Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis
1.0
Einleitung
Seite: 2
2.0
Begriffdefinition von „Hardcore“
Seite: 3
3.0
Ein kurzer Rückblick auf die Entstehung und die Geschichte Seite: 3- 6
3.1 Wie alles begann
3.2 Hardcore
3.3 Die Entwicklung
4.0
Die ideologischen Hintergründe der Subkultur Hardcore
4.1 Einleitung
4.2 DIY „Do-it-yourself“
4.3 Friendship & Unity
4.4 Straight- Edge
Seite: 7- 12
5.0
Tragende Elemente im Hardcore
5.1 Hardcore- Musik
5.2 Tanz
5.3 Mode und Erscheinungsbild
Seite: 12- 16
6.0
Einblick in die Hardcore- Szene am Beispiel der Schweiz
6.1 Menschen
6.2 Geografische Streuung
6.3 Ziele der Bewegung
6.4 Medien und Kommunikation
6.5 Einflüsse und Entwicklung
Seite: 16- 18
7.0 Hardcore „One life – One choice“
(Kurzportrait über Daniel Caduff)
Seite: 19- 21
8.0 Schlusskommentar
Seite: 21
Titelblatt- Illustration: S. Steinmann
-1-
1.0 Einleitung
Seit längerer Zeit nimmt Hardcore auf meine Freizeit wie auch auf meinen Alltag grösseren
Einfluss. Anfangs besuchte ich lediglich Konzerte und hörte Hardcore- Musik. Heute setze
ich mich auch vermehrt mit Fragen und Gedanken auseinander, welche meist durch die
textlichen Inhalte der Musik entstehen. Viele Hintergründe und Inhalte beeinflussen mein
Denken und Handeln in Situationen, in welchen ich mir früher keine Gedanken gemacht habe.
Die Tatsache, dass Hardcore in den verschiedensten Lebensbereichen verantwortlich für
Veränderung ist, lässt darauf schliessen, dass hier nicht nur die Musik im Vordergrund steht.
„Hardcore ist mehr als Musik!“
Ich möchte in dieser Arbeit auf die Hintergründe eingehen, welche für die obenstehende
Aussage verantwortlich sind. Auf der einen Seite, um interessierten und kritischen Menschen
ausserhalb der Bewegung einen authentischen Einblick zu ermöglichen und auf der anderen
Seite, um mein Wissen zu vertiefen und Erfahrungen zu sammeln.
Auf den folgenden Seiten werde ich mich nebst der Geschichte und der Entstehung auch mit
den subkulturellen und ideologischen Aspekten der Hardcore- Bewegung auseinandersetzen.
Im Themenbereich der Ideologie gehe ich auch auf die extremen Lebensformen wie den
Veganismus und den „Straight Edge“ ein, da diese aufgrund meiner persönlichen
Veränderung für mich von grosser Wichtigkeit sind.
In einem Kapitel über die „tragenden Elemente“ im Hardcore, versuche ich dem Leser, die
Musik und den Tanz, sowie die Kleidung und den Körperkult näher zu bringen.
Um ein Bild des geografischen und strukturellen Aufbaus der Hardcore- Bewegung
aufzuzeigen, bearbeite ich diesbezüglich das Beispiel der Schweiz. Ergänzend zu dem soll ein
Kurzportrait über einen in der Subkultur aktiven Jugendlichen aufzeigen, von welcher
Bedeutung das Teilsein dieser Bewegung sein kann, und welchen Einfluss dies auf den Alltag
hat.
-2-
2.0 Begriffdefinition von „Hardcore“
Die ursprüngliche Definition von „Hardcore“ (harter Kern) findet sich im Vietnamkrieg.
Unter den amerikanischen Soldaten entstand während der Kriegszeit ein Ritual, das darin
bestand, alle neuen Soldaten, die als „Cherrys“ bezeichnet wurden, „hardcore“ zu machen,
was soviel bedeutete, wie sie soweit zu bringen, bis sie töten konnten, ohne mit der Wimper
zu zucken. Also aus zivilisierten, warmherzigen Menschen, kaltblütige und gefühllose Bestien
zu machen.
In den 70er- Jahren wurde der Begriff dann auch in der Pornografie verwendet und später in
der Musik. In allen drei Fällen hat der Begriff „Hardcore“ etwas nahezu Unmenschliches an
sich.
