grokunden zusammen. Dieser Kunde äußert aktiv Anregungen, Verbesserungsvorschläge und Wünsche. Vor der Einführung von zentralen neuen ESelf-Services wird ein Pilotprojekt mit diesem Großkunden gestartet. Das durch den Test
des Pilot-Services gewonnene Feedback wird verarbeitet und fließt in die Gestaltung des
neuen Service mit ein. Die Sixt AG hat die Erfahrung gemacht, dass durch die dabei gewonnenen Erkenntnisse ein Großteil kritischer Usability-Aspekte im Vorfeld erkannt wird.
Fallbeispiel 9:
Usability-Check im Pilotprojekt bei der Sixt AG (Quelle: Schwarz, Expertengespräch Sixt AG)
Einen zentralen Aspekt stellt es dar, dass neue E-Services nicht nur sporadisch auf ihre Usability hin untersucht werden, sondern dieser Schritt in der Entwicklung eines neuen Servi514
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG. Vgl. zu Details zum Testen von Web-Sites Lientz/Rea 2001, S. 255ff.
124
ce verbindlich vorgeschrieben wird, sowie festgelegt wird, nach welchen Kriterien die Services untersucht werden sollen:
—
„In the past, it was not possible to do usability studies with every service, but nowadays,
every single service is tested in focus groups and is going through a usability test.”515
Die Swisscom Fixnet hat E-Policies schriftlich fixiert. Die E-Policies bestehen aus 35 Regeln bezüglich der Verfügbarkeit, rechtlichen Aspekten, vorgeschriebenen Antwortzeiten,
SicherheitsMaßnahmen und obligatorischen Usability-Tests, die bei der Implementierung
jedes neuen E-Service eingehalten werden müssen.
Fallbeispiel 10: E-Policies bei der Swisscom Fixnet AG (Quelle: Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet
AG)
3.3.3.2.2. Inhalte der Web-Site: Gewährleistung der Bedürfnisorientierung
Insbesondere in den ersten Jahren der kommerziellen Nutzung des Internet war i.d.R. ein
Webmaster bzw. ein E-Business-Manager für die Einarbeitung und Aktualisierung von Inhalten der Web-Site eines Unternehmens zuständig.516 Dies führt in der Regel zu Abstimmungsproblemen mit den Funktionalbereichen Marketingkommunikation und Produktmanagement, was Mängel in der integrierten Kommunikation mit sich bringt bzw. dazu führt,
dass produktspezifische Inhalte nicht immer auf dem neuesten Stand sind.517 Somit ist anzustreben, dass die Aufgabe des Content Management bei den für die Entstehung von Inhalten
zuständigen Abteilungen angesiedelt wird. Die Basis eines derartigen Content Management
stellt der Einsatz eines Content Management Systems dar. Der Einsatz eines ContentManagement-Systems birgt Kosten-, Aktualitäts- und Flexibilitätsvorteile. Er ist insbesondere zur Pflege einer umfangreichen, sich oft verändernden Web-Site empfehlenswert, deren Inhalte von diversen Stellen im Unternehmen zu pflegen sind.518
515
516
517
518
Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
Zschau 2003, S. 53; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG. Vgl. Kap. 3.3.2.3.
Zschau 2003, S. 52.
125
Für die Erstellung allgemeiner produkt- und markenbezogener Inhalte ist in der Regel die
Abteilung Marketingkommunikation zuständig. Somit wird gewährleistet, dass auch die
Web-Site in die bestehenden Kommunikationsaktivitäten integriert wird. Spezifische produktbezogene Inhalte werden durch die jeweils zuständigen Produktmanager gepflegt.519
Die verantwortlichen Personen erhalten einen beschränkten redaktionellen Zugriff auf das
System. Somit entfällt das Aktualisierungsproblem für den Web-Master.520 Hierbei sollte
der geringen technischen Versiertheit einzelner Mitarbeiter Rechnung getragen werden, da
Funktionalitäten des Systems Fehler der Mitarbeiter verhindern und auf erforderliche Aktualisierungen hinweisen. Die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter bei der Erstellung bzw. Aktualisierung von Informationen werden vom System durch automatisierte Inhalte und Freigabezyklen unterstützt.521 Somit können die Kosten für die Wartung und Pflege der Web-Site reduziert werden.522 Außerdem können Texte, Bilder und andere Bestandteile einer Web-Site
in einer Datenbank abgelegt, verwaltet und ggfs. wieder verwendet werden, was die Flexibilität der verantwortlichen Mitarbeiter erhöht. Durch die zentrale Speicherung von Inhalten
müssen diese nur einmal gepflegt werden und können in verschiedenen Kommunikationskanälen in dem jeweils spezifischen Erscheinungsbild verwertet werden.523
Wie dargestellt wurde, sind die Inhalte mancher Web-Sites überwiegend produktorientiert
und orientieren sich in zu geringem Maß an den Bedürfnissen der Nutzer. Manche Branchen
haben hier Nachteile aufgrund des geringen Involvement, das Kunden hinsichtlich ihrer
Produkte aufweisen. Umso mehr sind solche Unternehmen dabei gefordert, den Nutzern ihrer Web-Site nicht nur Produktinformationen, sondern darüber hinaus mittels geeigneter Informationen und E-Self-Services Mehrwert zu bieten. Hierbei können grundlegende Bedürfnisse mittels produktunabhängigen Informationen befriedigt werden.
Die Helsana Versicherungen AG bietet den Nutzern ihrer Web-Site vielfältige Informationen zum Themenbereich „Vorsorge“. Neben umfangreichen Gesundheitstipps in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung werden auch Gesundheitstests geboten.
Sie umfassen u.a. die Ausrechnung des Body-Mass-Index, die Ermittlung des Diabetesrisi519
520
521
522
523
Vgl. Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Vgl. Kap. 3.3.2.3.
Vgl. Zschau 2003, S. 52f.
Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Zschau 2003, S. 55.
Vgl. Zschau 2003, S. 52; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
126
kos, einen Herz-Insuffizienz-Test, sowie einen mit Videosequenzen unterstützten Trainings-Self-Service, der Nutzer mittels Übungen bei der Vermeidung negativer Auswirkungen ihrer täglichen Büroarbeit unterstützt.
Fallbeispiel 11: Mehrwertservices auf der Web-Site der Helsana Versicherungen AG (Quelle: www.helsana.ch)
Das Global E-Business Team der Hilti AG hat schon relativ früh damit begonnen, auf der
Web-Site nicht ausschließlich allgemeine (Produkt-)Informationen anzubieten, sondern zusätzliche Services für ausgewählte Zielgruppen aufzubauen. Eine für Hilti zentrale Zielgruppe stellen Ingenieure, Planer und Architekten dar. Diese Zielgruppe kommt zwar nicht
direkt als Käufer für Hilti-Produkte in Frage, sie beeinflussen jedoch Festlegung der zu
verwendenden Produkte im Konstruktions- bzw. Bauplan.
Nach einer Registrierung können die Nutzer kostenlos diverse Informationen und EServices nutzen. Dies umfasst u.a. den Download von Software (z.B. Dübelbemessungssoftware), den Zugriff auf technische Dokumente (Zulassungen, Sicherheitsdatenblätter,
Prüfberichte etc.), Informationen über Schulungen und Seminare, Fachartikel, sowie die
Möglichkeit der Inanspruchnahme einer weiteren technischen Beratung.
Dieses umfangreiche Service-Paket wurde zunächst auf der Web-Site der Hilti Deutschland
AG eingeführt und erfreute sich schnell steigender Nutzungszahlen. Die Hilti AG hat es
damit geschafft, ein bislang nicht bzw. unzureichend befriedigtes Bedürfnis dieser Zielgruppe zu befriedigen. Der Erfolg führte dazu, dass dieses umfangreiche Service-Paket
auch auf den Web-Sites anderer Ländergesellschaften eingeführt wurde, die somit vom
Wissen des Global E-Business Teams profitieren konnten.
Aufgrund der guten Erfahrungen mit diesen zielgruppenspezifischen Inhalten stellt es ein
zentrales Ziel dar, in naher Zukunft auf die Bedürfnisse von weiteren Zielgruppen abgestimmte Informationen und E-Services im Web anzubieten.
Fallbeispiel 12: Mehrwertservices für ausgewählte Zielgruppen auf der Web-Site der Hilti AG (Quelle: Warren,
Expertengespräch Hilti AG; Unterlagen zum Workshop „Marketing and New Media“)
Es zeigt sich, dass die von der Marketing-Kommunikation und dem Produktmanagement
eingepflegten Inhalte manchmal nicht dafür ausreichen, eine Web-Site so attraktiv für ihre
127
Nutzer gestalten, dass sie wiederkehren um sich zu spezifischen Themengebieten zu informieren. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es keine spezifische Stärke bzw. nicht die
explizite Aufgabe der Marketingkommunikation darstellt, über ihre üblichen Kommunikationsaufgaben hinaus spezielle für das Web geeignete Inhalte bereitzustellen. Nicht alle Inhalte müssen im eigenen Unternehmen erstellt werden. Hier bietet sich auch die Möglichkeit,
über Kooperationen mit anderen Unternehmen attraktive, ergänzende Informationen und
Services zur Verfügung zu stellen.
Das Versicherungsunternehmen Swiss Life AG orientiert sich im Rahmen seiner Marktstrategie im Segment Privatkunden auf zentrale Lebensabschnitte seiner Kunden. Dazu zählen
Partnerschaft, Familie, Weiterbildung, Pensionierung etc. Die Lebensabschnitte Partnerschaft und Familie sowie die damit verbundenen Zielgruppen sind für die Swiss Life von
zentraler Bedeutung. Um diesen Zielgruppen auf der Web-Site interessante Inhalte zu bieten, ist die Swiss Life eine Kooperation mit der Zeitschrift „Beobachter“ eingegangen. Der
Beobachter ist eine unabhängige Schweizer Konsumenten- und Beratungszeitschrift, die
auch ein umfangreiches Online-Angebot zur Verfügung stellt. Im „Look-and-Feel“ der
Swiss Life Web-Site wird eine Wissensdatenbank des Beobachters zu den genannten Themengebieten bereitgestellt, deren Nutzung kostenlos ist. Hier werden dem Interessenten gesetzliche Informationen, Checklisten, konkrete Vorschläge zur Lösung von Problemsituationen etc. geboten. Ziel der Kooperation ist es, Familien vermehrt zur Nutzung der WebSite der Swiss Life zu bewegen. Der Beobachter erhofft sich durch die Kooperation neue
Abonnenten seiner Zeitschrift. Die Kooperation wird in diversen Offline-Medien beworben. Der Erfolg wird mittels eines Tracking der Nutzerzahlen kontrolliert.
Fallbeispiel 13: Content-Kooperation bei der Swiss Life AG (Quelle: Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss
Life AG)
3.3.3.2.3. Vereinheitlichung der Web-Sites von Verkaufsniederlassungen
Das Spektrum der Möglichkeiten, um Verkaufsniederlassungen dazu zu bewegen, eine den
Vorstellungen des jeweiligen Unternehmens entsprechende Web-Site bereitzustellen, reicht
von Zwang bis zur Schaffung von geeigneten Anreizen. Eine zwangsweise Verordnung
stellt es beispielsweise dar, eine Klausel in die Vertragsvereinbarungen aufzunehmen. Rein
128
auf Zwang basierende Maßnahmen – wenn sie durchgesetzt werden können – sind jedoch
kaum dazu geeignet, die aktive Nutzung des Kanals Internet zu fördern.524
„[…] die Außendienstmitarbeiter [haben (Erg. D. Verf.)] anderes zu tun […], als sich um
das Web zu kümmern, sie kämpfen um das Business. […] Da ist es verständlich, dass Personen jetzt nicht so viel Zeit für das Internet haben. Man darf sie somit nicht zu stark unter
Druck setzen, man muss sie unterstützen, dann stellt sich […] die Mitwirkung ein. Man
darf nicht zu viel erwarten.“
Fallbeispiel 14: Einflussnahme auf Außendienstmitarbeiter (Quelle: Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss
Life)
Erfolgversprechender erscheint die Schaffung von geeigneten Anreizen.525 Anreize für die
Bereitstellung einer unternehmenskonformen Web-Site können dadurch geschaffen werden,
dass die E-Business-Abteilung eine kostengünstige, einfache, verlässliche und sichere Lösung zum Betrieb der Web-Site einer Verkaufsniederlassung bereitstellt.526
“Im deutschen Markt ist es gelungen, relativ frühzeitig eine gute Lösung zu etablieren, um
Auftritte zielorientiert in unsere Richtung zu lenken. Es existieren aber immer noch parallele Web-Sites bei manchen Händlern, die noch eigene Sites betreiben. Hier lassen wir den
Händlern weitestgehend freie Hand, außer eine Web-Site wäre [..] markenschädigend. Wir
bieten den Händlern eine Parallellösung an, die möglichst einfach und effizient ist, die sie
zusätzlich betreiben können [..].“
Fallbeispiel 15: Parallelle Web-Sites bei Daimler-Chrysler (Quelle: Druzovic, Expertengespräch DaimlerChrysler)
Ausserdem können auch diverse weitere unterstützende Dienstleistungen vom E-Business
angeboten werden, die am folgenden Fallbeispiel der Winterthur Versicherungen skizziert
werden:
524
525
526
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
129
Mit zunehmender Verbreitung des Internet war auch eine ständig wachsende Zahl regionaler
Verkaufsagenturen der Winterthur Versicherungen mit eigenen Web-Sites im Internet vertreten. Die überwiegende Anzahl dieser Sites entsprach jedoch nicht dem Corporate Design der
Winterthur Versicherungen, war in Bezug auf die formale Gestaltung unzulänglich und bot
nur wenige Inhalte. Die Winterthur Versicherungen beschloss daher, die Verkaufsagenturen
mit einem umfassenden Maßnahmenpaket bei der Gestaltung und Betreuung ihrer Web-Sites
zu betreuen. Die wesentlichen Ziele waren, eine Vereinheitlichung der formalen und visuellen Gestaltung der Web-Sites der Verkaufsagenturen herbeizuführen sowie die Attraktivität
ihrer Inhalte zu erhöhen.
Das Maßnahmenpaket beinhaltet die folgenden Teilschritte:
⎯
Überzeugung und Motivation der Agenturleiter zur Nutzung des Internet
⎯
Schulung der Agenturmitarbeiter
⎯
Aufschaltung der Web-Site
⎯
Qualitätskontrolle
⎯
Beratung bei der Pflege der Sites sowie Einholung von Feedback
Als zentrales Argument zur Überzeugung der Verkaufsniederlassungen gilt neben der umfassenden Betreuung der relativ günstige Preis für das Maßnahmenpaket. Zusätzlich besteht
die Möglichkeit, auf der Web-Site eine Verkaufsfunktion zu integrieren. Provisionen für Abschlüsse über die Web-Site werden der jeweiligen Agentur in vollem Umfang gutgeschrieben.
Im Rahmen einer halbtägigen Schulung wird den Mitarbeitern das Wissen zur Erstellung ihrer eigenen Web-Site vermittelt. Zusätzlich werden Handbücher ausgeteilt, welche die Inhalte der Schulung zusammenfassen. Die Mitarbeiter werden zu einer zeitnahen Erstellung der
Web-Site motiviert, damit sie das Erlernte möglichst direkt umsetzen können. Die fertiggestellte Web-Site wird von der Winterthur erst nach einer Qualitätsüberprüfung freigegeben.
Für die Qualitätsüberprüfung und die Aufschaltung der Außendienstwebsites sind eine Vollzeitstelle und eine Teilzeitstelle vorgesehen.
Die Verkaufsagentur bekommt bei zur Aufschaltung ihrer Web-Site ein Paket von unterstützenden Kommunikationsmaßnahmen, das aus Werbeetiketten, einer Anpassung der Korres-
130
pondenz, angepassten Visitenkarten, Schaufensterklebern und vorgefertigten Presseberichten
besteht. Ausserdem werden Suchmaschineneinträge vorgenommen und Vorlagen für Werbeinserate bereitgestellt.
Ein weiterer Mitarbeiter ist für die Betreuung der Weiterentwicklung der Agenturwebsites
zuständig. Seine Aufgabe ist es zu gewährleisten, dass die Sites weiterhin gepflegt und aktuell gehalten werden, dass „Links“ zu interessanten Inhalten gesetzt werden und „Specials“ zu
wechselnden Themen publiziert werden. Des Weiteren analysiert er die aufgeschalteten Sites
mittels Checklisten systematisch und ermittelt Verbesserungspotenziale. Gegebenenfalls bietet er dem jeweiligen Agenturleiter einen Beratungstermin an. Zusätzlich wird jeden Monat
ein Newsletter versendet, in dem Erfahrungen zur Optimierung der Web-Sites vermittelt und
die zehn besten Web-Sites dargestellt werden.
Nach der Aufschaltung ihrer Web-Site bewertet die betreffende Agentur anhand eines Fragebogens das gesamte Maßnahmenpaket und kann Verbesserungen äußern. Positives Feedback wird an den Flurwänden vor der E-Business-Abteilung aufgehängt und trägt somit auch
dazu bei, Skeptiker von diesem Konzept zu überzeugen.
Fallbeispiel 16: Prozess der Vereinheitlichung der Web-Sites der Verkaufsagenturen der Winterthur Versicherungen (Quelle: Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Unterlagen zum
Workshop „Marketing and New Media“)
3.3.3.3. Implementierung eines systematischen Kontaktmanagements
Die Bedeutung des Kommunikationskanals Internet kann dadurch erhöht werden, dass der
Kanal einen Beitrag zu Leistungserstellung anderer Kanäle liefert. Hierfür ist es erforderlich, ein professionelles und systematisches Kontaktmanagement aufzubauen. Wenn es gelingt, sowohl die Anzahl als auch das Potenzial der Kontakte, die über das Internet initiiert
werden, zu erhöhen, kann die Leistungsfähigkeit des Kanals in Bezug auf die Unterstützung
anderer Kanäle beim Verkauf belegt werden.527
527
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
131
Um eine Erhöhung des Erfolgs der Kontaktfunktion des Kommunikationskanals Internet
herbeizuführen, sind in der Unternehmenspraxis die folgenden Ansätze erkennbar:
—
—
—
Erhöhung der Quantität der Kontakte
Implementierung von Kontrollmaßnahmen
Kostensenkung durch zunehmende Automatisierung
Die Erhöhung der Quantität der über das Internet initiierten Kontakte ist davon abhängig,
inwiefern es gelingt, Nutzer zur Kontaktaufnahme über das Web zu motivieren. Die Grundlage für eine Kontaktaufnahme stellt die Attraktivität der Inhalte und E-Services auf der
Web-Site dar, die das Interesse des Nutzers wecken sollen, weitere Informationen einzuholen bzw. einen Kauf zu tätigen. Um Kunden die Kontaktaufnahme zu vereinfachen, hat die
Winterthur Versicherungen mit dem „Kontaktcontainer“ eine permanente Navigationsleiste
geschaffen, die auf jeder Web-Page auf der rechten Bildschirmseite ersichtlich ist und eine
Beratersuche ermöglicht, eine Telefon- und Faxnummer, eine E-Mail-Adresse sowie die
Postadresse des Unternehmens bietet.528
Damit gewährleistet wird, dass Mitarbeiter Kundenanfragen zeitnah und adäquat beantworten, sind geeignete Kontrollmaßnahmen zu implementieren. Idealerweise wird auch kontrolliert, zu welchem Ergebnis die weitere Beratung geführt hat.529 Um die Kosten der Kontakterfassung und –bearbeitung zu senken, sind die genannten Prozessschritte möglichst zu automatisieren. Dies kann einerseits dadurch erfolgen, dass der Kunde eine Selektion vornimmt, und er aufgrund dieser an einen Mitarbeiter weitergeleitet wird. Hiermit kann jedoch nicht das Potenzial eines Kontakts hinsichtlich eines Verkaufsabschlusses ermittelt
werden und somit auch keine Gewährleistung der Relevanz dieses Kontaktkanals für die
Verkaufsmitarbeiter erfolgen. Eine Potenzialbewertung ist beispielsweise mittels eines Tracking des Informations- und Surfverhaltens der Nutzer auf der Web-Site möglich. Bei der
Daimler-Chrysler AG will man in Zukunft das Potenzial eines Interessenten, der den Kontakt zum Unternehmen sucht, abschätzen indem man sich des Web-Tracking bedient, und
das Nutzungsverhalten auf der Web-Site analysiert. Wenn beispielsweise ein Nutzer eine
528
529
Vgl. hierzu die Web-Site der Winterthur Versicherungen unter www.winterthur-insurance.ch.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
132
komplette Fahrzeugkonfiguration erstellt, wird er als vielversprechender Kontakt gewertet
und im Fall einer Kontaktaufnahme direkt an einen Verkaufsmitarbeiter weitergeleitet.530
Die Erfassung und Weiterleitung von Kontakten („Leads“) stellt einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Senkung der Kosten des Kontakt-Managements der Winterthur Versicherungen dar. Um die Kosten für die Weiterleitung von 200-300 täglich anfallenden Kontakten
zu senken, soll die Weiterleitung in Zukunft möglichst automatisiert erfolgen. Die Art der
Anfrage wird durch den Nutzer per Selbstselektion gewählt, womit festgelegt ist, ob der
Kontakt an das Service-Center der Winterthur oder an eine lokale Verkaufsniederlassung
weitergeleitet wird. Hierbei muss auch (idealerweise automatisiert) erkannt werden, ob ein
Kontaktsuchender bereits Kunde bei der Winterthur ist und somit an seinen persönlichen
Kundenberater weiterzuleiten ist, oder ob er als neuer Kontakt einem verfügbaren Mitarbeiter zugewiesen wird.
Des Weiteren wird eine Software eingesetzt, die es ermöglicht, die Kontakte, welche Agenturen über verschiedene Kanäle bekommen, zu kontrollieren. Hierfür wird dem Leiter einer
General- bzw. Hauptagentur monatlich eine Liste der Leads übermittelt, die an Mitarbeiter
seiner Agentur weitergeleitet wurden. Er kontrolliert dann, ob die weitergeleiteten Kontakte
von den jeweiligen Mitarbeitern bearbeitet wurden und welche Ergebnisse die weitere Bearbeitung erbracht hat. Dies wird die Möglichkeit eröffnen, Vergleiche zwischen verschiedenen Mitarbeitern bzw. lokalen Verkaufsagenturen zu erstellen.
Fallbeispiel 17: Geplante Maßnahmen zur Optimierung des Kontaktmanagement bei der Winterthur Versicherungen (Quelle: Kuhn/Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen)
3.3.3.4. Maßnahmen der Effizienzsteigerung
Um den Erfolg des Kommunikationskanals Internet zu erhöhen, muss neben der Erhöhung
der Effektivität des Kanals auch die Effizienz der Leistungserstellung analysiert werden.
Dadurch, dass der ökonomische Nutzen des Kanals allenfalls indirekt ermittelt werden
kann, ist es erforderlich, Kostensenkungspotenziale systematisch zu suchen und auszu530
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
133
schöpfen. Kostensenkungspotenziale sind sowohl bei der Entwicklung von Software als
auch beim Betrieb der technischen Infrastruktur möglich.
Im E-Business eingesetzte Software wird in abnehmendem Maß selbst programmiert, stattdessen wird zunehmend Standardsoftware eingesetzt.531 Des Weiteren versuchen international tätige Konzerne, eine zentralisierte und somit einmalige Entwicklung neuer E-Businessund E-Service-Software zu erwirken, welche sämtliche Ländergesellschaften nutzen können.532 Während die Anpassung des Web-Designs der Web-Sites von Ländergesellschaften
zwar ein langwieriges Unterfangen darstellt, setzen sich die Zentralen hier in der Regel
durch und schreiben ihren Ländergesellschaften Design-Richtlinien vor.533 Neben Kostenaspekten spielt hier insbesondere eine einheitliche Markenvisualisierung und die damit einhergehende konsequente Verwirklichung eines Corporate Image (CI) und der Einhaltung
von Corporate Design (CD) Richtlinien eine zentrale Rolle.534
Um die E-Business-Abteilungen der Ländergesellschaften zur Nutzung von E-Services zu
bewegen, die von der E-Business-Abteilung in der Zentrale erstellt wurde, müssen sie in der
Regel von der Vorteilhaftigkeit der Lösungen überzeugt werden.535
Die E-Business-Abteilungen der Ländergesellschaften der Daimler-Chrysler AG agieren in
hohem Maß autonom. Um die Akzeptanz und Verbreitung der von der zentralen EBusiness-Abteilung erstellten E-Service-Applikationen in den Ländergesellschaften zu fördern, wurde ein Gesamtpaket geschnürt, das aus einem Content Management System und
zentralen weiteren E-Self-Service-Applikationen (Car Configurator, Dealer Locator, Gebrauchtwagensuche, Angebotsanfrage) besteht. Die Geschäftsführer der Ländergesellschaften wurden vom Global E-Business davon überzeugt, dass sie durch die Übernahme dieser
zentral erstellten E-Services im Gesamtpaket Kostensenkungen realisieren können.
531
532
533
534
535
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Warren, Expertengespräch Hilti AG; Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG.
Bieri, Expertengespräch Swiss Life AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG; Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
134
Fallbeispiel 18: Kostenvorteile eines zentral erstellten E-Service-Gesamtpakets (Quelle: Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG)
Laufende Pflegekosten können auch dadurch eingespart werden, dass der technische Betrieb
der Web-Site in Länder mit niedrigeren Lohnkosten verlagert wird.536
3.4. Management der Implementierung des Absatzkanals Internet
3.4.1. Charakteristika und Anforderungen
Nachdem der Absatzkanal Internet zur Zeit des Internet-Booms in einigen Unternehmen
von den Kernprozessen getrennt und somit in weitgehend separaten Organisationseinheiten
betrieben wurde, ist in den letzten Jahren eine (Re-)Integration dieses Absatzkanals zu beobachten. Separate Markenauftritte wurden vielfach gestrichen (wie z.B. „Myworld“ von der
Karstadt Warenhaus AG) und danach unter dem Markenauftritt der Mutterorganisation betrieben. Ausserdem wurde vielfach eine stärkere Verzahnung mit bestehenden Kanälen und
Prozessen in der Organisation angestrebt. Teilweise wurden separate E-BusinessOrganisationseinheiten aufgelöst und in bestehende Marketing- bzw. Vertriebsorganisationen integriert. Experten aus Wissenschaft und Praxis vertreten die Ansicht, dass vor allem
diejenigen Unternehmen Wettbewerbsvorteile aufbauen, die den Absatzkanal Internet als
Ergänzung zu ihrem bestehenden Geschäft auffassen und eine Integration von On- und Offline Aktivitäten anstreben.537
Dies wird durch das Verhalten der Kunden bestätigt, die situations- und verhaltensspezifisch
unterschiedliche Kanäle nutzen, um ihre Informations- oder Kaufbedürfnisse zu befriedigen.
Reichheld/Schefter sind sogar der Meinung, dass eine Separationsstrategie langfristig die
Kundentreue untergräbt, da Kunden nicht primär zwischen (bestimmten) Kanälen differenzieren, sondern alle Kanäle insgesamt zu ihren Erfahrungen mit einem Unternehmen beitragen.538 Es kann vereinzelt auch belegt werden, dass Kunden, die mehrere Kanäle im Verlauf
536
537
538
Vgl. Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Porter 2001, S. 63f.; Gulati/Garino 2000, S. 107ff.
Reichheld/Schefter 2001, S. 79f.
135
des Buying Cycle nutzen, profitabler sind als Kunden, die nur ein bis zwei Kanäle nutzen.539
Um diese Synergiepotenziale zu nutzen, ist zumindest ein hohes Maß an Abstimmung oder
gar eine Integration der Informations-, Kontakt- und Absatzfunktionen verschiedener Kanäle erforderlich.
Diese Ausführungen machen deutlich, dass eine zunehmende Integration des Absatzkanals
Internet in das (Makro-)System der Absatz- und Kommunikationskanäle stattfindet. Dies
stellt Unternehmen vor spezifische Herausforderungen, besonders hinsichtlich der damit
verbundenen strategischen, organisationalen, prozessualen und informationstechnischen Integration ins Unternehmen, die noch nicht vollständig abgeschlossen ist.540
Weitere Anforderungen an das Management des Kanals Internet betreffen die (Mikro-) Ebene des Kanals. Hier müssen Unternehmen erreichen, dass sie Käufe über ihren Absatzkanal Internet anregen bzw. initiieren, und dass der Kaufprozess, welcher den Kaufabschluss
und die Kaufabwicklung umfasst, zur Zufriedenheit der Kunden vollzogen wird.
Initiierung von Käufen
Da der Absatzkanal Internet aufgrund der Selbstbedienung des Kunden hinsichtlich der variablen Kosten des einzelnen Verkaufsakts den kostengünstigsten Absatzkanal darstellt, ist
aus Gesamtunternehmenssicht eine Verlagerung von Transaktionen der Kunden auf diesen
Kanal anzustreben.541 Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund einer Kundenwert
(-potenzial)betrachtung542 sinnvoll, in deren Rahmen wenig profitable Kunden zum Kanalwechsel zu bewegen sind. Anstelle einer persönlichen Betreuung, beispielsweise durch Außendienstmitarbeiter, sollten die betreffenden Kunden zu einer Nutzung des Absatzkanals
Internet bewegt werden.543 Um den angestrebten Kanalwechsel zu begünstigen, sind geeignete Anreize zu schaffen, z.B. in Form von Mehrwerten. Hierbei ist jedoch nicht nur die
539
540
541
542
543
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Link/Gerth 2001, S. 315f.; Lientz/Rea 2001, S. 26; Expertengespräch Erfert, Deutsche Lufthansa AG.
Bei der Quelle AG beläuft sich der Kostenvorteil einer Internetbestellung gegenüber einer telefonischen Bestellannahme auf ca. 30%. Gegenüber einer Bestellannahme per Fax bzw. Brief ist der Kostenvorteil noch höher (Groenen,
Expertengespräch Quelle AG); vgl. a. Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Vgl. Kapitel 3.5.1.
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
136
Preispolitik als Aktionsparameter, sondern auch die Produkt- bzw. Sortimentspolitik gefragt.544
Kaufprozess (Kaufabschluss und -abwicklung)
Um die Güte des Kaufprozesses auf einer E-Commerce-Web-Site in inhaltlicher und funktionaler Art zu erfassen, sind geeignete Messkriterien zur Erfassung der Qualität von ECommerce-Web-Sites heranzuziehen. Hierbei mehren sich in jüngster Zeit die Forschungsbeiträge zur Dienstleistungsqualität im Internet, die sich im Wesentlichen auf empirisch ermittelte Dimensionenkataloge stützen.545 Meist werden aus dem Dienstleistungsmanagement bekannte Kriterienkataloge als Basis genutzt, die dann um Internet- und E-Commercespezifische Aspekte ergänzt werden. Am bekanntesten ist der Kriterienkatalog des SERVQUAL-Verfahrens (zusammengesetzt aus „Service“ und „Quality“) von Parasuraman et al.
Die fünf im Rahmen des SERVQUAL-Verfahrens ermittelten Qualitätsdimensionen sind
die Annehmlichkeit des tangiblen Umfelds („tangibles“), Verlässlichkeit („reliability“),
Reagibilität („responsiveness“), Leistungskompetenz („assurance / competence“) und Einfühlungsvermögen („empathy / courtesy“).546
Die Erkenntnisse einer jüngeren, auf Fokusgruppen gestützten Studie haben zur Weiterentwicklung des Kriterienkatalogs hinsichtlich der Erfordernisse im E-Commerce geführt. Im
Einzelnen werden als Bestimmungsfaktoren der E-Service-Quality (E-SQ) die folgenden
elf, aufgrund des explorativen Charakters der Studie jedoch nicht überschneidungsfreien
Dimensionen genannt (vgl. Abbildung 25). Teilweise sind Überlappungen mit den Kriterien
der Web-Site-Qualität im Allgemeinen vorhanden, die um Spezifika des E-Commerce ergänzt wurden:547
1. Die „Verlässlichkeit“ („Reliability“) beinhaltet die fehlerfreie Funktionsfähigkeit der Site und einzelner Komponenten sowie die Einhaltung von Zusagen (z.B. hinsichtlich der
544
545
546
547
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Vgl. zu einer Übersicht über verschiedener Ansätze Breithaupt 2002, S. 191f.
Vgl. Parasuraman et al. 1985 zur ausführlichen Darstellung des SERVQUAL-Ansatzes. Vgl. a. Meyer et al. 2000, S.
10ff.
Vgl. Kap. 3.3.1.; Zeithaml et al. 2000, S. 16.
137
Lieferbarkeit und Lieferfrist der Ware), die korrekte Fakturierung und exakte ProduktInformationen.
2. Bei der „Ansprechbarkeit“ („Responsiveness“) ist die Fähigkeit zur Leistung von Hilfestellung bei Problemen oder Fragen und die dafür benötigte Bearbeitungszeit relevant.
3. Die „Zugänglichkeit“ („Access“) ist dann gesichert, wenn die Web-Site zügig abrufbar
ist und das Unternehmen bei Bedarf zu erreichen ist.
4. „Flexibilität“ („Flexibility“) betrifft die Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Zahlungsart,
des Versands, des Kaufs, der Suche nach und die Rückgabe von Produkten.
5. Eine „bequeme Navigation“ („Ease of Navigation“) ist gewährleistet, wenn der Kunde
sich einfach und schnell durch die Site bewegen kann und ihn die Funktionen der Site in
die Lage versetzen, das Gesuchte ohne Schwierigkeiten zu finden, beispielsweise mittels
einer geeigneten Suchmaschine.
6. Unter „Effizienz“ („Efficiency“) versteht man die einfache Bedienbarkeit und eine klare
Strukturierung der Site, so dass auch Kunden mit geringem (Vor-) Wissen zurecht
kommen.
7. Mit „Leistungskompetenz/Vertrauen“ („Assurance/Trust“) wird das Vertrauen des Kunden bei der Nutzung der Web-Site angesprochen, das durch den Ruf des Anbieters einer
Web-Site und durch die angebotenen Produkte und Leistungen genährt wird.
8. „Sicherheit/Privatsphäre“ („Security/Privacy“) bezieht sich auf das Ausmaß des wahrgenommenen Schutzes der Privatsphäre.
9. „Preistransparenz“ („Price Knowledge“) ist dann gewährleistet, wenn für den Kunden
Versandkosten, der Gesamtpreis und Vergleichspreise ersichtlich sind.
10. Die „Web-Site Ästhetik“ („Site Aesthetics“) betrifft die visuelle Anmutung einer Site.
11. Die Möglichkeit zur „individuellen Anpassung“ („Customization/Personalization“) bezieht sich auf die Individualisierung der Informationsdarbietung, des Kaufvorgangs, der
Zahlungsarten etc.
138
Konkrete
Hinweise
KarteikartenStruktur
Site Map
Wahrgenommene
Attribute
Einfaches
Navigieren durch
die Site
Dimensionen
Einfaches Finden
des Gewünschten
Bequeme
Navigation
One-Click
Bestellung
Dauer des
Checkout
Effizienz
ServerVerfügbarkeit
Verfügbarkeit
der Site
Flexibilität
Korrekte
Bestellung
Verlässlichkeit
Korrekte
Rechnung
Echtzeit
Inventur Update
Produkte auf
Lager
E-Mail Update bei
Lieferrückstand
Eingehaltene
Versprechen
Tracking des
Bestellstatus
Pünktliche
Lieferung
E-Coupons
Versandkosten
Verhalten
Zugänglichkeit
Suchmaschine
BestätigungsE-mail
Höheres
Abstraktionsniveau
Individuelle
Anpassung
Sicherheit /
Privatsphäre
Wahrgenommener
Komfort
Wahrgenommene
e-Service
Qualität
Wahrgenommene
Steuerungsmöglichkeit
Wahrgenommener
Nutzen
Ansprechbarkeit
Leistungskompetenz
Vertrauen
Kauf /
Wiederkauf
Web-Site
Ästhetik
Preistransparenz
Wahrgenommener
Preis
Kosten des
Preisvergleichs
Konkret
Abstrakt
Abbildung 25: Ebenen und Einflussgrößen der E-Service Quality (E-SQ) (Quelle: Zeithaml et al. 2000, S. 14;
eigene Übersetzung)
Wie aus der Abbildung ersichtlich ist, können einige der Dimensionen in den Konstrukten
„wahrgenommener Komfort“ („Perceived Convenience“) und „wahrgenommene Steuerungsmöglichkeit“ („Perceived Control“) über den Kaufprozess zusammengefasst werden.
Die wahrgenommene E-SQ schlägt sich im wahrgenommenen Nutzen nieder und beeinflusst somit die Entscheidung für einen Kauf bzw. Wiederkauf wesentlich. Der wahrgenommene Preis wirkt sich direkt auf den wahrgenommenen Nutzen aus. Die wahrgenommenen Attribute werden durch konkrete Hinweise gestützt. Die Forscher konnten auch ermitteln, dass bei manchen Dimensionen Idealwerte existieren. Die Übererfüllung dieser Idealwerte führt also nicht zu besonderer Zufriedenheit (vgl. a. Abschnitt 2.3.2), sondern wirkt
sich beim Kunden sogar negativ aus. Dies trifft insbesondere bei der „Ansprechbarkeit“ und
der „individuellen Anpassung“ zu.548
548
Zeithaml et al. 2000, S. 15f.
139
Letztlich sollte ein E-Commerce-Auftritt aus Kundensicht sowohl logisch und nachvollziehbar aufgebaut und intuitiv bedienbar sein. Hierbei ist der gesamte Prozess vom Aufruf
der Welcome-Page, der Auswertung von Produktinformationen, über das Füllen des Warenkorbs bis zum Check-Out und endgültigen Kauf zu berücksichtigen. Idealerweise empfinden Nutzer den Besuch auf einer Web-Site sowohl angenehm und effektiv (eine Web-Site
versetzt sie in die Lage, gewünschte Einkäufe zu erledigen) als auch effizient (z.B. durch
unkompliziertes, zügiges Einkaufen). Hier müssen wiederum die Bedürfnisse weniger versierter Nutzer berücksichtigt werden.549
3.4.2. Erfolgsbarrieren
Da das Internet in Bezug auf die variablen Kosten je Kaufakt den kostengünstigsten Absatzkanal darstellt, ist es aus Unternehmenssicht sinnvoll, den Anteil an online getätigten
Transaktionen an allen Transaktionen zu erhöhen und Kunden somit zum Kanalwechsel zu
bewegen.550 Hierbei zeigt sich jedoch, dass selbst bei „Vorreiterbranchen“ wie dem Versandhandel und der Luftfahrtindustrie noch massive Potenziale auszuschöpfen sind.551 Während schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung das Internet nutzt, nutzen noch relativ wenige Personen die Möglichkeit, online einzukaufen. Selbst in den genannten Vorreiterbranchen kauft nur ein Bruchteil der Internet-Nutzer auch online ein.552
Eine zentrale Erfolgsbarriere besteht darin, dass es bislang meist in nur unzureichendem
Maß gelingt, Online-Käufe zu initiieren. Als weitere zentrale Erfolgsbarriere ist zu verzeichnen, dass der Kaufprozess noch bei einigen Unternehmen nicht den Ansprüchen einer
heterogenen Nutzerschaft genügen kann, insbesondere hinsichtlich Usability- und Sicherheitsaspekten. Es ist außerdem typisch für den Typus des Absatzkanals, dass noch erhebli-
549
550
551
552
Zeithaml et al. 2000, S. 7f.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd. Dies setzt voraus, dass für den E-Commerce geeignete Güter über den Kanal Internet angeboten werden.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Vgl. Kap. 3.1.2.
