Klimaveränderungen fordern die Winzer

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Klimaveränderungen fordern die Winzer
Dr. Manfred Stock
03
Klimaveränderungen
fordern die Winzer
Bereitschaft zur Anpassung ist erforderlich
Ein Vortrag von
Dr.
Manfred Stock
Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung e. V. (PIK)
37
Klimaveränderungen fordern die Winzer
Dr. Manfred Stock
Klimaveränderungen fordern die Winzer
Dr. Manfred Stock
Prozent
Prozent
Eine vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V. (PIK) initiier80
te Befragung unter 255 Winzern in den drei Ländern Frankreich, Italien
und Deutschland
zeigt, dass über 80 Prozent bereits Klimaveränderungen
60
wahrgenommen hat. In Deutschland sind rund 94 Prozent der Winzer
40
im Vergleich
zu früher Unterschiede aufgefallen, wie Abbildung 3-1 zu
entnehmen ist.
20
Der überwiegende Teil der befragten Winzer hat nicht nur einen Klimawandel
registriert, sondern auch Auswirkungen auf Erträge, Qualität
0
Deutschland
Italien
Gesamt
Frankreich
und Rebkrankheiten
beobachtet.
Bei den Antworten
auf die Fragen
zeigen
sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den drei Ländern (Abb. 3-2).
Viele
Winzer erwähnen
darüber hinaus deutliche Verschiebungen bei der
Auswirkungen
auf Krankheiten
Phänologie
mit
früheren
Eintrittszeiten für Austrieb, Blüte, Reifebeginn
100
und Ernte.
Die80 Beobachtungen der Winzer werden durch wissenschaftliche Beobachtungen untermauert. Viele Daten zu Verschiebungen von Klimazo60
nen sowie zu meteorologischen und phänologischen Veränderungen belegen 40
den gegenwärtigen Klimawandel. Bestehende Ungleichverteilungen
im Niederschlag verstärken sich vielfach noch. Weniger Dauer- und mehr
20
Starkregen,
weniger Sommer- und mehr Winterniederschlag wird beobachtet.
Kurz
gesagt: dort wo es schon immer viel geregnet hat, kommt
0
Italien gebliebenDeutschland
Frankreich
noch was dazu,
wo es eher trocken
ist, wird es nochGesamt
trockener.
Auswirkungen
auf Erträge
Beobachtete Klimaveränderung
Beobachtete Klimaveränderung
Auswirkungen
auf die Qualität
100
100
80
80
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60
40
40
Prozent
Prozent
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Gesamt
Gesamt
Deutschland
Deutschland
Gesamt
Gesamt
80
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Frankreich
Frankreich
Italien
Italien
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60
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40
20
20
Frankreich
Frankreich
Deutschland
Deutschland
Italien
Italien
Ja
Auswirkungen
auf Krankheiten
Nein
Gesamt
Gesamt
keine Aussage
100 3-1: Ergebnisse aus einer Umfrage unter 255 Winzern in Frankreich, Italien und DeutschAbbildung
land. Die Grafik betrifft Fragen zu Beobachtungen von Klimaveränderungen. Quelle: PIK.
Prozent
Prozent
80
80
60
Deutschland
Deutschland
100
100
80
80
80
Italien
Italien
Auswirkungen
auf Erträgezum Anbau neuer Sorten
Persönliche
Bereitschaft
100
100
00
Frankreich
Frankreich
Auswirkungen
auf Krankheiten
Generelle
Einstellung
zu neuen Sorten
Prozent
Prozent
Beobachtete
3.1
Winzer Klimaveränderung
bemerken Auswirkungen des Klimawandels
Prozent
38
20
20
0
0
Frankreich
Frankreich
Ja
Ja
Deutschland
Deutschland
Italien
Italien
Nein
Nein
Gesamt
Gesamt
keine Aussage
keine Aussage
Abbildung 3-2: Von Winzern beobachtete Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Qualität,
Krankheiten und Erträge. Ergebnisse einer Umfrage unter 255 Winzern. Quelle: PIK.