Im Vietnamkrieg bedeutete er, die Menschlichkeit fürs Töten zu opfern. In der Pornografie
hatte er die Bedeutung einer klaren Trennung von Sex und Liebe, also die Reduzierung auf
eine rein mechanische Angelegenheit. In der Musik stand die Definition „Hardcore“
ursprünglich für eine Art Musik, die so intensiv und kompromisslos war, dass sie die
Mehrheit der Menschen weder hören wollte noch konnte.
3.0 Ein kurzer Rückblick auf die Entstehung und die Geschichte
3.1 Wie alles begann
Mitte der 70er- Jahre
Die Musikindustrie verwandelte sich nach und nach zu einem geldgierigen und dekadenten
Markt. Soul war zu oberflächlichem und rückhaltlosem Disco mutiert und Glamrock wurde in
sämtlichen Pubs rauf und runter gespielt.
Was einst 1969 mit Black Sabbath begann, die den Heavy- Metal ins Leben riefen, war
ebenfalls dem Glamour verfallen und hat längst seine Ausdrucksstärke verloren.
Die, die einst gegen das „Erwachsensein“ ankämpften, wie die Rolling Stones, schienen unter
Drogeneinfluss ihre rebellischen Ideale aus den Augen zu verlieren, und von der einst so
gesellschaftsverändernden Hippie- Ära waren nur noch ein paar Schlaghosen und lange,
ungewaschene Haare übrig geblieben. Eine musikalische Revolution schien der
gesellschaftlichen Oberflächlichkeit zum Opfer zu fallen.
Der Aufbruch
Viele Jugendliche in den vereinigten Staaten wie auch in England hatten die Nase voll von
dieser verlogenen, erfolgsorientierten Gesellschaft, welche sich nur noch an „blauen
Scheinen“ orientierte und über jegliche soziale und politische Missstände hinwegschaute.
Nach einem ersten fehlgeschlagenen Versuch, in den 60ern von experimentellen Rockbands
wie den „Sonics“ oder „Velvet Underground“ im Untergrund den Rock’ n Roll der 50iger zu
revolutionieren, starteten die jungen US- Punks einen zweiten Anlauf, der mehr Erfolg
versprechen sollte.
Bands wie die „Dictators“, „Dead Boys“ und schliesslich die „Ramones“ liessen den
amerikanischen Untergrund erzittern.
-3-
1977
Dieses Jahr sollte als das Jahr des britischen „77- Punk“ in die Geschichte eingehen.
Bands wie „The Clash“ und die „UK Subs“ schrieben ernste, überlegte politkritische Songs
um der britischen Bevölkerung die Augen zu öffnen, während die heute als Punk-Legenden
geltenden „Sex Pistols” vermehrt Wert auf anarchistisch- rebellische Provokation legten.
Die frühen UK- Punkbands standen für rotziges, unsauber gespieltes „3 AkkordGeschrumme“, welches musikalisch gesehen eher anspruchslos erscheint.
Es ging also nicht darum, Erfolg zu haben, sondern in erster Linie darum, die eigene Meinung
kund zu tun. Diese britischen Punkbands gelten heute als Ursprung der politischen Inhalte, die
Punk verkörpert.
Der gesellschaftskritische anarchistische Anti- Nazi- Punk auf seinem Höhepunkt
1978 fand im englischen Victoria Park der „ Carnival against the Nazis“ statt, bei dem
Politpunkgrössen wie „The Clash“ oder „X-Ray Spex“ vor einem Publikum von rund 100’
000 Menschen auftraten.
Nicht nur in England auch in den USA entwickelte sich Punk über seine gesellschaftlichen
Grenzen hinaus.
Punk blieb nicht länger nur die Musik, mit der engagierte links orientierte Jugendliche
versuchten, ihre Meinung zu äusseren und die Welt zu verändern.
Aufstieg in eine höhere gesellschaftliche Liga
Punk entwickelte sich zu einem Modetrend, der nicht einmal vor der Salonfähigkeit Halt
machte. Nebst den Grabenkämpfen rund um die politischen Inhalte der Musik schrie dieser
Wandel förmlich nach musikalischer Veränderung.