140
che technische Effizienzpotenziale zu erschließen sind. Die Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des Absatzkanaltyps sind in der folgenden Abbildung 26 im
Überblick dargestellt und werden in den folgenden Kapiteln detailliert erläutert.
Markt- und
Umfeldbedingungen
E-BusinessManager
strukturelle
Implementierungsebene
Rollenverständnis des EBus.-Man.
komplexe
Leistungen
Erfolgsbarrieren
Formale und inhaltliche
Mängel im Kaufprozess
Kanalkonkurrenz d. Profit
Center
Organisatorische Stellung
MarketingKommunikat.:
Abstimmung,
Budgets
Kanalkonflikte
mit anderen
Absatzkanälen
Unzureichende kanalspezifische Anreize
Mangelnde Bekanntheit des
Online-Shops
Top-Mgmt.:
geringe Budgets
Mangelnde Autonomie bei der
Marktbearbeitung
Widerstände in
Ländergesellschaften
Kein E-Shop verfügbar
Verträge B-toB-Kunden
Eingeschr.Marktpotenzial
IT-Pflege
Hohe Pflegekosten
Unzureichende
IT-Standards
Mangelnde Initiierung von Online-Käufen
Interne Anreizsysteme/
Budgets
Unzureichende
interne Komm.
über (Teil-)
Erfolge
verhaltensbezogene
Implementierungsebene
Hohe Implementierungskosten
Hohe Kosten der
Leistungserstellung
Unzureichende
Automatis.
Legende:
Erfolgsbarriere
Implementierungslücke
Implementierungsbarriere
Abbildung 26: Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des Absatzkanaltyps (Quelle: eigene
Darstellung)
141
3.4.2.1. Mangelnde Initiierung von Online-Käufen
Studien belegen, dass die Nutzung von E-Commerce-Angeboten zwar zunimmt, aber das
allgemeine Niveau der Nutzung des E-Commerce dennoch recht gering ist.553 Einer repräsentativen Studie des Instituts für Marketing und Handel der Universität St. Gallen zufolge
haben 44,7% der befragten Schweizer Personen mit Internetzugang noch nie ein Produkt
oder eine Dienstleistung online gekauft. Weitere 12,7% kaufen maximal ein Mal jährlich,
26,7% ein bis zwei Mal halbjährlich, 14,3% ein bis zwei Mal monatlich und insgesamt 1,5%
noch häufiger im Internet ein.554 Dies belegt, dass sich die Diffusion der E-CommerceNutzung in einer frühen Phase befindet. Die Adoption des E-Commerce durch einen zunehmend großen Teil der Bevölkerung zeichnet sich allenfalls für bestimmte Produktkategorien ab.555
Heutzutage werden weiterhin im Wesentlichen wenig erklärungsbedürftige, standardisierte
Produkte online verkauft.556 Hingegen werden Produkte mit höherer Erklärungs- und Beratungsbedürftigkeit, wie dies beispielsweise bei Dienstleistungen der Versicherungsbranche
größtenteils der Fall ist, online in der Regel in deutlich geringem Maß gekauft.557
553
554
555
556
557
Rudolph/Schröder 2004, S. 13.
Rudolph/Schröder 2004, S. 45f.
Unter Diffusion versteht Rogers den Prozess, durch den eine Innovation durch bestimmte Kanäle im Zeitablauf unter den Mitgliedern eines sozialen Systems kommuniziert wird. Der Begriff der Adoption hingegen bezeichnet aus
der Sicht des einzelnen Konsumenten den Prozess der Wahrnehmung und der Nutzung einer Innovation (Rogers
1995, S. 5; Rogers 1995, S. 163ff.) Vgl. zu Details zur Diffusions- und Adoptionsforschung insbesondere Rogers
2003; Gierl 1987; Kaas 1973; Rogers 1962.
Rudolph/Schröder 2004, S. 13, 53.
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Vuyk, Expertengespräch Helsana AG; Memper-Schmid, Expertengespräch
Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
142
Kanalkonflikte als Ursache unzureichender kanalspezifischer Anreize und einer mangelnden Bekanntheit des Online-Shops
Eine wichtige Barriere einer höheren Nutzung des Online-Absatzkanals stellen unzureichende kanalspezifische Anreize dar.558 Dies ist dann der Fall, wenn Kunden den Absatzkanal Internet nicht als den preisgünstigsten Kanal wahrnehmen.559 Internetnutzer geben Lieferkosten und fehlende Preisvorteile als wesentliche Nachteile des Online-Shoppings an.560
Insbesondere in Branchen mit nicht standardisierten, erklärungsbedürftigen Produkten wird
zusätzlich eine unzureichende Bekanntheit des Online-Shoppings unter den Kunden als Erfolgsbarriere genannt.561
Unzureichende Anreize zum Kanalwechsel sind insbesondere auf Kanalkonflikte und damit
auf vertriebswegespezifische Restriktionen zurückzuführen.562 Die Implementierung des
Absatzkanals Internet zieht häufig Konflikte mit anderen Kanälen und somit verhaltensbezogene Implementierungswiderstände nach sich. Kanalkonflikte be- oder verhindern die
Einführung von internetspezifischen (relativ günstigeren) Preisen. Des Weiteren sind dadurch auch kurzfristige Maßnahmen der Verkaufsförderung, z.B. mittels zeitlich beschränkter „Web-only-Angebote“, nur eingeschränkt möglich.563 Hierbei sind auch informationstechnologische Implementierungslücken als Restriktionen zu verzeichnen, wenn keine einheitliche Anbindung der verschiedenen Kanäle an ein WWS existiert. Die Reservierung von
Produktbeständen für kanalspezifische Promotions kann nicht automatisiert erfolgen und ist
deshalb mit hohem Aufwand verbunden.564
558
559
560
561
562
563
564
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
In einer Studie zur Internetnutzung in der Schweiz wurden Lieferkosten als dritthäufigster Nachteil (7,4%) genannt,
während ein fehlender Preisvorteil von 3,6% der Befragten angegeben wurde (Rudolph/Schröder 2004, S. 79f.).
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Berutto/Haldimann,
Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Warren, Expertengespräch Hilti AG; Apfel/Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG. Vgl. zu Details zur Verkaufsförderung Bruhn 1997, S. 388ff; Cristofolini
1995.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
143
Kanalkonflikte sind auch für eine mangelnde Bekanntheit bei Kunden mit verantwortlich.
Im Ergebnis wissen bestehende Kunden zu einem Teil gar nicht, dass sie die Möglichkeit
zur Online-Bestellung haben, da ihnen dies über die anderen Absatzkanäle, beispielsweise
durch die Vertriebsaußendienstmitarbeiter, nicht aktiv kommuniziert wird. Ein von einzelnen Kunden möglicherweise aufgrund der Eigenschaften des Internetkanals bevorzugter
Kanalwechsel wird somit durch das Verhalten der Außendienstmitarbeiter behindert.565
Zwei Arten von Kanalkonflikten sind voneinander zu unterscheiden. Kanalkonflikte entstehen einerseits dadurch, dass mit der Implementierung des Absatzkanals Internet erstmals ein
direkter Absatzkanal aufgebaut wird.566 Kanalkonflikte treten hier somit zwischen einem
Unternehmen und seinen Intermediären auf, welche die Konkurrenz durch den direkten Absatzkanal fürchten.567 Man kann hier von externen Kanalkonflikten sprechen.568 Das „Bedrohungspotenzial“569 ist dann sehr hoch, wenn ein Grossteil der Verkäufe über die bisherigen indirekten Kanäle vonstatten geht. Der dabei aufgebaute Druck auf ein Unternehmen,
welches das Internet als neuen direkten Kanal implementieren möchte, ist dann besonders
hoch, wenn die Intermediäre in Interessensgruppen organisiert sind und im Extremfall ein
Verlust des Marktzugangs droht.570
Die Swiss International Airlines Ltd. hat im August 2003 mit dem Konzept „Swiss in Europe“ ihr neues Geschäftskonzept vorgestellt, in dessen Rahmen Online-Buchungen eine
zentrale Rolle einnehmen. Anfangs existierte in allen Buchungsklassen eine deutliche
Preisdifferenz zwischen den Preisen auf der Web-Site der Swiss und den anderen Absatzkanälen. Im Call-Center lagen die Ticket-Preise etwas höher als auf der Web-Site, das
Preisniveau der Intermediäre war wiederum etwas höher als das der Call-Center. Wenige
Monate darauf erhielt die Swiss von einem Verband Boykottdrohungen. Daraufhin sah sich
die Swiss gezwungen, ihre Preise anzupassen. Seitdem existiert nur noch in den zwei tiefsten Economy-Klassen, welche zeitlich sehr weit im Voraus zu buchen sind, ein Preisvorteil
565
566
567
568
569
570
Warren, Expertengespräch Hilti AG.
Dies ist beispielsweise in der Luftfahrt-Branche und der Automobilindustrie der Fall (Haldimann, Expertengespräch
Swiss International Airlines Ltd.; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Druzovic, Expertengespräch
Daimler-Chrysler AG.
Schögel 1997, S. 28f; Kotler/Bliemel 1995, S. 833; Moriarty/Moran 1991, S. 100; Day 1990, S. 223f.
Apfel, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Schögel 1997, S. 29.
144
des Online-Absatzkanals gegenüber anderen Absatzkanälen. Ende des Jahres werden die
bislang von Luftfahrtunternehmen an die Reisebüros gezahlten Kommissionen gestrichen.
Reisebüros werden dann bei ihren Kunden eine Gebühr erheben müssen. Die Swiss würde
diese Gebühr bei Online-Buchungen gerne streichen. Auch hier verhindert jedoch der
Druck seitens der Intermediäre, dass die Möglichkeiten zur Differenzierung über den Preis
vollständig ausgeschöpft werden können.
Fallbeispiel 19: Widerstand von Intermediären gegen Preisvorteile im Online-Absatzkanal der Swiss International Airlines Ltd. (Quelle: Berutto und Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.)
Andererseits werden Kanalkonflikte durch die Implementierung des Absatzkanals Internet
als weiterem, zusätzlichem direkten Absatzkanal genährt.571 Kanalkonflikte treten hier somit
zwischen bestehenden (direkten) Absatzkanälen und dem neuen elektronischen Absatzkanal
auf. Die Kanalkonkurrenz besteht somit intern.572
Wenn Absatzkanäle Profit-Center573 darstellen, stellt das Internet als neuer Absatzkanal in
der Regel eine Konkurrenz für bestehende Absatzkanäle dar574: „Bei jedem als Profit-Center
geführten Unternehmen stehen berechtigterweise Bereichsegoismen dahinter.“575 Verhaltensbezogene Widerstände beim Management bestehender Absatzkanäle treten dann auf,
wenn mittels des Absatzkanals Internet ein Kanalwechsel angestrebt wird und somit den
bisherigen Absatzkanälen droht, dass das bestehende Machtgefüge zwischen den Kanälen
verändert wird und Budgets zugunsten des Absatzkanals Internet umgeschichtet werden.576
Die Problematik der internen Kanalkonkurrenz wird insbesondere dann verschärft, wenn
Budgets und Umsätze nicht in ein- und derselben Abteilung anfallen.
Die Abteilung Relationship Marketing bei der SBB AG ist für die konzeptionelle Ausgestaltung des Kanals Internet und somit auch für die Entscheidung über die Implementierung
571
572
573
574
575
576
Beispiele hierfür stellen die Hilti AG, die Quelle AG, die Swisscom Fixnet AG und die Sixt AG dar.
Schögel 1997, S. 29; Bucklin et al. 1997, S. 37f.
Vgl. Staehle 1999, S. 743f.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Booth, Expertengespräch Hilti AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
145
eines Online-Shops verantwortlich. Die Budgets für den Aufbau und Betrieb des Internetkanals liegen jedoch bei der Vertriebsabteilung, womit bei dieser die Kosten des Aufbaus
des Online-Absatzkanals verbucht werden. Die dabei entstehende Problematik wird dadurch verschärft, dass die mittels des Online-Absatzkanals getätigten Umsätze bislang als
globaler Umsatz verbucht werden und somit nicht dem Vertrieb bzw. für einzelne Vertriebsregionen Verantwortlichen zugeordnet werden.
Fallbeispiel 20: Problem der getrennten Planungs- und Budgetverantwortung beim Absatzkanal Internet (Quelle: Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG)
Widerstände treten jedoch nicht nur bei den für bestehende Absatzkanäle verantwortlichen
Managern auf, sondern insbesondere auch bei ihren Mitarbeitern. Dies betrifft somit insbesondere den Vertriebaußendienst sowie weitere Kundenkontaktmitarbeiter, welche ebenfalls
die Funktionen der Beratung und des Verkaufs ausüben, wie dies beispielsweise bei CallCenter-Mitarbeitern, Relationship-Managern etc. der Fall ist. Der befürchtete Rückgang des
eigenen Umsatzes bzw. der telefonischen Bestellungen birgt somit eine (Existenz-) Bedrohung für die jeweils betroffenen Mitarbeiter.577
Bei der Hilti AG stellt der Außendienst traditionell den wichtigsten Absatzkanal dar, dessen Mitarbeiter den zentralen Zugang zum Kunden haben. Mehr als die Hälfte der ca.
15.000 Mitarbeiter von Hilti sind im Vertrieb tätig. Weitere Vertriebswege stellen das
Call-Center dar, der Customer Service, physische Hilti-Shops sowie der Online-Shop.
Die Reaktionen der Außendienstmitarbeiter auf den Absatzkanal Internet sind zwiespältig.
Während ein Teil dieser Mitarbeiter vom Nutzen des Internet überzeugt ist, sehen viele das
Internet als Bedrohung an. Ursprünglich war der Außendienstmitarbeiter konkurrenzlos in
dem ihm zugeteilten Verkaufsgebiet. Typischerweise betrachtet er die von ihm betreuten
Kunden als „seine“ Kunden. So zeigt sich, dass Außendienstmitarbeiter im Regelfall nicht
dazu bereit sind, die (von ihnen aufgebauten) Kundenbeziehungen mit anderen Kanälen zu
teilen. Ähnliche Reaktionen konnten schon Anfang der Neunziger Jahre beobachtet werden, als mit der Abteilung Customer Service ein konkurrierender Kanal aufgebaut wurde.
Dies ist Teil eines übergeordneten Problems. Die Unternehmenskultur von Hilti ist stark
577
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Schwarz, Expertengespräch Sixt AG.
146
vom Verkauf geprägt. Hilti versucht jedoch von der eher kurzfristig orientierten Verkaufsorientierung zu einer längerfristigen Planungsperspektive und umfassenden Marketingorientierung und -planung zu gelangen, welche auf mehreren Absatzkanälen basiert und allen
den gleichen Zugang zu Kunden ermöglicht.
Fallbeispiel 21: Widerstände im Verkaufsaußendienst der Hilti AG (Quelle: Warren und Booth, Expertengespräch Hilti AG)
Ein weiterer Aspekt der Akzeptanzproblematik ergibt sich daraus, dass Kunden durch die
im Internet enthaltenen Informationen heutzutage häufig besser informiert sind, als dies früher der Fall war. Dies führt auch dazu, dass die Anforderungen an Kundenkontaktmitarbeiter sowohl hinsichtlich des Wissensumfangs als auch der Wissenstiefe bei der Beratung
steigen. Zusätzlich ist zu verzeichnen, dass Kundenkontaktmitarbeiter nur unzureichend
darüber Bescheid wissen, welche Informationen und E-Services den Kunden auf der WebSite des Unternehmens angeboten werden.578
Eingeschränktes Marktpotenzial im B-to-B-Markt
Neben den bislang noch nicht ausgeschöpften Potenzialen im Business-to-Consumer-Markt
sind oftmals noch größere Potenziale im Business-to-Business E-Commerce vorhanden.579
Die zentralen Barrieren einer weiteren Ausschöpfung dieser Potenziale liegen in bestehenden Vertragsverhältnissen und technischen Restriktionen begründet. Wie bestehende Vertragsverhältnisse den B-to-B E-Commerce verhindern, zeigt das folgende Fallbeispiel:
Zwei Drittel der im deutschen Markt verkauften Tickets der Deutsche Lufthansa AG entfallen auf den Geschäftsreiseverkehr. Der Vertrieb basiert primär auf Verträgen, die Lufthansa
mit den Reisebüroketten, welche die Firmen betreuen, oder direkt mit den Unternehmen
abgeschlossen hat. Die Geschäftsreisenden können somit nicht über Lufthansa.com buchen,
sondern nutzen das Business Travel Management System ihres Unternehmens.
Fallbeispiel 22: Bestehende Vertragsverhältnisse als Barriere (Quelle: Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG)
578
579
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
147
Informationstechnologische Barrieren sind primär auf mangelnde Standards beim Datenaustausch und dem damit verbundenen Aufwand der Implementierung eines reibungslos funktionierenden Datenaustauschs zwischen den ERP-Systemen von Anbieter und Nachfrager
zurückzuführen.580 Dies stellt jedoch die Grundlage für die Automatisierung von Transaktionen dar. Somit kann der Engpass darin bestehen, dass nicht genügend technische Ressourcen – insbesondere in Form von Mitarbeitern – vorhanden sind, um die ERP-Systeme neuer
B-to-B-Kunden anzuschließen.581
Konflikte um Budgets für kommunikationspolitische Maßnahmen als Ursache mangelnder
Autonomie bei der Marktbearbeitung
Weitere verhaltensbasierte Implementierungsbarrieren sind auf interne Machtkämpfe um die
Allokation von Budgets für kommunikationspolitische Maßnahmen zurückzuführen. Sie beoder verhindern, dass eine höhere Allokation von finanziellen Mitteln in den E-BusinessBereich für Maßnahmen der Online-Marketingkommunikation stattfindet. Dies ist dann der
Fall, wenn der Funktionsbereich der Marketingkommunikation befürchtet, dass in zunehmendem Maß Mittel von der Offline-Kommunikation zugunsten der OnlineKommunikation realloziiert werden.582
Die Abteilung E-Business der Swiss International Airlines Ltd. hat zwar ein Budget für
kommunikationspolitische Maßnahmen. Da dieses gering bemessen ist, muss das EBusiness geplante Kommunikationsmaßnahmen beim Marketing-Management vorstellen.
Für die Bewilligung eines zusätzlichen Budgets muss der Return on Investment der geplanten Maßnahmen belegt werden.
Weitere Einschränkungen der Flexibilität sind dadurch hinzunehmen, dass geplante neue EService-Funktionalitäten mit der Marketing-Kommunikation auf die jeweiligen Märkte ab-
580
581
582
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG;
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG. Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) unterstützen als
integrierte Gesamtsysteme alle wesentlichen Funktionen der Administration, Disposition und Führung. Sie enthalten
u.a. Kundenstammdaten, Rechnungs- und Buchungsdaten, Lagerbestandsdaten etc. (Stahlknecht/Hasenkamp 2002,
S. 330f.).
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
148
gestimmt werden müssen. Danach wird entschieden, ob ein E-Service lanciert wird, mit
welchem Budget und über welche Kanäle (bzw. Medien) das Angebot kommuniziert wird.
Somit sind relativ kurzfristige Maßnahmen nicht realisierbar, weil die Marktverantwortlichen geplante Maßnahmen mit den Vorgesetzten koordinieren müssen und evtl. auch noch
der Reisebüroverband mit hinzugezogen werden muss, dessen nächste Verbandssitzung jeweils abgewartet werden muss.
Fallbeispiel 23: Budgetbewilligung durch die Marketing-Kommunikation (Quelle: Berutto, Expertengespräch
Swiss International Airlines Ltd.)
3.4.2.2. Mängel im Kaufprozess
Internet-Nutzer bemängeln insbesondere die folgenden Aspekte beim Online-Shopping:583
―
―
―
―
―
Fehlendes Vertrauen in die Sicherheit des Internet und die diskrete Behandlung von Daten
Lange Lieferzeiten und Versandkosten
Keine Überprüfung der Produkteigenschaften
Unübersichtlichkeit der Homepage
Hoher Suchaufwand
Dabei handelt es sich einerseits um generelle, internetspezifische Aspekte die nur teilweise
von Anbietern beeinflusst werden können (Sicherheit des Internet; Überprüfung der Produkteigenschaften), andererseits um konkrete, direkt beeinflussbare Aspekte (lange Lieferzeiten und Versandkosten, Unübersichtlichkeit, hoher Suchaufwand).584
Der Vergleich dieser kritischen Aspekte mit den aus der Unternehmenssicht wahrgenommenen ergibt einige übereinstimmende Ergebnisse. Dies gilt insbesondere für die Usability
der Web-Site und des Online-Shops sowie der Bedeutung des Sicherheitsaspekts. Zwar
583
584
Rudolph/Schröder 2004, S. 79f.; Pavlou 2003, S. 102 ; o.V. 2004 (UMTS-Report 2004). Vgl. zu weiteren Aspekten
Rudolph/Schröder 2004, S. 79f.
Vgl. hierzu die Ausführungen zur E-Service-Qualität in Kap. 3.4.1.
149
werden in der Regel beträchtliche Investitionen getätigt, um eine hohe Sicherheit vor dem
unauthorisierten Drittzugriff auf Kundendaten zu gewährleisten.585 Dies scheint jedoch in
der Kommunikation zu den Kunden noch nicht hinreichend durchgedrungen zu sein.
Die Unübersichtlichkeit der Web-Site stellt eine von Unternehmen erkannte Effektivitätsbarriere dar. Dies ist einerseits auf die verschiedenen Funktionen einer Web-Site zurückzuführen, die sowohl die Informations-, Kontakt- als auch Kauffunktion erfüllt. Andererseits
wird diese Problematik dadurch verschärft, wenn verschiedene Inhalte, Informations-, Kontakt- und Absatzservices für verschiedene Zielgruppen auf einer Web-Site angeboten werden.586
Als eine weitere Effektivitätsbarriere in Unternehmen wird die Handhabbarkeit des Kaufprozesses erachtet,587 die auch in Kundenbefragungen als Mangel kritisiert wird.588
Aufgrund der Vielfalt der Optionen beim Buchungsprozess kann eine Online-Buchung für
die Kunden der Lufthansa AG komplizierter wirken als bei sog. „Billigflug-Airlines“ bzw.
„No-Frills-Anbietern“ wie Ryan Air oder Germanwings, die sich im Wesentlichen auf
möglichst standardisierte Leistungen mit wenig Zusatzoptionen beschränken. Bei der Online-Buchung auf der Web-Site der Lufthansa AG spiegelt sich deren komplexe Tarif- und
Flugplanstruktur wider. Dies führt u.a. auch dazu, dass verschiedenen Kunden dieselbe
Leistung zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. Die Preisgestaltung ist somit insofern nur bedingt internetgerecht, als die Preise nicht immer nachvollziehbar sind.
Fallbeispiel 24: Hohe Komplexität im Buchungsprozess auf der Web-Site der Lufthansa AG (Quelle: Bretthauer und Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG)
Eine wesentliche Ursache für eine mangelhafte Usability stellt es dar, wenn E-BusinessManager die Rolle eines internen Dienstleisters wahrnehmen. Dieser nimmt Prozessanforderungen von anderen Funktionalbereichen entgegen und setzt diese dann ungeprüft um. Das
Resultat eines solches Vorgehens stellt vielfach eine exakte Übertragung von Offline585
586
587
588
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines
Ltd.
Rudolph/Schröder 2004, S. 80.
150
Prozessen auf das Internet dar. Nicht alle Offline-Prozesse sind jedoch auch internettauglich, d.h. möglichst einfach und selbsterklärend.589 Während somit hohe Entwicklungskosten für die Erstellung entsprechender E-Services anfallen, ist die Gefahr groß, dass diese
aufgrund ihrer mangelnden Eignung kaum genutzt werden. Die folgenden Statements von
Experten belegen dies:590
—
—
„Es kann nicht das Ziel sein, jede Prozessvariante auf dem Internet abzubilden. Wir
müssen in neuen internetfähigen Prozessen denken.“591
„Die Prozesse, die sich nicht einfach abbilden lassen, führen dann dazu, dass wir zusätzliche Informations-Pop-Ups haben, und dass man erst einmal minutenlang lesen muss,
bevor man verstanden hat, wie man mit einer Funktionalität umgehen muss. Der User,
der zum ersten Mal damit konfrontiert ist, bricht mit hoher Wahrscheinlichkeit ab und
ruft lieber das Call-Center an […].“592
3.4.2.3. Hohe Kosten
Die zentralen Barrieren einer kosteneffizienten Nutzung des Absatzkanals Internet liegen in
den hohen Kosten der technischen Implementierung sowie der Wartung von Informationstechnologie. Außerdem wird die Effizienz durch eine unvollständige Automatisierung von
(Teil-)Prozessen der Leistungserstellung beim Online-Absatzkanal beeinträchtigt.
In den meisten Unternehmen ist die IT-Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten „historisch“
gewachsen, so dass vielfach heterogene Systeme existieren. Heterogene Systeme, die nur
bedingt miteinander kommunizieren können, führen dazu, dass nicht über alle Kanäle die
gleichen Daten zur Verfügung gestellt werden. Heterogene Systeme sind häufig im Lauf der
letzten Jahre und Jahrzehnte zu einer IT-Landschaft herangewachsen, die nicht dafür konzipiert wurde, mit verschiedenen Kanälen zu kommunizieren. Es stellt somit in der Regel eine
aufwändige Migrationsaufgabe dar, bis zu zwanzigjährige Systeme so weiterzuentwickeln,
589
590
591
592
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG. Vgl. a. die entsprechenden Ausführungen in Kap. 3.4.2.1.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Apfel, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
151
dass verschiedene Absatzkanäle daran angeschlossen werden können und diese dann Produkt- und Kundendaten nutzen können.593 Damit diese Systeme Daten untereinander austauschen können, müssen sie in der Regel über eigens dafür geschaffene (nicht-standardisierte)
Schnittstellen verbunden werden.
Während dies einerseits hohe Anpassungskosten verursacht, wird der laufende Betrieb der
damit zunehmend komplexer gewordenen IT-Infrastruktur zunehmend ressourcenaufwändiger. Hinzu kommt, dass das Wissen zur Wartung alter Systeme sehr stark personengebunden ist, was dazu führt, dass immer weniger Personen diese Systeme überhaupt noch warten
können.594 Hohe Kosten müssen auch für den Betrieb und den Ausbau von Sicherheitslösungen berücksichtigt werden. Dies ist insbesondere bei Bankinstituten der Fall:
—
„Der Betrieb des Direct Net [Online-Banking der Crédit Suisse; Anm. d. Verf.] verursacht mehrere 10 Millionen Schweizer Franken an laufenden Kosten pro Jahr“595
Falls noch kein Content Management und kein Content Management System implementiert
sind, dann sind – wie beim Typus des Kommunikationskanals – hohe Kosten der Datenpflege zu verzeichnen. Als zentrale Barriere einer Implementierung von CMS-Systemen erweisen sich die hohen Kosten der technischen Implementierung, die aufgrund der Komplexität
und der damit einhergehenden erforderlichen Zeitdauer, die bis zu mehreren Jahren betragen
kann, anfallen.596
Die Effizienz des Absatzkanals Internet wird dann beeinträchtigt, wenn die Abwicklung von
Transaktionen nicht vollständig automatisiert verläuft, weil entsprechende technische Lösungen noch nicht implementiert sind. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Ausstellung von elektronischen Tickets (E-Tickets) in der Luftfahrtindustrie oder das Ausdrucken, Verpacken und Versenden von online getätigten Abonnements-Verlängerungen im
Schienenverkehr von Mitarbeitern vorgenommen wird, anstatt dass eine automatisierte Lösung implementiert ist.597
593
594
595
596
597
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; vgl. a. Kap. 3.3.2.5.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
152
Weitere technische Barrieren treten bei der Implementierung des Datenaustauschs mit Business-to-Business-Kunden auf, die eine automatisierte Rechnungslegung ermöglichen sollen.
Hierfür ist die Implementierung des Datenaustauschs zwischen den ERP-Systemen von Anbieter und Kunde erforderlich. Aufgrund eines fehlenden herstellerübergreifenden Standards
bei der Bezeichnung von Datenfeldern in der jeweiligen ERP-Software muss für jeden Kunden eine eigene Schnittstelle geschaffen werden. Je nach Grad der Unterschiedlichkeit der
Systeme erfordert dies mitunter einen hohen Aufwand an Ressourcen auf Seiten des Anbieters, bevor eine solche Lösung technisch implementiert ist.598
3.4.3. Typenspezifisches Implementierungsmanagement
Das zentrale Ziel des Managements der Implementierung des Absatzkanals besteht darin,
die strukturellen und verhaltensbezogenen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um einen
verstärkten Kanalwechsel der Kunden zu erwirken. Aufgrund der mit der Implementierung
des Absatzkanals verbundenen Kanalkonflikte und verhaltensbedingten Widerstände muss
ein solcher Kanalwechsel von der Geschäftsleitung getragen werden.599 Idealerweise wird
der Kanalwechsel in strategischen Grundsätzen verankert.600 Um die dafür notwendige Unterstützung von der Geschäftsleitung zu erlangen, ist es zentral, die Geschäftsleitung vom
Erfolg bzw. Erfolgspotenzial des Kanals zu überzeugen.
3.4.3.1. Nachweis des Erfolgs des Absatzkanals Internet
Die Basis für die Überzeugung der Geschäftleitung stellt der Aufbau eines geeigneten
Kennzahlen-Sets dar, um den Erfolg des Absatzkanals zu belegen. Die folgenden Grundsätze sind bei dem Aufbau eines Kennzahlen-Sets im E-Commerce zentral:601
598
599
600
601
Schwarz, Expertengespräch Sixt AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
In Anlehnung an Bachem 2003, o.S.
153
―
―
―
―
Strategisches Denken, pragmatisches Handeln
Entwicklung eines relevanten und übersichtlichen Sets aus Kennzahlen und Leistungsindikatoren
Verwendung von Methoden, um die Kennzahlen schnell, kostengünstig und einfach zu
erhalten
Kombination von quantitativen Kennzahlen und qualitativen Aussagen
Es zeigt sich, dass in der Unternehmenspraxis relativ einfache, von Pragmatismus geprägte
quantitative Kennzahlen überwiegen, welche eine operative Kontrolle ermöglichen. Ansätze
einer strategischen Kontrolle, welche die E-Commerce-Erträge in Relation zu sämtlichen
angefallenen Kosten für den Aufbau und den Betrieb des Online-Absatzkanals stellt,602
konnten nicht identifiziert werden.
Zentrale Kennzahlen stellen die im Online-Shop erzielten Umsätze bzw. die Anzahl der online getätigten Transaktionen sowie grundlegende Nutzungskennzahlen wie Visits, PageImpressions, AdClick-Rates und Conversion Rates dar.603 Sie werden im Wesentlichen zu
innerbetrieblichen Zeitvergleichen604 herangezogen, um somit mittels Wachstumsraten die
(gestiegene) Bedeutung des Online-Absatzkanals zu untermauern. Außerdem werden auch
Objektvergleiche getätigt, indem die Online-Umsätze mit den Umsätzen von Offline-Shops
verglichen werden.605
Um die Leistungsfähigkeit des Absatzkanals Internet zu belegen, können des Weiteren Studien in Auftrag gegeben werden, um den Kanalwechsel zu quantifizieren. Die folgende Abbildung fasst die zentralen Ergebnisse einer von der Quelle AG in Auftrag gegebenen Studie
zusammen, bei der ersichtlich ist, dass insbesondere die Quelle-Shops davon profitieren,
dass sich Kunden über die Web-Site der Quelle AG informieren und dann zu einem hohen
Anteil in den Quelle-Shops ihre Käufe tätigen.
602
603
604
605
Birkhofer 2001, S. 285ff.
O.V., o.J. (IVW Richtlinien für die Kontrolle von Online-Medien); URL:
http://www.ivw.de/richtl/IVWRili_Kontrolle_OnlineMedien.html; Kuß/Tomczak 2004b, S. 168f.
Birkhofer 2001, S. 292.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
154
Information
33%
Kauf
45%
6%
17%
Quelle-Shop
21%
8%
Katalog
Internet
Abbildung 27: Multichannel-Effekte bei der Quelle AG (Quelle: Groenen 2003)
Eine weitere – wenngleich auch aufwändige Methode – besteht darin, die Synergiepotenziale zwischen den Kanälen zu ermitteln. Die Quelle AG hat mittels Tests ermittelt, dass Kunden, die im Verlauf ihrer Such- und Kaufphase mehrere Kommunikations- und Absatzkanäle nutzen, um sich über die Produkte der Quelle AG zu informieren, letztlich mehr Umsatz
generieren und somit profitabler sind als diejenigen Kunden, die nur einen Kanal nutzen.606
Um die Unterstützung der Vorgesetzten und ggfs. des Top-Managements zu gewährleisten,
sind kontinuierliche Maßnahmen der internen Kommunikation erforderlich.
Die E-Business-Leitung der Swisscom Fixnet AG berichtet regelmäßig einmal im Monat an
die Leitung des Geschäftbereichs Retail Business. Dieses Reporting ist in Bezug auf die
Wahrnehmung der Relevanz des Absatzkanals Internet durch die Geschäftsleitung wesentlich. Das Reporting basiert auf einem dreistufigen Performance Measurement Cockpit. Die
erste Stufe ist am umfangreichsten und enthält alle Kennzahlen, die zur Führung der Abtei-
606
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
155
lung wichtig sind. Die zweite Stufe beschränkt sich auf die für das monatliche Reporting an
die Geschäftsleitung zentralen Kennzahlen. Die dritte Stufe enthält schließlich nur noch die
zentralsten Kennzahlen, die im Intranet publiziert werden.
Im Einzelnen wird im Reporting an die Geschäftsleitung dargestellt, welche Marketingkampagnen auf der Web-Site und im E-Shop im jeweils vergangenen Monat ergriffen wurden. Des Weiteren werden vorökonomische und ökonomische Kennzahlen präsentiert,
hierbei insbesondere der (relative) Umsatz des Online-Shops, die Anzahl der bestellten
Produkte, Verkaufszahlen der einzelnen Produkte, die Conversion Rate, Anzahl der Visits
und PageImpressions, die meistbesuchten Web-Pages etc.
Fallbeispiel 25: Reporting bei der Swisscom Fixnet AG (Quelle: Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet
AG)
Weitere Maßnahmen sind nicht nur dazu geeignet, die Relevanz des Kanals Internet sondern
sogar des gesamten E-Business zu erhöhen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die
Funktionseinheit E-Business in über das E-Business hinausgehenden Themen – wie beispielsweise dem Multi-Channeling – eine führende Rolle übernimmt. Dabei überprüft es das
bestehende Kanalsystem hinsichtlich seiner Effektivität und Effizienz.
Die Abteilung „Neue Medien“ der Quelle AG nimmt eine aktive Rolle dabei ein, die bestehende Absatzkanalparität zugunsten des Kommunikations- und Absatzkanals Internet in
Frage zu stellen. Die Abteilung E-Business nähert sich diesem Thema aus einer übergeordneten Sichtweise des Multi-Channeling, in der nach Optimierungen der Ausgestaltung des
gesamten Multi-Channel-Systems gesucht wird. Durch die Möglichkeiten des Internet und
des damit verbundenen Denkens außerhalb der etablierten Bahnen stößt die Abteilung
„Neue Medien“ häufiger bzw. schneller auf Problembereiche als andere Abteilungen. Letzere weisen häufiger standardisierte Abläufe im Bereich ihrer Vertriebs- und Verkaufsförderungsmaßnahmen auf, während diese Prozesse im Internet noch relativ neu und daher
weniger standardisiert sind.
Beispielsweise bekommen sog. Sammelbesteller bei Quelle eine Provision in Höhe von
10% des gesamten Werts der bestellten Waren, während jedoch die Margen bei einzelnen
Produktsortimenten unter diesem Prozentsatz liegen. Die Abteilung „Neue Medien“ greift
156
dieses Thema auf, hinterfragt die bestehende Lösung und platziert es „im politischstrategischen Entscheidungsfeld“.
Fallbeispiel 26: Rolle der Abteilung „Neue Medien“ als Treiber des Multi-Channel-Management (Quelle: Groenen, Expertengespräch Quelle AG)
3.4.3.2. Umgang mit Kanalkonflikten
Coughlan et al. unterscheiden in Abhängigkeit von der relativen Durchsetzungsfähigkeit einer der betroffenen Parteien und gegenseitigen Bereitschaft zur Zusammenarbeit fünf unterschiedliche Möglichkeiten des Umgangs mit Kanalkonflikten:
Bereitschaft zur
Zusammenarbeit
hoch
2 Anpassung
3 Zusammenarbeit
Schulung
Geringe Ausschöpfung von
Kostenvorteilen
Überzeugung
4 Kompromiss
Kanalparität
gering
Kein Profit-Center
1 Vermeidung
gering
Zwang
Konfrontation
5 Konkurrenz
hoch
Relative Durchsetzungsfähigkeit
Abbildung 28: Umgang mit Kanalkonflikten im E-Business (Quelle: in Anlehnung an Coughlan et al. 2001, S.
269, basierend auf Thomas 1976, S. 889-935)
Die zwei Extrempositionen bilden dabei die Vermeidung von Kanalkonflikten und die Austragung von Kanalkonflikten durch konkurrierendes bzw. aggressives Verhalten. Zwischen
157
diesen Extrempositionen sind zur Lösung von Konflikten die Anpassung, die Zusammenarbeit und die Kompromissschließung möglich.
Umgang mit internen Kanalkonflikten
Eine Vermeidung von internen Kanalkonflikten wird dadurch erreicht, dass der Absatzkanal
Internet nicht als Profit-Center betrieben wird. Somit wird eine Kannibalisierung anderer
Absatzkanäle vermieden. Sämtliche über das Internet generierten Umsätze verbleiben bei
den bestehenden Profit-Centern.
Bei der Crédit Suisse AG sind keine Kanalkonflikte mit bestehenden Absatzkanälen zu verzeichnen, da das Internet kein Profit-Center darstellt und somit die anderen Kanäle nicht
kannibalisiert. Vielmehr profitiert der Bereich Retail-Banking vom Kostensenkungspotenzial im operativen Kundenkontaktmanagement. Während sämtliche (off- und online erwirtschafteten) Kundenerträge beim Retail Banking anfallen, sinken durch den OnlineAbsatzkanal die Kosten der Transaktionen mit den Kunden.