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Prozent
Maßnahmen
für auf
zwingend
erforderlich. In Italien halten sich Gegner und
Auswirkungen
die Qualität
100
Befürworter
eines Umstiegs derzeit die Waage.
Bei der Bereitschaft, selbst eine derartige Umstellung ins Auge zu fas80
sen, wird
der Unterschied noch deutlicher. Winzer in Frankreich und Italien reagieren
hier konservativ, deutsche Winzer hingegen geben sich expe60
rimentierfreudiger (Abb. 3-4).
40
Neben
den unterschiedlichen Regularien der einzelnen Länder mag bei
diesem Punkt sicher auch eine Rolle spielen, dass der deutsche Weinbau
20
von einem wärmer werdenden Klima in nächster Zeit eher profitieren
könnte.0
Frankreich
Italien
Deutschland
Gesamt
Deutschland
Gesamt
Generelle Einstellung zu neuen Sorten
Abbildung 3-3: Veränderung des Erntebeginns auf Schloß Johannisberg im Rheingau seit 1786. Das
Hitzejahr 2003 brachte einen neuen Rekord. Quelle: Stock et al. 2005.
100
80
Mit solchen konkreten Erfahrungen zum beobachteten Klimawandel verbinden sich aber große Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden weiteren Entwicklungen und Konsequenzen.
Die in Abbildung 3-3 gestrichelt eingezeichnete mögliche Weiterentwicklung ist eher eine zurückhaltende Abschätzung auf der Basis phänologischer Beobachtungen zur Verschiebung des Reifebeginns (Stock et al.
2005 nach Hoppmann 2004).
60
40
Prozent
Auch die langjährigen Aufzeichnungen in vielen Weingütern sind ein
wertvoller Datensatz zu den Auswirkungen des Klimawandels. Abbildung
3-3 zeigt, wie sich der Erntetermin auf Schloß Johannisberg im Rheingau
seit 1786 verändert hat. Das Hitzejahr 2003 brachte hier einen neuen
Rekord.
20
0
Frankreich
Italien
Persönliche Bereitschaft zum Anbau neuer Sorten
100
80
60
40
3.1.1 Strategien der Winzer gegen den Klimawandel
Bei Fragen, welche Konsequenzen in der Praxis gesehen werden, unterscheiden sich die Antworten in der eingangs erwähnten Umfrage vom
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung länderspezifisch. Ein eventuell notwendiger Umstieg auf andere oder neue Rebsorten infolge veränderter klimatischer Bedingungen wird am ehesten in Deutschland gesehen. In Frankreich dagegen hält nur eine Minderheit der Winzer solche
Prozent
40
20
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Frankreich
Ja
Deutschland
Italien
Nein
Gesamt
keine Aussage
Abbildung 3-4: Angenommene Notwendigkeit und Bereitschaft von Winzern aufgrund des Klimawandels einen Sortenwechsel vorzunehmen. Quelle: PIK.
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3.2 Wissenschaftlicher Stand zum Klimawandel
Es ist bekannt, dass es auch früher schon Klimaveränderungen gab. Die
Rekonstruktion einstiger Klimazustände aus so genannten Proxidaten wie
Sedimenten oder Eisbohrkernen und die Analyse der Ursachen der Änderung mit Hilfe von Klimamodellen zeigen die Besonderheiten der jetzt
in Gang gekommenen Klimaveränderung. Abbildung 3-5 gibt Einblick
in eine Rekonstruktion einer über 350 000-jährigen Klimageschichte aus
einem antarktischen Vostok-Eisbohrkern mit teilweise gewaltigen Temperatursprüngen (Rahmstorf 2004). Frappierend ist die Parallelität, mit
der sich Temperatur (dunkle Kurve) und CO2-Konzentration (helle Kurve)
über den gesamten Zeitraum entwickelt haben.