Eine Vielzahl von Musikern fing an, mit den Einflüssen verschiedenster Musikstilrichtungen
wie zum Beispiel, Ska, Reggae oder Jazz zu experimentieren. Punk floss nun auch in die PopMusik ein, was bei vielen Gruppen sichtlich negative Auswirkungen auf die textlichen Inhalte
hatte. Diese Abwandlung des Punkrocks wird heute gerne als „ New Wave“ bezeichnet, was
soviel bedeutet wie „Neue Welle“.
Zerrissene Hosen, farbige Schnürsenkel und bunte Frisuren waren längst nicht mehr nur das
Markenzeichen derer, die sich hin und wieder Strassenschlachten mit der Polizei lieferten und
sich in der Kritik am System übten, sondern einer „No Future“- Jugend, die im
Einfamilienhäuschen grossgezogen worden war.
3.2 Hardcore
Oberflächlichkeit stösst sauer auf!
Innerhalb der amerikanischen Punk- Bewegung wurden Stimmen laut.
Die Kommerzialisierung einer in ihren Grundzügen radikal politischen Bewegung stiess bei
vielen Anhängern auf Widerstand. Für einen Teil von ihnen war Punk mehr als nur Musik mit
politischem Inhalt, es war eine Lebenseinstellung.
Ende der 70er- Jahre begannen in Nordamerika kleinere Gruppierungen sich von der
Bewegung zu distanzieren. Distanzieren sollte nicht heissen, dass sie den Punk aufgaben.
Nein, viel mehr, dass sie ihm auf einer anderen Ebene eine neue Chance geben wollten.
-4-
1976- 1983 Die Veränderung
Die Jugendlichen begannen ihre andauernde Wut und Unzufriedenheit über gesellschaftliche
Missstände und die Blindheit der Bevölkerung mit neuer Härte zu entgegnen.
Zu Beginn war der Einfluss von früheren Bands wie den „Ramones“ oder den „UK Subs“
unverkennbar. Die Musik wurde jedoch schneller, härter und aggressiver und schien im
vergleich zum „77- Punk“ äusserst kompromisslos.
Durch genau diese Kompromisslosigkeit sollte die antikommerzielle Haltung der „HardcoreBewegung“ untermauert werden.
Jugendliche aus der Bewegung waren, bis auf wenige Ausnahmen, auf der Strasse kaum vom
normalen Zivilisten zu unterscheiden. Durch ein „cleanes“ Auftreten distanzierte man sich
gezielt von Punk, mit dessen Haltung und Auftreten man sich vielfach nicht mehr
identifizieren konnte.
Bereits im Jahre 1976 gründete sich die Band „Black Flag“ im Süden von Kalifornien,
welche heute als eine der einflussreichsten Bands in der Hardcore- Bewegung gilt.
Ihre ersten grösseren Konzerte spielte die Band unter anderem in Washington DC oder
NY- City, wo sich Jugendliche durch ihre raue, harte Musik in ihren Bann ziehen liessen.
Black Flag live im Ballroom in Hollywood
1980
Zwei Jahre später in Washington formierten sich die „Bad Brains“, eine Band, die
ausschliesslich aus afroamerikanischen Mitgliedern bestand und sich durch ihr extremes
musikalisches Tempo auszeichnete.
1980 Hardcore wird definiert
Durch „Minor Threat“ die sich 1980 in Washington DC gründeten,
fand Hardcore seine Stil- Definition, welche an die Musik von„Black Flag“ und den „Bad
Brains“ anknüpfte. Ian Mac Kaye, der Leadsänger von Minor Threat, hatte nie bewusst die
Absicht, eine Bewegung ins Leben zu rufen. Er war jedoch einer der Ersten, der in seinen
Texten nicht nur gesellschaftliche, politische oder sozialkritische Themen behandelte, sondern
die Jugendlichen innerhalb der Bewegung auforderte, ihr Leben zu verändern. So entstand die
„Straight- Edge“- Bewegung.