Die Quelle AG unterscheidet in ihrer Organisationsstruktur zwischen Kundengruppen-,
Werbemittel- und Sortimentsverantwortlichen. Die Kundengruppenverantwortlichen entsprechen gleichzeitig den Kanalverantwortlichen und sind für die Umsätze der Quelle
Technik Center, der Quelle-Shops, bei Sammelbestellern, dem Call-Center etc. zuständig.
Werbemittelverantwortliche sind für die Werbemitteleffizienz von Gesamtkatalogen, von
Sonderkatalogen, Offline-Werbung, Online-Werbung etc. verantwortlich. Darüber hinaus
sind Sortimentsverantwortliche für die Umsätze der ihnen übertragenen Teilsortimente verantwortlich.
158
Kundengruppen/Kanäle
Werbemittel
Quelle TechnikCenter
Quelle-Shops
Call-Center
…
Katalog
Web-Site
Sortiment
Offline-Werbemittel
…
Sortiment
Das Internet hat bei der Quelle AG eine Zwitterfunktion. Einerseits stellt es ein Werbemittel dar, ist jedoch auch ein „fiktiver“ Absatzkanal, d.h. er wird nicht wie die anderen Absatzkanäle als Profit-Center betrieben. Die bestehenden Absatzkanäle werden nicht kannibalisiert. Durch Marketingmaßnahmen auf der Web-Site (z.B. Promotion eines Teilsortiments) generierte Umsätze werden sowohl dem für das jeweilige Werbemittel Verantwortlichen, als auch den Kundengruppen- bzw. Kanalverantwortlichen sowie dem jeweiligen
Sortimentsverantwortlichen zugeschrieben.
Fallbeispiel 27: Vermeidung von Kanalkonflikten (Quelle: Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG)
Im Rahmen der Taktik der Zusammenarbeit bzw. der Kompromissfindung wird versucht,
die Konflikte mit betroffenen Mitarbeitern mittels Überzeugung und ggfs. mit Schulungsmaßnahmen zu lösen. Dies ist insbesondere bei Konflikten mit Außendienstmitarbeitern607
sowie weiteren Kundenkontaktmitarbeitern – z.B. Relationship Managern608 – zu verzeichnen. Die Überzeugungsarbeit setzt an der Argumentation an, dass das Angebot des Absatzkanals Internet durch den Kunden getrieben wird und somit alternativlos ist. Unternehmen
versuchen ihre Mitarbeiter somit von der Nutzenstiftung des Kanals Internet für ihre Kunden und den damit verbundenen Vorteilen für das eigene Unternehmen zu überzeugen.609
607
608
609
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Kuhn, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Schwarz, Expertengespräch Sixt AG.
159
Dabei sind geeignete Argumentationslinien zu finden, um die Ängste bei den betreffenden
Organisationsmitgliedern abzubauen bzw. zumindest zu minimieren. Ein wesentliches Argument zielt darauf ab, dass der persönliche Kontakt weiterhin von (manchen) Kunden geschätzt wird, und der Kanalwechsel zugunsten des Absatzkanals Internet somit auch auf absehbare Zeit allenfalls partiell vonstatten geht. Des Weiteren wird mit der Entlastung der betroffenen Mitarbeiter von repetitiven Arbeiten argumentiert. In zunehmendem Maß entfällt
die Übermittlung von grundlegenden Informationen, die auf der Web-Site enthalten sind.
Die betroffenen Mitarbeiter können sich somit vielmehr auf eine tiefergehende, höher qualifizierte Beratung der Kunden konzentrieren.610 Hierfür sind die Mitarbeiter mit geeigneten
Schulungsmaßnahmen zu unterstützen.
Um Ängste der Kundenberater vor neuen Aufgaben zu überwinden, werden Betroffene bei
der Crédit Suisse AG mittels geeigneter Schulungsmaßnahmen durch das E-Business-Team
betreut. Hierfür werden die Kundenberater im Private Banking und im Retail Banking zu
Seminaren eingeladen, an denen auch Kunden, z.B. Senioren, teilnehmen. So lernen die
Kundenberater die Wahrnehmung des Internet durch Kunden kennen. In einem ersten
Schritt werden die Kundenberater mit den vielfältigen Informationen und E-Services vertraut gemacht, die auf der Web-Site abgerufen bzw. genutzt werden können. Weitere Schulungsmaßnahmen zielen auf die Erhöhung der Beratungsqualifikation der Kundenberater,
damit sie den Kunden über die Informationen auf der Web-Site hinausgehende, vertiefte
und auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Beratung bieten können.
Fallbeispiel 28: Schulung von Kundenberatern bei der Crédit Suisse AG (Quelle: Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG)
Die Taktik der internen Konkurrenz ist insbesondere beim Vorliegen einer relativ hohen
Durchsetzungsfähigkeit im Unternehmen durchführbar. Dies ist insbesondere dann der Fall,
wenn der Absatzkanal Internet ein bedeutendes Gewicht erlangt hat, so dass eine zunehmende Bedeutung zu erwarten ist, und der Kanalwechsel von der Geschäftsleitung aktiv unterstützt wird.611 Eine Konfrontation ist dann unvermeidbar, wenn die Zielsysteme des E610
611
Schwarz, Expertengespräch Sixt AG; Warren, Expertengespräch Hilti AG; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse
AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
160
Business und anderer betroffener Fachabteilungen aus fachlichen oder persönlichen Gründen heraus miteinander unvereinbar sind. In solchen Fällen ist die Überzeugung des TopManagements zur Sicherung der Unterstützung in der Konfrontation von besonderer Bedeutung.612
Auch Zwangsmaßnahmen basieren auf einer relativ hohen Durchsetzungsfähigkeit. Unter
diesen Bereich sind Aktivitäten zu subsumieren, die auf eine Neugestaltung von Zielsystemen hinwirken. Dies ist dann der Fall, wenn andere Kanäle – z.B. das Call-Center – dazu
verpflichtet werden, ihre Kosten im Kundenkontakt zu senken. Die Verantwortlichen müssen somit mit dem E-Business kooperieren und einen Teil ihrer Kundenkontakte auf den
Kanal Internet umschichten, um die gesetzten Zielvorgaben erreichen zu können.613
Dieser Druck kann auch auf einzelne Kundenkontakt- bzw. Verkaufsmitarbeiter ausgeübt
werden. Der Zwang für die betroffenen Mitarbeiter, einen Teil ihrer Kundenkontakte auf
den elektronischen Kanal zu überführen, wird dadurch verursacht, dass die den einzelnen
Stellen zugewiesene Aufgabenlast nur dann bewältigbar ist, wenn ein Teil der Kunden nicht
mehr persönlich betreut wird und somit ein verstärkter Kanalwechsel eines Teils der Kunden auf den Absatzkanal Internet erreicht wird.614
Umgang mit externen Kanalkonflikten
Im Umgang mit externen Kanalkonflikten überwiegen bislang Vermeidungs-, Anpassungsund Problemlösungsmaßnahmen und somit ein behutsamer Umgang mit dem Thema des
Kanalwechsels.615 Konfrontationen werden bislang weitgehend vermieden. Das „Bedrohungspotenzial“ ist aufgrund des vielfach noch sehr hohen Anteils der „klassischen“ Absatzkanäle an der gesamten Distributionsleistung und der damit verbundenen relativ geringen Durchsetzungsfähigkeit von Unternehmen hoch.616
612
613
614
615
616
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
161
Durch die Gewährleistung einer Kanalparität können externe Kanalkonflikte vermieden
werden. Hierbei entfällt eine Incentivierung von Käufen bzw. Transaktionen im OnlineAbsatzkanal, so dass Preise in Off- und Online-Kanälen identisch sind.617
Eine Maßnahme der Anpassung stellt ein Verzicht auf weitreichende Preisdifferenzierungen
dar. Diese werden allenfalls in Bezug auf Teilsortimente (z.B. Swiss) bzw. mittels zeitlich
begrenzter Promotion-Aktivitäten durchgeführt. Beispielsweise existiert bei der Swiss International Airlines Ltd. eine Preisdifferenz gegenüber Offline-Kanälen nur noch in den
zwei tiefsten Economy-Klassen, welche zeitlich sehr weit im voraus zu buchen sind.618
Im Rahmen einer Problemlösung werden die folgenden Argumente zur Überzeugung und
Gewinnung der Akzeptanz der Intermediäre zu Hilfe gezogen. Ähnlich wie bei internen Kanalkonflikten basiert die Argumentation darauf, dass der Absatzkanal Internet eine Reaktion
auf Kundenwünsche darstellt und man sich dem sich durch das Internet verändernden Markt
anpassen muss.619
Als weiteres Argument wird auf die wachsende Konkurrenz durch die Online-Kanäle von
etablierten und neuen Konkurrenten der Intermediäre verwiesen, um eine Bewusstseinsänderung bei den Intermediären zu erreichen. So stellen (neue) Intermediäre, z.B. OnlineReisebüros, als Vollsortimenter eine größere Bedrohung für die bestehenden Reisebüros dar
als die Luftfahrtunternehmen mit ihrem Online-Absatzkanal, die somit allenfalls als „Partialbedrohung“ für die Intermediäre fungieren.620
Es sind jedoch auch Ansätze zu erkennen, dass E-Business-Abteilungen auf Basis einer zunehmenden relativen Durchsetzungsfähigkeit und des internen Drucks zur Erfüllung der ihnen gesetzten Zielvorgaben die Bereitschaft erkennen lassen, sich zunehmend auf eine Konfrontation mit Intermediären einzulassen.621
617
618
619
620
621
Apfel, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Haldimann/Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
162
3.4.3.3. Umgang mit weiteren Konflikten
Interne Konflikte sind nicht nur mit weiteren Absatzkanälen zu verzeichnen, sondern auch
mit der Marketingabteilung. Sie basieren auf einer befürchteten Umverteilung von Budgets
für das Aufgabengebiet der Marketingkommunikation.622 In Abhängigkeit von der relativen
Durchsetzungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit werden hier insbesondere
Maßnahmen der Zusammenarbeit und der Konkurrenz ergriffen.
Die Lösung des Konflikts über Zusammenarbeit basiert auf dem Beleg der relativen Leistungsfähigkeit des Internet als Kommunikationsmedium hinsichtlich der Erreichung vorökonomischer und ökonomischer Kommunikations- und insbesondere Werbeziele. Vorökonomische Zielgrössen beziehen sich sowohl auf die Messung von Werbekontakten als auch
Werbewirkungen.623 Werbekontakte werden im Online-Bereich mittels Visits und PageImpressions gemessen. Darüber hinaus kann mittels der AdClick-Rate auch eine handlungsauslösende Werbewirkung gemessen werden – die der Reponse-Rate im Direktmarketing ähnelt.624 Basierend auf diesen zwei Kategorien von Werbezielen sind eingeschränkt
Vergleiche zwischen den Medien möglich, wobei idealerweise eine relative Preisgünstigkeit
der Online-Werbung gegenüber herkömmlicher Werbung belegt werden kann.625
Um die Leistungsfähigkeit von Online-Marketing-Maßnahmen nachweisen zu können,
wird die Swiss International Airlines Ltd. ein Tracking-System implementieren. Mittels
dieses Tools wird es möglich sein, den Anteil derjenigen Kunden zu ermitteln, die über ein
Hyperlink einer Online-Kampagne auf die Web-Site der Swiss gelangt sind und dort dann
anschließend auch einen Flug buchen. Somit kann nicht nur der vorökonomische Erfolg
anhand von Visits und Ad-Click-Rates gemessen werden, sondern auch der ökonomische
Erfolg von Online-Marketing-Maßnahmen.
Fallbeispiel 29: Nachweis der Leistungsfähigkeit von Online-Marketing-Maßnahmen (Quelle: Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.)
622
623
624
625
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Groenen,
Expertengespräch Quelle AG. Vgl. a. Kap. 3.4.2.1.1.
Steffenhagen 1993, S. 289.
Vgl. Bruhn 1997, S. 528f.
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
163
Um letztlich die relative Leistungsfähigkeit im Vergleich zu anderen kommunikationspolitischen Instrumenten nachzuweisen, wird in der Praxis ein Vergleich der Werbekosteneffizienz von Offline- und Online-Kommunikationsinstrumenten vorgenommen. Eine Methodik, die insbesondere im Direkt-Marketing eingesetzt wird, stellt die Break-Even-Analyse
dar. Hierbei kann ermittelt werden, ob die Kosten eines Werbemittels gedeckt werden.626 Es
gilt allerdings zu beachten, dass diese Methode aufgrund vielfältiger Probleme, insbesondere aufgrund der Zuordnungsproblematik, allenfalls Näherungswerte ergeben kann.627
Jedes bei der Quelle AG eingesetzte Werbemittel wird mittels einer Break-Even-Analyse
bewertet. Hierbei versucht man näherungsweise die Wirkung eines Werbemittels auf den
Umsatz eines (Teil-)Sortiments bzw. einzelner Produktgruppen und Produkte zu ermitteln.
Somit kann bei Quelle belegt werden, dass die Budgets für Online-Werbemaßnahmen gegenüber Offline-Werbemaßnahmen verhältnismäßig zu gering sind. Hierbei ist es jedoch
nicht das Ziel, die grundsätzliche Eignung einzelner Offline-Kommunikationsinstrumente
in Frage zu stellen, sondern eine Erhöhung des Budgets für Maßnahmen der OnlineKommunikation gemäß ihrer relativen Werbekosteneffizienz zu erwirken.
Fallbeispiel 30: Relative Werbekosteneffizienz der Online-Kommunikation (Quelle: Groenen, Expertengespräch
Quelle AG)
Basierend auf dem Nachweis der relativen Leistungsfähigkeit von OnlineWerbemaßnahmen sind begleitende kommunikative Maßnahmen sowie Überzeugungsarbeit
erforderlich:
—
„Wir haben den Marketing-Kollegen die Zahlen geliefert und damit versucht ihnen darzulegen, welche Vorteile das Internet, z.B. das Search-Engine-Marketing, hat. Wir mussten Überzeugungsarbeit leisten.“628
Hierfür werden kontinuierliche Abstimmungsprozesse mit den entsprechenden Vertretern
der Marketingkommunikation angestrebt:
626
627
628
Bruhn 1997, S. 538f.
Bruhn 1997, S. 359. Vgl. a. Steffenhagen 1993, S. 287f.; Kroeber-Riel/Esch 2000, S. 30.
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
164
—
„Wir arbeiten an einer Verbesserung des Prozesses, wir haben jetzt monatliche Meetings
zwischen unserer Abteilung, dem Markt Schweiz, der Marketingkommunikation und bestimmten anderen Märkten.“629
Nicht mittels Zusammenarbeit zu lösende Konfliktsituationen führen zu Konkurrenzverhältnissen. Basierend auf einer entsprechenden Position der Durchsetzungsfähigkeit sind hier
Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Interessen des E-Business zu vertreten. Hierbei
kommt der Einschaltung von in der Unternehmenshierarchie übergeordneten Entscheidungsträgern eine zentrale Rolle zu.630
3.4.3.4. Ausschöpfung von Anreizen für Kunden
Wie gezeigt wurde, ist die Ausschöpfung von Anreizen zur Motivation der Kunden zum
Kanalwechsel eng mit der Problematik der Kanalkonflikte verknüpft. Trotz der hemmenden
Wirkung von Kanalkonflikten wird jedoch versucht, Preisvorteile so weit wie möglich auszuschöpfen, sowie ein Image einer (relativen) Preisgünstigkeit aufzubauen.631
Eine Möglichkeit stellt es dar, eine Preisdifferenzierung zum Teil vorzunehmen, so dass nur
ein Teil der Produkte und Dienstleistungen zu einem günstigeren Preis angeboten wird.
Bei der Swiss International Airlines Ltd. werden die zwei tiefsten Preisklassen als WebSpecials beworben. Diese werden mittels diverser kommunikationspolitischer Aktivitäten
beworben, insbesondere in dem wöchentlich erscheinenden E-Mail-Newsletter. Flankierende Maßnahmen erfolgen durch kommunikationpolitische Maßnahmen über Offline- als
auch Online-Kommunikationskanäle, welche mittels geeigneter Botschaften die Preisgünstigkeit des Angebots ins Zentrum rücken:
629
630
631
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
165
—
—
„Surf your way to a bargain. Swiss.com”
“Best Price. Swiss.com”
Diese Werbebotschaften wurden im Hinblick auf Kanalkonflikte intern von einigen Personen als kritisch betrachtet, letztlich setzte sich das E-Business jedoch damit durch.
Fallbeispiel 31: Partielle Preisdifferenzierung bei der Swiss International Airlines Ltd. (Quelle: Haldimann/Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.)
Wenn jedoch aus Gründen der Vermeidung von Kanalkonflikten keine günstigeren OnlinePreise zur Verfügung gestellt werden können, können andere Anreize zumindest zeitweise
genutzt werden, z.B. durch einen auf einen bestimmten Zeitraum beschränkten Gutschein,
der ausschließlich bei einer Bestellung über den Online-Shop anfällt.632
Eine weitere Maßnahme liegt darin, den Kunden mittels eines differenzierten Leistungsangebots im Online-Absatzkanal einen Mehrwert zu bieten. Hier kommen insbesondere exklusive Leistungsangebote bzw. exklusive Produktbündel in Frage.633 Dies wird durch eine Integration von Partnerangeboten ermöglicht, beispielsweise wenn neben dem Flug auch Hotels bzw. Unterkünfte, Autovermietungen etc. von spezialisierten Unternehmen angeboten
werden.634 Einen Schritt weiter geht die Produktbündelung, in deren Mittelpunkt die Gestaltung eines attraktiven Bündels von Einzelleistungen steht, das zu einem Gesamtpreis angeboten wird.635
Um die Kunden verstärkt zu einem Kanalwechsel zu motivieren, werden sowohl Online- als
auch Offline-Kommunikationskanäle genutzt. Die Swiss International Airlines Ltd. nutzt
hierfür neben einer prominenten Platzierung auf der Welcome-Site der Web-Site ihren wöchentlichen E-Mail-Newsletter, und kommuniziert auch über Partner-Web-Sites, z.B. mittels eines Wettbewerbs bei einem Autovermieter.636
632
633
634
635
636
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Vgl. Herrmann 1998, S. 550ff.
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
166
Die Quelle AG versucht den Kanalwechsel von Kunden damit zu forcieren, dass in jedem
Quelle Hauptkatalog an diversen Stellen immer wieder auf die Möglichkeit zur OnlineBestellung hingewiesen wird. Zusätzlich werden auf diversen Produktseiten Hinweise gestreut, dass weitere Produktdetails auf der Web-Site des Unternehmens (www.quelle.de)
verfügbar sind.
Fallbeispiel 32: Bewerbung des E-Commerce-Angebots im Hauptkatalog der Quelle AG (Quelle: Groenen, Expertengespräch Quelle AG)
3.4.3.5. Erhöhung der Qualität des Absatzkanals Internet
Um die Qualität des Absatzkanals Internet zu erhöhen, werden neben der Sicherstellung von
objektiven Qualitätsmerkmalen insbesondere Maßnahmen zur Erhöhung von subjektiven
Qualitätsmerkmalen ergriffen.
Nachdem Unternehmen in der Vergangenheit Zusammenbrüche ihrer Web-Server aufgrund
eines unerwartet hohen Zuwachses der Nutzung hinnehmen mussten, reagierten sie mit einer Erhöhung der objektiven Leistungsfähigkeit ihrer Web-Server. Damit sollen selbst unerwartet hohe Zuwächse der Kundennutzung problemlos bewältigt werden.637
Hinsichtlich der subjektiven Qualität werden insbesondere Verbesserungen der Usability
des Online-Shops vorgenommen. Hierbei ist es eine zentrale Maßnahme, die Nutzerführung
während des Transaktionsprozesses zu verbessern und den Prozess transparenter und einfacher zu gestalten. Um dies zu erreichen, kommen verschiedene Methoden zum Einsatz. Zunächst ist an das aktive Einholen von Feedback anderer Organisationsteilnehmer zu denken.638 Kundenfeedback kann mittels mehrerer Methoden gesammelt werden, die gängigsten sind die Befragung von einzelnen Stamm- bzw. Großkunden639, Kundenbefragungen per
Fragebogen640, Usability-Labs641 sowie der Einsatz eines Tracking-Tools. Mittels letzterem
637
638
639
640
641
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Vgl. Kap. 3.3.3.2.
Schwarz, Expertengespräch Sixt AG.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
167
kann ermittelt werden, wo im Kauf- bzw. Buchungsprozess Kunden abbrechen, um somit
auf jene Barrieren zu schließen, welche für den Abbruch des Kaufprozesses verantwortlich
sind.642
Die Sixt AG sucht das Feedback ihrer Kunden mittels mehrerer Methoden. Hierfür führt
die Sixt AG regelmäßig schriftliche Kundenbefragungen durch, um die Zufriedenheit der
Kunden mit ihren Dienstleistungen zu ermitteln. Dabei wird auch die Zufriedenheit mit
dem Absatzkanal Internet ermittelt. Darüber hinaus werden in unregelmäßigen Abständen
telefonische Kundenbefragungen durchgeführt. Der Vertrieb kontaktiert hierfür einige
Kunden, die auch nach ihren Nutzungserfahrungen und ihrer Zufriedenheit in Bezug auf die
Nutzung des E-Shops befragt werden. Schließlich wird mittels Web-Tracking ermittelt,
welche Sites wie oft besucht werden, welche nicht besucht werden, wo Kunden abbrechen
etc. Die dabei ermittelten Aspekte werden nach ihrer Wichtigkeit und dem erforderlichen
Aufwand priorisiert und umgesetzt.
Fallbeispiel 33: Einholung von Kundenfeedback bei der Sixt AG (Quelle: Schwarz, Expertengespräch Sixt AG)
Um die Attraktivität des Online-Shops zu erhöhen, werden zusätzlich auch neue E-SelfService-Funktionalitäten implementiert.643 Hiermit wird angestrebt, bislang nicht durch den
Online-Absatzkanal befriedigte Self-Service-Bedürfnisse zu befriedigen, wie beispielsweise
die Durchführung der Umbuchung eines Flugs.644
Es ist beim Ausbau der Funktionalitäten des Online-Absatzkanals zentral, dass sich der verantwortliche E-Business-Manager in der Rolle eines „Gate-Keepers“ versteht. Seine zentrale Aufgabe besteht hierbei darin zu ermitteln, ob die betreffenden E-Self-ServiceFunktionalitäten für den Kunden nutzenstiftend und für das eigene Unternehmen zielführend sind. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn durch den E-Self-Service ein positiver ROI
aufgrund zu erwartender Umsatzerhöhungen oder Kostensenkungen im Kundenkontaktmanagement aufgrund der Selbstbedienung des Kunden zu erwarten sind, welche die Kosten
der Entwicklung und Implementierung eines E-Service rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere eine Abschätzung des Nutzungs- bzw. Nutzerpotenzials neuer E642
643
644
Stolpmann 2001, S. 111f.; Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
168
Service-Funktionalitäten erforderlich. Mittels einer neuen E-Service-Funktionalität sind existierende Bedürfnisse einer hinreichend hohen Anzahl an Nutzern zu befriedigen. Es ist zu
vermeiden, dass seltene Spezialfälle abgedeckt werden, wie die folgenden Expertenaussagen verdeutlichen:
⎯
„Wir sind sehr schnell dabei, Produkte [E-Self-Services; Anm. d. Verf.] zu entwickeln,
die viel kosten, und geben dann auch mal zwei Millionen für 10 Geschäftsfälle aus.
Bei diesen Stückkosten macht es keinen Sinn, diese Funktionalitäten anzubieten.“645
⎯
„Focus is the key. You have to know what you are going after and why.”646
Des Weiteren ist die gewünschte E-Self-Service-Funktionalität auf ihre Internettauglichkeit
zu überprüfen. Sie ist im Allgemeinen dann internettauglich, wenn die Funktionalität auch
von ungeübten Usern problemlos bedient werden kann und somit möglichst einfach und
selbsterklärend ist.647 Daher ist eine Überkomplexität an Funktionalitäten zu vermeiden,
welche die Usability des Online-Shops bzw. der Online-Buchungsmaschine minimieren.
Des Weiteren wird immer häufiger die Forderung nach der Amortisation von E-SelfServices gestellt.
In der Vorprojektphase von E-Business-Projekten laufen Projektvorschläge in der Abteilung Global E-Business der Hilti AG zusammen. Neben eigenen Vorschlägen werden auch
Vorschläge der IT-Abteilung sowie der E-Business-Abteilungen der Ländergesellschaften
berücksichtigt. Jede Abteilung hat hier unterschiedliche Funktionsschwerpunkte: Die Abteilung Global E-Business verfolgt eher längerfristige und strategisch orientierte Weiterentwicklungen des E-Business. Die IT-Abteilung liefert meist Projektvorschläge im Bereich der technischen Infrastruktur. Den E-Business-Abteilungen der Ländergesellschaften
kommt die Aufgabe zu, die Kundensicht in diesen Prozess einzubringen. Sie sind u.a. damit
betraut, mittels Kundenbesuchen die Bekanntheit des Absatzkanals Internet zu erhöhen und
Kundenbedürfnisse zu dokumentieren. Auf dieser Basis liefern sie Projektvorschläge, die
sowohl den Kunden als auch der für den Umsatz verantwortlichen Landesgesellschaft Nutzen erbringen.
645
646
647
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG. Vgl. a. die entsprechenden Ausführungen in Kap. 3.4.2.1.
169
Die vorgeschlagenen Projekte werden in Form von Business Cases eingereicht und vom
Global E-Business nach einem einheitlichen Bewertungsschema geprüft und schließlich
priorisiert. Die hierbei zentralen Fragestellungen sind die folgenden:
―
―
―
―
Welches ist der zentrale Nutzen einer E-Service-Lösung für Kunden?
Welche Ziele sollen mittels einer E-Service-Lösung im Unternehmen erreicht werden?
Welche Zielgruppen sollen angesprochen werden?
Welches sind die einzelnen Prozessschritte bzw. die funktionalen Abläufe?
Vor Projektbeginn erfolgt eine weitere Abstimmung mit denjenigen Personen, die den Business Case eingereicht haben. Hierbei werden die genannten Fragestellungen im Detail erörtert. Dabei erfolgt oftmals noch eine Reduktion auf diejenigen Funktionalitäten, die den
zentralen Nutzen des E-Service ausmachen. Danach werden vom Global E-Business die
Anforderungen festgelegt, die von der IT-Abteilung technisch umgesetzt werden.
Fallbeispiel 34: „Gate-Keeper“-Funktion des Global E-Business (Quelle: Warren und Booth, Expertengespräch
Hilti AG)
3.4.3.6. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung
„Der Traum wäre es, wenn man die IT ganz neu aufbauen könnte [..]“648
Die zentralen Ansatzpunkte zur Erhöhung der Effizienz des Absatzkanals Internet stellen
die Reduktion der Entwicklungs- und der Wartungskosten sowie eine Erhöhung der Automatisierung von Back-End-Prozessen dar.
Eine Möglichkeit zur Senkung der Entwicklungskosten von Software-Applikationen stellt
die zunehmende Verlagerung der Softwareentwicklung in Länder mit deutlich günstigeren
Lohnniveaus für Softwareentwickler dar.649
648
649
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
170
Die grundsätzlichen Möglichkeiten, die Wartungskosten von Software zu reduzieren, bestehen einerseits in der Softwaresanierung und andererseits in der Softwareneuentwicklung.650
Ein Problem stellt das der Kommunikation von jüngeren Applikationen mit LegacySystemen („Alt-Systemen“) dar.651 Während früher für jede neue Applikation eine eigene
Schnittstelle an die Legacy-Systeme entwickelt werden musste, können die Wartungskosten
reduziert werden, indem heute Bus-Lösungen eingesetzt werden. Hierbei werden sowohl
Alt- als auch Neu-Systeme an einen gemeinsam genutzten Eingabe-/Ausgabebus angeschlossen, über den der Datenaustausch zwischen den Systemen erfolgt.652
Weitere Kostenreduktionen sind mit einer Standardisierung von heterogenen SoftwareSystemen zu erreichen, indem eine neue Lösung aufgebaut wird, welche die alten Systeme
ersetzt. Dies ist beispielsweise beim Aufbau eines zentralen Content Management Systems
der Fall, das alle Kanäle einheitlich mit den jeweils erforderlichen Informationen versorgt.
In diesem Zusammenhang ist der zunehmende Einsatz von Standardsoftware zentral, um
den Anteil der kostspieligen Eigenentwicklungen zu reduzieren.653
Schließlich werden Kosten der Leistungserstellung im E-Commerce dadurch gesenkt, dass
(Teil-)Prozesse automatisiert werden. Bei der SBB AG erfolgt dies dadurch, dass bei Abonnementsverlängerungen ein automatisierter Ausdruck, Verpackung und Versand erfolgt. Bei
der Suisse Airlines Ltd. werden E-Tickets mittels eines Virtual Ticket Printers vollständig
automatisiert erstellt.654
3.5. Management der Implementierung des CRM-Kanals Internet
3.5.1. Charakteristika und Anforderungen
650
651
652
653
654
Stahlknecht/Hasenkamp 2002, S. 324ff.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Stahlknecht/Hasenkamp 2002, S. 28.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
171
Im Zentrum der Nutzung des Internet als CRM-Kanal steht der wechselseitige Austausch
von Informationen zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden. Hierbei handelt es
sich um ein prozessuales Interaktionsgeschehen, das als gegenseitige (interdependente) Beeinflussung und individuelle Reaktion auf das Agieren des jeweiligen Interaktionspartners
aufzufassen ist.655 Ziel ist es, einen möglichst kontinuierlichen Dialog zwischen Unternehmen und seinen Kunden im Sinne einer „Learning Relationship“ herbeizuführen, um damit
Nutzen für Kunden (insbesondere durch individuelle, bedürfnis- bzw. bedarfsgerechtere Informationen) und Unternehmen (mittels Up- bzw. Cross-Selling) zu stiften.656
Auf Basis einer (möglichst) weitgehend automatisierten Sammlung, Analyse und Nutzung
von Kundendaten kommt dem CRM-Kanal Internet bei der Verwirklichung des CRM die
Rolle als Enabler zu, da es erstmalig möglich ist, CRM wirtschaftlich mit einer breiten
Kundenbasis zu betreiben.657 Kunden durchlaufen E-Self-Service-Prozesse selbständig,
womit geringe variable Kosten der Kundeninteraktion zu verzeichnen sind. Außerdem sind
auch die variablen Kosten der Streuung von individualisierten Marketing-Kampagnen per
E-Mail zu vernachlässigen. Zusätzlich erfüllt das Internet als CRM-Kanal idealerweise auch
die Funktion der Aufzeichnung des Kauf- und Interaktionsverhaltens sowie weiterer kaufverhaltensrelevanter Merkmale einzelner Kunden im Verlauf einer Geschäfts-beziehung.658
Bislang sind Unternehmen allenfalls rudimentär dazu in der Lage, auf Basis von Kundendaten und Informationen in einen kontinuierlichen Dialog mit ihren Kunden zu treten. Bevor
somit das Internet als CRM-Kanal genutzt werden kann, sind in der Regel umfangreiche
Voraussetzungen durch die Konzeption und Implementierung des auf dem Informationsmanagement basierenden CRM in Unternehmen zu schaffen, die im Folgenden charakterisiert
werden.
Day zeigt auf, dass der Erfolg von CRM-Initiativen davon abhängt, ob es Unternehmen gelingt die „Market Relating Capability“ bzw. „Customer Relating Capability“ zu implementieren und weiterzuentwickeln. Auf Basis des ressourcenbasierten Ansatzes lässt sich somit
erklären, weshalb manche Unternehmen anderen in Bezug auf das Kun655
656
657
Vgl. Diller 2001a, S. 673f.; Diller 1997, S. 525.
Vgl. Kap. 2.1.4.
Link 2001a, S. 3.
172
den(beziehungs)management überlegen sind. Day versteht unter Fähigkeiten („Capabilites“)
komplexe Bündel von Qualifikationen und Wissen, die durch organisationale Prozesse zur
Anwendung kommen. Sie ermöglichen es Unternehmen ihre Aktivitäten zu koordinieren,
ihre Wirtschaftsgüter zu nutzen, und kontinuierlich Lern- und Verbesserungsprozesse voranzutreiben.659 Die „Customer Relating Capability“ stellt dann eine zentrale Quelle für
wettbewerbsüberlegenes Kundenmanagement dar, wenn sie mit einer Strategie kombiniert
wird, welche die Pflege von Kundenbeziehungen in den Mittelpunkt marktseitiger Bemühungen stellt.660
Die „Customer Relating Capability“ setzt sich aus den drei in wechselseitiger Beziehung
stehenden Faktoren „Configuration“, „Orientation“ und „Information“ zusammen, die in unterschiedlichem Ausmaß zur „Customer Relation Capability“ beitragen.661
Der Faktor „Configuration“ übt den höchsten Einfluss auf die „Customer Relation Capability“ aus. Er beinhaltet die Ausrichtung eines Unternehmens auf die Schaffung und Erhaltung von Kundenbeziehungen. Hierfür ist ein geeigneter organisationaler Kontext zu schaffen, in dem Kundeninformationen und Wissensflüsse eingebettet, aktiviert und genutzt werden.662 Die Konfiguration eines Unternehmens wird bestimmt durch
⎯
eine geeignete Organisationsstruktur,
⎯
die Schaffung geeigneter Anreizsysteme und Belohnungen,
⎯
das Setzen klarer Verantwortlichkeiten für das Kundenmanagement und
⎯
die Aktivitäten und Prozesse, die personalisierte Services ermöglichen (Strategie, Systeme).663
658
659
660
661
662
663
Hildebrand 1998, S. 58; vgl. a. Diller 1995, S. 443.
Day 1994.
Day/van den Bulte 2002, S. 4.
Day/van den Bulte 2002, S. 4; Day 2000a, S. 27ff. Eine ähnliche Systematik findet sich auch bei Bruhn, der in bezug auf die Implementierung einer integrierten Kundenorientierung die Faktoren Kultur, Strukturen und Systeme
unterscheidet (Bruhn 2002, S. 31; Bruhn 1999, S. 14).
Srivastava et al. 1999, zitiert nach Day/Van den Bulte 2002, S. 9.
Diese Ergebnisse traten unter sehr wettbewerbsintensiven Bedingungen auf. Außerdem traten sie unabhängig davon,
ob ein Unternehmen im B-to-B- oder B-to-C-Markt tätig war, auf. Je komplexer die Marktgegebenheiten, desto größer ist die Erfordernis der Synchronisation von Kontaktpunkten, der Schaffung geeigneter Anreizsysteme und klarer
Verantwortlichkeiten (Day/Van den Bulte 2002, S. 27).
173
Um kundenorientierte Prozesse effektiv zu managen und die Bedürfnisse verschiedener
Kundengruppen zu befriedigen, ist die Zusammenarbeit multi-funktionaler Teams erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Zusammenarbeit tatsächlich stattfindet, ist höher,
wenn sich Unternehmen um Kunden bzw. Kundengruppen herum organisieren. Die Organisation in vertikalen Funktionen behindert hingegen die gemeinsame Nutzung von Informationen und die Abstimmung von Zielen.664
Unter dem Faktor „Orientation“ werden die Denkhaltung, Werte und organisationale Prioritäten in Bezug auf Kunden bzw. Kundenbeziehungen zusammengefasst. Diese primäre Orientierung am Kunden, die dadurch zum Ausdruck kommt, ob Kunden als wertvolles Kapital des Unternehmens betrachtet werden und nicht nur als Ziele anonymer Transaktionen,
beeinflusst sämtliche Interaktionen mit dem Kunden vor, während und nach dem Kauf. Als
Lackmustest für die Kundenorientierung kann erachtet werden, ob die Kundenbindung im
gesamten Unternehmen eine hohe Priorität genießt. Kundenorientierte Unternehmen unterscheiden sich von weniger kundenorientierten Unternehmen hinsichtlich der folgenden drei
Kriterien:
⎯
Im Unternehmen herrscht eine hohe Bereitschaft vor, Kunden in Abhängigkeit ihrer
unterschiedlichen Life-Time Values differenziert zu behandeln.
⎯
Mitarbeiter im Kundenkontakt verfügen über einen größeren Spielraum, um Kunden
zufrieden zu stellen, ohne sich jeweils eine Einwilligung dafür holen zu müssen.
⎯
Es herrscht eine relativ höhere Offenheit vor, Informationen über Kunden zu teilen,
statt dass diese in den einzelnen Funktionseinheiten verbleiben oder gar „verteidigt“
werden.
Die Basis für das Customer Relationship Management stellen verfügbare, aktuelle, korrekte
und umfassende Informationen (Faktor „Information“) dar, die durch einen anhaltenden
Dialog mit Kunden erlangt werden.665 Um mittels Kundeninformationen einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern erlangen zu können, müssen Unternehmen das Management des
664
665
Day 2000a, S. 15; Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
Diller 2001e, S. 73. Informationen stellen jedoch lediglich eine notwendige, jedoch noch nicht hinreichende Bedingung für ein erfolgreiches Customer Relationship Management dar (Day/Van den Bulte 2002, S. 20).
174
gesamten Prozesses von der Datengewinnung bis zur Analyse der Daten und der Auslieferung von segment- bzw. kundenindividuellen Kampagnen beherrschen. Dieser Prozess wird
mittels der Phasen Identifikation, Analyse und Selektion sowie Interaktion systematisiert
(vgl. Abbildung 29).
Analyse und Selektion
(Auswertung und
Differenzierung)
Identifikation
(Erfassung von
Kundendaten)
Interaktion
(Austausch
individueller
Informationen
Abbildung 29: Prozess der Informationsgewinnung und -nutzung (Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schögel/Schmidt 2002, S. 46 und Link 2001c, S. 254)
Ausgangspunkt des in Abbildung 29 dargestellten Regelkreises ist die Erfassung von Kundendaten. Die Analyse der Daten stellt die Grundlage für die Bewertung und Selektion attraktiver Zielpersonen bzw. –gruppen dar. Sie werden in der Phase der Interaktion gemäß ihren Bedürfnissen im Buying Cycle über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg angesprochen. Die Reaktionen der Kunden auf die kommunikationspolitischen Maßnahmen
werden erfasst und fließen dann wieder in die Analysephase ein. Im Rahmen dieses Regelkreises werden die Merkmalsprofile über die Kunden ständig verfeinert.666 Um das Internet
und andere Kanäle als CRM-Kanal zu nutzen sind hinsichtlich der Ausgestaltung der drei
Phasen die folgenden Anforderungen an Unternehmen zu stellen.
Identifikation
666
Link 2001c, S. 254.