Der im Jahre 2000 gemessene Wert von 368 Promille an CO2 liegt
deutlich über allen Werten, die sich für die vergangene halbe Million Jahre
rekonstruieren lassen, und wahrscheinlich muss man mehrere Millionen
Jahre zurückblicken, um Treibhausgaskonzentrationen zu finden, wie
sie heute gemessen werden (2005: 380 ppm CO2). Hinzu kommt die Erkenntnis, dass allein im jetzt begonnenen Jahrhundert noch mit weiteren
deutlichen Steigerungen bei den Treibhausgasen zu rechnen ist. Wenn die
Emissionen unvermindert weiter gehen, werden möglicherweise bis 2100
mehr als 900 Promille CO2-äquivalente Konzentrationen erreicht. Dies
ist nach Höhe und Änderungsgeschwindigkeit in der Erdgeschichte sehr
außergewöhnlich.
Abbildung 3-5: 350 000 Jahre Klimageschichte, rekonstruiert aus einem antarktischen Vostok-Eisbohrkern. Quelle: Rahmstorf et al. 2004.
Abbildung 3-6: Die dunkle Kurve zeigt die Rekonstruktion aus Paläodaten. Die helle Kurve zeigt eine
Modellsimulation mit dem Potsdamer Klimamodell. Quelle: Bauer et al. 2002.
Abbildung 3-6 zeigt eine Rekonstruktion der Änderung der mittleren
Temperatur der Erdoberfläche seit dem Jahr 1000 aus Paläodaten (dunkle Kurve) des Teams um den Amerikaner Mike Mann, am Schluss ergänzt durch direkte Messungen (Rahmstorf 2003, modifiziert nach Bauer
et al. 2002). Die helle Kurve gibt zum Vergleich eine Modellsimulation
mit dem Potsdamer Klimamodell wider, in die auch die Sonnenaktivität
eingeflossen ist. Daher an dieser Stelle ein kurzer Blick in die Historie:
Im 12. Jahrhundert wurde in einer warmen Klimaperiode im Mittelalter
Weinbau an der Ostsee, in England und Dänemark betrieben. Die größte
Ausdehnung des Weinbaus in Deutschland gab es im 14. Jahrhundert (das
Dreifache der heutigen Fläche). Danach ging es mit dem Weinbau rapide
zurück, auch als Folge der so genannten »Kleinen Eiszeit« (1550-1850).
Die damit zusammenhängenden drei kältesten Perioden des abgelaufenen
Jahrtausends stimmen mit den drei Minima der Sonnenaktivität (Spörer,
Maunder, Dalton) überein. Die sehr ausgeprägte Erwärmung im 20. Jahrhundert um circa 0,7 Grad Celsius geht überwiegend auf die menschlichen Treibhausgas-Emissionen zurück, die entsprechende Anstiege der
Konzentration in der Atmosphäre zeigen.
In der Abbildung gestrichelt dargestellt sind die obere und untere
Temperaturextrapolation des Weltklima-Sachverständigenrats Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für die nächsten Jahrzehnte
(IPCC 2001). Je nach Szenarium der zukünftigen Treibhausgas-Emissionen der Menschheit steigt die Temperatur zwischen 2000 und 2100 um
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weitere 1,5 bis fast sechs Grad Celsius (jenseits der Skala von Abbildung
3-6). Die heißen Jahre der 1990er Jahre und das Extremjahr 2003 vermitteln daher nur einen ersten Eindruck von dem, was zukünftig auf die
Menschheit zukommen wird.
Insgesamt sprechen die wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass der
jetzige Klimawandel außergewöhnlich und menschengemacht ist. Spätestens seit den 1970er Jahren lässt sich die beobachtete globale Erwärmung
nicht mehr allein auf natürliche Ursachen zurückführen. Erst mit Hilfe der
anthropogen erhöhten Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre kann man die Beobachtungsdaten erklären.
Neben der Frage, wie sich das Klima wodurch verändert, sind die
Folgen derartiger Veränderungen von Interesse und Untersuchungsgegenstand der Klimafolgenforschung (Stock 2003, 2004).
3.2.1 Studien in Europa
Bereits untersucht wurden die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau in Europa anhand regionaler Unterschiede in Temperaturverteilung und im Huglin-Index (Huglin 1978). Für den Zeitraum
1991 bis 2000 wurden Beobachtungsdaten und für 2001 bis 2100 Simulationen mit global gekoppelten Klimamodellen herangezogen. Abbildung
3-7 zeigt Berechnungen des Huglin-Index für Europa in 2000 – wobei
weinbaulich bevorzugte Lagen deutlich über diesen Mittelwerten liegende Huglin-Indizes haben – und die Differenz dazu im Zeitraum 2001 bis
2050 (Stock et al. 2005). Die Simulation erfolgte mit einem globalen Klimamodell und einem moderaten Erwärmungsszenario.