-5-
Ian Mac Kaye (Minor Threat) NYC 1982
3.3 Die Entwicklung
Die Musik veränderte sich in vielerlei Hinsicht, jedoch verlor sie nur selten an ihrer
Ausdrucksstärke. Die ablehnende Haltung innerhalb der Bewegung gegenüber
Fremdeinflüssen sollte in erster Linie verhindern, dass Hardcore an seiner politischen
Ausdruckskraft verlieren konnte. Bands wie die „Cro- Mags“
aus der amerikanischen Metropole New York experimentierten
auf ihrem 1986 erschienenen Longplayer „Age of Quarrel“
trotz allem mit Metal- Elementen. Auch andere Bands liessen
sich in ihrem musikalischen Spielraum nicht einschränken,
wodurch Mitte der 90er- Jahre die Begriffe Old- School- und
New- School- Hardcore entstanden. Bis heute entwickelte sich
eine Vielzahl von stilistischen Abwandlungen der Hardcore- Musik.
Nachdem sich die Musik vor allem in Nordamerika ausbreitete, griff Hardcore nach England,
schliesslich aber auch auf das europäische Festland über. In Holland, Finnland, Schweden und
Deutschland bildeten sich zwischen Ende der 80er- und Anfangs der 90er- Jahre erste
politisch aktive Hardcore- Gruppierungen. In Deutschland, wo bereits der Anarcho- Punk seit
mehreren Jahren Einzug gehalten hatte, bildete der Hardcore an sich eine Art positiven
Gegenpol.
Die ersten kleineren Hardcore- Bewegungen in Europa, die stark durch die amerikanischen
Vorläufer gezeichnet waren, verstanden es, sich zu organisieren, was sich positiv auf deren
Wachstum ausübte. Hardcore als Subkultur ist jedoch bis heute nicht auf eine Grösse
herangewachsen, die sich mit „Mainstream“- Subkulturen vergleichen lässt.
Hardcore lebt nicht von der grossen Masse, sondern von seiner ideologischen Stärke und
Überzeugungskraft.
-6-
4.0 Die ideologischen Hintergründe der Subkultur Hardcore
4.1 Einleitung
Hardcore ist in den frühen 80er Jahren als eine extreme Bewegung aus der links orientierten
Subkultur Punk hervorgegangen, die sich mehr und mehr in der Kommerzialisierung verlief.
Den Jugendlichen, welche diese Bewegung ins Leben riefen, war es wichtig, die
ursprünglichen Werte des Punks aufrecht zu erhalten und diese im Alltag umzusetzen.
Punk stellte sich in erster Linie gegen die Gewohnheiten, die herrschende Klasse, die
Konsumgesellschaft, das Bürgertum und gegen Snobismus, die häufig Ursache für
Unterdrückung und Ausbetung sind. Durch seine strikte Antihaltung und die „DIY“Lebensphilosophie geprägt, wendet er sich gegen das ihm vorgelebte hierarchische
Gesellschaftssystem.
Genau diese Aspekte des Punks sollten durch den Hardcore in einer Extremform aufrecht
erhalten bleiben. Jedoch distanzierten sich die Anhänger der HC- Bewegung klar von einer
destruktiven oder selbstzerstörerischen Haltung vieler Anarchopunks.
Die Hardcore- Bewegung setzt sich heute auch verstärkt gegen jegliche Art von
Diskriminierung in unserer Gesellschaft ein, wie Rassismus, Sexismus oder Speziezismus. Es
ist Ziel der Bewegung, den Menschen bewusst zu machen, dass sie keine Rechte haben,
Interessen und Leiden anderer Menschen oder Lebewesen zu ignorieren, nur weil sie nicht
dieselbe Hautfarbe haben, nicht zum selben Geschlecht gehören, oder andere sexuelle
Vorlieben pflegen.
Wichtig ist zu verstehen, dass all diese Diskriminierungen in der Gesellschaft aus Willkür
entstehen.
4.2 DIY „Do-it-yourself“
„DIY“, bedeutet soviel wie, den Glauben an sich selbst und die eigene Kraft als Triebfeder für
Veränderungen zu sehen. Die Do-it-yourself-Bewegung ist geprägt von einem Glauben an
Selbstermächtigung, Improvisation, Eigeninitiative und oft einem Misstrauen gegenüber
etablierter Autorität, gegenüber passivem Konsum und Vorgaben der Medien.
Hardcore ist im Vergleich zu anderen Gruppierungen keine Mitläuferbewegung, sondern zielt
bewusst darauf ab, den Menschen zu zeigen, von welcher Wichtigkeit eine eigene Meinung
ist, die weder durch Medien noch durch andere Menschen beeinträchtigt wird.