175
Gegenstand der Phase der Identifikation ist die Erfassung von Kundendaten. Zur Erfassung
von Kundendaten sind idealerweise alle Kanäle zu nutzen, über die ein Unternehmen mit
einem Kunden interagiert. Nur wenn alle Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunde
erfasst werden, kann ein vollständiges Profil des Kunden erstellt werden. Hierbei unterscheidet man zwei Fälle.667 Kunden sind entweder dazu zu motivieren, Angaben zu ihren
individuellen Präferenzen zu machen („Customizing“), wie dies beispielsweise in Bezug auf
Interessensgebiete im Rahmen der Abonnierung eines Newsletters der Fall ist. Im Rahmen
einer „Individualisierung“ gibt der Kunde nicht explizit Präferenzen an, sondern es wird aus
seinem bisherigen Nutzungs- und Kaufverhalten bzw. unter Hinzunahme von Informationen
über Kunden mit ähnlichen Präferenzen auf zukünftige Wünsche geschlossen. Hierfür ist in
der Regel die Erlaubnis der Nutzung von kundenindividuellen Daten zu erfragen.668 Die
spezifische Anforderung an den CRM-Kanal Internet besteht in der Ermöglichung der
Sammlung von Kundendaten, um diese zur Analyse in einen zentralen Datenpool einfließen
zu lassen. Hierbei sind die folgenden Arten von Daten zu unterscheiden:669
⎯
Grunddaten sind längerfristig gleichbleibende und weitgehend produktunabhängige
Daten (z.B. demografische Daten).
⎯
Potenzialdaten sollen produktgruppen- und zeitpunktbezogene Anhaltspunkte für das
kundenindividuelle, zukünftige Nachfragevolumen liefern (z.B. nächster Wartungstermin, nächster Geburtstag, etc.).
⎯
Aktionsdaten beinhalten Informationen über kundenbezogene Marketing-Maßnahmen,
insbesondere hinsichtlich ihrer Art, Intensität, Häufigkeit, ihres Zeitpunkts sowie idealerweise auch der jeweiligen anteiligen Kosten.
⎯
Reaktionsdaten umfassen Kundenreaktionen auf bisherige Marketingaktivitäten des
Unternehmens und geben somit Aufschluss über die Wirksamkeit der Maßnahmen.
Um eine kundenindividuelle Bearbeitung zu ermöglichen, sind neben kundenbezogenen Daten und Informationen noch die folgenden Informationskategorien zu unterscheiden:670
667
668
669
670
Nunes/Kambil 2001, S. 32.
Godin 1999.
Link/Hildebrand 1994, S. 6f.; Schulze 2000, S. 65f.
Schulze et al. 2000.
176
⎯
Markt und Wettbewerber: Relevante Marktdaten bzw. Markteinschätzungen, Konkurrenzprodukte, etc.
⎯
Verträge: Vertragsdaten, Zahlungs- und Lieferbedingungen etc.
⎯
Produkte: Produktspezifikationen, Konditionen, Finanzierungsmöglichkeiten etc.
⎯
Probleme und Lösungen: Beschwerden, FAQ-Listen, Prozesse zur Beschwerdebehebung, Kulanzrichtlinien, etc.
Um eine möglichst umfassende Sicht vom Kunden zu erhalten, sind diverse Kundendaten
erforderlich. Diese Kundendaten sind oft in verschiedenen Systemen abgelegt. Grob werden
fünf Typen von Informationssystemen zur Datenhaltung unterschieden:671
—
—
—
—
—
Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP-Systeme) enthalten u.a. Kundenstammdaten, Rechnungs- und Buchungsdaten, Lagerbestandsdaten etc.
Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM-Systeme) enthalten u.a. Daten zur
Kundenhistorie, zum Kampagnenmanagement, zu Servicevereinbarungen etc.
Dokumenten-Management-Systeme (DMS-Systeme) dienen zur Speicherung von Dokumenten wie Produktbeschreibungen, Werbebroschüren, etc.
Data-Warehousing-Systeme (DWH-Systeme) unterstützen die Wissenskategorien mit
konsolidierten, vergangenheitsbezogenen Daten, wie Auswertungen des Nutzungsverhaltens einer Kundengruppe, Verkaufszahlen verschiedener Produktlinien etc.
Externe Quellen dienen dem Zukauf von externen Inhalten, z.B. Adressdaten bestimmter
Zielgruppen etc.
Darüber hinaus können Kundenstammdaten und transaktionsorientierte Daten auch noch in
weiteren Systemen gehalten werden, beispielsweise in separaten Sales Force Automation
Tools, Call-Center-Systemen, Billing-Systemen, etc.672 Aufgrund des hohen zeitlichen und
finanziellen Anpassungsaufwands der Anbindung an bestehende Datenbanken wurden häufig neue Datenbanken für E-Business-Anwendungen aufgebaut, z.B. für einen ENewsletter.673
671
672
673
Riempp/Gronover 2002, S. 775f.
Zipser 2001, S. 39f.; Deluy, Expertengespräch Swisscom Mobile AG; Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
177
Analyse und Selektion
Im Rahmen des analytischen CRM werden die gesammelten Kunden- und Leistungsdaten
ausgewertet und dienen so als Entscheidungsgrundlage zur Gestaltung weiterer Kundeninteraktionen. Das analytische CRM lässt sich dem Bereich des Database Marketing674 zuordnen, das Teil des Direktmarketing675 ist. Unter Database Marketing versteht man ein Marketing auf Basis kundenindividueller, in einer Datenbank gespeicherter Informationen.676 Ziel
des Database-Marketing ist es, auch in Massenmärkten ein auf den richtigen Kunden zum
richtigen Zeitpunkt maßgeschneidertes Informations- oder Leistungsangebot zu bieten.677
Die in Datenbanken enthaltenen Daten sind mit Analyseinstrumenten zu analysieren. Hier
unterscheidet man zwischen Abfrageinstrumenten, Data Mining, und statistischen Analysen.
Abfrageinstrumente wie das On-Line Analytical Processing (OLAP) ermöglichen es, Muster in den zugrundeliegenden Daten zu erkennen, indem ein Anwender manuell Abfragen
nach verschiedenen Kriterien startet, beispielsweise hinsichtlich des Verkaufs von Produkten nach Regionen etc. Instrumente des Data Mining ermöglichen das Erkennen von Mustern bzw. Beziehungen zwischen Daten. Sie unterscheiden sich von Abfrageinstrumenten im
automatisierten Ablauf der Mustererkennung. Ihre Ergebnisse hängen wesentlich von dem
erarbeiteten Modell der Datenanalyse ab. In Abhängigkeit von dem zugrundeliegenden Modell können sowohl erklärende als auch vorhersagende Aussagen getroffen werden.678 Das
Data Mining wird beispielsweise dann eingesetzt, wenn Kaufwahrscheinlichkeiten, Faktoren der Kundenloyalität bzw. –fluktuation, die Rentabilität der Kundenbeziehung, die Potenziale für Cross-Selling etc. ermittelt werden sollen.679 Hierbei unterscheidet man insbesondere zwei Methoden, das sogenannte Collaborative Filtering und das Rule-based Filtering. Beim Collaborative Filtering werden Empfehlungen unter Rückgriff auf die Präferen-
674
675
676
677
678
679
Link/Hildebrand 1993; Link 2001c.
Nach Meinig umfasst Direkt-Marketing „die Gesamtheit aller Massnahmen, die darauf gerichtet sind, bestimmten
Zielgruppen Waren, Dienstleistungen oder Informationen individuell anzubieten, die Reaktionen auf das Angebot zu
erfassen, um daran ansetzend die weitere Zielgruppenbearbeitung möglichst individuell zu gestalten“ (Meinig 1992,
S. 205); vgl. a. Belz 1997a.
Link 2001a, S. 8ff.
Link 2001c, S. 253.
Vgl. zu weiteren Details Zipser 2001, S. 42ff.
Zipser 2001, S. 45f.
178
zen anderer Kunden erstellt.680 Beim fallbasierten Schließen (Case Based Reasoning, bzw.
Rule Based Filtering) werden den Kunden Empfehlungen auf Basis vordefinierter WennDann-Regeln gegeben.681 Beim Eintreten daten-, ereignis- oder zeitgetriebener Auslöser
(„Trigger“) greifen die einzelnen Regeln und lösen ein Folgeereignis aus.682 Statistische
Analysen ermöglichen es schließlich, Assoziationsbäume zu erstellen. Hiermit kann beispielsweise ermittelt werden, durch welche Charakteristika sich Kundensegmente auszeichnen, die bestimmte Produkte kaufen.683
Eine Selektion der Kunden basiert auf der Ermittlung ihres individuellen Kundenwerts. Bei
der Konzeptualisierung des Kundenwerts sind drei Dimensionen von Bedeutung. Hierbei ist
sowohl der gegenwärtige Erfolgsbeitrag, das zukünftige Erfolgspotenzial sowie der komplementäre Wertbeitrag (Ressourcenpotenzial) zu berücksichtigen. Unter dem Ressourcenpotenzial des Kunden versteht man qualitative Aspekte wie das Referenzpotenzial und das
Informationspotenzial des Kunden, die nur schwer quantifizierbar sind.684 In Abhängigkeit
von dem Kundenwert werden Kunden über verschiedene Kanäle differenziert angesprochen.
Interaktion
Um die aus der Analyse gewonnenen Informationen zielgerichtet zu nutzen, spielen das operative CRM sowie das kollaborative CRM eine wichtige Rolle.685 Eine Anforderung an
die Nutzung von Informationen besteht darin, alle Kommunikations- und Absatzkanäle
(auch das Internet) an das System der unterstützenden Informationssysteme anzuschließen
(„operatives CRM“). Schließlich sind alle Kanäle miteinander abzustimmen, um „Brüche“
im Prozess des Kundenmanagement zu vermeiden („kollaboratives CRM“). Hierfür sind
680
681
682
683
684
685
Wei et al. 2002, S. 181ff. Vgl. zu Details Runte 2000.
Stahlknecht/Hasenkamp 2002, S. 432ff; Stolpmann 2001, S. 204.
Von Keudell 2002, S. 798; Bliemel/Fassott 2001, S. 348; Thun/Schnieders 2000, S. 245.
Ling/Yen 2001, S. 96f.
Vgl. zu Details Rudolf-Sipötz/Tomczak 2001.
Innerhalb der informationstechnischen Perspektive des CRM unterscheidet man zwischen drei sich gegenseitig bedingenden und in einer engen Beziehung zueinander stehenden Elementen, dem operativen, analytischen und kollaborativen CRM. Vgl. Frielitz et al. 2000, S. 22ff; Meta Group 1999; Vermeehren 2001, S. 26. Vgl. hierzu auch die
Ausführungen in Kap. 2.1.4.
179
den Kunden über sämtliche von ihnen genutzten Kanäle hinweg dieselben Informationen
anzubieten.686
Im Rahmen der Phase der Interaktion werden Kunden idealerweise pro-aktiv gemäß ihren
Bedürfnissen im Buying Cycle über verschiedene Kanäle hinweg bearbeitet. Der CRMKanal Internet eignet sich aufgrund der geringen operativen Kosten insbesondere zur Bearbeitung von Kunden mit geringem Kundenwert. Hierbei werden Systeme der MarketingAutomation für die Steuerung und Unterstützung der kundenbezogenen Geschäftsprozesse
im Marketing eingesetzt. Zentral ist hierbei das Kampagnenmanagement, mittels dessen auf
Basis der Analysephase konkrete Marketingkampagnen bzw. Aktionsfolgen abgeleitet werden. Mittels einer automatisierten Kampagnenplanung, -steuerung und -wirkungskontrolle
erhalten Mitarbeiter idealtypisch die Möglichkeit, den richtigen Kunden das richtige
Leistungs- und Informationsangebot im angemessenen Kommunikationsstil über den richtigen Kommunikationskanal zu bieten.687 Die Informationen aus der Wirkungskontrolle bilden dann den Ausgangspunkt für weitere Analysen und Interaktionen.
3.5.2. Erfolgsbarrieren
Die Implementierung des CRM erfordert in der Regel einen umfassenden ChangeManagement-Prozess. Dieser ist um so umfassender, je weniger Unternehmen in ihren
Strukturen, Prozessen und Denkhaltungen der Organisationsmitglieder bereits markt- bzw.
kundenorientiert sind und somit die Customer Relating Capabilitiy hinsichtlich ihrer Faktoren und Teilaspekte verwirklicht haben. CRM-Projekte reichen somit von der Optimierung
der Effektivität und Effizienz bestehender kundenbezogener Aktivitäten bis hin zu umfangreichen Wandelprozessen, im Rahmen derer Unternehmen versuchen, sich von einer vorherrschenden Produktorientierung zu lösen und eine verstärkte Kunden- bzw. Marktorientierung zu implementieren.688
686
687
688
Monse/Janusch 2003.
Ling/Yen 2001, S. 91f.; Hettich et al. 2001, S. 183ff.
Vgl. Kap. 2.1.4.
180
Ähnlich wie bei der Implementierung von E-Business-Aktivitäten ist auch bei der Implementierung des CRM zu beobachten, dass der Fokus anfänglich auf die Implementierung
der informationstechnologischen Infrastruktur gelegt wurde. Während diese zwar als Grundlage für den Einsatz von CRM notwendig ist, haben die vorhergehenden Ausführungen gezeigt, dass dies nicht hinreichend ist. Erfolgreiches CRM hängt davon ab, in welchem Ausmaß es Unternehmen gelingt, den Prozess der Datensammlung, -analyse sowie der abteilungsübergreifenden, gemeinsamen Nutzung von Kundeninformationen erfolgreich zu implementieren. Wie in den Ausführungen zu Kap. 3.5.1. deutlich wurde, ermöglichen dies neben der Informationstechnologie insbesondere diejenigen Ressourcen, die unzureichend
mobil und replizierbar sind, wie die Kultur eines Unternehmens und die Abstimmung von
Struktur, Strategie und Systemen.689 Die Implementierung der Informationstechnologie ist
somit als Ausgangspunkt eines langwährenden Prozesses der Organisationsentwicklung zu
verstehen.690
Da dies eine sehr breit gefächerte Thematik darstellt, kann im Rahmen der vorliegenden
Dissertation nicht in vollem Umfang auf alle Implementierungslücken und -widerstände bei
der CRM-Implementierung eingegangen werden; es erfolgt daher eine Fokussierung auf die
zentralen Aspekte. Sie werden um diejenigen Implementierungslücken und –barrieren ergänzt, welche die Implementierung des CRM-Kanals Internet unmittelbar betreffen.
Die zentralen Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des CRMKanaltyps sind in der folgenden Abbildung 30 im Überblick dargestellt und werden in den
folgenden Kapiteln detailliert erläutert.
689
690
Day/Van den Bulte 2002, S. 29; vgl. a. die dort genannten Quellen.
Ähnliche Erkenntnisse wurden auch im Forschungsgebiet des Knowledge Management gemacht, wo Unternehmen
den Fokus anfänglich auf Informationstechnologie gelegt haben, dann aber feststellten, dass viel tiefergehende kulturelle und organisationale Veränderungen erforderlich sind, um Knowledge Management überhaupt effektiv nutzen
zu können (Day/Van den Bulte 2002, S. 29; vgl. a. die dort angegebenen Quellen).
181
Markt- und
Umfeldbedingungen
strukturelle
Implementierungsebene
Kunde: Kein
Mehrwert, kein
Vertrauen
Unzur. Analyseverfahren
verhaltensbezogene
Implementierungsebene
Erfolgsbarriere
Vertrieb: Barriere d. Teilung
v. Kundendaten
Unzureichende
Erfassung von
Kundendaten
Kompet. U-kult.
Unzureichende
Analyse von
Kundendaten
Technik: n. integrierte Datenbanksysteme
Unzureichende
Kundenselektion
Keine Berechn.
Kundenwert
(-potenzial)
Legende:
Erfolgsbarriere
Implementierungslücke
Implementierungsbarriere
Informationsnutzung nicht
definiert
Lückenhafte
Prozessdokumentation
Unzureichende
Anreizsysteme
Mangelnde
Abstimmung
der Komm. pol.
Mängel in der
Kundeninteraktion
Mangelnde
Automatisierung von Kundeninteraktionsprozessen
Abbildung 30: Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren des CRM-Kanaltyps (Quelle: eigene
Darstellung)
3.5.2.1. Unzureichende Erfassung von Kundendaten (Identifikation)
Barrieren der Erfassung von Kundendaten sind insbesondere auf verhaltensbezogene Widerstände im Vertrieb zurückzuführen wenn Vertriebsmitarbeiter „ihre“ Daten und Informationen über Kunden im Unternehmen „teilen“ müssen. Dieser Aspekt betrifft somit den
Umgang mit Kundendaten und -informationen in Unternehmen.691 Sie stellen eine Macht691
Peppers et al. 1999, S. 155f.
182
quelle im Unternehmen und somit auch eine Quelle für mikropolitische Aktivitäten in Unternehmen dar. Aufgrund der Preisgabe von Informationen wird die relative Machtposition
des einzelnen Vertriebsmitarbeiters gefährdet. Außerdem treten Existenzängste auf, weil
Vertriebsmitarbeiter Umsatzeinbussen befürchten.692 Im schlimmsten Fall bleiben Daten
und Informationen über Kunden an die jeweilige Person gebunden. Ein solches Verhalten
wird insbesondere dann gefördert, wenn die Unternehmenskultur funktionale Rivalitäten
stillschweigend duldet oder gar fördert.693 Darüber hinaus weisen Nonaka/Takeuchi darauf
hin, dass es eine grundsätzliche Schwierigkeit darstellt, kontextbezogenes und situatives
Wissen anderen Organisationsmitgliedern verständlich zu machen.694
Schwierigkeiten sind auch bei der Sammlung von Daten über das Web zu verzeichnen.
Grundsätzlich kann die Datensammlung über das Web mittels verschiedener Methoden erfolgen. Neben der Nutzung von Logfiles und von Cookies erfolgt sie häufig auch dadurch,
dass Nutzer Formulare ausfüllen. Lediglich die zwei letztgenannten Alternativen erweisen
sich jedoch als praktikabel. Die Erfassung von Daten aus Log-Files, die mittels sog „ClickStream-Analysen“ ermittelt werden, ist meist sehr aufwändig, da heutzutage viele WebSites ihre Inhalte beim Aufruf dynamisch aus Datenbanken generieren.695 Amazon.de nutzt
beispielsweise Informationen, die von Cookies gesammelt werden, um Cross-SellingPotenziale auszuschöpfen.696
Das aktive Ausfüllen von Formularen durch Nutzer ist an die Herausforderung geknüpft,
Nutzer dazu zu bewegen, Daten von sich preiszugeben. Beim „Customizing“ sollen sie ihre
Präferenzen explizit nennen. Kunden sind häufig nur in Ausnahmefällen dazu bereit, schon
in einem frühen Stadium der Beziehung persönliche Daten preiszugeben und fürchten um
ihre Privatsphäre. Bei diesem Vorgehen ist somit zu gewährleisten, dass Kunden einen hinreichenden Nutzen in der Datenpreisgabe erkennen können. Unternehmen weisen jedoch
692
693
694
695
696
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Brettschneider, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH. Vgl. hierzu auch Belz/Senn 1997, S. 49.
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Nonaka/Takeuchi 1995, zitiert nach Day 2000b, S. 15.
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Dieses Vorgehen ist unter dem Begriff der „Individualisierung“ zu subsumieren. Anbieter analysieren hierbei die
Kundendaten unter vorheriger Einwilligung der Nutzer und erstellen darauf basierend individuelle Kampagnen (Godin 1999).
183
Defizite auf, die Sichtweise der Kunden einzunehmen, und ihnen einen hinreichenden Gegenwert bzw. Mehrwert für die Preisgabe ihrer Informationen im Rahmen des Austauschprozesses zu bieten.697 Bei freiwilligem Austausch müssen i.d.R. beide Austauschbeteiligten
einen Vorteil aus dem Austausch erlangen; ohne einen realisierbaren Vorteilsgewinn für
beide Parteien kommt ein freiwilliger Austausch somit nicht zustande.698
Ein angemessener Mehrwert ermöglicht den Einstieg in ein kundenindividuelles Beziehungsmarketing. Im Zeitablauf muss ein Anbieter danach trachten, über weitere Interaktionen das Vertrauen seiner Kunden zu erwerben, damit sie ihm weitere Informationen preisgeben, die er dann wiederum dazu nutzen kann, seinen Kunden einen höheren Mehrwert zu
bieten (vgl. Abbildung 31).
1
5
2
Als Folge des gebotenen
Mehrwerts wird die
Häufigkeit der
Interaktionen zunehmen.
3
Das Vertrauen in
einen Anbieter steigt
mit dem gebotenen
Mehrwert
Je besser der Anbieter über
einen Kunden und ähnliche
Kundensegmente Bescheid
weiß, um so zielgenauer kann
er Mehrwerte generieren
4
Voraussetzung für
Interaktionen ist das
Vertrauen des
Kunden.
Um Gewohnheiten und Bedürfnisse
der Kunden zu ermitteln, benötigen
Anbieter möglichst viele
Interaktionen mit ihren Kunden
Abbildung 31: Zusammenhang zwischen Mehrwert, Transaktionen und Vertrauen (Quelle: Birkhofer et al.
2000, S. 171)
697
698
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Kotler/Bliemel 2001, S. 5; Fournier et al. 1998, S. 44; Houston/Gassenheimer 1987, S. 4; Bagozzi 1975, S. 32f.
184
3.5.2.2. Unzureichende Analyse von Kundendaten und Kundenselektion
Im Rahmen des CRM wird angestrebt, Kunden auf Basis von Informationen über möglichst
weite Teile des Buying Cycle zu begleiten.699 Um eine möglichst extensive Analyse von
Kundendaten zu ermöglichen, müssen Daten aus allen Kanälen so verfügbar gemacht werden, dass sie zentralisiert erfasst und analysiert werden können. Hierfür ist es erforderlich,
Daten aus verschiedenen Systemen in ein zentrales Datenbanksystem zu migrieren, wo
sämtliche Kundendaten einheitlich systematisiert abgelegt sind.
Oft ist keine zentrale Datenbank, die zur systematischen Speicherung aller relevanten Kundendaten dient, implementiert. Sie stellt jedoch die Grundlage für CRM dar.700 Die zentrale
Barriere der Implementierung einer zentralen Kundendatenbank stellt der dafür erforderliche Zeit- und Kostenbedarf dar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Daten zusammenzuführen sind, die unterschiedlich definiert sind, was eine einheitliche Neudefinition der
Daten erforderlich macht.701 Des Weiteren können hierbei auch verhaltensbezogene Barrieren in der IT-Abteilung hervorgerufen werden, weil sich die betroffenen Mitarbeiter gegen
Veränderungen in „ihrer“ Systemlandschaft wehren.702
Bevor die Daten aus diversen Systemen in ein zentrales System migriert werden können,
muss eine ausreichende Datenqualität sichergestellt werden. Hierfür ist eine Datenbereinigung mittels Plausibilitätsprüfungen, Dublettenchecks etc. erforderlich. Der hierfür erforderliche Aufwand kann beträchtlich sein.703
Daten verlieren ihre Aktualität im Zeitablauf. Sie müssen somit in regelmäßigen Abständen
überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden, um eine hinreichende Datenqualität zu
gewährleisten. Der hiermit verbundene Ressourcenaufwand ist in der Regel beträchtlich.704
699
700
701
702
703
704
Vgl. Kap. 2.1.4.
Schmid et al. 2000, S. 16; Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz
GmbH.
Link/Gerth 2001; S. 319; Schulze 2000, S. 42; Deluy, Expertengespräch Swisscom Mobile AG.
Wanzek, Expertengespräch Zürich Schweiz.
Kehl/Rudolph 2001, S. 266; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH.
Day 2000b, S. 15; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (2).
185
Ein weiteres zentrales Problem stellt die eigentlich Datenanalyse dar. Unternehmen legen
viel Wert auf die Datensammlung, -quantität und -qualität, jedoch zu wenig auf die intelligente Nutzung der Daten.705 Trotz eines zunehmenden Einsatzes von Informationstechnologie sind Unternehmen jedoch nur ansatzweise dazu in der Lage, gesammelte Daten zielgerichtet in Informationen oder gar Wissen umzuwandeln und nutzenstiftend in der Interaktion
mit dem Kunden einzusetzen:706
—
—
„We live in the information age, work in the information economy, and are surrounded
by an information technology of astonishing performance and price. And yet, with all
these technological marvels, we feel less than ever in control of information. This may
be called the paradox of information technology: The more information technology we
have and the more knowledge we produce, the further behind we are in coping with information. We invent and build new technologies to help us, but they set us back still
more”707.
„These bottlenecks are both human and organizational – the limited ability of individuals
and their collectives to mentally process, evaluate, and use information. [..] Almost anybody can add information. The difficult question is how to reduce it“708.
Hinzu kommt, dass nicht immer klar ist, welche Daten überhaupt benötigt werden. Den
Ausgangspunkt des Aufbaus eines Informationssystems sollte daher immer die Frage darstellen, wer wann welche Informationen in welcher Form benötigt. Anhand der Unternehmenspraxis ist jedoch ersichtlich, dass (noch) nicht immer eine Organisationseinheit vorhanden ist, welche mit der Definition, Pflege, Überwachung und ggfs. Änderung der Geschäftsregeln für Kundensegmente bzw. Individualkunden verantwortlich ist.709
Eine weitere zentrale Schwierigkeit ergibt sich daraus, aus der Vielzahl von Daten diejenigen Informationen herauszufiltern, die einen Beitrag zu einer effektiveren Kundenbearbeitung leisten können. Die Aussagekraft hängt in hohem Maß von den ermittelten Schlüsselereignissen und den Wirkungsmodellen ab, auf deren Basis beispielsweise Empfehlungen
705
706
707
708
709
Ebner, Expertengespräch McKinsey & Company.
Day 2000b, S. 14f.; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (2).
Noam 1997, S. 36, zitiert nach Weiber/Krämer 2000, S. 154f.
Noam 1997, S. 36, zitiert nach Weiber/Krämer 2000, S. 156.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
186
zu Cross Selling Maßnahmen getroffen werden.710 Die Selektion relevanter Daten sowie deren Auswertung stellen somit einen zentralen Erfolgsfaktor dar.711
Vor besonders hohen Schwierigkeiten des Einsatzes eines Rule Based bzw. Collaborative
Filtering steht die Quelle AG. Das Sortiment der Quelle AG ist vielfältig und damit recht
heterogen. Gleichzeitig ist die Kauffrequenz im Versandhandel mit durchschnittlich 1,8
Käufen pro Kunde pro Jahr relativ gering. Bislang existieren noch kaum Regeln, wie unter
solchen Bedingungen sinnvolle Schlüsse aus dem Kaufverhalten von Kunden gezogen
werden können: „Es gibt kein Produkt, das diese Komplexität und dieses Kaufverhalten abdeckt.“712
Fallbeispiel 35: Probleme der Datenanalyse bei der Quelle AG (Quelle: Groenen, Expertengespräch Quelle AG)
Es konnte festgestellt werden, dass in den untersuchten Unternehmen allenfalls rudimentäre
Modelle zur Ermittlung des Kundenwerts vorhanden waren.713 Sie stellen jedoch die Grundlage für eine kundenindividuelle und effiziente Bearbeitung von Kunden mit unterschiedlichem Potenzial dar.
3.5.2.3. Mängel in der Kundeninteraktion
Als eine weitere Erfolgsbarriere erweisen sich Mängel in der Kundeninteraktion. Hierfür
verantwortlich sind verhaltensbezogene Implementierungsbarrieren in Form einer mangelnden Abstimmung kommunikationspolitischer Inhalte über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg (kollaboratives CRM714). Im Ergebnis werden Kunden über ihren gesamten
Buying Cycle nicht über sämtliche Kanäle hinweg mit einheitlichen Informationen versorgt.
Eine mangelnde Abstimmung wird dann offensichtlich, wenn die Aktivitäten des E-Mail-
710
711
712
713
714
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Meffert 2000b, S. 15.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Vgl. beispielsweise Bohnenblust, Expertengespräch SBB AG.
Vgl. Kap. 2.1.4.
187
Marketings nicht mit der Marketing-Kommunikation und somit auch nicht mit anderen (offline) Direct-Marketing-Maßnahmen abgestimmt sind.715
Als Implementierungslücke erweist es sich, wenn die Rechte der Nutzung der Kundeninformationen nicht eindeutig definiert sind. Verhaltensbezogene Implementierungswiderstände werden dadurch begünstigt, dass die Aufgaben und Rollen aller am Prozess der Kundenbearbeitung beteiligter Funktionalbereiche nicht klar definiert und voneinander abgegrenzt sind.716 Eine weitere Implementierungslücke des operativen CRM besteht darin,
wenn die technischen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen wurden, dass alle Kanäle dieselbe Datenbasis zur Verfügung haben.717 Eine Anbindung des Kanals Internet an CRMDatenbanksysteme bedingt, dass eine geeignete Server-Software implementiert ist, deren
Implementierung i.d.R. mit hohen Kosten verbunden ist.718
3.5.2.4. Mangelnde Automatisierung von Kundeninteraktionsprozessen
Ein Ziel des CRM ist eine möglichst hohe Automatisierung der Prozesse der Identifikation,
Analyse und Selektion sowie Interaktion zu verwirklichen. Die zentrale Barriere stellt es
hierbei dar, wenn keine (vollständige) Dokumentation der Kundenbearbeitungsprozesse
vorliegt. Nicht dokumentierte Prozesse können somit auch nicht auf Effizienzsteigerungspotenziale untersucht werden, insbesondere auf die Möglichkeit zur Automatisierung von internen Abläufen und des Angebots eines E-Self-Service.719
Es zeigt sich, dass hierbei verhaltensbezogene Widerstände bei den Mitarbeitern der an der
Kundenbearbeitung beteiligten Funktionalbereiche Marketing, Vertrieb und Customer Ser-
715
716
717
718
719
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Booth,
Expertengespräch Hilti AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Vgl. Kap. 3.5.1.
Brettschneider, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Warren, Expertengespräch Hilti AG; Buser, Expertengespräch
Pidas AG.
188
vice die wesentliche Ursache für Verzögerungen bei der Verwirklichung einer höheren Effizienz der Kundenbearbeitung darstellen.720
Verhaltensbezogene Widerstände entstehen aufgrund des Eingriffs in den Kompetenzbereich der genannten Abteilungen. Dabei handelt es sich um einen typischen Konflikt zwischen einer Stabsabteilung, die für die Schaffung der Grundlagen des CRM verantwortlich
ist, und den jeweils betroffenen Linienabteilungen.721 Verhaltensbezogene Widerstände bei
den Betroffenen sind auf Angst vor Veränderungen zurückzuführen. Dies ist dann offensichtlich, wenn sich eine betroffene Abteilung gegen Veränderungen bei ihren „liebgewordenen Prozessen“722 wehrt.
Zum anderen resultieren sie typischerweise auch aus mangelnden Anreizsystemen. Mitarbeiter erkennen in solchen Fällen keine Vorteile aus der Implementierung des CRM, und
haben somit keinen Anreiz dazu, einen Beitrag zu einem funktionierenden CRM zu leisten.723 Als Beispiel hierfür dienen Vertriebsmitarbeiter. Sie konzentrieren ihre Aktivitäten
insbesondere in konjunkturell schwierigen Zeiten auf das Erreichen ihrer Verkaufsziele, und
damit eher auf kurzfristig erfolgversprechende Maßnahmen, statt an (langfristigen) CRMProjekten mit einer aus ihrer Sicht zweifelhaften Nutzenstiftung mitzuwirken.724
3.5.3. Typenspezifisches Implementierungsmanagement
Aus den bisherigen Ausführungen wurde offensichtlich, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung wesentliche Implementierungslücken und –barrieren eine Nutzung des Internet als
CRM-Kanal in Unternehmen weitestgehend verhindern. Die Grundlage – die Implementie-
720
721
722
723
724
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (2).
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
189
rung einer Customer Relating Capability725 – hat in den meisten Unternehmen bislang nur
teilweise stattgefunden.
Für das Management des Kanals Internet ergibt sich in erster Linie die Konsequenz, die
Schaffung der Grundlagen für ein funktionierendes CRM durch den Auf- und Ausbau der
Customer Relating Capability abzuwarten und sich dann in der Planungsprozess einzuschalten, wenn sich die informationstechnologischen, organisatorischen und kulturellen Voraussetzungen in einem fortgeschrittenen Implementierungsstadium befinden. Im Vorfeld einer
CRM-Implementierung sind von der E-Business-Leitung die folgenden vorbereitenden
Schritte vorzunehmen:
Kritische Überprüfung der Eignung des CRM für den Kanal Internet
Zu Beginn sollte eine kritische Überprüfung stattfinden, ob der Einsatz von individualisierten Informationen im Internet nutzenstiftend ist, sowohl für Kunden als auch für das einsetzende Unternehmen. Auf Kundenseite stellt sich insbesondere die Frage, ob Kunden CRMMaßnahmen überhaupt akzeptieren und dazu bereit sind, Unternehmen Informationen zur
Analyse bereitzustellen. Hierbei spielt es auch eine maßgebliche Rolle, ob ein Nutzen bzw.
Mehrwert vorhanden ist und Kunden diesen erkennen.
„Es ist wichtig zu überlegen, wann eine Personalisierung überhaupt Sinn macht. Wir haben
die Erfahrung [..] gemacht, dass wir im Direkt-Marketing bei der Abfrage einer General
Permission sehr geringe Response-Quoten haben. Nachdem wir angefangen haben, [..] dezidierte Mehrwertdienste im Internet zur Promotion anzubieten, schnellten auch die Nutzungsraten nach oben. Die Kunden erkennen sehr schnell, ob ein Mehrwert vorhanden
ist.“726
Fallbeispiel 36: Mehrwertdienste im Internet (Quelle: Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG)
Aus Unternehmenssicht steht die Erreichung konkreter Zielgrößen im Vordergrund, z.B. die
Erhöhung der Cross- bzw. Up-Selling-Quote, oder eine Verhinderung von Abwanderung.
725
726
Vgl. Kap. 3.5.1.
Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
190
Definition konkreter CRM-Maßnahmen
Wenn CRM-Maßnahmen im Kanal Internet grundsätzlich nutzenstiftend für Unternehmen
und Kunden sind, sollten Anwendungsszenarien in Form möglichst konkreter Maßnahmen
definiert werden. Hierbei ist zu definieren, welche „Geschäftsvorfälle“ bzw. Interaktionen,
die auf kundenindividuellen Informationen basieren, auf dem CRM-Kanal Internet abgebildet werden sollen. Dabei ist auch eine Sicherung der Kundenakzeptanz basierend auf der
Definition von klaren Mehrwerten zentral. In der Regel wird hierfür eine enge Zusammenarbeit mit der CRM-Abteilung bzw. -Projektgruppe sinnvoll sein. Zunächst sollte der Fokus
auf wenige, besonders potenzialträchtige Maßnahmen gerichtet werden, z.B. auf geeignete
Cross- oder Up-Selling-Maßnahmen. Die Definition von konkreten, erfolgversprechenden
Internet-CRM-Maßnahmen dient auch als Grundlage für die Überzeugung von Vorgesetzten.
Schaffung informationstechnologischer Grundlagen
Wenn eine grundsätzliche Eignung des CRM-Konzepts festgestellt wurde sowie konkrete
CRM-Maßnahmen definiert wurden, sind die informationstechnologischen Grundlagen zu
schaffen. Hierbei müssen die drei Phasen Identifikation, Analyse & Selektion und Interaktion informationstechnologisch unterstützt werden. Im Rahmen der Identifikationsphase ist es
zu ermöglichen, dass über das Web Kundeninformationen gesammelt werden können.727 Im
Rahmen der Analyse- und Selektionsphase ist zur Unterstützung des analytischen CRM eine
Integration der eigenen Kundendatenhaltung des CRM-Kanals Internet in eine zentrale
Kundendatenbank anzustreben.728 Des Weiteren sind hier in Kooperation mit der für sämtliche CRM-Maßnahmen übergreifend zuständigen Abteilung geeignete Analyseverfahren und
-regeln zu definieren.729 Die Interaktionsphase umfasst schließlich das operative und das
kollaborative CRM. Im Rahmen des operativen CRM ist dafür Sorge zu tragen, dass alle
Kanäle und damit auch das Internet an das System der unterstützenden Informationssysteme
angeschlossen sind. Schließlich sind alle Kanäle miteinander abzustimmen, um „Brüche“ im
727
728
729
Vgl. Kap. 3.5.1.
Erfert und Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Vgl. Kap. 3.5.1.
191
Prozess des Kundenmanagements zu vermeiden und den Kunden über sämtliche von ihnen
genutzten Kanäle hinweg dieselben Informationen anzubieten.730
Kommunikationskampagnen sollten auf Basis individualisierter Informationen auf ihre Akzeptanz und den Nutzen für ein Unternehmen getestet werden. Diese Informationen fließen
dann wieder in die Analysephase mit ein.731
4. Problemanalyse und Gestaltungsempfehlungen für das Management der Implementierung des Kanals Internet
4.1. Erweitertes Framework der Implementierung des Kanals Internet und Vorgehen
bei der Analyse von Erfolgsbarrieren, Implementierungsbarrieren und -lücken
In Kapitel 3.2. wurde das Framework der Implementierung des Kanals Internet bereits in
seinen Grundzügen vorgestellt. Basierend auf Erkenntnissen der Analyse der Internetkanaltypen wurde es erweitert und präzisiert. Das modifizierte Framework ist in Abbildung 32
dargestellt.
Auf der linken Seite sind die Internetkanaltypen sowie der der E-Business-Manager dargestellt, der durch seine Einwirkung auf konzeptionelle Aspekte und implementierungsrelevante Sachverhalte im Rahmen des ihm subjektiv zur Verfügung stehenden Spielraums den
Erfolg eines Internetkanaltypus mit beeinflusst. Hierbei sind insbesondere seine Interaktions- und seine Organisationsfähigkeiten von zentraler Bedeutung.732
730
731
732
Monse/Janusch 2003. Vgl. Kap. 3.5.1.
Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Vgl. Kap. 4.6.4.
192
Konzeption
Phasen des Buying Cycle/Kundenprozesse
Suchphase
Nutzungsphase
Kaufphase
Wiederkaufphase
Anbieterprozesse (Mikro-Ebene)
Aufmerksamkeit Informationsdarbietung
wecken
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Typ2:
2:Absatzkanal
Absatzkanal
Typ
InteraktionsInteraktionsfähigkeit
fähigkeit
Vertrieb/
Verkauf
Marketingkommunikation
Weitere
Weitere
Fähigkeiten
Fähigkeiten
Customer Care/
Kundenkontakt
Kanalmanagement
Erfolg
OrganisationsOrganisationsfähigkeit
fähigkeit
Effektivität
Effektivität
Effizienz
Effizienz
Implementierung
verhaltensbezogen
Ebenen
Typ1:
1:KommunikationsKommunikationsTyp
kanal
kanal
Problemlösung
Kaufabwicklung
Vorgesetzte/Top-Manag.
neg. individ. Zielerreichung
Bereichsleiter
kein Glaube an Erfolg
Mitarbeiter
Überforderung
Widerstandsursachen
Typ3:
3:CRM-Kanal
CRM-Kanal
Typ
Beratung
Anbieterprozesse (Makro- Ebene)
strukturell
Aufbauorganisation
Ablauforganisation
ITSysteme
Anreiz- & Allokationssysteme
Operative Detailplanung
Informationsmanagement
Sonstiges
Markt-und
undUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Markt-
Abbildung 32: Erweitertes Framework der Implementierung des Kanals Internet (Quelle: eigene Darstellung)
Im mittleren Teil befinden sich die Dimensionen Konzeption und Implementierung. Ziel der
konzeptionellen Analyse ist es, die Anforderungen an die einzelnen Internetkanaltypen anhand einer prozessorientierten Analyse zu systematisieren. Hierfür werden auf der Basis des
Buying Cycle zunächst diejenigen Kundenprozesse aufgelistet, die im Rahmen eines Internetkanaltypus abgedeckt werden sollen. Dem werden die korrespondierenden Anbieterprozesse gegenübergestellt. Auf der Mikro-Ebene handelt es sich hierbei um diejenigen Prozesse, die der unmittelbaren Begleitung von Kundenprozessen dienen, und die sich den Kategorien Erweckung von Aufmerksamkeit, Informationsdarbietung (unpersönlich bzw. personalisiert), Beratung, Kaufabwicklung und Problemlösung zuordnen lassen. Im Rahmen der
Analyse auf der Makro-Ebene werden diejenigen übergeordneten Anbieterprozesse im Unternehmen systematisiert, die im Rahmen der Leistungserstellung eines Internetkanaltyps
tangiert werden.733
Die Dimension der Implementierung enthält diejenigen strukturellen und verhaltensbezogenen Faktoren, die bei der Implementierung eines Internetkanaltyps tangiert werden können.