Aufgrund der groben räumlichen Auflösung gemittelter globaler Daten werden die tatsächlichen Temperatursummen unterschätzt. So werden zum Beispiel in günstigen Lagen Südenglands bereits heute durchaus
trinkbare Weine angebaut, und die in der Simulation für das Jahr 2050
berechneten Temperatursummen sind bereits jetzt an solchen Standorten
erreicht. Im Ergebnis heißt dies aber, dass im jetzigen Jahrhundert noch
weitere deutliche Veränderungen zu erwarten sind. Dies betrifft zum einen
die potentielle Nordverschiebung des Weinanbaus nach Norddeutschland
und Skandinavien und zum anderen klimatische Veränderungen in den
traditionellen Anbaugebieten. Für Reben in Spanien und Frankreich nähern sich die zukünftigen thermischen Bedingungen denen des heutigen
Griechenlands, während in Deutschland Badische und Rheingauer Winzer sich auf französische Klimate einstellen können.
Abbildung 3-7: Wärmesummenindex-Verteilung für das Jahr 2000 (oben). Differenz der Wärmesumme um das Jahr 2050 zur Situation um 2000 (unten). Quelle: Stock 2005.
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3.2.2 Regionalstudien in Deutschland
Für detailliertere Analysen möglicher Auswirkungen braucht man neben
der Temperatur auch die Entwicklung anderer Klimaparameter, zum Beispiel des Niederschlags. Solche regionalen Klimaveränderungen sind für
Deutschland in drei Regionalstudien untersucht worden:
• GLOWA-Elbe: Saale-Unstrut, Sachsen und Nordostdeutschland, Projekt im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF),
• Klima2050: Rheingau, Pfalz und Württemberg, Projekt im Auftrag
des Forschungsrings des Deutschen Weinbaus (FDW) sowie
• KLARA: Baden und Württemberg, Projekt im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU).
In Abbildung 3-8 sind die Untersuchungsgebiete dargestellt. Die Projekte
sind von Norden nach Süden: GLOWA-Elbe, Klima2050 und KLARA.
Während die globalen Klimamodelle die Temperatur etwa mit der Auflösung der Gitterweite der Modelle (z. B. 200 km) liefern, ist der Niederschlag sehr viel ungenauer angegeben, etwa mit der fünffachen Gitterweite (d. h. 1 000 km) und damit für die Abschätzung von Auswirkungen
wie Trockenstress ungenügend. Am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung werden verschiedene Verfahren zur Regionalisierung der Klimaparameter und ihrer Änderungen eingesetzt. Die Hierarchie verwendeter
Klimamodelle von der globalen Skala, über eingebettete regionale Klimamodelle erhöhter Auflösung zu statistischen Verfahren des »downscalings« zum Regionalklima sind in Abbildung 3-9 skizziert.
Zur Abschätzung der zukünftigen klimatischen Entwicklung wurde
das am PIK entwickelte statistisch basierte Szenarienmodell STAR eingesetzt, das generelle Aussagen zu großskaligen Klimavariationen mit
regionalen meteorologischen Beobachtungsdaten über eine erweiterte
nicht-hierarchische Clusteranalyse miteinander verknüpft (Gerstengarbe 1997, 1999). Durch Monte-Carlo-Simulationen für ein ausgewähltes
meteorologisches Element wurde die wahrscheinlichste Entwicklung aus
allen Realisierungen bestimmt. Die Daten wurden vom Kooperationspartner Deutscher Wetterdienst zur Verfügung gestellt. Um auftretende
Inhomogenitäten weitgehend zu beseitigen, wurden sie einer Verifikationsprozedur unterzogen, die bereits im jüngsten Bericht des Forschungsrings vorgestellt wurde. Als Ergebnis wurden die Datensätze von 108 me-
Abbildung 3-8: Karte mit drei Untersuchungsgebieten in Deutschland bei denen im Rahmen von
Regionalstudien auch Ergebnisse zum Weinbau erarbeitet werden. Quelle: PiK. Kartenmaterial: EU.