Eigene Gedanken, Ideen und Initiativen spielen hier also eine wesentliche Rolle.
Denn nur so ist es möglich, sich von den Ketten der geblendeten Masse zu befreien und mit
starkem Willen und Überzeugung seinen eigenen Weg zu gehen.
Im Hardcore spiegelt sich die Philosophie des DIY in den verschiedensten Bereichen, die sich
grob in zwei Überbegriffe zusammenfassen lasen.
•
•
Zum einen die Musik und
zum anderen die Information.
-7-
Im Bereich der Musik, die für die Szene als das wichtigste Medium fungiert, bestehen die
Aktivitäten im Organisieren und Veranstalten von Hardcore- Shows, im Aufnehmen,
Produzieren und Vertreiben von Hardcore- Musik, sowie dem Mitspielen in einer HardcoreBand.
Im Bereich der Information nehmen sogenannte Zines und immer häufiger auch E- Zines
(Internet Websites) einen sehr wichtigen Platz ein. In diesen Zeitschriften, die früher im
Vergleich zu heute, nicht gedruckt sonder kopiert und geheftet wurden, setzen sich die
Autoren mit politischen und szenebezogenen Themen auseinander, informieren über
Veranstaltungen wie Konzerte und Politevents sowie im Bereich der Musik über Bands und
Neuerscheinungen.
OX- Fanzine
Plastic Bomb- Zine
Slam- Zine
4.3 Friendship & Unity
Freundschaft und Einheit sind fest im Hardcore verankert und kommen innerhalb der
Bewegung in einer Form zur Geltung, wie sie kaum in einer anderen Subkultur zu finden ist.
In der Bewegung wird auch gerne von einer Familie gesprochen.
„Hardcore steht für mich unter anderem, für bedingungslose gegenseitige Loyalität und sehr
enge Freundschaft über alle nationalen Grenzen hinweg. Für eine Szene auch, in der es keine
Grenz zwischen Bands, Veranstaltern und Besuchern gibt. Alle gehören zusammen und
machen gemeinsam das Ganze aus.“ (Dani Caduff)
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4.4 Straight- Edge
4.4.1 Ideologische Hintergründe
Straight Edge umschreibt einen radikalen Lebensstil, welcher ursprünglich aus Protest gegen
Kontrolle und Manipulation entstanden ist.
Straight Edger konsumieren weder legale noch illegale Drogen, darunter fallen auch Koffein
und eine breites Sortiment an Beruhigungs- und Schmerzmittel sowie andere Medikamente.
Sie verzichten darauf, ihren Körper unnötig zu zerstören sowie Drogenkartelle und grosse
Wirtschaftskonzerne, mit ihrer Fähigkeit zur Manipulation der Bedürfnisse der Bevölkerung,
zu unterstützen, von welchen auch der Staat profitiert.
Weiter beinhaltet es auch den Verzicht auf sexuelle Gelegenheits- Beziehungen mit dem Ziel,
den dafür notwendigen Gefühlsaustausch zu sichern.
Die Straight Edge Bewegung bezieht sich als Teil der Hardcore- Bewegung im Wesentlichen
auch auf deren politische und ideologische Werte.
4.4.2 Überblick über die Entstehung und Entwicklung
In den späten 70er und den frühen 80er Jahren begannen kleinere Gruppen von Jugendlichen
ihre Ideologie in der Hardcore- Musik auszuleben. Die Punk- Szene, welche vor allem in den
Grossstädten stark durch eine selbstzerstörerische „fuck off“ Attitüde geprägt war, gab den
Jugendlichen zu denken. Sie konnten nicht verstehen, wie sich junge Menschen mit Speed,
Kokain oder anderen Drogen voll pumpten und dies als Unabhängigkeit bezeichneten.
"I'm a person just like you
But I've got better things to do
Than sit around and fuck my head
Hang out with the living dead
Snort white shit up my nose
Pass out at the shows
I don't even think about speed
That's something I just don't need
I've got the straight edge"
Minor Threat Leadsänger Ian Mc Kay schrieb diesen Text, nach dessen Titel die spätere
Bewegung bezeichnet werden sollte 1980. In den Texten umschrieb er seine Abneigung
gegenüber dem üblichen Umgang mit Drogen in der Punkszene. Seiner Meinung nach hatte
der Punk als Protestkultur durch die Drogen sein ursprüngliches Ziel aus den Augen verloren.