733
Vgl. Kap. 4.3.
193
Die bereits bekannte Unterscheidung in die strukturelle und verhaltensbezogene Implementierungsdimension bleibt beibehalten.
Im Rahmen der verhaltensbezogenen Dimension ist das Individualverhalten von herausragender Bedeutung, weswegen eine Konzentration auf die Analyse dieser Ebene stattfindet.734 Dies betrifft drei Ebenen bzw. Personengruppen. Zum einen den bzw. die Vorgesetzten bzw. das Top-Management735, zum anderen die Leiter anderer betroffener Funktionalbereiche sowie deren Mitarbeiter. Die Funktionalbereiche können mit den Anbieterprozessen
auf Makro-Ebene identisch sein, sind aber in der Regel aufgrund der intraorganisationalen
Arbeitsteilung weiter zu differenzieren. Bei jeder der betroffenen Personengruppen sind drei
grundsätzliche Ursachen für die Widerstandsentfaltung zu unterscheiden, und zwar die negative individuelle Zielerreichung, kein Glaube an Erfolg und Überforderung.736
Die strukturelle Implementierungsdimension enthält die Teildimensionen Aufbauorganisation, Ablauforganisation, Anreiz- und Allokationssysteme, Informationsmanagement, IT-Systeme, operative Detailplanung sowie sonstige Faktoren, welche den genannten Teildimensionen nicht zugeordnet werden können. Innerhalb dieser Subdimensionen werden durch die Implementierung des Kanals Internet diverse Faktoren tangiert, die
begünstigend bzw. hemmend auf die Implementierung des Kanals Internet wirken.737
Im Folgenden wird die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Analyse von Erfolgsbarrieren des Kanals Internet dargestellt. Sie ist in den wesentlichen Grundzügen dem Vorgehen
bei (Marketing-)Audits angelehnt. Unter einem Marketing-Audit versteht man nach Kotler
et al. „[..] eine umfassende, systematische, unabhängige und periodische Überprüfung der
Marketing-Umwelt, -Ziele, -Strategien und -Maßnahmen eines Unternehmens oder einer
734
735
736
737
Vgl. Kap. 2.2.2.1. Im Rahmen der empirischen Untersuchung konnte festgestellt werden, dass sich die Aussagen der
Experten hinsichtlich verhaltensbezogener Implementierungsaspekte zu einem sehr hohen Anteil auf das Verhalten
von Individuen innerhalb ihrer Organisation bezogen.
In dieser Arbeit wird weitestgehend der Terminus „Vorgesetzte“ für diejenige Personengruppe verwendet, welche
die Bestimmung der Höhe des Budgets für den Funktionalbereich E-Business verantwortet. Diese Personengruppe
kann je nach Organisationsstruktur in unterschiedlichen Hierarchieebenen angesiedelt sein. Vorgesetzte und TopManagement können somit identisch sein. Wenn sie es nicht sind, dann sind sie als separate Zielgruppen der Implementierungsarbeit differenziert zu behandeln.
Vgl. Kap. 4.7.1.
Vgl. zu Details Kap. 4.5.2.
194
Geschäftseinheit mit der Ausrichtung auf die Feststellung von Problembereichen und Chancen und die Empfehlung von Maßnahmen zur Verbesserung der Marketing-Leistung des
Unternehmens.“738
Das Vorgehen beim Erfolgsbarrieren-Audit des Kanals Internet ist wie folgt zusammenzufassen: Auf Basis der Bestimmung der Ausgangssituation („Bestimmung des Internetkanaltyps“) sind die konzeptionellen Anforderungen an den jeweiligen Internetkanaltyp zu definieren. Der Vergleich zwischen diesen Anforderungen und der tatsächlichen Realisierung
führt zur Identifikation der Implementierungslücken und –widerstände, sowie der dafür verantwortlichen Ursachen. Letzere bilden den Ausgangspunkt für geeignete Implementierungsmaßnahmen.
Konzeption
2. Schritt: Bestimmung der Kundenprozesse
3. Schritt: Bestimmung der Anbieterprozesse
1. Schritt: Bestimmung der Ausgangssituation
Typ3:
3:CRM-Kanal
CRM-Kanal
Typ
Typ2:
2:Absatzkanal
Absatzkanal
Typ
Typ1:
1:KommunikaKommunikaTyp
tionskanal
tionskanal
Markt-und
und
MarktUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Erfolg
4. Schritt: Ermittlung ineffektiver und
ineffizienter Anbieterprozesse
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Effektivität
Effektivität
Effizienz
Effizienz
7. Schritt: Analyse der
Implementierungsfähigkeiten
Implementierung
5. Schritt: Ermittlung struktureller und
verhaltensbezogener Implementierungslücken
und -barrieren
6. Schritt: Auswahl geeigneter Massnahmen
Abbildung 33: Vorgehen bei der Analyse von Erfolgsbarrieren des Kanals Internet (Quelle: eigene Darstel lung)
738
Kotler et al. 1977, S. 27.
195
Im ersten Schritt ist festzulegen, welchen Internetkanaltyp ein Unternehmen schwerpunktmäßig verfolgt bzw. verfolgen sollte (Kap. 4.2.). Dies entspricht auf der Basis von Informationen über Markt- und Umfeldbedingungen einem Audit des Implementierungsgegenstands, wo anhand der Abwägung von Chancen und Risiken überprüft wird, ob der verfolgte
Internetkanaltyp geeignet ist. Hier stellt sich somit die strategische Frage: „Machen wir die
richtigen Dinge?“739 Dies entspricht einem Audit des Implementierungsgegenstands.740 Eine
Schwerpunktlegung auf einen nicht geeigneten Internetkanaltyp kann neben Implementierungslücken und –barrieren dafür verantwortlich sein, dass der Erfolg hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Im zweiten Schritt sind zunächst die Prozesse festzulegen, welche Kunden im Rahmen ihres
Buying Cycle beim jeweiligen Internetkanaltyp typischerweise durchlaufen. Diese sind
dann weiter zu präzisieren (Kap. 4.3.). Daraufhin sind im dritten Schritt die Anbieterprozesse zu konkretisieren, welche unmittelbar der Begleitung dieser Kundenprozesse dienen
(Mikro-Ebene). Im Weiteren erfolgt die kanalspezifische Bestimmung derjenigen Funktionalbereiche, bei denen Abstimmungsbedarf herrscht bzw. deren Funktionen im Rahmen der
Leistungserstellung des Kanals Internet genutzt werden, wie z.B. die Marketingkommunikation bei der Erstellung der Inhalte von Web-Sites.
Im vierten Schritt erfolgt die Prüfung des Erfolgs des Implementierungsprozesses, wobei die
zentrale Frage lautet: „Machen wir die Dinge richtig?“741 Hierbei ist jeder Anbieterprozess
an den Erfolgskriterien der Effektivität und Effizienz zu messen (Kap. 4.4.). Ziel dieser Analyse ist es, Effektivitäts- und Effizienzbarrieren bei Anbieterprozessen zu ermitteln, die
einem höheren Erfolg des jeweiligen Internetkanaltypus im Weg stehen.
Der nun folgende fünfte Schritt betrifft die Ursachenanalyse und stellt somit den Kern des
Audit dar (Kap. 4.5.). Hierbei ist zu ergründen, ob die Erfolgsbarrieren auf strukturelle oder
verhaltensbezogene Implementierungslücken bzw. -barrieren zurückzuführen sind. Dabei
behilft man sich auf Basis von Informationen einer Kausalattribution von Ursachen zu ver-
739
740
741
Vgl. Kuß/Tomczak 2004a, S. 281.
Bonoma 1986, S. 29.
Vgl. Kuß/Tomczak 2004a, S. 281.
196
muteten Ergebnissen. Ziel ist es, ein möglichst detailliertes Bild über die Ursachen von Erfolgsbarrieren zu erlangen.
Auf Basis der Ursachenanalyse können geeignete Maßnahmen festgelegt werden, um Implementierungslücken zu schließen bzw. Implementierungsbarrieren zu überwinden und somit den Erfolg des Kanals Internet zu erhöhen (Kap. 4.6.).
Im letzten Schritt ist zu analysieren, ob der die Implementierung steuernde E-BusinessManager über geeignete Fähigkeiten verfügt (Kap. 4.7.). Defizite sind mit dafür verantwortlich, wenn es in zu geringem Maß gelungen ist, Implementierungslücken zu schließen und
Implementierungsbarrieren abzubauen.742 Gegebenenfalls müssen geeignete Fähigkeiten
(weiter-)entwickelt werden.
Schließlich ist in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu überprüfen, ob die Implementierungsmaßnahmen den gewünschten Erfolg erbringen. Hierfür sind die Maßnahmen zu überprüfen und zugrundliegende Ursachen zu analysieren. Auf Basis dieser Analyse sind die getroffenen Maßnahmen gegebenenfalls zu korrigieren. Des Weiteren sollte auch eine kritische Überprüfung der Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten stattfinden.
4.2. Bestimmung der Ausgangssituation: Audit des Implementierungsgegenstands
(1. Schritt)
Den Ausgangspunkt der Analyse stellt die Überprüfung der Eignung des schwerpunktmäßig
verfolgten Internetkanaltyps dar.743 Hierfür sind insbesondere drei Kriterien zu Hilfe zu ziehen, und zwar die Abwägung des Nutzens und Aufwands für ein Unternehmen, der Kundennutzen sowie Wettbewerberaktivitäten.
Für Unternehmen stellt sich zunächst die Frage danach, ob die Investitionen und deren Höhe
für einen bestimmten Internetkanaltypus sinnvoll getätigt werden, oder ob es sinnvoller wä-
742
743
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 3.1.2.
197
re, Ressourcen anders zu alloziieren. Unternehmen stehen in der Regel vor der Schwierigkeit, den (ökonomischen) Nutzen der Investitionen in einen gewählten Internetkanaltypus
feststellen zu können. Dies ist insbesondere beim Kommunikationskanaltypus der Fall.744
Trotzdem müssen sie versuchen, Anhaltspunkte bzw. Indikatoren für die Nutzenstiftung eines Internetkanaltypus zu sammeln und so den Nutzen des Kanals für ein Unternehmen zu
belegen. Hierbei sind auch qualitative Argumentationslinien hilfreich, mittels derer untersucht werden kann, in welchem Umfang ein Internetkanaltyp dazu in der Lage ist, Teile des
Buying Cycle745 zu unterstützen.746
Ausserdem ist eine Marktanalyse erforderlich, im Rahmen derer insbesondere Aspekte des
Kundennutzens und der Wettbewerberaktivitäten eine zentrale Rolle spielen.
Zunächst ist kritisch zu hinterfragen, ob der gewählte Internetkanaltypus überhaupt für die
gewählten Zielgruppe(n) geeignet und nutzenstiftend ist. Die folgenden Fragen sind hierbei
zentral:
—
—
—
Ist ein eindeutiger Nutzen für die Zielgruppe(n) tatsächlich vorhanden?
Nimmt die Zielgruppe diesen Nutzen auch wahr?
Ist die Zielgruppe dazu in der Lage, den Kanal zu nutzen?
Neben dem Kundennutzen spielt die relative Position zu Wettbewerbern und deren Implementierungsfortschritt eine zentrale Rolle. Die E-Business-Aktivitäten von Wettbewerbern
und Unternehmen anderer Branchen – insbesondere die Gestaltung der Web-Site und die
darauf enthaltenen E-Services werden oft als Vergleichsmaßstab für die eigenen EBusiness-Aktivitäten hinzugezogen. Außerdem dienen sie auch Kunden als Vergleichmaßstab bei der Beurteilung der eigenen Web-Site und der darauf enthaltenen E-Services.747
Nachteile sind somit insbesondere dann zu erwarten, wenn Kunden aufgrund des Angebots
bei anderen Unternehmen vergleichbare E-Services erwarten, diese jedoch auf der eigenen
Web-Site nicht angeboten werden.
744
745
746
747
Vgl. Kap. 3.3.2.1.
Vgl. Kap. 2.1.1.
Vgl. Kap. 3.3.3.1.
Scheuch/Vuyk, Expertengespräch Helsana AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
198
Unternehmen wollen mittels neuartiger E-Services häufig ein fortschrittliches Image bei der
Zielgruppe erwecken.748 Letztlich ist es entscheidend, ob man gegenüber den Wettbewerbern als innovatives Unternehmen gelten möchte indem der „state of the art“ an E-Services
geboten wird, oder lediglich versucht, keine Nachteile gegenüber dem E-Service-Angebot
der Wettbewerber hinzunehmen. Somit stellt sich die Frage nach der einzuschlagenden (E-)
Service-Strategie.
In Abhängigkeit vom Innovationsgrad der E-Service-Aktivitäten gegenüber den Aktivitäten
der Konkurrenten lassen sich idealtypisch drei grundlegende auf einem Kontinuum liegende
E-Servicestrategien unterscheiden, die in Abbilung 34 dargestellt sind.
E-ServiceImitation
traditionelle
E-Service-Strategie
E-ServiceInnovation
einstufige
E-Service-Innovation
mehrstufige
E-Service-Innovation
Abbildung 34: Kontinuum von E-Service-Strategien (Quelle: in Anlehnung an Birkhofer 2001, S. 200)
Unternehmen, die eine traditionelle E-Service-Strategie verfolgen, orientieren sich an branchenüblichen E-Service-Konzepten. Dabei werden nur diejenigen Kundenaktivitäten und –
prozesse mittels E-Service-Lösungen unterstützt, die auch Konkurrenzunternehmen anbieten. Die zentrale Gefahr dieser Strategie besteht darin, dass die dargebotenen E-Services
vom Kunden als austauschbar wahrgenommen werden. Diese Strategie ist dann sinnvoll,
wenn aufgrund geringer Budgets eine kosteneffiziente Leistungserstellung im E-Business
angestrebt wird. Außerdem ist sie sinnvoll, wenn Wettbewerber bereits schwer zu überbietende Service-Standards geschaffen haben.
748
Bohnenblust; Expertengespräch SBB AG; Van Rijn, Expertengespräch Microsoft Schweiz GmbH; Vuyk, Expertengespräch Helsana AG.
199
Die einstufige E-Service-Innovation ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Anbieter in einer
Phase des Buying Cycle eine innovative elektronische Dienstleistung einführt und sich dadurch vom Wettbewerb differenziert. Meist werden hierfür Leistungen in der Such- und der
Kaufphase angeboten, während die Nutzungs- und die Wiederkaufphase seltener Ziel von
E-Service-Innovationen sind.
Die E-Service-Strategie der mehrstufigen E-Service-Innovation setzt schließlich an einer
umfassend innovativen Gestaltung der Kundenbeziehung an. Gerade das Internet als Technologie ermöglicht es, mittels neuer Dienstleistungen Kundenbedürfnisse erstmalig oder
besser als bisher zu befriedigen und Mehrwerte für den Kunden zu erzeugen, z.B. mittels EServices wie der „One-Click-Bestellung“.749 Die mehrstufige E-Service-Innovation ist jedoch mit hohen Kosten verbunden. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass Differenzierungen aufgrund einer i.d.R. hohen Imitierbarkeit schwer dauerhaft realisierbar sind.750 Zusätzlich ist zu vermuten, dass auch E-Services einem Lebenszyklus unterliegen und somit im
Laufe der Zeit vom Kunden als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden.751
Bei der Konzeptanalyse ist jedoch zu beachten, dass ein mangelnder Erfolg auch auf Implementierungslücken und -barrieren zurückzuführen sein kann. Somit ist es nicht möglich,
die grundsätzliche Eignung eines Internetkanaltyps vollumfänglich anhand einer Konzeptanalyse zu ermitteln. Die Eignung eines Internetkanaltyps wird erst dann offensichtlich,
wenn man nach einer Analyse der Implementierung festgestellt hat, ob Implementierungslücken und –barrieren für nicht zufriedenstellende Ergebnisse verantwortlich sind. Ansonsten
besteht die Gefahr eines (voreiligen) Schlusses, bei dem die grundsätzliche Eignung eines
Internetkanaltypus in Frage gestellt wird, obwohl jedoch möglicherweise Implementierungslücken und –barrieren den (höheren) Erfolg eines (geeigneten) Internetkanaltypus behindern.752
749
Birkhofer 2001, S. 198.
Weilnhammer 2002, S. 44. Als Beispiel kann die Automobilbranche dienen. Auf den Web-Sites verschiedener Automobilhersteller werden viele identische E-Services, wie z.B. Car Configurator, Händlersuche, Probefahrtanfrage,
Gebrauchtwagenbörse etc. angeboten.
751
Rudolph 1993, S. 285; Füsgen/Höfer 2002, S. 822.
752
Vgl. hierzu die Ausführungen bei Bonoma 1986, S. 30f.
750
200
4.3. Bestimmung der Kunden- und Anbieterprozesse
(2. und 3. Schritt)
Nach der Bestimmung der Ausgangssituation ist eine detaillierte Analyse der Kundenprozesse vorzunehmen, die durch den gewählten Internetkanaltypus abgedeckt werden. Eine
Übersicht über die Schwerpunkte der Internetkanaltypen findet sich in Abbildung 35.
Hierzu sind diejenigen Phasen des Buying Cycle zu bestimmen, die mit einem Internetkanaltypus hauptsächlich abgedeckt werden. Die Abdeckung der Phasen kann unternehmensspezifisch differieren, insbesondere beim Kommunikationskanaltypus. In der Regel werden
bei diesen schwerpunktmäßig die Suchphase sowie ein Teil der Kaufphase abgedeckt. Zusätzlich kann auch die Nutzungsphase abgedeckt werden, wenn entsprechende Informationen und Informations- und Kontakt-E-Services angeboten werden. Die Wiederkaufphase ist
dann mit der Such- bzw. Kaufphase identisch, wenn bestehenden Kunden keine personalisierten Informationen und E-Services angeboten werden und diese somit im Rahmen ihrer
Wiederkaufphase auf dieselben Informationen und E-Services zurückgreifen wie Neukunden im Rahmen ihrer Such- und Kaufphase. Mittels eines Absatzkanals wird derjenige Teil
der Kaufphase abgedeckt, welcher der Kaufabwicklung dient. Ein CRM-Kanal deckt
schließlich mittels der Darbietung von individualisierten Informationen und E-Services einen Teil der Wiederkaufphase ab.
Im Weiteren sind die in den jeweiligen Phasen auftretenden Kundenbedürfnisse sowie die
Kundenprozesse im Überblick darzustellen. Diesen werden die Anbieterprozesse gegenübergestellt. Die globalen Anbieterprozesse sind dann noch anhand der je Internetkanaltyp
ermittelten Kernprozesse zu präzisieren. Dies betrifft beispielsweise bei der Kontaktfunktion des Kommunikationskanaltyps die Initiierung, Erfassung und Weiterleitung, Bearbeitung
und Kontrolle von Kundenkontakten.753
753
Vgl. Kap. 3.3.1.
201
Phasen des
Buying Cycle
Suchphase
Suche und Vergleich von
Informationen über
Leistungsmerkmale,
Unternehmenscharakteristika etc.
Kundenbedürfnisse im Buying
Cycle
Kundenprozesse
Absatzkanal
Kommunikationskanal
Komm. kanal/
CRM-Kanal
Kaufphase
Nutzungsphase
Wiederkaufphase
Suche nach weiteren
kaufrelevanten Informationen,
Vereinbarung der
Kaufkonditionen
Informationsbedarf zu Produkten
bzw. deren Nutzung; Behebung von
Problemen
Suche nach Informationen über
Zusatz- oder Ersatz- Produkte
Kommunikationskanal
Internetkanaltypus
Eingabe der URL,
Anklicken eines
Links
Befriedigung der
Informationsbedürfnisse
Kontaktaufnahme
Kauf
Befriedigung der
Informationsbedürfnisse
Kontaktaufnahme
Informationssuche
Kontaktaufnahme
Aufmerksamkeit
wecken
Informationsdarbietung
Beratung
Kaufabwicklung
Informationsdarbietung
Problemlösung
Informationsdarbietung
(personal.)
Beratung
• Initiierung
• Erfassung und
Weiterleitung
• Bearbeitung
• Kontrolle
• Initiierung
• Kaufprozess
• Kaufabschluss
und Nachkauf betreuung
• formal: WebSite-Qualität
und E-ServiceQualität
• inhaltlich:
Aktualität,
Bedürfnisadäquanz
• Initiierung
• Erfassung und
Weiterleitung
• Bearbeitung
• Kontrolle
(Multi-)Channel
Management
Marketing kommunikation
"line of interaction"
Anbieterprozesse
(Mikro-Ebene)
Anbieterprozesse
(Mikro-Ebene im
Detail)
Anbieterprozesse
(Makro-Ebene)
• Marketingkommunikation
• formal: WebSite- und EServiceQualität
• inhaltlich:
Aktualität,
Bedürfnisadäquanz
Marketingkommunikation
Kundenkontakt (inund outbound)
Kundenkontakt (inund outbound)
• Identifikation
• Selektion
• Interaktion
Mkt. Komm
• Initiierung
• Erfassung und
Weiterleitung
• Bearbeitung
• Kontrolle
Kundenkontakt (inund outbound)
Abbildung 35: Kunden- und Anbieterprozesse nach Internetkanaltypen (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Bitner et al. 2002, S. 98ff.; Blaho et al. 1998, S. 82; Tomczak/Dittrich 1997, S. 9)
Im Rahmen der Bestimmung der Anbieterprozesse auf der Makro-Ebene ist zu klären, welche weiteren Funktionalbereiche im Unternehmen vom jeweiligen Internetkanaltyp betroffen sind. Diese sind dann einzelnen Abteilungen im Unternehmen zuzuordnen. Funktionalbereiche sind i.d.R. bereits dann betroffen, wenn bestimmte Funktionen von der Abteilung
E-Business ausgeführt werden, die sich mit den Funktionen des jeweiligen Funktionalbereichs überschneiden, z.B. Aufgaben der Marketingkommunikation.
4.4. Ermittlung ineffektiver und ineffizienter Anbieterprozesse
(4. Schritt)
Um Erfolgsbarrieren des Kanals Internet zu ermitteln, ist die folgende Kernfrage zu stellen:
„Machen wir die Dinge richtig?“754 Hierbei ist jeder Anbieterprozess an den Erfolgskriterien
754
Vgl. Kuß/Tomczak 2004a, S. 281.
202
der Effektivität und Effizienz zu messen. Ziel dieser Analyse ist es, Effektivitäts- und Effizienzbarrieren bei Anbieterprozessen zu ermitteln, die einem (höheren) Erfolg des jeweiligen Internetkanaltypus im Weg stehen. Üblicherweise werden als Erfolgsmaßstab konkrete
Ziele sowie der jeweilige Zielerreichungsgrad herangezogen.755 Da in der Regel jedoch keine Zieldefinitionen hinsichtlich der einzelnen Anbieterprozesse vorliegen, behilft man sich
dergestalt, dass man die Anbieterprozesse möglichst detailliert in einzelne Prozesse herunterbricht und diese dann im Einzelnen analysiert. Hierbei sind die Erkenntnisse aus der Analyse der Internetkanaltypen in Kapitel drei zu Hilfe zu ziehen, im Rahmen derer die zentralen Teilprozesse der jeweiligen Internetkanaltypen identifiziert wurden (vgl. hierzu die Anbieterprozesse (Mikro-Ebene im Detail) in Abbildung 35). Dabei ist kritisch zu hinterfragen,
ob und bei welchen Teilprozessen noch Implementierungslücken bzw. –barrieren vorhanden
sind, die eine höhere Effektivität bzw. Effizienz dieser Prozesse behindern.
Wenn keine konkrete Zuordnung zu einem einzelnen Prozess erfolgen kann (z.B. der Erfassung und Weiterleitung von Kontakten), dann wird die Effektivitäts- bzw. Effizenzbarriere
der nächsthöheren Ebene zugeordnet (in diesem Fall dem Anbieterprozess „Beratung“). Zusätzlich ist auch die Abstimmung mit übergeordneten Unternehmensprozessen auf der Makro-Ebene hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz kritisch zu hinterfragen. Hierbei stellt
sich die Frage, ob bestimmte (Teil-)Leistungen durch das E-Business-Team selbst erstellt
werden sollen, oder hierfür bestehende Ressourcen spezialisierter Teilbereiche zu nutzen
sind. In der Regel wird hier die Einbindung der jeweiligen Funktionalbereiche sowohl in
Bezug auf Effektivitäts- als auch Effizienzaspekte von Vorteil sein.
Ein großer Teil der für die Ermittlung von Effektivitäts- und Effizienzbarrieren erforderlichen Informationen lässt sich durch die Sekundäranalyse unternehmensinterner Daten (z.B.
Kundenbefragungen, Kostenrechnungen etc.) gewinnen.756
755
756
Vgl. Kuß/Tomczak 2004a, S. 280f.
Kuß/Tomczak 2004a, S. 281. Vgl. a. Kap. 3.3.2., 3.4.2., 3.5.2.
203
4.5. Ermittlung struktureller und verhaltensbezogener Implementierungslücken und
-barrieren (5. Schritt)
Im Rahmen der Implementierungsanalyse sind diejenigen strukturellen und verhaltensbezogenen Implementierungslücken und –barrieren zu ermitteln, die für die Entstehung von Erfolgsbarrieren verantwortlich sind. Hieraus ergeben sich die zentralen Aufgabenbereiche,
um eine bestmögliche strukturelle Umsetzung und verhaltensbezogene Durchsetzung des
jeweiligen Internetkanaltyps zu erwirken. Dabei leitet man auf Basis von internen Informationen subjektive Vermutungen über die Ursachen eines wahrgenommenen Verhaltens,
struktureller Lücken und Barrieren sowie deren Folgen ab (Kausalattribution).757 Die Ausführungen in den folgenden Kapiteln sollen dabei helfen, eine solche Kausalattribution systematisch durchzuführen und fassen die zentralen, im Rahmen der Expertengespräche ermittelten Ursachen systematisch zusammen.
4.5.1. Ermittlung verhaltensbezogener Implementierungswiderstände
Bei der Analyse verhaltensbezogener Implementierungswiderstände ist zunächst zu überlegen, welche Personen bzw. Personenkreise von der Implementierung des Kanals Internet
betroffen sind. Hierbei sind insbesondere die folgenden Ebenen zu unterscheiden:
—
—
—
—
Vorgesetzte bzw. Top-Management
Abteilungsleiter von durch die Implementierung betroffenen Abteilungen
Mitarbeiter von durch die Implementierung betroffenen Abteilungen
Sonstige Mitarbeiter im Unternehmen
Um die für verhaltensbasierte Widerstände verantwortlichen Ursachen zu ermitteln, wird
die Unterscheidung von Guth/MacMillan gewählt. Sie basiert auf denjenigen Prozesstheorien zur Erklärung der Motivation, die davon ausgehen, dass Individuen diejenigen Alternativen wählen, die den subjektiv erwarteten Nutzen maximieren.758 Guth/MacMillan unter757
758
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Vgl. zu einem Überblick über Prozesstheorien der Motivation Staehle 1999, S. 231.
204
scheiden drei Ursachen einer mangelnden Unterstützung einer Strategie im mittleren Management. Auf die Implementierung des Kanals Internet übertragen wird diese dann nicht unterstützt, wenn
⎯
die Erreichung individueller Ziele negativ beeinflusst wird,
⎯
Manager nicht daran glauben, dass der Kanal bzw. dessen Implementierung erfolgreich sein wird oder
⎯
Manager sich hinsichtlich ihrer individuellen oder fachlichen Fähigkeiten nicht dazu in
der Lage sehen, die mit der Implementierung verbundenen Tätigkeiten auszuführen.759
Die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommene empirische Untersuchung hat gezeigt, dass
sich sämtliche verhaltensbezogene Widerstände bei der Implementierung des Kanals Internet einer dieser drei Ursachen zuordnen lassen, wie im Folgenden dargestellt wird.
Das Auftreten verhaltensbezogener Implementierungswiderstände geht meist mit einer Entstehung von Konflikten einher. Ein Konflikt liegt dann vor, wenn eine Spannungssituation
besteht, in der zwei oder mehr Parteien, die voneinander abhängig sind, mit Nachdruck versuchen, unvereinbare Handlungspläne zu verwirklichen und sich dabei ihrer Gegnerschaft
bewusst sind.760
Beim Eintreten einer negativen Beeinflussung individueller Ziele handelt es sich um Zielkonflikte aufgrund von divergierenden Interessen der Beteiligten. Zusätzlich können hierbei
auch Verteilungskonflikte eine Rolle spielen. Sie treten dann auf, wenn funktionsspezifisch
abweichende Vorstellungen über die unternehmensinterne Ressourcenallokation vorherrschen. In der Regel handelt es sich dabei um ein Nullsummenspiel, wobei Gewinne der einen Partei zu Verlusten bei der anderen Partei führen.761 Wenn Manager nicht daran glauben, dass der Kanal bzw. dessen Implementierung erfolgreich sein wird, dann basiert dies
auf gegensätzlichen Erfolgs- und Risikoeinschätzungen.762
759
760
761
762
Guth/MacMillan 1986, S. 316.
Von Rosenstiel et al. 1995, zitiert nach von Rosenstiel 2003, S. 301.
Von Rosenstiel 2003, S. 303; Kolks 1990, S. 120.
Vgl. zur Unterscheidung von Ziel- und Verteilungskonflikten, gegensätzlichen Erfolgs- und Risikoeinschätzungen
sowie weiteren Konfliktarten die Ausführungen bei Kolks 1990, S. 120f.
205
Im Folgenden werden die im Rahmen der Experteninterviews ermittelten verhaltensbezogenen Implementierungswiderstände den beschriebenen Ursachen zugeordnet. Hierbei erfolgt
eine Beschränkung auf die Internetkanaltypen des Kommunikationskanals und des Absatzkanals. Hinsichtlich des CRM-Kanaltyps besaßen die Experten noch zu wenig Erfahrung. In
den jeweiligen Unterabschnitten dienen Übersichtsgrafiken als Check-Listen für EBusiness-Manager, die eine spezifische Analyse in ihrem Unternehmen durchführen möchten.
Kommunikationskanaltyp
Die Ursachen verhaltensbezogener Widerstände beim Kommunikationskanaltyp sind im
Überblick in Abbildung 36 ersichtlich. Die zentrale verhaltensbezogene Barriere der Implementierung des Kommunikationskanals ist dann zu verzeichnen, wenn Vorgesetzte eine
im Vergleich zum Leiter des E-Business ungünstigere Erfolgs- und Risikoeinschätzung hegen. Dies ist häufig auf die meist negativen Erfahrungen und enttäuschten Erwartungen zu
Beginn des Jahrzehnts zurückzuführen, die eine pessimistisch-vorsichtige bis abwartende
Haltung bei Vorgesetzten fördert, die letztlich auch die Erreichung eigener Ziele nicht durch
einen weiteren „Flop“ gefährden wollen.763
Auf Abteilungsleitungsebene sind insbesondere diejenigen Funktionalbereiche betroffen,
welche sich mit Aufgaben der Marketingkommunikation und der Kundenbetreuung bzw.
des Kundenkontakts beschäftigen.764 Letzteres betrifft vor allem die Funktionalbereiche
Customer Care bzw. Call-Center (Inbound-Kontakt) und Vertrieb/Verkauf (In- und Outbound-Kontakt), der sich i.d.R. durch seine (aktiv) verkaufende Tätigkeit vom erstgenannten Bereich unterscheidet.
763
764
Vgl. Kap. 3.3.2.1.
Vgl. Kap. 4.3. und 3.3.2.
206
Ursachen
Negative individ.
Zielerreichung
Kein Glaube an
Erfolg
Überforderung
Vorgesetzte
(X)
(X)
( )
Leiter Marketingkommunikation
(X)
( )
( )
Leiter Customer Care
X
( )
( )
Leiter Vertrieb
X
( )
( )
Mitarbeiter MarketingKommunikation
X
X
( )
Mitarbeiter Customer Care
X
( )
(X)
Mitarbeiter Vertrieb
X
( )
(X)
Sonstige Mitarbeiter
( )
X
( )
Ebene
Legende
( ) = nicht
X = starke
(X) = mittlere
feststellbar
Ausprägung
Ausprägung
Abbildung 36: Übersicht über die identifizierten Ursachen verhaltensbezogener Widerstände beim Kommunikationskanaltyp (Quelle: eigene Darstellung)
Bei Abteilungsleitern, welche mit Aufgaben der Marketingkommunikation betraut sind,
sind aufgrund der Überschneidung der Aufgabengebiete mit dem Kommunikationskanal Internet Zielkonflikte festzustellen. Sie basieren im Wesentlichen auf der Auffassung, dass
durch die Implementierung des Kanals Internet die eigenen Ziele negativ beeinträchtigt
werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Ressourcen der Marketingkommunikation zur Leistungserstellung des E-Business genutzt werden, jedoch Verantwortlichkeiten und
(Teil-)Budgets nicht zugewiesen sind.765 Ziel- bzw. Verteilungskonflikte treten auch bei der
Abteilungsleitung des Funktionalbereichs Customer Care auf, wenn telefonische Anrufe
765
Vgl. Kap. 3.3.2.3.
207
beim Customer Care zunehmend durch die Selbstbedienung des Kunden im Internet substituiert werden. Der Abteilungsleiter Customer Care hat somit mit abnehmenden Budgets und
(subjektiv empfundener) schwindender Macht zu kämpfen.766 Auf Seiten der Vertriebsleitung treten Zielkonflikte dann auf, wenn die Beantwortung von E-Mails durch das Verkaufs- bzw. Außendienstpersonal zwar Arbeitsaufwand (und somit Kosten) verursacht, der
Nutzen (im Sinne von potenzialträchtigen Kundenkontakten) jedoch aufgrund bisheriger Erfahrungen als (zu) gering eingeschätzt wird.767
Bei Mitarbeitern betroffener Funktionalbereiche treten aufgrund der funktionalen und aufgabenbezogenen Überschneidungen vor allem Zielkonflikte auf. Eine mangelnde Akzeptanz
bei Mitarbeitern der Marketingkommunikation sowie auch im Produktmanagement ist auf
den mit dem Kanal Internet erhöhten Arbeitsaufwand zurückzuführen, in Verbindung mit
einem relativ geringen Glauben an Erfolg.768 Bei Mitarbeitern der Funktionalbereiche
Customer Care und Vertrieb dominiert hingegen die Angst vor der Substitution ihrer Funktionen durch den neuen Kanal Internet sowie die Zusatzbelastung von ggfs. notwendigen
Schulungsmaßnahmen.769 Für Vertriebsmitarbeiter bedeuten per E-Mail eingehende Kundenanfragen eine Zusatzbelastung mit relativ geringem Erfolgspotenzial. Weitere verhaltensbezogene Barrieren sind bei weiteren, nicht direkt betroffenen Personen im Unternehmen dann zu verzeichnen, wenn sich der Eindruck festgesetzt hat, dass der Kommunikationskanal Internet zwar hohe Investitionen erfordert, jedoch keinen adäquaten Nutzen für das
Unternehmen erbringt.
766
767
768
769
Vgl. Kap. 3.3.2.1.
Vgl. Kap. 3.3.2.4.
Vgl. Kap. 3.3.2.3.
Vgl. Kap. 3.3.2.1.
208
Ursachen
negative individ.
Zielerreichung
Kein Glaube an
Erfolg
Überforderung
Vorgesetzte
( )
(X)
( )
Leiter Customer Care
X
( )
( )
Leiter Marketingkommunikation
X
( )
( )
Leiter anderer
Absatzkanäle
X
( )
( )
Marketingleitung/Managing
Director in
Ländergesellschaften
X
(X)
( )
Mitarbeiter Customer Care
X
( )
(X)
Mitarbeiter
Vertrieb/Verkauf
X
( )
( )
Ebene
Legende
( ) = nicht
X = starke
(X) = mittlere
feststellbar
Ausprägung
Ausprägung
Abbildung 37: Übersicht über die identifizierten Ursachen verhaltensbezogener Widerstände beim Absatzkanaltyp (Quelle: eigene Darstellung)
Absatzkanaltyp
Auf der Ebene der Vorgesetzten bzw. des Top-Management ist beim Absatzkanal erkennbar, dass hier verhaltensorientierte Barrieren in der Regel geringer ausgeprägt sind als beim
Kommunikationskanal. Aufgrund bereits bestehender Einnahmen aus dem E-Commerce
sind die Unterschiede hinsichtlich der Erfolgs- und Risikoeinschätzung zwischen TopManagement und E-Business-Leitung in der Regel in geringerem Maß divergierend, als dies
beim Kommunikationskanal der Fall ist. Hier gilt es jedoch branchen- und unternehmensbezogen situativ zu unterscheiden: Mit zunehmenden Erfolg des Kanals Internet nimmt diese
Barriere ab. Beispielsweise stellt der Absatzkanal Internet in manchen Branchen einen ge-
209
wichtigen Kanal dar, über den ein beachtlicher und weiterhin zunehmender Anteil der Umsätze getätigt wird. Das ist beispielsweise in der Luftfahrtindustrie und im Versandhandel
der Fall. In anderen Branchen hingegen werden jedoch über E-Commerce bislang noch relativ geringe Umsätze getätigt, z.B. in Industriegüterbranchen. Hier herrscht noch in höherem
Ausmaß eine vorsichtige bis abwartende Haltung vor. Hier gewinnen somit – analog zur Situation des Typus des Kommunikationskanals – Maßnahmen der Einflussnahme auf Vorgesetzte eine wichtige Rolle.
