Gedächtnis / Gedächtnismodelle Störungen der Gedächtnisfunktionen Medizinische Psychologie Petra Beyer SS 06 Wie werden Informationen verarbeitet? Enkodierung: Informationen werden zur Aufnahme in das Gedächtnis bereitgestellt. Sie müssen dafür wahrgenommen und verarbeitet werden. Speicherung: Resultate der Verarbeitung werden im Gedächtnis repräsentiert und gespeichert. Abruf: Enkodierte Informationen werden spontan oder nach Aufforderung zurückgerufen. Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Konsolidierung und Abruf Sensorischer Speicher Nur ms bis wenige sek Enkodierung Kurzzeitgedächtnis bis zu 20 Sekunden anterograde Amnesie Konsolidierung Dekodierung Langzeitgedächtnis praktisch unbegrenzt Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 „Rehearsal“ Retrograde Amnesie Ultrakurzzeitgedächtnis Sensorischer Speicher = Ultrakurzzeitgedächtnis Speicherdauer nur wenige Millisekunden Hier werden alle Sinneseindrücke von den jeweilig zuständigen Rezeptoren empfangen. Visuell, akustisch, taktil, gustatorisch, olfaktorisch Für jede Sinnesmodalität (Sehen, Hören, Riechen, etc. ) existiert ein eigenes „Sensorisches Register“ Selektion: Hier werden unmittelbar relevante Reize rausgefiltert Was ist Interessant? Was ist wichtig? Was ist bekannt? Selektionsprozess unbedingt notwendig Da sonst Vielzahl der in jeder Sekunde auf uns einströmende Reize/Informationen uns überfluten würden. Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Kurzzeitgedächtnis bzw. Arbeitsgedächtnis Kurze Speicherdauer (20 Sekunden) KZG fungiert als Arbeitsgedächtnis. Es ist bei allen kognitiven Funktionen wie Lernen, Sprechen, Verstehen und Schlussfolgern beteiligt (z.B. Additionsaufgabe im Kopf, Zahlen vorwärts genannt bekommen und rückwärts wiedergeben) hier können kleine neue oder alte Informationsmengen aus dem LZG für wenige Sekunden bis Minuten gehalten werden (z.B. Telefonnummer vom Nachschlagen bis Wählen) Dies funktioniert nur, wenn Merkprozeß nicht durch andere Verarbeitungsleistungen unterbrochen wird Denken wir gleichzeitig an andere Dinge, oder lassen uns ablenken von Reizen – verdrängen neue Reize die alten Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Langzeitgedächtnis Informationen können langfristig bis lebenslänglich gespeichert werden Die Kapazität des LZG gilt als unbegrenzt Unbegrenzte Speicherdauer Einmal aufgenommene Informationen gehen nicht mehr verloren Grund oft Abrufproblem (z.B. Name oder Rufnummer vergessen, diese jedoch sicher wieder erkennen können) Ursache oft schlecht strukturiert, geordnet und falsch abgelegt Aufnahmephase Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Drei-Speicher-Modell (Atkinson & Shiffrin, 1968) Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Gedächtnissysteme Gedächtnis Explizites Deklaratives Implizites Semantisches Gedächtnis Episodisches Gedächtnis Prozedurales Gedächtnis Priming Konditionierung Nichtassoziatives Lernen Welt-Wissen Erlebte Ereignisse Fertigkeiten, Gewohnheiten Bahnungseffekte Motorische und emotionale Reaktionen Habituation Gewöhnung Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Inhaltliche Dimension des Gedächtnisses Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Was passiert mit Informationen im LZG? Was ist mit den Informationen die ich vergessen habe? Verschwinden die? => Ebbinghaus: Vergessenskurve Ersparniseffekt: Tag 1: bis zu 3 fehlerfreien DG Tag 2. Es konnten nicht alle Silben erinnernt werden; Erneutes Lernen => 80% Lernzeit gespart bis fehlerfreie DG 1 Woche: 50% 4 Wochen: 50% Einmal gespeicherte Informationen, sind nicht verschwunden, sondern gespeichert Und leicht wieder aktivierbar wenn man etwas gelernt hat, z.B. Folge von Wörtern und diese später wiederholt, wird deutlich weniger Zeit benötigt. Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Die Vergessenskurve (Ebbinghaus) Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Verloren in der Zeit, der Fall des H.M. (anterograde Amnesie) Ein Mann mittleren Alters sitzt entspannt in seinem Sessel und studiert sichtlich mit Interesse ein Heft von Reader's Digest. Er erzählt seinen Besuchern, welch faszinierende Geschichte er soeben gelesen hat und berichtet verschiedene Einzelheiten des Artikels. Am nächsten Tag liest der selbe Mann die selbe Geschichte mit grossem Interesse und erzählt den selben Besuchern, welch faszinierende Geschichte er soeben zum ersten Mal gelesen hat, und das wiederholt sich Tag für Tag ... Diesem Patienten H.M. war wegen einer lebensbedrohenden Epilepsie zum ersten Mal in der Medizingeschichte der Hippocampus in beiden Gehirnhälften neurochirurgisch entfernt worden. Offensichtlich war das langdauernde Abspeichern neuer Informationen durch die Zerstörung des Hippocampus unmöglich geworden. Im Gegensatz dazu erinnerte sich H.M. aber gut an Ereignisse, die vor der Operation lagen. Somit war der Zugang zu bereits gespeicherter Information intakt geblieben. Scoville, W.B. & Milner, B. (1957). Loss of recent memory after bilateral hippocampal lesions. J. Neurol. Neurosurg. Psychiat. 20, S. 11-21. Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Gedächtnis, ein kognitives Kontinuum Normale Altersvergesslichkeit leichte kognitive Beeinträchtigung Demenz Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Ursachen für Gedächtnisstörungen Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Kriterien für leichte kognitive Beeinträchtigung (Mild Cognitive Impairment) Beschwerden über Gedächtnisprobleme Aktivitäten des täglichen Lebens nicht eingeschränkt Unbeeinträchtigte kognitive Funktionen Neuropsychologisch belegte Gedächtnisbeeinträchtigungen Nicht dement Keine psychiatrischen Symptome Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Demenzen Genereller Verlust geistiger Fähigkeiten Erstes Symptom meist Gedächtnisbeeinträchtigungen Beginnt meist mit anterograder und später retrograder Amnesie Beispiele: Alzheimer Vaskuläre Demenz Korsakov-Syndrom Chorea Huntington Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 Welche Formen der Demenz gibt es? Primär degenerativ Vaskulär Sekundär Mischtyp Verursachung durch andere Erkrankungen Abbau von Nervenzellen und Zellverbindungen •Alzheimer Demenz •Fronto-temporale Demenz •Parkinson Demenz •Chorea Huntington 55-75% Gefäßveränderung Vaskuläre Demenz Gefäß – und Nervenzellveränderungen Vaskuläre Demenz und degenerative Demenz Petra Beyer - Medizinische Psychologie SS 2006 15-25% 10-20% •Stoffwechselstörung •Herzerkrankungen •Vergiftungen •Entzündliche Erkrankungen •Vitamin B12 Mangel •Hormonelle Störung 10%