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sen. Die Differenzenkarte weist generell eine weitere Temperaturzunahme
zwischen 1,2 und 1,6 Kelvin aus. Auch hier gewinnen südlicher gelegene
Gebiete stärker, der Rheingau selbst zeigt mit 1,4 Kelvin eine deutliche
Zunahme. Bei entsprechenden Wetterlagen führen Luv- und Lee-Effekte
an den Höhenzügen zu einer unterschiedlichen räumlichen Verteilung der
Niederschlagsmengen. Der Trend im Basisszenarium ist durchweg positiv mit Werten bis 150 Millimeter. Die Differenzen liegen zwischen etwa
-40 Millimeter und +50 Millimeter mit einer Niederschlagsabnahme in
nördlicher gelegenen Gebieten wie dem östlichen Taunus und dem Hochtaunus, während nach Süden Niederschlagsgewinne auftreten.
Abbildung 3-9: Hierarchie verwendeter Klimamodelle von der globalen Skala mit 250 Kilometer Auflösung zum statistischen Verfahren des »downscalings« zum Regionalklima. Quelle: Stock et al. 2005.
teorologischen Hauptstationen und 700 Niederschlagsstationen, die alle
Untersuchungsgebiete abdecken, evaluiert und zusammengestellt.
Als Ergebnis der bisherigen Arbeiten im FDW-Projekt stehen Klimaszenarien für den Basiszeitraum 1951 bis 2000 und für den Zukunftszeitraum
2001 bis 2055 zur Verfügung. Für jede Station sind die Tageswerte der
meteorologischen Größen Maximum der Lufttemperatur, mittlere Lufttemperatur, Minimum der Lufttemperatur, Niederschlagssumme, relative
Luftfeuchte, Dampfdruck, Luftdruck, Sonnenscheindauer, Bedeckungsgrad, Globalstrahlung und Windgeschwindigkeit abgelegt. Zusätzlich
zum Mittelwert und zum Trend der genannten meteorologischen Parameter sind zur Charakterisierung der mittleren klimatischen Verhältnisse der
Untersuchungsgebiete weitere Kenngrößen abgeleitet worden.
Beispielhaft sind in Abbildung 3-10 die mittlere Lufttemperatur und die
Niederschlagssumme im Rheingau sowie der Umgebung dargestellt. Für
die Lufttemperatur ergeben sich im Basisszenarium Werte zwischen 5,8 und
10,8 Grad Celsius mit nach Süden zunehmenden positiven Trendwerten
um etwa ein Kelvin. Höhere Mitteltemperaturen werden höhenabhängig
für die rheinnahen tieferen Gebiete und Bereiche mit niedrigeren Werten
in den höheren Lagen im Taunus, Hochtaunus und Hunsrück ausgewie-
Abbildung 3-10: Ergebnisse aus dem Projekt Klima2050 (FDW), räumliche Verteilung von Temperatur
und Niederschlag für den Rheingau und Umgebung. Quelle: Stock et al. 2005.
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3.3 Auswirkungen auf den Weinbau
Tabelle 3-1: Ergebnis einer multiplen Regressionsanalyse der Zusammenhänge zwischen Bewertung
der Qualität von Rheingauer Riesling-Weinen und Klimaparametern. Quelle: Stock et al. 2003.
Bereits die globalen Simulationen ergeben deutliche Hinweise auf die möglichen Auswirkungen sich zukünftig ändernder thermischer Bedingungen
auf Wärmesummen, Phänologie und Weincharakter, wie die potentielle
Nordverschiebung des Weinanbaus nach Norddeutschland und Skandinavien sowie klimatische Südverschiebungen in traditionellen Anbaugebieten (Abb. 3-11).