Auf der Ebene der Abteilungsleiter sind insbesondere die Leiter der Funktionalbereiche
Marketing-Kommunikation und Customer Care sowie Channel-Manager anderer Kanäle betroffen. Dem Absatzkanaltypus kommt eine deutlich höhere Bedeutung zu als dem Kommunikationskanaltypus. Deshalb können hier noch stärkere Zielkonflikte mit dem Leiter der
Marketing-Kommunikation zu verzeichnen sein, als beim Kommunikationskanaltypus. Dies
ist dann der Fall, wenn die E-Business-Leitung einen Anteil des Budgets für Maßnahmen
der Online-Marketingkommunikation einfordert. Hier ist somit ein Verteilungskonflikt hinsichtlich der Zuteilung des Budgets für Aufgaben der Marketingkommunikation zu verzeichnen. Gegenüber dem Leiter des Customer Care sind die gleichen Ursachen verhaltensbezogener Widerstände vorzufinden, wie beim Kommunikationskanal, da beim Absatzkanal
die Informations- und Kontaktfunktion gleichermaßen ausgeübt wird.770
Gegenüber Leitern anderer Absatzkanäle finden sich unter den folgenden Umständen klassische Zielkonflikte, die sich als Kanalkonflikte manifestieren. Bei einem bereits bestehenden
Direktvertriebskanal ist der eigene Vertrieb betroffen (interner Kanalkonflikt), bei indirekten Kanälen hingegen Intermediäre (externer Kanalkonflikt).771 Bei ersteren treten insbesondere dann Kanalkonflikte auf, wenn der Absatzkanal Internet als Profit-Center betrieben
wird und somit eine direkte Konkurrenz für andere Kanäle darstellt, die um ihre Umsätze
fürchten. Ähnliches gilt auch für Kanalkonflikte mit Intermediären, für die der neue (direkte) Kanal eine Bedrohung ihrer Umsätze und damit verbundenen Machtposition gegenüber
dem Herstellerunternehmen darstellt.
770
771
Vgl. Seite 204f.
Vgl. Kap. 3.4.2.1.
210
Die Marketingleitung bzw. der Managing Director in Ländergesellschaften international tätiger Konzerne können sich gegen eine Implementierung der E-Commerce-Funktionalität in
ihren Ländergesellschaften aussprechen. Dies ist insbesondere in denjenigen Branchen der
Fall, deren E-Commerce-Umsätze noch relativ gering sind. Bei den betroffenen Marketingleitern bzw. Managing Directors liegt eine Mischung aus einem zu geringen Glauben an Erfolg und einer damit einhergehenden Befürchtung einer negativen Erreichung individueller
Ziele vor. Sie fürchten, dass sich die Investition in E-Commerce-Aktivitäten als „Flop“ erweist.
Für Mitarbeiter im Customer Care gelten dieselben Ursachen verhaltensbezogener Implementierungswiderstände wie beim Kommunikationskanal. Mitarbeiter im Vertrieb sehen
sich direkt vom Absatzkanal Internet bedroht, wenn der Kanal als Profit-Center betrieben
wird und die Umsätze über diesen Kanal nicht den bestehenden Kanälen zugute kommen
sondern diese im Gegenteil kannibalisieren (Nullsummenspiel).
4.5.2. Ermittlung struktureller Implementierungslücken und -barrieren
Die im Rahmen der Expertengespräche ermittelten strukturellen Aspekte der Implementierung des Kanals Internet lassen sich in aus der Implementierungsliteratur bekannten Dimensionen verdichten.772 In Abbildung 38 sind diese Dimensionen mitsamt ihren zentralen Faktoren im Überblick dargestellt. Die Dimensionen bzw. deren Faktoren werden in unterschiedlichem Ausmaß von den drei Internetkanaltypen tangiert. Hierbei existieren wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Dimensionen und ihren Ausprägungen sowie zwischen den vielfältig auftretenden verhaltensbezogenen Implementierungsaspekten.
772
Vgl. Kap. 2.2.2.2.
211
Aufbauorganisation
Funktionale
Verantwortung für
Internetkanalaktivitäten
Organisationale Stellung
des E-Business
Ablauforganisation
Prozessdokumentation
Operative Detailplanung
Planung von
Detailprozessen
Organisationale
Eigenverantwortung des
E-Business
IT-Systeme
Anschaffungkosten neuer
IT-Systeme
Integration neuer ITSysteme in bestehende
Systemlandschaften
Konsolidierung von ITSystemen
Kosten der Pflege von ITSystemen
Prozessintegration
Prozessautomatisierung
Informationsmanagement
Dimensionen und
Faktoren der
strukturellen
Implementierung des
Kanals Internet
Anreiz- und
Allokationssysteme
Datensammlung
Datenanalyse
Informationsnutzung
Sonstiges
Komplexität des
Leistungsangebots
Ausschöpfung des Marktpotenzials im B-to-BMarkt
Abbildung 38: Dimensionsen und Faktoren der strukturellen Implementierungsdimension des Kanals Internet
(Quelle: eigene Darstellung)
Im Rahmen der Dimension der Aufbauorganisation ist es von Bedeutung für die Implementierung, welche Funktionseinheit die führende Rolle bei der Implementierung des Internetkanals übernimmt. In der Anfangsphase der kommerziellen Nutzung des Internet nahmen
insbesondere IT-nahe Bereiche diese Funktion wahr. Auch heute findet man noch vereinzelt
derartige Verantwortlichkeiten, obwohl die damit verbundenen Nachteile in Bezug auf die
Kundenorientierung bei der Ausgestaltung des Internetkanals bekannt sind. Sie können
durch vermehrten Einsatz von in höherem Ausmaß marktorientierten Personen vermieden
werden.
Von wichtiger Bedeutung ist auch die Stellung des E-Business in der aufbauorganisatorischen Hierarchie. Hierbei spielt insbesondere die organisationale Stellung im Vergleich zu
anderen Kommunikationskanälen (im Fall des Internetkanaltyps des Kommunikationska-
212
nals) bzw. zu anderen Absatzkanälen (im Fall des Internetkanaltyps des Absatzkanals) eine
zentrale Rolle. Aufgrund der machtpolitisch schwächeren Position in Bezug auf Verteilungs- und Zielkonflikte mit den betreffenden Funktionalbereichen773 erweist sich eine diesen Funktionalbereichen untergeordnete Stellung als hemmend für die Implementierung des
Kanals Internet. Sowohl beim Kommunikationskanaltyp als auch beim Absatzkanaltyp ist
dies dann von Nachteil, wenn Interessenkonflikte mit der Marketingkommunikation und
dem Customer Care auftreten.774
Der Aspekt der organisational verankerten Eigenverantwortung betrifft den Absatzkanaltyp,
wenn dieser als Profit-Center agiert. Diese Organisationsform hat zentrale Nachteile hinsichtlich der Koordination bzw. Kooperation zwischen einzelnen Profit-Centern775, zwischen denen i.d.R. Ziel- bzw. Verteilungskonflikte zu verzeichnen sind.776 Eng mit der organisational verankerten Eigenverantwortung als Profit-Center verknüpft ist auch der ablauforganisatorische Aspekt der Prozessintegration. Dieser betrifft die funktionale Einbindung anderer Funktionalbereiche, die zur Leistungserstellung des Kanals Internet benötigt
werden. Hierbei sind insbesondere die funktionsübergreifende Zusammenarbeit und damit
die Gestaltung von Schnittstellen zu diesen Funktionalbereichen von zentraler Bedeutung.
Auch hier wird der enge Bezug zur Ausgestaltung von Anreizsystemen und verhaltensbezogenen Implementierungsbarrieren offensichtlich.
Die Aussagen der Experten haben ergeben, dass die Erfassung von detaillierten Prozessabläufen dann aufwändig ist, wenn mangelnde Prozessdokumentationen vorliegen. Dies ist in
Dienstleistungsbranchen in höherem Maß der Fall als in Industriebranchen.777 Dies wirkt
sich somit hemmend auf die Prozessautomatisierung und mögliche Effizienzsteigerungen
aus. Es betrifft sowohl die Externalisierung von Services an Endkunden mittels E-SelfServices als auch de Automatisierung von Prozessabläufen im Back-End.
In Bezug auf IT-Systeme sind neben den hohen Anschaffungskosten insbesondere die Kosten für die Pflege von IT-Systemen eine zentrale Effizienzbarriere. Wesentliche Ressourcen
773
774
775
776
777
Vgl. Kap. 4.3.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Staehle 1999, S. 744.
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 3.4.2.1. und 3.4.3.2.
Welte, Expertengespräch Pidas AG.
213
werden auch bei der Integration von neuen Systemen in bestehende Systemlandschaften gebunden, wenn zwischen diesen und den bestehenden Systemen nicht-standardisierte, maßgeschneiderte Schnittstellen geschaffen werden müssen. Erheblichen Aufwand verursacht
auch die Konsolidierung von IT-Systemen. Sie wird u.a. dann erforderlich, wenn Daten, die
in mehreren Systemen (und ggfs. sogar mehrfach) abgelegt sind, in eine zentrale Datenbank
überführt werden sollen. Das ist beispielsweise bei der Implementierung eines Content Management Systems der Fall. Der hierfür erforderliche Aufwand kann in Abhängigkeit von
der Komplexität der vorhandenen IT-Infrastruktur von vorneherein zum Scheitern eines solchen Projekts führen.778 Dies betrifft alle Internetkanaltypen, am meisten jedoch den CRMKanaltyp, weil hier eine extensive Nutzung von Kundendaten und –informationen erforderlich ist. Hierfür müssen alle Kundendaten in einer Kundendatenbank zusammengeführt
werden und alle Kanäle an diese Datenbank angeschlossen werden, so dass relevante Informationen über sämtliche Kanäle hinweg verfügbar sind.
Hiermit eng verknüpft ist der Aspekt des Informationsmanagements, der im Wesentlichen
den CRM-Kanaltyp betrifft. Bereits die Datensammlung kann Schwierigkeiten bereiten.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Kundenkontaktmitarbeiter Nachteile dadurch befürchten, dass sie Kundendaten anderen Abteilungen und Personen zugänglich machen
(müssen). Auch hier wird der enge Bezug zur Ausgestaltung von Anreizsystemen offensichtlich. Besondere Schwierigkeiten sind hinsichtlich der Datenanalyse zu verzeichnen.779
Vielfach existieren allenfalls rudimentäre Modelle, wie Daten zu relevanten und nutzenstiftenden Informationen zu verknüpfen sind. Auch die Nutzung von Informationen wird bei
der Implementierung tangiert. Hierbei spielen insbesondere der Grad der Offenheit der Kultur der Informationsnutzung im Unternehmen sowie die Definition der Rechte und Pflichten
im Rahmen der Informationsnutzung eine zentrale Rolle.780
Wie bereits mehrfach angeklungen ist, ist die Ausgestaltung von Anreizsystemen von besonderer Bedeutung für die Implementierung des Kanals Internet. Mangelnde Anreize können zu Konflikten führen, die eine Beteiligung anderer Funktionalbereiche an der Leistungserstellung erschweren. Dies ist beispielsweise bei der Erstellung von geeignetem Con-
778
779
780
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Day 2000b, S. 14f.; Meffert 2000b, S. 15; Weiber/Krämer 2000, S. 154f.
Vgl. Kap. 3.5.2.
214
tent für die Web-Site durch die Abteilung Marketingkommunikation oder der Adoption eines Absatzkanals durch Kunden mittels der aktiven Unterstützung der Außendienstmitarbeiter der Fall.
In Bezug auf die Ausgestaltung des Allokationssystems bzw. der Budgetzuweisung bestehen Interdependenzen mit der aufbauorganisatorischen Dimension. Hierbei ist die Fragestellung relevant, ob der Funktionalbereich E-Business über eigene Budgets für die Erstellung
der einzelnen Leistungen verfügt, oder ihm ein Teil eines übergeordneten Budgets zugewiesen wird (z.B. im Rahmen der Marketingkommunikation). Aufgrund erforderlicher Abstimmungen und evtl. auftretender Zielkonflikte kann sich das jedoch hemmend auf die Aktivitäten des E-Business auswirken.781
Des Weiteren spielt bei der Implementierung des Kanals Internet auch die operative Detailplanung eine wichtige Rolle. Hierbei wirkt es sich negativ aus, wenn systematische Mängel
in der Planung von Anbieterprozessen auftreten, z.B. im Kontaktmanagement782 oder dem
Management von Kundeninteraktionen.783
Es sind weitere implementierungsrelevante Aspekte zu verzeichnen, die nicht eindeutig einer Dimension zugeordnet werden konnten. Auf den Erfolg des Absatzkanaltypus wirkt es
sich hemmend aus, wenn kein geeignetes, für den E-Commerce zugeschnittenes Leistungsangebot besteht. Dies ist beispielsweise bei einer hohen Komplexität der Leistungen784 der
Fall, oder wenn Produkte erklärungsbedürftig sind.785 (Hilti, Verkauf von Versicherungen
online). Weiterhin sind bestehende Verträge mit B-to-B-Kunden zu nennen, welche das
Marktpotenzial des B-to-B-E-Commerce einschränken.786
781
782
783
784
785
786
Berutto, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Vgl. Kap. 3.3.2.4.
Vgl. Kap. 3.5.2.
Bretthauer, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Warren, Expertengespräch Hilti AG; Vuyk, Expertengespräch Helsana AG.
Vgl. Kap. 3.4.2.1.
215
4.6. Auswahl geeigneter Implementierungsmaßnahmen (6. Schritt): Generelle Gestal-
tungsempfehlungen und typenspezifische Schwerpunkte
4.6.1. Grundlagen
In den vorangehenden Kapiteln wurde gezeigt, wie eine systematische Analyse der Ursachen von strukturellen und verhaltensbezogenen Implementierungslücken und -barrieren
sowie ihrer Ursachen vorgenommen wird. Hierbei wurde deutlich, dass verhaltensbezogene
und strukturelle Implementierungsaspekte häufig in einem engen Zusammenhang zueinander stehen. Verhaltensbezogene Implementierungmaßnahmen stellen oftmals die Basis für
die Schließung struktureller Implementierungslücken bzw. der Überwindung struktureller
Barrieren dar. Während verhaltensbezogene Widerstandsursachen generalisiert werden können und daraus konkrete Implementierungsmaßnahmen für den Kommunikationskanaltypus
und den Absatzkanaltypus abgeleitet werden können, trifft dies auf die strukturelle Ebene
nicht zu. Hierfür ist insbesondere die hohe Heterogenität struktureller Implementierungsaspekte verantwortlich.787 Außerdem manifestieren sich strukturelle Implementierungsaspekte
oftmals in Implementierungslücken, die geschlossen werden müssen, z.B. durch die Implementierung eines noch nicht eingeführten Content Management Systems. Die folgenden
Ausführungen konzentrieren sich somit auf Maßnahmen der Beeinflussung verhaltensbezogener Implementierungsaspekte.
Auf Basis der von Guth/MacMillan identifizierten Ursachen für verhaltensbezogene Implementierungswiderstände und durch die Integration weiterer geeigneter Ansätze wird im Folgenden gezeigt, welche Maßnahmen beim Vorliegen einer der drei Ursachen verhaltensbezogener Widerstände grundsätzlich dazu geeignet sind, die Widerstände abzubauen. Im
Weiteren wird gezeigt, welche Maßnahmen situationsspezifisch für den jeweiligen Internetkanaltyp besonders geeignet sind. Hierfür wird die bereits bekannte Segmentierung der betroffenen Organisationsmitglieder übernommen.788 Einen Überblick über die grundsätzlichen Maßnahmen liefert Tabelle 7.
787
788
Vgl. Kap. 4.5.2.
Vgl. Kap. 4.5.1.
216
Widerstandsursache Negative individuel- Kein Glaube an Er- Überforderung
le Zielerreichung
folg
Maßnahmen
—
—
—
—
—
Tabelle 7:
Überzeugung
Zwang
Anreize
Verpflichtung
Einbindung
—
—
—
Kommunikation/
Information
Erwartungsmanagement
Auseinander- setzen mit Argumenten
—
—
—
Selbstbewusstsein stärken
Zusätzliche Ressourcen
Schulung
Widerstandsursachen und Maßnahmen (Quelle: MacMillan 1978, zitiert nach Guth/MacMillan
1986, S. 324) 789
Für den Erfolg der Maßnahmen ist es wesentlich, dass die Diagnose der Ursachen des Verhaltens, genauer gesagt der Zielstruktur der betroffenen Manager, die „wahren“ Ursachen
zutage fördert. Eine falsche Diagnose zieht ungeeignete Implementierungsmaßnahmen nach
sich.790
4.6.1.1. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache „negative individuelle Zielerreichung“
Betroffene Individuen kommen insbesondere dann zum Schluss, dass ihre individuelle Zielerreichung aufgrund eines beabsichtigten bzw. zu implementierenden Konzepts negativ beeinträchtigt wird, wenn sie einen Verlust von Einflusspotenzialen bzw. Macht, Prestige,
Einkommen oder gar des Arbeitsplatzes befürchten.791 Zentral ist dabei nicht die reale Bedrohung, sondern deren Befürchtung durch das Individuum.792 Wenn von der Implementie-
789
790
791
792
Vgl. außerdem den Vergleich verschiedener Implementierungstaktiken bei Cespedes/Piercy 1996, S. 146 sowie die
dabei zitierten Quellen. Die Anwendung verschiedener Implementierungstaktiken lässt sich als Beeinflussungsaufgabe beschreiben. Vgl. hierzu auch Zalezinik/Moment 1964 S. 475ff.; zitiert nach Böhnisch 1979, S. 120.
Guth/MacMillan 1986, S. 325.
Staehle 1999, S. 859 spricht in diesem Zusammenhang von ökonomischen und/oder sozial-psychologischen Ängsten.
Klöter 1997, S. 83.
217
rung des Kanals Internet betroffene Manager somit zu der Überzeugung gelangen, dass die
Implementierung des Kanals Internet die Verfolgung ihrer individuellen Ziele behindert,
dann resultieren daraus i.d.R. Konflikte mit der E-Business-Leitung.
In Abhängigkeit von der relativen Durchsetzungsfähigkeit (bzw. der Orientierung an den eigenen Zielen) und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit (bzw. der Orientierung an den Zielen anderer) sind unterschiedliche Möglichkeiten zur Konflikthandhabung zu unterscheiden,
die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl. Abbildung 39). Aus Sicht des E-BusinessManagers sind negative Ergebnisse, wie sie bei der Konfliktvermeidung bzw. der Anpassung an die Interessen anderer auftritt, zu vermeiden. Somit rücken insbesondere Maßnahmen der gemeinsamen Problemlösung, der Kompromissschließung sowie Zwangsmaßnahmen ins Zentrum der Betrachtungen.
Bereitschaft zur
Zusammenarbeit /
Orientierung an den
Zielen anderer
2 Anpassung
hoch
3 Gemeinsame
Problemlösung
Lose-Win
Win-Win
4 Kompromiss
gering
Lose-Lose
1 Vermeidung
gering
Win-Lose
5 Zwang
hoch
Relative Durchsetzungsfähigkeit /
Orientierung an
den eigene Zielen
Abbildung 39: Handhabung von Konflikten (Quelle: In Anlehnung an Thomas 1976, S. 889-935 und von Rosenstiel 2003, S. 308)
218
Gemeinsame Problemlösung/Kompromiss
Im Rahmen einer gemeinsamen Problemlösung bzw. der Kompromissschließung stehen
insbesondere Überzeugungsmaßnahmen, Maßnahmen der Verpflichtung, der Schaffung von
geeigneten Anreizen und der Einbindung zur Verfügung. Überzeugungsmaßnahmen basieren auf dem Aufzeigen von Vorteilen, die betroffene Manager vorher nicht gesehen haben,
die mittels einer Übermittlung geeigneter Informationen vonstatten geht.793 Der Austausch
von Informationen zwischen Personen erfolgt im Rahmen von Kommunikationsprozessen.
Aus sozialpsychologischer Sicht stellt die Kommunikation außerdem ein soziales Phänomen
dar, das mit Wechselwirkungen zwischen den Kommunizierenden verbunden ist.794 Sie fungiert somit auch als Instrument zwischenmenschlicher Beeinflussung mit dem Ziel einer
Verhaltensänderung bei den durch die Implementierung betroffenen Managern.795
Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Informationen. Primäre Informationen betreffen das zu behandelnde Thema. Hierbei stehen Sachlichkeit, Logik der Argumente und Fachwissen im Vordergrund. Sekundäre Informationen umfassen darüber hinaus die
Übermittlung von Informationen über Eigenschaften des Informationslieferanten, also seiner Motive, Ziele, Bedürfnisse, Machtgrundlagen etc. In einer konkreten Beeinflussungssituation werden primäre und sekundäre Informationen häufig gleichzeitig – mit jeweils unterschiedlichen Anteilen – dargeboten. Bei Überzeugungsmaßnahmen überwiegt die Darbietung primärer Informationen, während bei Zwangsmaßnahmen der Anteil der sekundären
Informationen relativ höher ausfällt.
Man unterscheidet Primärinformationen in faktische, wertende und präskriptive Informationen. Faktische Informationen dienen der sachlichen Beschreibung eines Konzepts. Wertende Informationen beinhalten Stellungnahmen des implementierenden Managers. Präskriptive Informationen enthalten an den Betroffenen herangetragene Verhaltensaufforderungen.
In der Realität sind diese Elemente meist miteinander verbunden, wobei jedoch das subjek793
794
795
Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Nutt 1986, S. 249, der bei der Hinzunahme von Experten im Rahmen der
Implementierungstaktik der Überzeugung Inhalts- von Prozessexperten, sowie interne und externe Experten unterscheidet.
Gebert 1992, Sp. 1110f.
Vgl. zu weiteren Details zur Verhaltensänderung von Individuen die Ausführungen bei Böhnisch 1979, S. 127f. und
die dort angegebenen Quellen.
219
tive Empfinden des Informationsempfängers für den Charakter der Information ausschlaggebend ist. Im Folgenden werden wesentliche Informationsinhalte dargestellt, die im Rahmen der Implementierung des Kanals Internet zur Anwendung kommen können, sowie das
primäre Ziel ihrer Vermittlung.
Informationsinhalte
Primäres Ziel
1. Informationen zur funktionalen Begrün- Erhöhung des Problemverständnisses von
dung der Notwendigkeit der Implemen- Betroffenen
tierung des Kanals Internet
2. Informationen über den potenziellen Weckung des Verständnisses für den TeilEndzustand und das damit verbundene beitrag des von der Implementierung BetrofGesamtziel des Implementierungsprozes- fenen
ses
3. Sachliche Informationen über den Imp- Vermittlung des notwendigen Fachwissens
lementierungsgegenstand bzw. das Implementierungsvorgehen
4. Informationen zur Präzisierung operatio- Verdeutlichung spezifischer Rollenanfordenaler Teilziele, um Zwischen- oder Un- rungen an den einzelnen Betroffenen
terziele zu formulieren
5. Informationen über mögliche Folgen der Objektivierung der Antizipation von KonseImplementierung
quenzen
6. Informationen, die eine Stellungnahme
des Betroffenen zum Implementierungsgegenstand bzw. Implementierungsprozess enthalten
Tabelle 8:
Vergleich der Wertprämissen des Betroffenen mit den eigenen und gegebenenfalls
Veränderung der Wertprämissen des Betroffenen
Informationsinhalte im Rahmen der Implementierung des Kanals Internet und primäres Ziel ihrer
Vermittlung (Quelle: Böhnisch 1979, S. 129)
Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang einerseits die Art und Reihenfolge
der Argumentation sowie andererseits die Formulierung der als Entscheidungsprämissen zu
übernehmenden Schlussfolgerungen.796 Hinsichtlich der Art und Reihenfolge der Argumen-
796
Vgl. Böhnisch 1979, S. 130 und die dort angegebenen Quellen.
220
tation unterscheidet man zwischen ein- und zweiseitiger Argumentation. Im ersten Fall gibt
der beeinflussende Manager lediglich solche Informationen preis, die das von ihm intendierte Ziel stützen. Im zweiten Fall werden auch gegenteilige Standpunkte miteinbezogen.
Hierbei ist in Abhängigkeit von der Aufgabe, der Situation und von Persönlichkeitsspezifika
zu unterscheiden, ob es vorteilhafter ist, zuerst die eigene Position darzulegen, um sich anschließend Gegenargumenten zuzuwenden, oder ob das umgekehrte Vorgehen erfolgversprechender ist. Schlussfolgerungen aus einem Kommunikationsprozess können explizit oder implizit übermittelt werden. Bei expliziter Übermittlung leitet der Beeinflussende die
Folgerungen selbst ab. Bei impliziter Übermittlung bleibt es dem zu Beeinflussenden überlassen, aus den präsentierten faktischen und wertenden Informationen eigene Schlüsse zu
ziehen. Auch hier sind situative Spezifika ausschlaggebend.797
Basierend auf dem Prinzip der Reziprozität können Organisationsmitglieder mittels der
Maßnahme der Verpflichtung dazu bewegt werden, die Implementierung des Kanals Internet zu akzeptieren und zu unterstützen. Die Anwendung dieser Maßnahme ist vom Vorhandensein in der Vergangenheit erbrachter wesentlicher Gefälligkeiten abhängig, für die man
eine Gegenleistung erwartet.
Menschen führen Handlungen dann bewusst aus, wenn das Aufwand-Nutzen-Verhältnis aus
ihrer subjektiven Sicht in einer für sie günstigen Relation steht. Anreize stellen einen Bestandteil der wahrgenommenen Situation dar, die Motive aktivieren.798 Wenn die durch Anreize motivierte Person ihre Bedürfnisse befriedigt hat, führt dies zu Zufriedenheit.
Anreize wirken interindividuell verschieden, da sich das Anspruchsniveau und die Motivstruktur der Individuen unterscheiden. Geeignete Anreize tragen dazu bei, den Nutzen zu
erhöhen und somit das Aufwand-Nutzen-Verhältnis im Hinblick auf die individuelle Zielerreichung zu verbessern. Die Schaffung von (zusätzlichen) Anreizen hat im Kontext der Implementierung des Kanals Internet das Ziel, die Valenz der erwarteten Ergebnisse in Bezug
auf die Implementierung für die betroffenen Manager zu erhöhen. Man unterscheidet monetäre von nichtmonetären Anreizen. Unter monetäre Anreize fallen die direkte Entlohnung,
Erfolgsbeteiligungen, betriebliche Sozialleistungen etc. Nichtmonetäre Anreize umfassen
797
798
Böhnisch 1979, S. 130.
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
221
die soziale Kommunikation, die Gruppenmitgliedschaft, die Führung, die Arbeitszeit- und
Pausenregelung, den Arbeitsinhalt, die Arbeitplatzgestaltung, die Personalentwicklung und
Aufstiegsmöglichkeiten.799
Schließlich steht noch die Partizipation an bzw. Einbindung in die Erarbeitung von Detailkonzepten zur Verfügung. Unter Partizipation ist „die Beteiligung von Mitarbeitern an der
Willensbildung einer hierarchisch höheren Ebene der Organisation“800 zu verstehen. Unter
dem Begriff der Einbindung soll die Beteiligung von nicht untergeordneten Funktionseinheiten an der Planung bzw. Implementierung beschrieben werden.
Zwang
Zwang basiert auf der Wirkung sozialer Macht und ist mit der Übermittlung sekundärer Informationen verbunden. Der zu Beeinflussende soll dazu bewegt werden, Primärinformationen zu akzeptieren. Entsprechende Implementierungstaktiken stellen Drohungen, Versprechungen, die Schaffung vollendeter Tatsachen, Autorisierung und Überredung dar. Der Einsatz dieser Implementierungstaktik erfordert, dass geeignete Machtgrundlagen zur Verfügung stehen.801 Hierbei ist die subjektive Einschätzung der Machtgrundlagen durch den
Beeinflusser ausschlaggebend.802 Neben den Machtgrundlagen ist der Erfolg der genannten
Taktiken jedoch auch von der Geschicklichkeit des Einsatzes der verfügbaren Machtgrundlagen, der hinter einem solchen Machteinsatz verborgenen Motivation, den subjektiv prognostizierten Erfolgsaussichten und der damit verbundenen Einschätzung der Opportunitätskosten verbunden.803 Der Machtausübende verfügt aus Sicht des Machtunterworfenen über
positive oder negative Verstärkungen (Belohnung oder Bestrafung), die der Machtunterworfene zu erlangen bzw. zu vermeiden trachtet. Sowohl positive wie auch negative Verstärkungen führen zu einer Senkung der Valenz von Alternativen, um somit die Wahrnehmung
799
800
801
802
803
Hentze 1990, S. 51.
Hill et al. 1974, S. 235; zitiert nach Böhnisch 1979, S. 159. In Abhängigkeit vom inhaltlichen Umfang der Partizipation, welche sich auf die Entwicklung eines Lösungsrahmens oder konkreter Lösungsinhalte beziehen kann, sowie
dem Ausmaß der Partizipation der Stakeholder, wobei eine teilweise sowie eine vollkommene Partizipation unterschieden werden, ergeben sich verschiedene Arten der Partizipation (Nutt 1986, S. 246).
Böhnisch 1979, S. 128f. und die dort angegebenen Quellen.
Böhnisch 1979, S. 138.
Böhnisch 1979, S. 139; vgl. hierzu auch von der Oelsnitz 1999, S. 190 sowie die dort angegebenen Quellen.
222
der Valenz des gewünschten, zu implementierenden Konzepts zu erhöhen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden fünf Machtbasen unterschieden. Grundsätzlich sind
Zwangsmaßnahmen unter der Voraussetzung des Vorhandenseins geeigneter Machtgrundlagen804 sowohl bei vertikalen wie auch horizontalen Konflikten einsetzbar.805
4.6.1.2. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache „kein Glaube an Erfolg“
Wenn Organisationsmitglieder nicht daran glauben, dass der Kanal Internet bzw. dessen
Implementierung erfolgreich sein wird, stellt sich zunächst die Frage nach dem Grund dieser Annahme. Dass Manager nicht an den Erfolg des Kanals Internet glauben, kann darauf
zurückzuführen sein, dass ihre Erwartungen in der Vergangenheit enttäuscht wurden und sie
darauf basierend ihre Erwartungen reduziert haben, bis hin zu einem übertriebenen Pessimismus hinsichtlich der Nutzenpotenziale des Kanals Internet.806 Unter solchen Umständen
gewinnt die Rolle des Managements von Erwartungen eine zentrale Bedeutung.807
Zusätzlich ist zu analysieren, ob mangelhafte Informationen über die mit dem Kanal Internet verfolgten Ziele und die Implementierung des Kanals (Barriere des „Nicht-Kennens“)
eine Ursache für den mangelnden Glauben an Erfolg darstellen. Wenn dies der Fall ist, muss
der E-Business-Manager seine Informationsfunktion wahrnehmen, und bei den Betroffenen
Transparenz über die Ziele, Teilziele und Auswirkungen der Implementierung des Kanals
Internet mittels (verstärkter) kommunikativer Aktivitäten schaffen.808
Betroffene Manager können jedoch – unter der Voraussetzung der Darbietung geeigneter
Informationen – weiterhin der Meinung sein, dass der Implementierungsgegenstand bzw.
804
805
806
807
808
Vgl. zur Unterscheidung verschiedener Machtbasen in der betriebswirtschaftlichen Literatur Böhnisch 1979, S. 140
und die dort angegebenen Quellen. Vgl. zu Details und zur kritischen Auseinandersetzung mit dieser Einteilung
Böhnisch 1979, S. 140ff. und die dort angegebenen Quellen.
Von der Oelsnitz 1999, S. 180.
Vgl. Kap. 1.1.
Simkin 2002, S. 123.
Vgl. Böhnisch 1979, S. 120.
223
das Implementierungsvorgehen nicht erfolgreich sein wird. In einem solchen Fall sind die
vermuteten Gründe für die Annahme des Misserfolgs in Erfahrung zu bringen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Erfassung von Hinweisen darüber, welche Aspekte in Bezug
auf die Konzeption bzw. die Implementierung geändert werden sollten, um mittels eines Internetkanaltyps einen höheren Erfolg zu verbuchen.809
4.6.1.3. Maßnahmen zur Überwindung der Widerstandsursache „Überforderung“
Wenn Betroffene aufgrund ihrer bisherigen Ausbildung und Kenntnisse Vorbehalte gegenüber Veränderungen aufbauen und befürchten, den neuen Anforderungen nicht gewachsen
zu sein, sind Widerstände zu erwarten. Verstärkt wird dies durch die Koppelung der Bezahlung an die Produktivität.810
Wenn sich Organisationsmitglieder nicht dazu in der Lage sehen, die für sie aus der Implementierung eines Konzepts erwachsenden Anforderungen zu erfüllen („Können“), sind vom
E-Business-Manager im Rahmen der von ihm auszuübenden Unterstützungsfunktion811 insbesondere die folgenden Maßnahmen in Betracht zu ziehen:812
⎯
Stärkung des Selbstbewusstseins der Betroffenen, insbesondere durch moralische Unterstützung und Ermutigung, so daß sie dazu in der Lage sind, das von ihnen Erforderte zu erbringen. Erfolgreiches bzw. gewünschtes Agieren der Betroffenen ist umgehend positiv zu verstärken.
⎯
Bereitstellung zusätzlicher unterstützender Ressourcen, z.B. weiterer Mitarbeiter
und/oder externer Berater.813
809
810
811
812
813
Guth/MacMillan 1986, S. 322f.
Ansoff/McDonnell 1990, S. 408; Häfelfinger 1996, S. 5; vgl. a. Klöter 1997, S. 80ff.
Vgl. zum Begriff der „Unterstützungsfunktion“ Böhnisch 1979, S. 120 und die dort angegebenen Quellen.
Guth/MacMillan 1986, S. 322.
Das Hinzuziehen von externen Beratern ist als anforderungssenkende Maßnahme jedoch als vorübergehende Lösung
zu betrachten, die durch niveausteigernde Maßnahmen (Stärkung des Selbstbewusstseins, Schulung, Personalentwicklung) flankiert werden sollte (Lingenfelder 1990, S. 221; zitiert nach Hilker 1993, S. 132).
224
⎯
Konzeption und Durchführung von Schulungsmaßnahmen, falls neue Fähigkeiten erforderlich sind bzw. neue Kenntnisse zu vermitteln sind.
4.6.2. Typenübergreifende Implementierungsmaßnahmen
Typenübergreifend ist es eine zentrale Aufgabe, den Glauben an den Erfolg des Kanals Internet bei den budgetverantwortlichen Vorgesetzten zu stärken und den eigenen Handlungsspielraum einerseits in finanzieller Sicht abzusichern bzw. zu erweitern sowie sich der Unterstützung von Top-Managern zu versichern, wenn Zielkonflikte mit anderen Abteilungsleitern nicht direkt beizulegen sind.
Da die Unterstützung des Top-Managements insbesondere vom Glauben an den Erfolg des
Kanals Internet abhängt, stehen Maßnahmen zum Ausbau des Erfolgs, seiner Messung und
der Kommunikation des Erfolgs im Zentrum. In Abhängigkeit von der zeitlichen Realisierbarkeit der Maßnahmen sind die folgenden kurzfristig bis hin zu eher langfristig zu verwirklichenden Maßnahmen zu erkennen:
⎯
Regelmäßige Kommunikation von Aktivitäten und Erfolgen
⎯
Management von Erwartungen, beispielsweise mittels einer dezidierten Planung sowie
dem Setzen konservativ-realistischer Zielsetzungen814
⎯
Verstärkte Berücksichtigung der Erfolgsmessung durch Verbesserung des EPerformance-Measurement, sowohl hinsichtlich quantitativer Messgrößen und qualitativer Argumentationslinien815
⎯
Schaffung von Voraussetzungen zur Erhöhung des Erfolgs durch aktive Beseitigung
von Effektivitäts- und Effizienzbarrieren
814
815
Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kap. 4.6.1.1.
Vgl. hierzu die Ausführungen in den Kap. 3.3.3.1. und 3.4.3.
225
4.6.3. Typenspezifische Implementierungsmaßnahmen
Wie bei der Analyse der strukturellen Implementierungslücken und verhaltensbezogenen
Implementierungswiderstände erfolgt bei der Darstellung typenspezifischer Implementierungsmaßnahmen eine Beschränkung auf die Internetkanaltypen des Kommunikationskanals und des Absatzkanals, da hinsichtlich des CRM-Kanaltyps noch zu wenig gesicherte
Erfahrungen vorhanden sind.
4.6.3.1. Kommunikationskanaltypus
Vorgesetzte
Wenn Vorgesetzte dem Kommunikationskanal Internet im Rahmen der Marktbearbeitung
eine relativ geringe Bedeutung zumessen, dann kann dies auf enttäuschte Erwartungen oder
unzureichende Informationen zurückzuführen sein. Grundlegende Ansatzpunkte zur Verbesserung der Wahrnehmung durch Vorgesetzte betreffen somit ein geeignetes Erwartungsmanagement und eine regelmäßige Berichterstattung an Vorgesetzte, gegebenenfalls
sogar an die Geschäftsführung.
Des Weiteren sind Vorgesetzte vom Nutzen des Kanals zu überzeugen. Hierfür sind neben
quantitativen Kenngrößen auch qualitative Argumente hinzuziehen, mittels derer aufgezeigt
wird, welche (Teil-)Rolle das Internet im Kaufprozess spielt.816 Außerdem kann die zunehmende allgemeine Nutzung des Internet – insbesondere hinsichtlich der Informationsfunktion – als Argument für die zunehmende Rolle des Kommunikationskanals Internet herangezogen werden.
Diese Maßnahmen können jedoch nur in Kombination mit Maßnahmen zielführend sein,
welche ein permanentes Audit der Attraktivität des Kanals mittels internen und externen
Feedbacks zum Ziel haben. Das Audit muss eine Optimierung von inhaltlichen und formalen Aspekten des Kommunikationskanals anstreben. Des Weiteren sind hierzu auch Maß816
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap. 3.3.3.1.
226
nahmen der Professionalisierung des Kontaktmanagement zu berücksichtigen, um den komplementären Nutzen für andere, verkaufsorientierte Kanäle als komplementärer Kanal zu
festigen.817
Leiter betroffener Abteilungen
Da die betreffenden Personen meist in der Organisationshierarchie auf gleicher bzw. höherer Ebene angesiedelt sind, ist die Ausübung eines direkten Zwangs nur unter besonders
günstigen Umständen möglich. Es kann jedoch versucht werden, indirekt über die Einschaltung von übergeordneten Hierarchieebenen Zwang auszuüben, um die Bereitschaft an der
Beteiligung bei der Leistungserstellung des Kommunikationskanals zu fördern. Des Weiteren kommen Maßnahmen der Überzeugung, Verpflichtung, der Gestaltung von Anreizen
sowie der Beteiligung an Detailausarbeitungen in Betracht.
Leiter Marketing-Kommunikation
Es sind Zielkonflikte zu verzeichnen, wenn sich die Kompetenzen der Erfüllung von kommunikationspolitischen Aufgaben überschneiden und die Verantwortung und die Budgets
für die Aufgaben der internetbezogenen Marketingkommunikation nicht klar zugewiesen
sind. Die Integration der Contenterstellung des Kommunikationskanals Internet in bestehende Prozesse des Funktionalbereichs der Marketingkommunikation erbringt einerseits
durch die Vermeidung der Mehrfacherstellung von Content Effizienzvorteile, andererseits
durch die Spezialisierung Effektivitätsvorteile. Wenn die Marketingkommunikation Schwächen in Bezug auf die Erstellung von zielgruppen- bzw. bedürfnisspezifischen Inhalten aufweist, sind eigene Initiativen durch das E-Business zu ergreifen und in Kooperation mit der
Marketingkommunikation zu erstellen. Um möglichst eine Win-Win-Situation bzw. zumindest einen Kompromiss zu erreichen ist eine gemeinsame Problemlösung anzustreben. Dies
erfordert nicht nur vom Leiter des Funktionalbereichs Marketing-Kommunikation sondern
auch vom Leiter des E-Business die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Wichtig ist hierbei
insbesondere die Zuteilung entsprechender Budgets für die ausführende Abteilung. Zusätzlich können auch Zwangsmaßnahmen über die Einschaltung von Vorgesetzten notwendig
werden, um zu unterstreichen, welche Bedeutung qualitativ hochwertige Inhalte und die In817
Vgl. Kap. 3.3.3.3.
227
tegration sämtlicher Marketingkommunikationsaktivitäten für die Präsentation des Unternehmens nach außen haben.
Leiter Customer Care
Eine negative Zielerreichung beim Leiter der Abteilung Customer Care ist dann zu erwarten, wenn er eine “Kannibalisierung” des von ihm verantworteten Kommunikationskanals
durch den neuen Internetkanal befürchtet. Hierbei handelt es sich somit um einen Ziel- und
Verteilungskonflikt.
Eine Konfliktvermeidung bzw. eine Anpassung ist dann nicht sinnvoll, wenn die Qualität
der Kundenbearbeitung nicht hinreichend gesichert ist. Das bezieht sich auf Antwortzeiten
und die Zufriedenheit der Kunden. Aus Sicht des E-Business ist auch eine unzureichende
Umschichtung von Kundenkontakten zugunsten des günstigeren Kommunikationskanals Internet durch mangelnde Aktivitäten des Kundenkontaktpersonals zu vermeiden.
Im Rahmen einer gemeinsamen Problemlösung bzw. eines Kompromisses sind geeignete
Überzeugungsmaßnahmen zu erbringen, um eine Umschichtung von Kundenkontakten auf
den (günstigeren) Kanal Internet zu vollbringen. Ein wesentliches Argument ist dabei, dass
Kunden bzw. Interessenten auf der Suche nach Standardinformationen zunehmend auf den
Internetkanal zurückgreifen sollen, was durch eine aktive Steuerung der Kanalverlagerung
begünstigt wird. Dadurch soll für Kundenkontaktmitarbeiter Kapazität für qualitativ höherwertige Beratung und damit für das Unternehmen nutzenstiftendere Aufgaben geschaffen
werden.
Falls die genannten Maßnahmen nicht greifen, erweist sich die Ausübung von indirektem
Zwang über Vorgesetzte als besonders wirkungsvoll. Vorgesetzte sind davon zu überzeugen, Änderungen der Zielvereinbarungen mit dem Leiter der Abteilung Customer Care vorzunehmen, um in seinem Funktionsbereich – der üblicherweise als Service Center organisiert ist – eine Kostensenkung zu erwirken. Durch den Zwang zur Kosteneinsparung kann
die Leitung der Abteilung Customer Care nicht umhin, aktiv die Verlagerung von Kundenkontakten auf den Kommunikationskanal Internet zu unterstützen und somit die Zusammenarbeit mit der E-Business-Leitung zu suchen. Daran anknüpfend kann eine aktive Zusam-
228
menarbeit genutzt werden, um an dem gemeinsamen Ziel der Verlagerung von Kunden auf
den Kommunikationskanal Internet zu arbeiten.
Leiter Vertrieb bzw. Verkaufsagentur
Bei Vertriebs- bzw. Verkaufsagenturleitern ist dann eine negative Zielerreichung zu verzeichnen, wenn dem Aufwand der Bearbeitung von E-Mail-Kontakten durch die Vertriebsmitarbeiter ein relativ geringer Nutzen in Form eines geringen Verkaufspotenzials gegenübersteht.
In solchen Fällen ist insbesondere Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Vertriebsleiter bzw.
Verkaufsagenturleiter ist davon zu überzeugen, dass geeignete Maßnahmen der Professionalisierung des Kontaktmanagements zu einer Win-Win-Situation führen. Während es das Ziel
der E-Business-Abteilung sein muss, eine Erhöhung der Quantität und der Qualität der
Kundenkontakte zu erwirken, ist eine aktive Mitarbeit der Vertriebs- bzw. Verkaufsagenturleiter hinsichtlich der Kontrollmaßnahmen erforderlich.818
Mitarbeiter Marketingkommunikation
Die Erreichung individueller Ziele kann bei Mitarbeitern der Abteilung Marketingkommunikation negativ sein, wenn sie zusätzliche Aufgaben im Rahmen der Marketingkommunikation zu bewältigen haben. Hierbei sind in Abhängigkeit von der Verteilung von Budgets
für die zusätzlichen Aufgaben ggfs. neue Mitarbeiter einzustellen bzw. Druck durch den
Leiter der Marketingkommunikation auszuüben.
Die E-Business-Leitung kann hier versuchen, mit geeigneten Maßnahmen der Beteiligung
verhaltensbezogenen Barrieren entgegenzuwirken. Hierbei ist neben gemeinsamen Sitzungen auch an emotionalisierend-motivierende Kommunikationsmaßnahmen zu denken (z.B.
im Rahmen von Präsentationen), welche die Faszination für das neue Medium und dessen
Möglichkeiten vermittelt.
818
Vgl. hierzu Kap. 3.3.3.3.
229
Mitarbeiter Kundenkontaktmanagement
Wenn die Erreichung individueller Ziele aus Sicht der Mitarbeiter im Kundenkontaktmanagement negativ ausfällt, sind gemeinsam mit dem Leiter Customer Care Zwangsmaßnahmen zu eruieren. Besonders geeignet ist hierbei eine geänderte Zielsetzung, die Mitarbeiter
dazu „zwingt“, sich aktiv um einen Kanalwechsel (eines Teils) ihrer Kunden zu bemühen,
damit sie ihre Ziele erreichen können. Ähnlich wie bei den Mitarbeitern der Marketingkommunikation können auch hier emotionalisierend-motivierende Kommunikationsmaßnahmen hilfreich sein.
Um einer Überforderung der Mitarbeiter durch besser informierte Interessenten entgegenzuwirken, sind geeignete Schulungsmaßnahmen zu ergreifen. Diese dienen zunächst der Information der Mitarbeiter darüber, die Breite und Tiefe der auf dem Kommunikationskanal
Internet vermittelten Informationen zu liefern. Darüber hinaus sind auch Schulungsmaßnahmen erforderlich, welche eine Erhöhung der Qualifikation der Kundenkontaktmitarbeiter
zum Ziel haben. Kundenkontaktmitarbeiter sollen ihren Kunden über das Internet hinausgehende, höherwertige Informationen anbieten können.
Mitarbeiter Vertrieb bzw. Verkaufsagentur
Um Barrieren bei Vertriebsmitarbeitern zu senken, ist insbesondere eine Erhöhung der Qualität der E-Mail-Anfragen durch geeignete Maßnahmen im E-Business zu erwirken, um dem
Eindruck einer negativen Zielerreichung entgegenzuwirken.819 Zusätzlich sollten Kontrollmaßnahmen durch den Vertriebs- bzw. Verkaufsagenturleiter sicherstellen, dass die Qualität
und die Ergebnisse der Kontaktaufnahme seiner Mitarbeiter sich im Rahmen der Erwartungen bzw. Zielvereinbarungen befinden.
Gesamtunternehmen
Um dem Eindruck eines ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses in Unternehmen entgegenzuwirken und die Akzeptanz zu erhöhen, sind insbesondere informierende Kommunika-
819
Vgl. Kap. 3.3.3.3.
230
tionsmaßnahmen zu ergreifen, welche insbesondere die Vermittlung von (Teil-) Efolgen
zum Inhalt haben.
4.6.3.2. Absatzkanaltypus
Vorgesetzte
Ein mangelnder Glaube an Erfolg ist beim Absatzkanaltypus nicht so stark ausgeprägt wie
beim Kommunikationskanaltypus, da durch den E-Commerce Umsätze generiert werden.
Vor allem in den Branchen Luftfahrtindustrie und im Einzelhandel werden bereits heute hohe Umsätze erzielt. Problematischer ist dies bei Unternehmen, die noch relativ geringe Umsätze im E-Commerce aufweisen, wie dies bei jenen der Industriegüterbranche häufiger der
Fall ist. Hier sind angemessene Überzeugungsmaßnahmen sowie ein geeignetes Erwartungsmanagement erforderlich.820
Leiter Customer Care und Marketingkommunikation
In Bezug auf Leiter des Bereichs Customer Care sind dieselben Maßnahmen zu empfehlen,
wie beim Kommunikationskanaltypus.821 Mit Leitern des Bereichs Marketingkommunikation sind Verteilungskonflikte zu verzeichnen, wenn um eine Aufteilung des Budgets für Aktivitäten der Marketingkommunikation zwischen Marketingkommunikation und E-Business
gerungen wird.
Da Kommunikationsmaßnahmen über Online-Kanäle i.d.R. nur einen relativ geringen Teil
der gesamten Marketingkommunikation ausmachen, ist das E-Business hier in einer relativ
schwachen Position. Hier sind vor allem Überzeugungsmaßnahmen zu ergreifen, um die
Vorzüge von Online-Kommunikationsaktivitäten hervorzuheben.822
820
821
Vgl. hierzu Kap. 4.6.3.1.
Vgl. Kap. 4.6.3.1.
231
Leiter anderer Absatzkanäle
Verteilungskonflikte mit Leitern anderer Absatzkanäle sind besonders häufig zu verzeichnen, wenn der Absatzkanal Internet als Profit-Center organisiert ist und Umsatzzugewinne
im Internet zulasten anderer Absatzkanäle gehen (Nullsummenspiel).
Interne Absatzkanalkonflikte sind dann nicht zu verzeichnen, wenn der Absatzkanal Internet
nicht als Profit-Center betrieben wird und die anderen Absatzkanäle keine Umsatzeinbussen
zu erwarten haben. Bei manchen Unternehmen stellt der Absatzkanal Internet den ersten direkten Absatzkanal dar, womit interne Verteilungskonflikte entfallen.823
In anderen Unternehmen ist hingegen eine Konkurrenz der Kanäle zu verzeichnen. Hier ist
die Unterstützung der Führungskräfte besonders wichtig. Weiterhin ist es zentral, Möglichkeiten der Optimierung der Initiierung von Online-Käufen und des Kaufvorgangs voll auszuschöpfen, um die (zunehmende) Bedeutung des Online-Kanals zu untermauern.
Intermediäre
Externe Kanalkonflikte mit Intermediären stellen Verteilungskonflikte dar. In der Regel ist
die relative Umsatzbedeutung des Absatzkanals Internet noch gering. Damit haben Intermediäre noch auf absehbare Zeit eine hohe Marktmacht. Es sind allenfalls Kompromisslösungen anzustreben, so dass die Preisvorteile des Kanals Internet zumindest zum Teil dazu genutzt werden können, Online-Käufe zu initiieren.824
Kanalkonflikte mit Intermediären werden dann gemildert oder beseitigt, wenn sich die Konkurrenzsituation verlagert. Dies ist dann der Fall, wenn andere Intermediäre den eigenen Intermediären im E-Commerce Konkurrenz machen. Der Marktdruck zwingt Intermediäre
somit dazu, aktiv auf die „Herausforderung“ des Internet und die Entwicklung des neuen
Absatzkanals zu reagieren.
822
823
824
Vgl. Kap. 3.4.3.3.
Vgl. Kap. 3.4.3.2.
Vgl. Kap. 3.4.3.4.
232
Mit zunehmender Bedeutung des Absatzkanals Internet nimmt auch die relative Machtposition gegenüber Intermediären zu. Dies stärkt grundsätzlich die Machtposition in Verhandlungen. Neben dem Ziel der Erringung von Kompromisslösungen nimmt die Bereitschaft im
E-Business somit tendenziell zu, Konfrontationen mit Intermediären zu riskieren, um die für
das E-Business gesteckten Ziele zum Kanalwechsel erreichen zu können.825
Marketingleiter bzw. Managing Director in Ländergesellschaften
Marketingleiter bzw. Managing Directors in Ländergesellschaften international agierender
Konzerne fürchten durch die Bewilligung zusätzlicher Budgets für ihre E-BusinessAbteilung zur Implementierung des E-Commerce eine negative Erreichung ihrer individuellen Ziele. Hier sind insbesondere Überzeugungsmaßnahmen zu ergreifen sowie eine enge
Zusammenarbeit anzustreben. Hier muss eine Darlegung der Vorteile grundsätzlich von der
Nutzenstiftung des E-Commerce überzeugen, idealerweise mittels (interner) Best-PracticeBeispiele.
Mitarbeiter Vertrieb/Verkauf
Bei Mitarbeitern im Vertrieb bzw. Verkauf bestehen klassische Zielkonflikte bzw. Verteilungskonflikte aufgrund einer negativen Zielerreichung durch die zu erwartende Konkurrenz durch den neuen Kanal.
In solchen Fällen sind Überzeugungs- und Kommunikationsmaßnahmen wenig erfolgversprechend, wenn nicht gleichzeitig die Anreizsysteme geändert werden. Wenn der Absatzkanal Internet auf Dauer nur als unterstützender Kanal die bisherigen Kanäle ergänzen soll,
erscheint es sinnvoll, den Kanal nicht als Profit Center zu betreiben. Internetumsätze werden
dann auch nicht als globale Umsätze verbucht werden, sondern werden (zumindest teilweise) bestehenden Absatzkanälen gutgeschrieben.
825
Vgl. Kap. 3.4.3.2.
233
4.7. Analyse der Implementierungsfähigkeiten des verantwortlichen E-Business-
Managers (7. Schritt)
Eine zentrale Rolle beim (Miss-)Erfolg des Kanals Internet nimmt der verantwortliche EBusiness-Manager ein, da er in der Regel sowohl die konzeptionelle Ausgestaltung des Kanals Internet als auch dessen Implementierung verantwortet.826 Er ist somit als Organisationsgestalter einer Vielzahl vermeintlicher und tatsächlicher Begrenzungen seines Handlungsspielraums ausgesetzt.827 Diese beruhen auf der individuellen Wahrnehmung des Unternehmenskontextes, der Unternehmensstruktur, des Verhaltens anderer Organisationsmitglieder und der Effektivität und Effizienz eines Unternehmens.828 Wie in den vorhergehenden Kapiteln detailliert erläutert wurde, werden Implementierungsspielräume einerseits
durch die Einflussnahme von Individuen mit unterschiedlichen Interessen beschränkt, womit verhaltensbezogene Implementierungs-widerstände adressiert werden. Andererseits sind
aber auch die strukturellen Grenzen organisatorischer Gestaltung zu berücksichtigen, welche den Handlungsspielraum zusätzlich einengen können.829 Das ist beispielsweise dann der
Fall, wenn die Einrichtung oder Anpassung der erforderlichen IT-Infrastruktur mit hohem
Aufwand verbunden ist.
Das menschliche Verhalten wird von der Wahrnehmung von situativen (begünstigenden oder hemmenden äußeren) Umständen, vom persönlichen Können, individuellen Wollen und
dem sozialen Dürfen und Sollen bestimmt.830 Von diesen Faktoren hängt somit auch die Beeinflussung des Erfolgs des Kanals Internet und die Überwindung struktureller und verhaltensbezogener Implementierungslücken und –barrieren durch den verantwortlichen EBusiness-Manager ab. Der E-Business-Manager muss versuchen, das Verhalten anderer Organisationsmitglieder und externer Personen so zu beeinflussen, dass sie seine Zielerreichung bestmöglich unterstützen. Er muss dazu in der Lage sein, strukturelle Implementie-
826
827
828
829
830
Vgl. von der Oelsnitz 1999, S. 56f. zu einer kritischen Darstellung von Forschungsarbeiten, die sich der Ermittlung
von Anforderungen an die Fähigkeiten von Führungskräften im Rahmen einer Strategieimplementierung widmen.
Vgl. Staehle 1999, S. 55f.
Vgl. Staehle 1999, S. 59.
Vgl. Kap. 1.5.1. und Kap. 2.2.3.
Vgl. Kap. 2.2.2.1. Hier erfolgt somit eine analytische Trennung zwischen Merkmalen der Person (Wollen, Können)
und der jeweiligen Situation (situative Ermöglichung, soziales Dürfen und Sollen), die in der Realität oftmals verflochten sind, so dass eine eindeutige Trennung nicht immer möglich ist. Vgl. von Rosenstiel 2003, S. 148.
234
rungslücken zu schließen sowie das Entstehen verhaltensbezogener Implementierungsbarrieren von vorneherein zu verhindern oder zumindest ihr Ausmaß zu verringern.
Hierfür sind im Hinblick auf das „Können“ die Qualifikationen, Fähigkeiten, Fertigkeiten
und Kompetenzen des E-Business-Managers von Bedeutung.831 Im Hinblick auf das „Wollen“ bzw. die Motivation des verantwortlichen E-Business-Managers ist die Deutung von
Wahrnehmungen (Attribution) von besonderer Bedeutung.832 Sie spielt im Zusammenhang
mit dem Erfolg bzw. Misserfolg der Implementierung des Kanals Internet und insbesondere
in Bezug auf den Umgang des verantwortlichen E-Business-Managers mit Implementierungslücken und –widerständen eine bedeutende Rolle: Wenn er dazu tendiert, extern kontrolliert zu sein, wird er gemäß des Konzepts des Locus of Control im Extremfall Implementierungslücken und –widerstände als gegeben hinnehmen und keine bzw. nur unzureichende Versuche dahingehend unternehmen, sie zu schließen bzw. zu überwinden. Ein in
hohem Ausmaß intern kontrollierter E-Business-Manager wird hingegen mit höherer Wahrscheinlichkeit versuchen, Implementierungslücken zu schließen und Implementierungsbarrieren mittels seines eigenen Verhaltens zu beeinflussen und zu überwinden.
In Übereinstimmung mit grundlegenden Erkenntnissen der Literatur zur Marketingimplementierung sowie den im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnissen aus der explorativen empirischen Forschung wird deutlich, dass verantwortliche E-Business-Manager
insbesondere über Interaktionsfähigkeiten sowie die Fähigkeit zu Aufbau und Nutzung von
Netzwerken verfügen müssen, um die Implementierung des Kanals Internet voranzutreiben
und somit dem Kanal Internet zu größerem Erfolg zu verhelfen.
831
832
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Vgl. zu Details Kap. 2.2.2.1.
235
4.7.1. Adoption verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Forschung zur
Marketingimplementierung
Die bislang umfassendste Analyse der Qualifikationen des Marketing-Managers, die zur erfolgreichen Implementierung von Marketingaktivitäten und somit zur Erreichung seiner
Ziele erforderlich ist, stammt von Bonoma.833
Nach Bonoma setzen Manager ihre Qualifikationen834 dazu ein, um strukturelle Mängel zu
überwinden und ihre Marketingaufgaben auszuführen.835 Manager und ihre Qualifikationen
beeinflussen in hohem Ausmaß die Marketingqualität.836 Bonoma identifiziert vier Fähigkeiten, welche die Qualifikation des Marketing-Managers besonders prägen. Dies sind die
Interaktions-, die Allokations-, die Organisations- und die Überwachungsfähigkeit.
Unter der Interaktionsfähigkeit subsumiert Bonoma die Fähigkeit, das eigene Verhalten und
das von anderen Personen zu steuern. Im Marketing geht es primär darum, Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu beeinflussen. Firmenintern müssen Vorgesetzte,
Gleichgestellte und Untergebene in Bezug auf die Erreichung der eigenen Ziele beeinflusst
werden. Außerhalb des Unternehmens ist der Marketingmanager mit einer Vielzahl von
Dienstleistern – z.B. Werbeagenturen, Beratern, IT-Spezialisten – konfrontiert, wobei jeder
seine eigenen Ziele verfolgt und andere Prioritäten setzt. Wesentlich sind hierbei der Umgang mit anderen Personen und der Einsatz von Macht, Einfühlungsvermögen, Praxisbezogenheit und Eigeninitiative. Die Fähigkeit der Allokation betrifft die Verteilung von Zeit,
Menschen und finanziellen Mitteln auf die anfallenden Aufgaben hinsichtlich ihres erwarteten Potenzials bzw. Zielbeitrags. Mittels Überwachungsfähigkeiten kompensieren Manager
Mängel in betrieblichen Informations- und Kontrollsystemen, indem sie durch ihre Beobachtungsgabe in der Lage sind, die zur erfolgreichen Ausführung ihrer Aufgaben wesentli833
834
835
Seine Erkenntnisse werden u.a. auch in namhaften Marketinglehrbüchern (vgl. Kotler 2002, S. 683; Bagozzi et al.
2000, S. 1197) und Journal-Publikationen zur Marketing-Implementierung (Vgl. Cespedes/Piercy 1996, S. 150f.) zitiert. Während Bonoma noch teilweise Bezug auf verhaltenswissenschaftliche Grundlagen nimmt, ist dies bei den
Forschungsarbeiten anderer Autoren meist in geringerem Maß der Fall.
Bonoma verwendet im Originaltext den Begriff “Skills”, der sowohl als „Fertigkeit“, „Eignung“, „Geschicklichkeit“
als auch mit „Qualifikation“ übersetzt werden kann. Die Übersetzung als „Qualifikation“ erscheint vor dem Hintergrund der Definition dieses Begriffs hierbei am geeignetsten. Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Bonoma/Crittenden 1988, S. 7f.; Bonoma 1985, S. 34.
236
chen Informationen zu erfassen. Unter der Fähigkeit zur Organisation beschreibt Bonoma
schließlich die Fähigkeit zur Knüpfung informeller Netzwerke, so dass zur Lösung von
Problemen die Hilfe von internen oder externen Personen hinzugezogen wird.837
Im folgenden Kapitel wird anhand der Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis gezeigt,
dass im Hinblick auf eine erfolgreiche Implementierung des Kanals Internet insbesondere
die Interaktionsfähigkeit und die Organisationsfähigkeit von zentraler Bedeutung sind.
Bonoma identifiziert drei wesentliche Einflussfaktoren auf die Interaktionsfähigkeit. Dies
stellt erstens eine starke individuelle Motivation838 dar, zweitens das Interesse zur Analyse
menschlicher Verhaltensweisen innerhalb und außerhalb des Unternehmens und drittens das
Verständnis der sozialen Realität.
Wie bereits dargestellt, stellt die Motivation ein Zusammenspiel der Charakteristika einer
Person mit spezifischen Motiven einer Situation dar.839 Die Motivation begünstigende intrapersonale Faktoren betreffen insbesondere die Überzeugung, dass Eigeninitiative, Leistung
und Belohnung miteinander verbunden sind. Intern attribuierende Personen glauben, dass
sie ihr Schicksal selbst bestimmen können und selbst dafür verantwortlich sind. Extern
attribuierende Menschen hingegen sind der Meinung, dass Glück, Schicksal und andere
„äußere“ Steuerungsmechanismen ihr Leben in hohem Ausmaß beeinflussen, und dass sie
selbst einen geringen Einfluss darauf haben.840
Einen weiteren zentralen Einflussfaktor der Interaktionsfähigkeit stellt das Interesse zur Analyse menschlicher Verhaltensweisen dar. Manager müssen versuchen, die Implementierung des Kanals Internet aus dem Blickwinkel betroffener Organisations-mitglieder zu beurteilen und einschätzen, welche positiven und insbesondere negativen Erwartungen die
Betreffenden hegen.841 Zentral ist hierbei die Überzeugung, dass derjenige, der die Dynamik
der Antriebskräfte bei einem anderen Menschen versteht, diese zum beidseitigen persönlichen Nutzen, zu Gunsten des Unternehmens und insbesondere zur Bewältigung der gegebe836
837
838
839
840
841
Bonoma 1985, S. 114.
Bonoma 1985, S. 35ff., 117ff.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Böhnisch 1979, S. 121.
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Vgl. Kap. 2.2.2.1.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Böhnisch 1979, S. 121.
237
nen Aufgaben steuern kann. Laut Bonoma beobachten „[..] gute Praktiker das Verhalten ihrer Mitmenschen intensiv […]; sie sind immer neugierig auf die und interessiert an den
Verhaltensweisen anderer.“842 Dabei stellen sie insbesondere die folgenden drei Fragen über
das Verhalten und die Handelnden:843
1. Was wollen sie?
2. Wie sehen sie die Dinge?
3. Wie groß ist ihr Einfluss?
Der dritte Einflussfaktor auf die Interaktionsfähigkeit hängt eng mit dem Interesse an der
Analyse menschlicher Verhaltensweisen zusammen und stellt das Verständnis der sozialen
Realität bzw. das Wissen um die Beschaffenheit zwischenmenschlicher Beziehungen dar.
Hierbei betont Bonoma das Erkennen und Akzeptieren der Reziprozität sozialer Austauschprozesse. Interaktionsfähige Manager analysieren die Motive ihrer Mitmenschen und versuchen, für beide Interaktionspartner vorteilhafte Austauschprozesse herbeizuführen.844 Bonoma fasst dies zugespitzt folgendermaßen zusammen: „Diejenigen, die die Austauschtheorie
befürworteten und ihre eigenen Mitarbeiter und Kollegen wie ihre Kunden behandelten, waren erfolgreich. Diejenigen, die weder ihre Kunden noch ihre Kollegen verstanden, hatten
selbst bei der Durchführung der einfachsten Marketingaktionen große Probleme.“845
Belz/Senn betonen in diesem Zusammenhang die Rolle des Mitarbeiter-NutzenManagements. Sie verstehen darunter die aktive Gestaltung des Mitarbeiternutzens. Zwang
alleine ist demnach für eine erfolgreiche Implementierung nicht ausreichend. Vielmehr ist
es zielführend, betroffene Mitarbeiter auch zu motivieren.846 Eine wichtige Rolle kommt
neben der rationalen Nutzenvermittlung auch der emotionalen Führung bei der Implementierung zu, um die Akzeptanz betroffener Mitarbeiter zu gewinnen.847 „Emotionen steuern
unser Verhalten nachhaltig; deshalb gilt es, den ganzen Menschen in den Führungsprozess
842
843
844
845
846
847
Bonoma 1986, S. 190.
Bonoma 1986, S. 190.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Guth/MacMillan 1986, S. 325.
Bonoma 1986, S. 193.
Belz/Senn 1997, S. 49f.
Belz/Senn 1997, S. 48f.
238
einzubeziehen.“848 Goleman spricht in diesem Zusammenhang von emotionaler Intelligenz.849 Die zentralen Komponenten der emotionalen Intelligenz bestehen in der Fähigkeit
zur emotionalen Selbstwahrnehmung, dem Umgang und der Nutzung eigener Emotionen,
dem Deuten der Emotionen anderer (Empathie) sowie der Fähigkeit zum Umgang mit Beziehungen.850 Sashittal/Wilemon betonen, dass erfolgreich implementierende Manager die
Fähigkeit besitzen müssen, anderen zuzuhören und eine unterstützende Haltung gegenüber
Teammitgliedern einzunehmen.851
Unter der Organisationsfähigkeit subsumiert Bonoma die Fähigkeit, informelle Netzwerke
zu knüpfen und diese im Hinblick auf die eigenen Zielsetzungen zu nutzen, indem gezielt
Informationen von Personen des Netzwerks ermittelt werden.852 Zentral ist es hierbei, dass
die Netzwerke einerseits immer der spezifischen Aufgabe gemäß angepasst und umgebildet
werden. Andererseits beruht der Informationsaustausch in einem funktionierenden Netzwerk auf dem Prinzip der Reziprozität einer auf Austausch orientierten Beziehung, also dem
Prinzip von Leistung und Gegenleistung.853 Sashittal/Wilemon ergänzen dies dadurch, dass
durch informellen Informationsaustausch eine Kultur geschaffen werden soll, die sich durch
Klarheit, Kreativität, Initiative und Fehlertoleranz auszeichnet.854
Sahittal/Wilemon streichen außerdem die Bedeutung der Fähigkeit zu strategischem Denken
heraus.855 Belz/Senn sprechen darüber hinaus von der Fähigkeit zur agilen Marketingrealisierung. Verantwortliche sollten nicht die Perfektion von Konzepten anstreben, sondern
ausgehend von einem (notwendigerweise) unvollständigen Konzept und Implementierungslücken sowohl Anpassungen im Konzept als auch in der Realisierung vornehmen, wenn dies
aufgrund veränderter Markt- und Umfelddynamik erforderlich ist.856
848
849
850
851
852
853
854
855
856
Belz/Senn 1997, S. 52.
Goleman 1996.
Belz/Senn 1997, S. 53.
Sashittal/Wilemon 1996, S. 14.
Vgl. a. Sashittal/Wilemon 1996, S. 14.
Bonoma 1986, S. 223ff.
Sashittal/Wilemon 1996, S. 14.
Sashittal/Wilemon 1996, S. 14.
Belz/Senn 1997, S. 42ff.; Sashittal/Wilemon 1996, S. 14
239
4.7.2. Anforderungen an den verantwortlichen E-Business-Manager
Wie gezeigt wurde, sind sowohl der „neue“ Kanal Internet – im Hinblick auf beide bereits
verwirklichten Typen des Kommunikationskanals sowie des Absatzkanals – als auch das EBusiness als Funktionalbereich in der Regel noch nicht vollständig etabliert:857
—
„Wir müssen immer noch überzeugen, die Akzeptanz ist noch nicht vollständig vorhanden.“858
Vielmehr stellt es den Regelfall dar, dass bei beiden genannten Typen noch vielfältige verhaltensbezogene und strukturelle Implementierungslücken und –barrieren existieren. Die
Akzeptanzbarrieren sind tendenziell beim Kommunikationskanaltyp höher, weil mit dem
Kanal noch vielfach der Makel der „Geldverschwendung“ assoziiert wird. Das ist dadurch
zu begründen, dass zwar die Kosten eindeutig bestimmbar sind, jedoch der (monetäre) Nutzen vielfach nur ansatzweise belegt werden kann.
Den Expertengesprächen war zu entnehmen, dass ein E-Business-Manager kein (reiner) ITSpezialist sein sollte. Er sollte vielmehr eine betriebswirtschaftliche Ausbildung vorweisen,
bei gleichzeitig überdurchschnittlicher Affinität zur Informatik auf Basis eines grundlegenden Informatik-Fachwissens.859 Die im Rahmen der Forschungsarbeit geführten Expertengespräche stellen auf Basis der Ausführungen des Kapitels 4.7.1. dar, welche Fähigkeiten
und Verhaltensweisen E-Business-Manager als wichtig erachten, um die Implementierung
des Kanals erfolgreich voranzutreiben. Die dabei ermittelten Fähigkeiten lassen sich der von
Bonoma identifizierten Interaktionsfähigkeit und der Organisationsfähigkeit zuordnen.860
857
858
859
860
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Vgl. Kap. 4.6.4.1.
240
Interaktionsfähigkeit
Eine zentrale Fähigkeit besteht darin, „Marketing für sich und seine Arbeit machen zu können.“861 Dies unterstreicht die Wichtigkeit der internen Kommunikation und Überzeugung
von der Arbeit und den Ergebnissen der E-Business-Abteilung. Als erstes Ziel ist somit
festzuhalten, dass mittels kommunikativer Aktivitäten einerseits der interne Bekanntheitsgrad des Kanals Internet und der darauf enthaltenen vielfältigen Applikationen zu erhöhen
ist.862 Andererseits ist die Bildung interner Akzeptanz zu unterstützen:
—
„Wichtig ist, dass man eine interne Lobby hat [..] Sonst hat man keine Chance.“863
Die Erfolge sind sowohl im gesamten Unternehmen als auch insbesondere gegenüber Vorgesetzten zu kommunizieren.864 Von besonderer Bedeutung ist es natürlich, dass man bei
der Geschäftsleitung regelmäßig präsentiert, und somit „[..] bei den richtigen Personen die
richtigen Nachrichten deponiert [..]“865, insbesondere natürlich bei den Führungskräften,
welche Budgets verantworten.866 Dies stellt die Basis für Akzeptanz und die Beibehaltung
bzw. Erhöhung des Gestaltungsspielraums im E-Business dar.
Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Kommunikation von Erfolg in Form geeigneter
Kennzahlen, um sich einen Spielraum für zukünftige Aktivitäten zu verschaffen: „[..] es
zählen nicht Erlebnisse, sondern Ergebnisse [..] Nur wenn die Ergebnisse stimmen, gibt es
Weiterentwicklung.“867 Die argumentative Vermittlung des Nutzens des Kanals Internet ist
von zentraler Bedeutung, nicht nur für den Kunden, sondern insbesondere für das Unternehmen bzw. für betroffene Abteilungen.868
861
862
863
864
865
866
867
868
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Rapaic-Buncic, Expertengespräch Orange Communications SA.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
241
Hierbei wird die zentrale Rolle der Fähigkeit der Überzeugungskraft und kommunikativer
Fähigkeiten deutlich.869 „Wenn man den Kanal Internet erfolgreich betreiben möchte, besteht ein großer Teil der Arbeit aus Überzeugungsarbeit.“870 Um zu überzeugen, ist Glaubwürdigkeit von besonderer Bedeutung.871 Hierbei spielt auch die Fähigkeit, sich auf unterschiedlichen Führungsebenen gewandt bewegen zu können, eine zentrale Rolle.872
Weiterhin wird betont, dass auch die Vermittlung von Emotionen bei der Implementierung
eine wichtige Rolle spielt873: „Wir leben Internet. Das spürt man. Das spüren auch die Menschen. […] Und da steckt unser Herzblut drin. […] Man muss versuchen, die Leute zu motivieren, und ihnen Freude daran zu vermitteln.“874
Des Weiteren müssen E-Business-Verantwortliche Beratungskompetenz aufweisen, um die
Mitarbeiter anderer Funktionalbereiche dabei kompetent zu beraten, wenn diese das Internet
für ihre Zwecke nutzen wollen, z.B. für Online-Kommunikationsmaßnahmen.875 Beratungskompetenz und Überzeugungskraft sind auch dann gefordert, wenn die zentrale E-BusinessAbteilung in Großkonzernen die E-Business-Abteilungen von Ländergesellschaften überzeugen muss, dass wesentliche Aufgabenbereiche – z.B. die Entwicklung neuer E-ServicesApplikationen – zentral gesteuert wird.876
Eine zentrale Rolle spielt auch die Zusammenarbeit mit denjenigen Personen aus der ITAbteilung, die für die technische Umsetzung des Kanals Internet verantwortlich sind sowie
mit externen Dienstleistern. Es ist wichtig, Spezialisten zum richtigen Zeitpunkt mit einzubeziehen, insbesondere (externe) IT-Spezialisten, die das erforderliche Fachwissen aufweisen.877
869
870
871
872
873
874
875
876
877
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; van Rijn, Expertengespräch Microsoft GmbH; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Niederhauser, Expertengespräch
SBB AG; Taglinger, Expertengespräch Microsoft EMEA (1).
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Vgl. hierzu auch Belz/Senn 1997, S. 52ff.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
Warren/Booth, Expertengespräch Hilti AG; Druzovic, Expertengespräch Daimler-Chrysler AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
242
E-Business-Manager müssen die ökonomischen Zielsetzungen und Anforderungen so “übersetzen”, dass Organisationsmitglieder der IT-Abteilung sie verstehen.878 Wichtig ist somit die Fähigkeit, sich mit IT-Spezialisten zielgerichtet zu verständigen:
—
—
—
„Die Schnittstelle mit der IT ist ein zentraler Punkt“879
„Man muss die Business Requirements so dokumentieren, dass die IT versteht, was man
möchte.“880
„We have a close relationship with technical people, very close.”881
Zentrale Implikationen im Hinblick auf erforderliche Fähigkeiten des E-Business-Managers
birgt auch seine Schnittstellenfunktion zu nicht-technischen Funktionalbereichen, z.B. zu
Kunden- und Produktverantwortlichen.882
Hierbei ist die Fähigkeit zur Analyse der Verhaltensweisen und der Zielsetzungen anderer
Organisationsteilnehmer gefordert. E-Business-Manager müssen sich in betroffene Fachbereiche hineinversetzen können bzw. ihre Bedürfnisse identifizieren um letztlich ihre Wünsche zu berücksichtigen. Hierzu werden Betroffene in die Planung involviert („Betroffene
zu Beteiligten machen“).883 Dies geschieht beispielsweise mittels bestimmter „Rituale“, wie
einem gemeinsamen Projekt-Kick-Off, regelmäßigen Meetings, internen Vorträgen etc.884
Den optimalen Fall stellt es dar, wenn man die Interessen anderer Organisationsmitglieder
aufgreift und so in seine eigene Konzeption mit einbaut, dass ein Nutzen bzw. Anreiz für
die anderen Fachabteilungen entsteht, den Kanal Internet zur Erreichung ihrer eigenen Ziel-
878
879
880
881
882
883
884
Booth, Expertengespräch Hilti AG; Scheuch, Expertengespräch Helsana AG; Memper-Schmid, Expertengespräch
Swiss Life AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Booth, Expertengespräch Hilti AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Warren/Booth, Expertengespräch Hilti AG; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG; Haldimann, Expertengespräch Swiss International Airlines Ltd.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG; Scheuch, Expertengespräch Helsana AG; Memper-Schmid, Expertengespräch Swiss Life AG.
Schmitter, Expertengespräch Swisscom Fixnet AG.
243
setzungen zu nutzen, und somit eine klassische „Win-Win-Situation“ entsteht.885 Wenn dies
nicht möglich ist, muss man versuchen, zu erwartende Widerstände bei den betroffenen
Fachabteilungen – z.B wenn sich die Kostenstruktur im Customer Service aufgrund der abnehmenden Bestellungen per Telefon verschlechtert – zu antizipieren und negative Folgen
zu vermeiden bzw. zu mindern.886 Bei nicht zu lösenden Konflikten sind geeignete Eskalationsprozesse zu höheren Führungsebenen zu nutzen.887
Organisationsfähigkeit
Es ist für E-Business-Manager zentral, informelle Kontakte mit anderen Abteilungen zu
pflegen und sich mittels gezieltem Networking eine Akzeptanzbasis zu schaffen und zu sichern. Man zeigt dadurch Präsenz, kann andere Organisationsteilnehmer bereits vorab in die
Konzeption involvieren und vermittelt letztlich damit auch Wissen über Aktivitäten und Erfolge im E-Business an andere Organisationsteilnehmer.888
Weitere Fähigkeiten
Weitere wichtige Fähigkeiten betreffen die Fähigkeit zum strategischen Denken.889 Man
muss in der Lage sein, die geplante Entwicklung für die nächsten Jahre aufzuzeigen, sowohl
in Bezug auf den Ausbau der E-Services für den Kunden, als auch hinsichtlich der erforderlichen IT-Systeme im Back-End, und dies überzeugend vermitteln zu können:890
—
„Es geht somit darum, Visionäres zu erkennen, zu verkaufen und in einer politischen
Entscheidung durchbringen zu können.“891
Außerdem sind organisatorische Fähigkeiten, eine hinreichende praktische Erfahrung
(„Training-on-the-Job“) und Offenheit für Neues sowie eine gewisse Risikobereitschaft ge-
885
886
887
888
889
890
891
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen; Niederhauser, Expertengespräch SBB AG.