Schon heute erzielen Weine aus dem Burgenland bei Blindverkostungen teilweise bessere Beurteilungen als manche Spitzenweine des Bordeaux, eine Entwicklung, die vielleicht nicht nur, aber auch den klimatischen Veränderungen zugeschrieben werden kann. Auch Anbaugebiete in
Deutschland, wie der Rheingau entwickeln sich in diese Richtung. Dabei
sollte man insbesondere bei Weißweinen wie dem Riesling auch mögliche
negative Auswirkungen wärmeren Klimas auf Charakter und Qualität der
Weine beachten.
Um diesen Faktor abzuschätzen, sind jahresbezogene Beobachtungsdaten von Klimaparametern und Qualitätsbeurteilungen der jeweiligen
Weine analysiert worden.
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50
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Abbildung 3-11: Veränderung der Wärmesumme nach Huglin (1951-2050) in Geisenheim, Rheingau;
Potsdam, Saale-Unstrut; Eisenstadt, Burgenland; Pisa, Toskana; Alghero, Sardinien. Quelle:
Qualitätsbewertung: Q = Σ xi * Pi
Pi
Klimaparameter
SBR
durchschnittliche tägliche Strahlung, Blüte bis Reifebeginn
NAB
Anzahl der heißen Tage zwischen Austrieb und Blüte
TRE
TBR
durchschnittliche mittlere Tagestemperatur, Blüte bis Reifebeginn
PRE
Durchschnittlicher Niederschlag zwischen Reife- und Erntebeginn
NRE
Anzahl extrem heißer Tage zwischen Reife- und Erntebeginn
R2 = 0,83
xi
R2
+
1,06
0,54
+
0,09
0,11
durchschnittliche mittlere Tagestemperatur, Reife- bis Erntebeginn +
0,36
0,07
-
-0,83
0,06
-
-0,51
0,03
-
-0,23
0,02
In Tabelle 3-1 ist ein Ergebnis dieser Analyse für Rieslingweine aus dem
Rheingau dargestellt (Stock et al. 2003). Sechs Klimaparameter korrelieren im Wesentlichen mit der Qualität, drei davon positiv und drei negativ.
Die Analyse zeigt, dass eine Klimaerwärmung nicht nur Verbesserungen mit sich bringt, sondern sich auch nachteilig auswirken kann, je nachdem, in welcher phänologischen Phase zum Beispiel hohe Tagestemperaturen oder viele heiße Tage auftreten. Neben dem Zuckergehalt spielen
dabei Anteile von Säuren und anderen Inhaltsstoffen eine Rolle.
Tabelle 3-1 umfasst auch das Ergebnis einer multiplen Regressionsanalyse der Zusammenhänge zwischen Bewertung der Weinqualität von
Rheingauer Riesling-Weinen und verschiedenen Klimaparametern, die
entweder positiv (xi > 0) oder negativ (xi < 0) mit der Qualität korrelieren
(Stock et al. 2003).
Die erwähnte Tendenz der Nordverschiebung des Weinbaus mit dem Potential guter Riesling- und Rotweine zum Beispiel aus Potsdam ist aus
Simulationen der räumlichen Verteilung des Huglin-Wärmesummenindex
in Norddeutschland ersichtlich. Abbildung 3-12 zeigt dies für die Jahre
1951, 2000 und 2050 (Stock et al. 2005). Markiert sind die Grenzen der
Bundesländer Berlin und Brandenburg. Zu erwarten ist eine Steigerung
der Qualität sowohl beim Riesling als auch beim Rotwein aus Brandenburg.
In Süddeutschland wird sich der von vielen bereits in den 1990er Jahren beobachtete Trend der Erwärmung im 21. Jahrhundert kontinuierlich
fortsetzen und sollte damit in den kommenden Jahrzehnten die Bedingun-
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Sorten erwarten, sondern auch einen zunehmenden Anbau von anspruchsvolleren Sorten.
Neben möglichen Vorteilen bringt der Klimawandel allerdings auch
eine Reihe veränderter und neuartiger Risiken für den Weinbau mit sich.
Zu erwähnen ist an dieser Stelle außer extremen Wetterereignissen mit
entsprechenden Folgen vor allem die Problematik der verschiedenartigen
Schädlinge.
Abbildung 3-13 zeigt das Resultat einer Simulation der Entwicklung
des Traubenwicklers (Lobesia Botrana) auf Sardinien. Möglich sind vier
Generationen des Schädlings im Jahresgang zwischen dem 1. April und
dem 21. Oktober, die im Zukunftsszenario um 2050 (waagerechte Balken oben) früher erscheinen, als bisher seit 1950 beobachtet (waagerechte
Balken unten).
Auch die Erntereife der Trauben ist früher zu erwarten (senkrechte
Balken). Nicht selten ist in den vergangenen Jahren die vierte Generation
des Traubenwicklers erst aufgetreten, als die Ernte bereits abgeschlossen
gewesen ist. In Zukunft könnte indes in der Regel das Endstadium der
Traubenreife und das Auftreten der vierten Generation des Schädlings zusammenfallen (Cossu et al. 2004).
Abbildung 3-12: Simulation der räumlichen Verteilung des Huglin-Wärmesummenindex in Norddeutschland 1951, 2000 und 2050. Quelle: Stock et al. 2005.
gen des Weinbaus in den Anbaugebieten Baden und Württemberg sowie
den Charakter der dort kultivierten und angebauten Weine nachhaltig
beeinflussen.
Es ist zu überlegen, inwieweit einer zunehmenden Erwärmung im Badischen Weinbaugebiet An- und Ausbau traditioneller Sorten durch konservative Maßnahmen (z. B. Züchtung spät reifender Weißweinsorten)
Rechnung getragen werden kann.
Für das Anbaugebiet Württemberg scheinen die in den nächsten Jahrzehnten zu erwartenden klimatisch bedingten Änderungen eher vorteilhaft; sie lassen nicht nur die Kultivierung der bisher bereits bevorzugten
Abbildung 3-13: Simulation der Risikoentwicklung bei Schädlingen für den Traubenwickler (Lobesia
Botrana) auf Sardinien. Quelle: Cossu et al. 2004.
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Tabelle 3-2: Einige Gesichtspunkte zu möglichen Chancen und Risiken des Klimawandels im Weinbau.
Quelle: Stock.
Chancen
Risiken
weitere Regionen & Flächen
zusätzlicher Wettbewerb
steigende Erträge
sinkende Rendite
mehr Sortenauswahl
Veränderungen im Sortencharakter
frühere Vegetationsperioden, schnelleres
Wachstum
beschleunigtes Wachstum auch bei
Schaderregern
mehr Strahlung: stärkere Reife
mehr Sonnenbrand
höhere Qualität einiger Jahrgänge
Einbußen bei anderen Jahrgängen
Einige Gesichtspunkte zu möglichen Chancen und Risiken des Klimawandels sind in der Tabelle 3-2 skizziert. Hinzu kommt nach bisherigem
Untersuchungsstand auch eine zunehmende Variabilität von Klima und
Erträgen mit wahrscheinlich erhöhten ökonomischen Risiken für die Erzeuger (Bindi and Fibbi 2000).
3.4 Fazit
Nur durch besondere Bereitschaft und Fähigkeit zur Anpassung an den
Klimawandel, zum Beispiel durch Sortenwechsel, kann der Winzer Gefahren durch Qualitäts- und Ertragseinbußen begegnen. Einflussfaktoren sind Trockenstress, andere standort- und bodenspezifische Probleme
der Rebenernährung, des Schädlingsbefalls und übermäßige Sonneneinstrahlung mit erhöhtem UV-B-Anteil (Schultz 2000). In der Folge sind
beträchtliche Veränderungen in Spektrum und Verteilung der Rebsorten gegenüber heute zu erwarten. Die Ergebnisse aus dem Projekt beim
Forschungsring des Deutschen Weinbaus sollen demnächst im Rahmen
von Workshops mit Fachberatern und Betroffenen diskutiert werden, um
Handlungsoptionen und Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln und der
Praxis bereitzustellen.
glini, Friedrich-W. Gerstengarbe, Thomas Kartschall, Peter C. Werner
und Martin Wodinski sowie an den Forschungsring des Deutschen Weinbaus.
3.6 Literatur
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