Vgl. hierzu auch die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel 4.6.4.1.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
244
fragt.892 Mut zum Risiko ist deshalb erforderlich, da vielfach kaum Erfahrungen hinsichtlich
des Erfolgs von (aus Unternehmenssicht) neuartigen E-Services vorhanden sind.893 Dies ist
beispielsweise beim Themenfeld des „Mobile Commerce“ der Fall:
—
—
„Es ist unsicher, ob es [Mobile Commerce; Anm. d. Verf.] jemals ein signifikanter Verkaufskanal werden wird. Hier muss man als Fachbereichsverantwortlicher entscheiden,
ob man das Geld dafür ausgibt. Dafür muss man sich rechtfertigen, wenn es schief
läuft.“894
„Man weiß heutzutage vielfach nicht, wie man es machen sollte, sondern nur, wie man
es nicht machen sollte.“895
Zentral ist dabei auch die Fähigkeit, Neues intern auch gegen Widerstände durchzusetzen
und den Mut aufzubringen, Investitionen in zukünftige E-Services und in notwendig erachtete IT-Infrastrukturen zu tätigen. Hierbei ist die Bereitschaft wichtig, aus Fehlern lernen zu
wollen und zu können.896 Aufgrund der mangelnden Erfahrungen mit neuen Services im EBusiness bleibt dem E-Business-Manager häufig nur die Möglichkeit, mittels der Methode
eines Versuch-Irrtums-Problemlösungsprozesses vorzugehen.897 Hierbei ist zu beachten,
dass die „Schritte nicht zu groß sein dürfen, damit man keinen zu großen Fehler macht.“898
Diese Ausführungen belegen, dass die Implementierung von E-Business-Initiativen von erfahrenen Managern durchgeführt werden sollte, die auf breiter Ebene respektiert werden. Ihre Erfahrung und Akzeptanz im Unternehmen sollten sie in die Lage versetzen, mikropolitische Maßnahmen zu ergreifen, um auch auf diesem Weg die Akzeptanz des E-Business im
Unternehmen zu sichern und verhaltensbedingte Widerstände abzubauen.899
892
893
894
895
896
897
898
899
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG; Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Groenen, Expertengespräch Quelle AG.
Louis, Expertengespräch Crédit Suisse AG; Erfert, Expertengespräch Deutsche Lufthansa AG.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Vgl. Staehle 1999, S. 523.
Campell, Expertengespräch Winterthur Versicherungen.
Podgainy 2001, S. 32.
245
5. Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf
5.1. Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wird aufgezeigt, dass das Potenzial des Kanals Internet in den
meisten Unternehmen bislang nur unzureichend genutzt wird und daher der Erfolg des Kanals Internet hinter dem möglichen Erfolgspotenzial zurückbleibt. Wenn Unternehmen den
Kanal Internet erfolgreich(er) einsetzen möchten, dann müssen sie sich insbesondere mit
den Erfolgsbarrieren und den sie häufig verursachenden Implementierungslücken und Implementierungsbarrieren im eigenen Unternehmen auseinandersetzen. Sie verhindern, dass
Unternehmen ihren Internetkanal effektiver und effizienter in der Kundenkontaktsituation
einsetzen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, Unternehmen aufzuzeigen, welche
Implementierungslücken und –barrieren typischerweise in ihrer jeweiligen Unternehmenssituation auftreten und wie sie damit umgehen können, um den Kanal Internet erfolgreicher
einzusetzen.
Hierfür werden zunächst theoretisch-konzeptionelle Grundlagen der Nutzung des Internet in
Unternehmen und des Implementierungsmanagements erarbeitet (Kapitel 2). Diese münden
im darauf folgenden dritten Kapitel in ein provisorisches Framework der Implementierung
des Kanals Internet. Dieses dient der empirischen Untersuchung als Grobkonzept. Die empirische Untersuchung bringt drei Internetkanaltypen hervor. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der bereits realisierten Implementierungsstufe bzw. des implementierten Funktionsumfangs des Kanals Internet, der typenspezifisch relativ ähnlichen Implementierungslücken
und –barrieren sowie der herangezogenen Implementierungsmaßnahmen.
Mit zunehmender Implementierungsstufe und damit auch zunehmendem Funktionsumfang
steigen die Anforderungen an das Management der Implementierung des Kanals Internet
aufgrund einer zunehmend weitreichenden Integration in bestehende Wertschöpfungsprozesse der Funktionalbereiche Marketingkommunikation, Kunden-kontaktmanagement bzw.
Customer Service, Vertriebsmanagement und (Multi-) Cannel-Management.
Die untersuchten Unternehmen haben weitgehend erkannt, dass nur der Kern der Implementierung des Kanals Internet technische Aspekte betrifft. Neben weiteren strukturellen Aspekten kommt insbesondere auch verhaltensbezogenen Implementierungsdimensionen und -
246
aspekten eine zentrale Rolle zu. Erstere zielen auf eine gezielte Verbesserung der organisationalen Rahmenbedingungen, um den Kanal Internet erfolgreich zu managen. Letztere zielen auf Aspekte des Individualverhaltens anderer Organisationsmitglieder – insbesondere
auf Implementierungswiderstände – und ihre gezielte Beeinflussung. Ziel ist es, die interne
Akzeptanz des Kanals Internet zu erhöhen, um damit bessere Ausgangsbedingungen zur erfolgreichen Nutzung des Kanals Internet einerseits sowie für weitere Optimierungsmaßnahmen bzw. Implementierungsschritte andererseits zu schaffen.
Bislang fehlt Unternehmen jedoch noch ein Werkzeug, das es ihnen einerseits ermöglicht,
systematisch ihre Situation zu analysieren und dabei zentrale Erfolgsbarrieren zu erkennen
sowie ihre Ursachen zu analysieren. Diese Lücke füllt das in der vorliegenden Arbeit entwickelte Analyseframework, das eine holistische Analyse der im Rahmen der Implementierung des Kanals Internet relevanten Implementierungsdimensionen und –faktoren ermöglicht (Kapitel 4). Hierfür wird ein allgemeines Vorgehen der Analyse erarbeitet, mittels dem
Unternehmen Implementierungsbarrieren und –lücken innerhalb der einzelnen Implementierungsdimensionen aufdecken können. Im Folgenden werden sowohl konkrete typenspezifische Handlungsempfehlungen herausgearbeitet, als auch generelle Handlungsempfehlungen
gegeben und deren typenspezifische Anwendung verdeutlicht.
Eine zentrale Rolle beim Management der Implementierung des Kanals Internet kommt
dem Verhalten und den Fähigkeiten des verantwortlichen E-Business-Managers zu. Hiervon
ist es in hohem Maß abhängig, ob strukturelle und verhaltensbezogene Implementierungslücken und –barrieren geschlossen bzw. überwunden werden können. Auf Basis von verhaltenswissenschaftlichen Grundlagen, Erkenntnissen der Marketing- und Strategieimplementierung und der Aussagen der befragten E-Business-Experten werden zentrale, den Implementierungserfolg beeinflussende Fähigkeiten identifiziert und als Anforderungen an den
verantwortlichen E-Business-Manager konkretisiert.
247
5.2. Kritische Würdigung des Frameworks und weiterer Forschungsbedarf
Die vorliegende Arbeit liefert eine erste Untersuchung zum Management der Implementierung des Kanals Internet. Zunächst werden im Rahmen der explorativen Analyse drei Internetkanaltypen identifiziert und detailliert in Bezug auf diejenigen Implementierungslücken
und –barrieren beschrieben, die sich negativ auf die Implementierung des Kanals Internet
auswirken. Im Weiteren werden konkrete Implementierungsmaßnahmen beschrieben, ein
allgemeines Framework zur Analyse der Implementierung des Kanals Internet entworfen,
sowie ein Prozessablauf zum Vorgehen bei der Analyse entwickelt.
Die folgenden Abschnitte zeigen Ansatzpunkte für weiteren Forschungsbedarf auf. Diese
Aspekte können Gegenstand zukünftiger Forschungsprojekte sein. Sie können zum Erkenntnisfortschritt zu einem bislang noch wenig behandelten Thema beitragen. Zunächst
werden Aspekte angesprochen, die das Framework und das Vorgehen bei der Analyse im
Allgemeinen betreffen. Danach wird auf den weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich einzelner Teile des Frameworks eingegangen.
Framework der Implementierung und Vorgehensweise bei der Analyse der Implementierung
im Allgemeinen
Das Framework liefert auf Basis der Analyse der Experteninterviews ein ganzheitlichholistisches und umfassendes Analyseraster der Implementierung des Kanals Internet. Es
leistet einerseits einen Überblick über diejenigen strukturellen und verhaltensbezogenen
Faktoren, die einen Einfluss auf die Implementierung des Kanals Internet ausüben. Es ist
somit als Totalmodell der Implementierung zu verstehen.900 Schließlich ermöglicht es tiefergehende Einblicke in die einzelnen Implementierungsfaktoren, und die Analyse von Implementierungslücken und -barrieren.901
Dieses Framework wird durch ein Ablaufschema zur Analyse der Implementierung ergänzt.
In deren Kern steht die Erforschung der Ursachen von Erfolgsbarrieren, Implementierungs-
900
901
Vgl. Kap. 2.2.2.
Vgl. Kap. 4.5.
248
lücken und –barrieren. Diese Analyse bildet die Basis zur Ableitung geeigneter Maßnahmen.
Weitergehende Forschungsbemühungen sind insbesondere hinsichtlich der folgenden Aspekte erforderlich:
⎯
Überprüfung des Frameworks: Das Framework und die zugrundegelegten Zusammenhänge konnten nicht in der Praxis überprüft werden. Eine Überprüfung könnte ggfs.
Modifikationen, Erweiterungen und vertiefende Aspekte zutage fördern.
⎯
Ergänzung um prozessbezogene Aspekte: Das Framework stellt einen statischen Totalansatz der Implementierung des Kanals Internet dar. Zwar wird das Implementierungsframework durch die Erarbeitung eines grundsätzlichen Vorgehens bei der Analyse der
Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren ergänzt. Prozessbezogene
Aspekte werden im Framework selbst jedoch nicht berücksichtigt. Somit könnte es
Gegenstand weiterer Forschung sein zu untersuchen, ob und wie prozessbezogene Aspekte im Framework berücksichtigt und integriert werden können.
Typologie/situative Differenzierung
Die Typenbildung setzt an unterschiedlichen Implementierungsstufen bzw. den primär genutzten Funktionen des Internetkanals an. Dieser Ansatz ist auch im Nachhinein als geeignet zu bezeichnen, da somit grundsätzliche Anforderungen an alle Unternehmen, welche einen bestimmten Internetkanaltypus verwirklichen, gestellt werden können. Diese Anforderungen werden mit der tatsächlichen Realisierung in Unternehmen verglichen. Dabei können in den untersuchten Unternehmen typenspezifisch ähnliche Erfolgsbarrieren, Implementierungslücken und –barrieren festgestellt werden.
Es könnte ggfs. einen fruchtbaren Ansatz darstellen zu erforschen, ob weitere situative Differenzierungen innerhalb der jeweiligen Internetkanaltypen eine noch besser passende Charakterisierung der Implementierungssituation und der zu ergreifenden Maßnahmen ermöglichen würden.
249
Überprüfung der Implementierungsfaktoren auf Vollständigkeit und Relevanz
Da zu Beginn des Forschungsprozesses nur sehr vage Vorstellungen über die konkreten Einflussfaktoren auf die Implementierung des Kanals Internet und damit auch auf den Erfolg
bzw. Misserfolg des Kanals vorherrschten, werden diese Faktoren explorativ ermittelt. Eine
Überprüfung des Frameworks sowie des Analyseprozesses kann im Rahmen der Arbeit
nicht geleistet werden. Um die Relevanz der einzelnen Implementierungsfaktoren der jeweiligen Typen zu überprüfen, wäre eine quantitative Untersuchung geeignet. Dabei wäre zu
ermitteln, in welchem Ausmaß strukturelle und verhaltensbezogene Implementierungsfaktoren den Erfolg des Kanals Internet beeinflussen. Außerdem könnten hiermit weitergehende
Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen strukturellen und verhaltensbezogenen
Implementierungsfaktoren gewonnen werden.
Implementierungsmaßnahmen
Die Anforderung, einen mit „Werkzeugen gefüllten strukturierten Werkzeugkasten mit
Handlungsempfehlungen“902 zur Implementierung des Kanals Internet zu liefern, kann nur
teilweise umgesetzt werden. Im dritten Kapitel werden auf Basis der Expertenaussagen
konkrete Maßnahmen zur Implementierung des Kommunikationskanaltyps und des Absatzkanaltyps dargestellt. Zur Implementierung des CRM-Kanaltyps kann bislang allerdings
kaum auf Erfahrungen aus der Praxis zurückgegriffen werden; somit können hier nur rudimentäre Aspekte wiedergegeben werden. In diesem Zusammenhang wäre es hilfreich weiter
zu erforschen, welche Wechselwirkungen mit der Implementierung des CRM im Allgemeinen vorherrschen, und mit welchen Implikationen dies für die Implementierung des CRMKanals Internet verbunden ist.
Im vierten Kapitel wird der Versuch unternommen, die bestehenden Lösungsansätze zu systematisieren und zu abstrahieren. Ziel ist es, generalisierbare Handlungsanleitungen zu erarbeiten, sowie typenspezifische Besonderheiten darzustellen – beschränkt auf den Kommunikationskanal- und den Absatzkanaltyp. Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich somit insbesondere in Bezug auf die Überprüfung der Eignung der Maßnahmen, und einer gegebenenfalls notwendigen Erweiterung und Vertiefung.
902
Vgl. Backhaus 1997, S. 729; vgl. a. Kap. 1.4.
250
Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich aufgrund der weiter zu untersuchenden Wechselwirkungen zwischen strukturellen und verhaltensbezogenen Implementierungsmaßnahmen.
Zwar kann ermittelt werden, dass verhaltensbezogene Implementierungsmaßnahmen – und
hierbei insbesondere Maßnahmen zur Einflussnahme auf Vorgesetzte bzw. das TopManagement – oftmals eine wesentliche Grundlage für die Schließung struktureller Implementierungslücken und Überwindung struktureller Implementierungsbarrieren darstellen.
Weitergehende Erkenntnisse können jedoch nicht gewonnen werden. Es könnte somit hilfreich sein, tiefergehender zu ermitteln, welche Maßnahmen in welcher bestimmten Reihenfolge zu ergreifen sind, und in welchem Wechselspiel hierbei strukturelle und verhaltensbezogene Maßnahmen stehen.
Fähigkeiten des verantwortlichen E-Business-Managers, Einfluß von Teammitgliedern
Die im Rahmen der Implementierung des Kanals Internet als zentral identifizierten Interaktions- und Organisationsfähigkeiten des verantwortlichen E-Business-Managers und ihre
jeweiligen Teilaspekte sollten auf Vollständigkeit und Relevanz überprüft werden. Es können keine Hinweise dafür gegeben werden, mittels welchen konkreten Maßnahmen der verantwortliche E-Business-Manager seine Interaktions- und Organisationsfähigkeiten aufbzw. ausbauen kann. Außerdem können keine Hinweise darauf gegeben werden, welchen
Einfluss andere Mitglieder des E-Business-Teams auf die Schließung von Implementierungslücken und Überwindung von Implementierungsbarrieren haben.
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tml.
289
Anhang A: Verzeichnis der Expertengespräche
Crédit Suisse Group
Name/Funktion:
René Louis (Head Internet Banking Services)
Ort/Zeit:
CH – Horgen, 12.08.2004, 14:15 – 16.00 Uhr
Daimler-Chrysler AG
Name/Funktion:
Igor Druzovic (Manager Digital Sales)
Ort/Zeit:
DE – Stuttgart, 03.05.2004, 10:00 – 11.55 Uhr
Deutsche Lufthansa AG
Name/Funktion:
Michael Erfert (Leiter CRM)
Name/Funktion:
Petra Bretthauer (Leiterin E-Commerce und Direktvertrieb)
Name/Funktion:
Sylvia Apfel (Teamleiterin Weiterentwicklung CRM-Strategie &
Kundenprozesse)
Ort/Zeit:
DE – Frankfurt/Main, 19.07.2004, 14:00 – 16.00 Uhr
Helsana Versicherung AG
Name/Funktion:
Karin Scheuch (Fachspezialistin Online-Medien)
Name/Funktion:
Hugo Vuyk (Online-Redaktor)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 13.05.2004, 13:50 – 15.35 Uhr
290
Hilti AG
Name/Funktion:
David Warren (Senior Marketing Manager Global E-Business)
Name/Funktion:
Andrew Booth (Global eCRM Manager)
Ort/Zeit:
CH – Buchs, 02.12.2003, 14:00-16:00 Uhr
McKinsey & Company
Name/Funktion:
Manuel Ebner (Principal)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 20.08.2003, 9:00 – 10.30 Uhr
Microsoft EMEA
Name/Funktion:
Harald Taglinger (Lead Marketing Communication Migration –
Marketing Systems)
Ort/Zeit:
CH – Wallisellen, 13.11.2003; 13:00 – 15.00 Uhr
Ort/Zeit:
CH – Wallisellen, 15.03.2004; 9:00 – 11.00 Uhr
Microsoft Schweiz GmbH
Name/Funktion:
Milko van Rijn (eCRM-Manager)
Ort/Zeit:
CH – Wallisellen, 04.08.2003, 9:00 – 10.30 Uhr
Neue Zürcher Zeitung AG (NZZ AG)
Name/Funktion:
Martin Breitenstein (Redaktionsleiter NZZ Online)
Ort/Zeit:
CH – St. Gallen, 10.06.2004, 9:30 – 11.10h
291
Orange Communications SA
Name/Funktion:
Marjana Rapaic-Buncic (Leiterin E-Business)
Ort/Zeit:
CH – Lausanne, 15.06.2004, 15:00 – 16.00 Uhr
zusätzliches Telefoninterview: 21.07.2004, 14:00-15:00 Uhr
Pidas AG
Name/Funktion:
Tom Buser (Geschäftsleiter)
Name/Funktion:
Beat Welte (Leiter Business Development)
Ort/Zeit:
CH – Basel, 04.08.2003, 14:00 – 15.30 Uhr
Quelle AG
Name/Funktion:
Tobias Groenen (Leiter E-Business)
Ort/Zeit:
DE – Fürth, 07.06.2004, 16:20 – 18.10 Uhr
SBB AG
Name/Funktion:
Romy Bohnenblust (Leiterin Relationship Marketing / Division
Personenverkehr Fernverkehr)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 25.07.2003, 9:00 – 10.30 Uhr
Name/Funktion:
Marcel Niederhauser (E-Business-Manager)
Ort/Zeit:
CH – Bern, 11.05.2004, 15:30 – 17.15 Uhr
292
Sixt AG
Name/Funktion:
Michael Schwarz (Head of Quality Operations)
Ort/Zeit:
DE – München, 08.08.2003, 10:00 – 11.40 Uhr
Swiss International Airlines Ltd.
Name/Funktion:
Urs Haldimann (General Manager Direct Sales Marketing)
Name/Funktion:
Joanna Berutto (Manager Direct Sales and Website Marketing)
Ort/Zeit:
CH – Zürich/Kloten, 22.06.2004, 9:00 – 11.10 Uhr
Swiss Life AG
Name/Funktion:
Martin Bieri (Manager Online Center)
Name/Funktion:
Daniel Memper-Schmid (Internet Manager Marketing Schweiz)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 27.05.2004, 15:30 – 17.20 Uhr
Swisscom Fixnet AG
Name/Funktion:
Josef Müller (Head of Customer Care)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 09.12.2003, 13:30 – 15.00 Uhr
Name/Funktion:
Patrick Schmitter (Head of E-Business)
Ort/Zeit:
CH – Bern, 13.04.2004, 15:30 – 17.00 Uhr
293
Swisscom IT-Services
Name/Funktion:
Rolf Amann (Leiter IT-Services)
Ort/Zeit:
CH – Bern, 12.08.2003, 16:00 – 17.00 Uhr
Swisscom Mobile AG
Name/Funktion:
Florence Deluy (Abteilungsleiterin CRM)
Name/Funktion:
Daniel Amstutz (Manager CRM)
Ort/Zeit:
CH – Bern, 12.08.2003, 13.00 – ca. 14.30 Uhr
Winterthur Versicherungen
Name/Funktion:
Duri Campell (Leiter E-Insurance Schweiz)
Name/Funktion:
Dieter Kuhn (Leiter Marketing Market-Unit Schweiz)
Ort/Zeit:
CH – Winterthur, 07.05.2004, 14:50 – 16.50 Uhr
Zürich Continental Europe AG
Name/Funktion:
Marianne Berger (Strategy Assistant to the CEO)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 20.08.2003, 13:30 – 14.15 Uhr
Zürich Schweiz AG
Name/Funktion:
Manuela Wanzek (Specialist CRM)
Name/Funktion:
Vito Treccarichi (Projektleiter/Business Consultant)
Ort/Zeit:
CH – Zürich, 20.08.2003, 13:30 – 14.45 Uhr
294
Anhang B: Gesprächsleitfaden
Expertengespräche Phase 1 (25.07.2003 – 07.12.2003)
Management der Implementierung des Internet
als Kontaktkanal im Kundenmanagement Barrieren und Gestaltungsempfehlungen
Interviewleitfaden
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 1
Fragenkreise und Leitfragen (II)
Fragenkreis
Nutzung
des Internet als
Interaktionskanal
Leitfragen
• Welche Bedeutung bzw. Rolle hat der Interaktionskanal Internet?
• Welche E-Services werden über die Web-Site erbracht?
• (Wie) Ist das Internet in das Marketing bzw.
Kundenmanagement/CRM Ihres Unternehmens integriert?
• Welche konkreten Ziele werden mit dem Einsatz des Internet/der
Web-Site verfolgt?
• Welche Zielgruppen nutzen die Web-Site bzw. sollen die Web-Site
nutzen? (Wie) Wird deren Aufmerksamkeit und Interesse geweckt?
• Ist es für Ihr Unternehmen sinnvoll, personalisierte E-Services
(CRM-Services) über das Internet/die Web-Site Ihres
Unternehmens zu erbringen? Wie schätzen Sie das
Personalisierungspotenzial in Ihrem Unternehmen ein?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 2
295
Fragenkreise und Leitfragen (III)
Fragenkreis
Leitfragen
• Welche Personen und Abteilung(en) sind an der Planung und
Implementierung des Kontaktkanals Internet und der Web-Site
Implementierung:
beteiligt?
Vorgehen und
• Wie beschreiben Sie Ihre persönliche Rolle im
kritische ImplemenImplementierungsprozess?
tierungsbarrieren • Wie sind Sie bei der Implementierung des Kontaktkanals Internet
vorgegangen?
• Welche Implementierungsschritte konnten bislang verwirklicht
werden? Welche stehen noch aus?
• Welche Aspekte der Implementierung bzw. Integration des
Kontaktkanals Internet im Marketing sind aus Ihrer Sicht
besonders kritisch? Wo traten Barrieren auf bzw. wo erwarten Sie
Barrieren?
• Wie gehen Sie mit Implementierungsbarrieren um? Welche
persönlichen Fähigkeiten sind gefordert?
• Welche konkreten Massnahmen sind erforderlich, um die
Implementierung bzw. Integration des Kontaktkanals Internet im
Marketing weiter voranzutreiben?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 3
Fragenkreise und Leitfragen (IV)
Fragenkreis
Leitfragen
Welche strukturellen Aspekte der Implementierung sind
zentral?
Implementierung:
Strukturelle Aspekte • Aufbauorganisation
•
•
•
•
Budgetzuteilung/-verteilung
Anreizsysteme
Prozessmanagement/Ablauforganisation
Technologie
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 4
296
Fragenkreise und Leitfragen (V)
Fragenkreis
Leitfragen
• Welches strukturellen Aspekte der Implementierung sind
zentral?
Implementierung:
• Informationsmanagement
Strukturelle Aspekte
– Identifikation von Kunden
– Differenzierung der Kunden (Bedürfnisse,
Kundenpotenzial)
– Interaktion mit Kunden
• Effektivität: Kundennutzen durch E-Services;
Unternehmensnutzen durch Verfügbarkeit von
umfassenden und aktuellen Informationen über
Kunden
• Effizienz: Steuerung von Kundeninteraktionen hin zu
automatisierten und kostengünstigen Kanälen
– Individualisierung von Informationen und Services
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 5
Fragenkreise und Leitfragen (VI)
Fragenkreis
Leitfragen
• Welche verhaltensbezogenen Aspekte der Implementierung
sind in Ihrem Unternehmen zentral?
Implementierung:
Verhaltensbezogene • Individuelle Fähigkeiten als Planer/Implementierer
• Individuelle Fähigkeiten und Motivation der Anwender
Aspekte
• Unternehmenskultur, Rolle des Top-Management
• Funktionsübergreifende Zusammenarbeit
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 6
297
Fragenkreise und Leitfragen (VII)
Fragenkreis
Implementierung:
Markt und Umfeld
Leitfragen
Welche Markt- und Umfeldaspekte stellen wesentliche Treiber
bzw. Barrieren bei der Implementierung des Internet bzw. der
Web-Site als Kontaktkanal dar?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Seite 7
298
Anhang C: Gesprächsleitfaden
Expertengespräche Phase 2 (13.04.2004 – 12.08.2004)
Management der Implementierung
des Kanals Internet
- Barrieren und Gestaltungsempfehlungen
Interviewleitfaden
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Implementierungsstufen
Framework der Implementierung des Kanals Internet
Konzeption
Typ4:
4:Interaktionskanal
Interaktionskanal
Typ
Typ3:
3:Verkaufskanal
Verkaufskanal
Typ
Typ2:
2:Kontaktkanal
Kontaktkanal
Typ
Typ1:
1:Informationskanal
Informationskanal
Typ
MakroEbene
MikroEbene
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Erfolg
Implementierung
strukturell
verhaltensbezogen
Markt-und
undUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Markt-
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
299
Fragenkreise und Leitfragen (I): Übersicht
Fragenkreis
Implementierung:
Zentrale Fragestellungen
Leitfragen
• Implementierungsstand: Inwieweit ist das Internet als
Informations-, Kontakt-, Verkaufs- bzw. Interaktionskanal etabliert?
Wie weitreichend ist der Ausbau der Funktionalitäten des Kanals
verwirklicht? Wo existieren Implementierungslücken, welche
Schritte stehen noch aus?
• Implementierungsbarrieren: Welche Aspekte der
Implementierung bzw. Integration des Kanals Internet sind aus
Ihrer Sicht besonders kritisch? Wo treten Barrieren auf bzw. wo
erwarten Sie Barrieren?
• Vorgehen und Implementierungsmassnahmen: Welche
konkreten Massnahmen sind erforderlich, um die Implementierung
des Internet, dessen Etablierung als Kanal und den Ausbau seiner
Funktionalitäten weiter voranzutreiben?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Fragenkreise und Leitfragen (II)
Fragenkreis
Markt und Umfeldaspekte
Leitfragen
Welche Markt- und Umfeldaspekte stellen wesentliche Treiber
bzw. Barrieren bei der Implementierung des Kanals Internet
dar?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
300
Fragenkreise und Leitfragen (III)
Fragenkreis
Leitfragen
Wo existieren konzeptionelle Lücken und warum?
Konzeptanalyse
Makro-Ebene: Konzeptionelle Integration in das
Kundenmanagement bzw. Multi-Channel-Management
• (Wie) Ist das Internet in das Kunden- bzw. MultiChannelmanagement (Ziele, Strategie, Massnahmen) Ihres
Unternehmens integriert?
• Welche Bedeutung bzw. Rolle hat der Kanal Internet? In welchen
Phasen des Buying Cycle wird das Internet primär eingesetzt?
Welche Funktionen soll es insbesondere erfüllen (Information und
Pre-Sales-Service / Kauf / After-Sales-Service / Wiederkauf)?
• (Wie) Wird das Internet mit anderen Kanälen abgestimmt?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Fragenkreise und Leitfragen (IV)
Fragenkreis
Leitfragen
Wo existieren konzeptionelle Lücken und warum?
Konzeptanalyse
Mikro-Ebene: Ausgestaltung der Funktionalitäten des Kanals
• (Wie) Werden die Funktionalitäten an Kundenprozessen
ausgerichtet?
• (Wie) Werden die Funktionalitäten mit Bedürfnissen interner
Anspruchsgruppen abgestimmt?
• Existiert ein Qualitätsmanagement für Internet-Aktivitäten?
• Ist es für Ihr Unternehmen sinnvoll, personalisierte E-Services
(CRM-Services) über das Internet/die Web-Site Ihres
Unternehmens zu erbringen? Wie schätzen Sie das
Personalisierungspotenzial in Ihrem Unternehmen ein?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
301
Fragenkreise und Leitfragen (V)
Fragenkreis
Implementierung:
Strukturelle Aspekte
Leitfragen
Welche strukturellen Implementierungslücken bestehen noch?
Welche strukturellen Barrieren behindern die Implementierung
des Kanals Internet?
Organisationsebene
• Ist die Abteilung E-Business im Marketing-Management bzw.
Kundenmanagement integriert?
• Existieren Schnittstellen zu anderen Marketingfunktionen und zu
den Prozessen des Kundenmanagement?
Kundenmanagement
• Inwiefern fördern oder behindern andere Funktionalbereiche im
Kundenmanagement (Marketing, Vertrieb) die Implementierung?
Informationsmanagement
• Werden Kundeninformationen gesammelt, analysiert und genutzt?
Technische Ebene
• Ist das Internet in bestehende Back-End-Systeme (ERP, CRM etc.)
integriert?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Fragenkreise und Leitfragen (VI)
Fragenkreis
Leitfragen
Welche verhaltensbezogenen Implementierungslücken
bestehen noch? Welche verhaltensbezogenen Barrieren
behindern die Implementierung des Kanals Internet?
Implementierung:
Verhaltensbezogene
Aspekte
Unternehmenskultur
• Inwieweit fördert bzw. hemmt die Unternehmenskultur die
Implementierung des Kontaktkanals Internet?
Unterstützung durch das Top-Management
• Unterstützt das Top-Management die Implementierung des
Kontaktkanals Internet?
Akzeptanz in Marketing und Vertrieb
• Existieren Akzeptanzbarrieren in anderen Funktionalbereichen und
warum?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
302
Fragenkreise und Leitfragen (VII)
Fragenkreis
Implementierung:
Verhalten des
E-Business
Managers
Leitfragen
Welches Verhalten und welche Fähigkeiten sind für Sie als EBusiness-Manager erforderlich, um die Implementierung des
Kanals Internet voranzutreiben?
• Welche Personen und Abteilung(en) sind an der Planung und
Implementierung des Kanals Internet beteiligt?
• Wie beschreiben Sie Ihre persönliche Rolle im
Implementierungsprozess?
• Wie gehen Sie bei der Implementierung des Kanals Internet vor?
Wird ein Implementierungsplan erarbeitet? Welche Massnahmen
werden in welcher Reihenfolge ergriffen?
• Wie gehen Sie mit Implementierungsbarrieren um? Welche
persönlichen Fähigkeiten sind gefordert?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
Fragenkreise und Leitfragen (VIII)
Fragenkreis
Implementierung:
Ergebnisanalyse
Leitfragen
Externe Analyse:
• Welche Zielgruppen nutzen die Web-Site bzw. sollen die Web-Site
nutzen?
• (Wie) Werden die Aufmerksamkeit und das Interesse der
Zielgruppen geweckt und erhöht?
• (Wie) wird die Akzeptanz und Nutzung des Kanals Internet und der
darauf angebotenen Funktionalitäten/E-Services gemessen?
Interne Analyse:
• (Wie) Wird die Zielerreichung gemessen (E-PerformanceMeasurement)?
Dipl. Oec. Mirko Jazbec
303
Anhang D: Dissertationsbeschreibung
Management der Implementierung des Kanals Internet - Barrieren und Gestaltungsempfehlungen
Beschrieb des Dissertationsprojekts von Mirko Jazbec
Problemstellung:
Unternehmen sind heutzutage noch weit von der Vision entfernt, das Internet als
Kontaktkanal mit individualisierten Informationen und Dienstleistungen im Rahmen ihres
Kunden(kontakt)-management zu nutzen. Vielfach domineren noch Web-Sites, die als
reines Informationsmedium fungieren. Selbst der Online-Kauf ist – abgesehen von
(Versand-)Handelsunternehmen und vereinzelten erfolgreichen Neugründungen – noch
wenig verbreitet. Vereinzelt werden After-Sales-Services angeboten. Individualisierte
Informationen und Dienstleistungen sind praktisch kaum verwirklicht.
Es ist vielen Unternehmen bislang nur unzureichend gelungen, die Bandbreite der
Potenziale des Internet zu nutzen. In der Praxis zeigt sich, dass die Integration des Internet
als neuem Kanal und der Ausbau seiner Funktionalitäten vielfältigen Barrieren ausgesetzt
sein kann. Im Kern handelt es sich um ein Implementierungsproblem, das häufig sowohl
Umsetzungs- (strukturbezogen) als auch Durchsetzungsprobleme (verhaltensbezogen)
tangiert.
304
Die folgenden Fragestellungen sind in diesem Zusammenhang zentral:
Zentrale Forschungsfragen:
⎯
Wie implementieren Unternehmen den Kanal Internet?
⎯
Wie treiben sie die Integration des Kanals ins Unternehmen und den Ausbau bzw.
die Optimierung seiner Funktionalitäten voran?
Konkretisierende Forschungsfragen:
⎯
Welche Implementierungsdimensionen und -faktoren beeinflussen die Implementierung des Kanals Internet?
⎯
Welche Implementierungslücken (Gaps) existieren hinsichtlich dieser Dimensionen?
⎯
Welche Ursachen (Implementierungsbarrieren) sind für diese Lücken verantwortlich und behindern die Integration des Kanals Internet und den Ausbau seiner Funktionalitäten?
⎯
Welche Implementierungsmaßnahmen sind dazu geeignet, Implementierungsbarrieren zu vermeiden bzw. zu überwinden?
Implementierungsstufen
Das folgende Framework dient als Grundlage der Analyse des Implementierungsprozesses,
möglicher Barrieren und der Ansatzpunkte für Lösungen.
Konzeption
Typ4:
4:Interaktionskanal
Interaktionskanal
Typ
Typ3:
3:Verkaufskanal
Verkaufskanal
Typ
Typ2:
2:Kontaktkanal
Kontaktkanal
Typ
Typ1:
1:Informationskanal
Informationskanal
Typ
MakroEbene
MikroEbene
E-BusinessE-BusinessManager
Manager
Erfolg
Implementierung
strukturell
verhaltensbezogen
Markt-und
undUmfeldbedingungen
Umfeldbedingungen
Markt-
Abbildung 1: Framework der Implementierung des Kanals Internet (Quelle: Jazbec 2004)
305
Ihr Nutzen:
Sie profitieren durch die Partizipation an den Forschungsergebnissen: Im Rahmen des Projekts wird ein praxisgerechtes Framework der Implementierung des Kanals Internet erarbeitet. Darauf aufbauend werden konkrete Gestaltungs- und Optimierungsansätze für die Implementierung des Kanals Internet dargelegt.
Ihr Beitrag:
Teilnahme an einem Interview
(Dauer: 1,5 - 2h; Ort: In Ihrem Unternehmen)
Ich würde mich sehr freuen, Sie als kompetenten Experten für dieses Forschungsprojekt
gewinnen zu können!
Kontakt:
Institut für Marketing und Handel an der Universität St. Gallen (IMH-HSG)
Mirko Jazbec
Dufourstr. 40a
CH-9000 St. Gallen
Tel.: +41/(0)71/222 94 83
E-Mail: [email protected]
306
Anhang E: Verzeichnis der Workshops mit Unternehmensvertretern
Workshops im Rahmen des Forschungsprojekts “Total Customer Care” des Kompetenzzentrums für Distribution und Kooperation am Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen (IMH-HSG)
Workshop “Kooperationen”
19. – 20. Oktober 2000, CH - Neuchatel
Workshop „One-to-One-Marketing“
01. – 02. März 2001, CH – St. Moritz
Workshop “Multi-Channel-Marketing”
14. – 15. August 2001, CH – Berlingen
Workshops im Rahmen des Forschungsprogramms “Best Practice in Marketing” am
Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen (IMH-HSG)
4. Best Practice in Marketing-Tagung
27. März 2002, CH – St. Gallen
Intensiv-Marketingweiterbildung „Aufgabenorientiertes Marketing-Management“
27. – 28. Juni 2002, CH – Stein am Rhein
5. Best Practice in Marketing-Tagung
27. März 2003, CH – Zürich
Best Practice in Marketing, Focus Group “Marketing and New Media”
18. – 19. August 2003, CH – St. Gallen
6. Best Practice in Marketing-Tagung
11. März 2004, CH – Zürich
307
2. Seminar für Electronic Commerce
Bestandteil der Führungskräfteweiterbildung des IMH-HSG
1. Block: 05. – 07. Februar 2001, CH – St. Gallen
2. Block: 07. – 09. März 2001, CH – St. Gallen
3. Block: 09. – 11. April 2001, CH – St. Gallen
4. Block: 02. – 04. Mai 2001, CH – St. Gallen
37. Seminar für Verkaufs- und Marketingmanagement
Bestandteil der Führungskräfteweiterbildung des IMH-HSG
1. Hauptblock: 27. – 29. Mai 2003, CH – Berlingen
2. Hauptblock: 01. – 03. Juli 2003, CH – St. Gallen
3. Hauptblock: 26. – 28. August 2003, CH – St. Gallen
4. Hauptblock: 30. Sept. – 02. Okt. 2003, CH – St. Gallen
1. Modulblock: 04. – 07. November 2003, CH – St. Gallen
2. Modulblock: 13. – 16. Januar 2004, CH – St. Gallen
3. Modulblock: 17. – 20. Februar 2004, CH – St. Gallen
5. Hauptblock: 16. – 18. März 2004, CH – St. Gallen
Weitere Workshops
Customer Relationship Management-Expo, Messe & Kongress
13. – 14. November 2002, DE – Köln
Internettag 2004
25. Mai 2004, CH – St. Gallen
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Anhang F: Verzeichnis der Teilprojekte mit der Microsoft Schweiz GmbH im Rahmen
des Forschungsprojekts „Total Customer Care“ des Instituts für Marketing und Handel der Universität St. Gallen
Projekt
Bearbeitungszeitraum
Marktbearbeitung Mid-Sized Organizations (MORG)
Nov. 2000 – März 2001
Audit Microsoft-Publikationen
Mai – Juli 2001
Management & Marketing Tools
Juli – August 2001
Customer Business Experience / BEAT
Nov. 2001- Juli 2002
SMB Discovery
Okt. – Dez. 2002
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