Die Basis der Bewegung stützte sich darauf, dass der Mensch Drogen nicht brauche und
distanzierte sich in radikaler Form von dessen Konsum. Sie stellte sich durch ihre Ideologie,
gegen die Normgesellschaft, welche durch Grosskonzerne und politische Systeme manipuliert
wurde.
Beeinflusst durch Minor Threat und andere Bands aus Washington DC wie die Teen Idles und
SAO, begannen bostoner Band wie SSD (Society/ System/ Decontrol) und DYS sich mit viel
Herz dem Straight Edge anzunehmen.
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Die Ostküste war jedoch nicht der einzige Ort an dem Straight Edge Einzug hielt. Die Bands
an der Westküste wie „Unity“, „Uniform Choice“, und „7 Seconds“, um nur einige zu nennen,
begannen ebenfalls Straight Edge- Hardcore zu spielen und dessen Philosophie zu verbreiten.
Die bis hier erwähnten Bands, waren zwischen 1981 und 1984 aktiv. Als 1985 „Youth of
Today ihr Album „ Can’ t Close My Eyes“ veröffentlichten, veränderten sie die Straight
Edge- Bewegung massgebend. Youth of Today hatten während ihrer Bandzeit ebenfalls sehr
starken Einfluss auf den heute für seine Härte bekannten NY- Hardcore.
Youth of Today: Youth Crew
Me you youth crew!
If the world was flat I'd grind the edge
To the positive youth my heart I pledge
X on my hand now take the oath
To positive youth to positive growth
To positive minds, to pure clean souls
These will be all my goals
Walk with me and my crew
There is so much shit we can do
And we won't stop until we're through
Von „Youth of Today“ wechselten regelmässig Mitglieder zu anderen Bands welche später
die Youth Crew gründeten und den Straight Edge- Hardcore über Jahre definierten. Bands wie
Bold, Side By Side, Gorilla Biscuits, Judge und Project X bildeten zusammen das Fundament
auf dem heutige sXe- Bands aufbauen.
Die „Youth Crew“- Ära endete in den späten 80er Jahren, hinterliess jedoch ihre Spuren. Die
Bewegung war längst nicht mehr nur ein musikalisches Wortgebilde, sondern eine in der
Jugend Veränderung bringende Kraft.
In den späten 80er und frühen 90er- Jahren wurden viele Bands wie „Inside Out“ oder
„Brotherhood“ aus dem Raum von Seatle und Kalifornien zusehends politischer und ihre
Radikalität schlug in ein militantes und elitäres Verhalten um.
Anfangs der 90er Jahre gründete sich rund um den Sänge Karl Buechner die amerikanische
Band „Earth Crisis“, welche sich in militanter Form für die Rechte der Tiere und den
Umweltschutz einsetzte. Alle Mitglieder der Band waren bekennende „Vegan Straight
Edger“. In dieser Zeit wurde Hardcore stark durch Metal beeinflusst, was in der Musik von
weiteren Gruppen wie „Strife“, „Brother’ s Keeper’ s“ und „One King Down“ gut zur Geltung
kommt.
Durch die militante und teils fast fundamentalistische Ausdrucksweise und das Auftreten der
Straight Edger wurden in der Bewegung starke Widersprüche ausgelöst. Die Befürwortung
von Gewalt gegen Andersdenkende hielt Einzug in die Szene, und es entwickelte sich eine Art
Gang- Mentalität unter den Jugendlichen.
Der Titel „Firestorm“ von „Earth Crisis“ war einer der am häufigsten fehlinterpretierten
Texte. Die Zeilen waren rein sinnbildlich zu verstehen, jedoch vermochte es die
„Mainstream“- Presse nicht, zwischen den Zeilen zu lesen.
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Earth Crisis: Firestorm
Street by street.
Block by block.
Taking it all back.
The youth's immersed in poison
Turn the tide counterattack.
Violence against violence,
Let the roundups begin.
A firestorm to purify the bane that society drowns in.
In derselben Zeit wurde die „Youth Crew“- Bewegung durch „Ten Yard Fight“, „In My Eyes“
und andere Gruppen erneut ins Leben gerufen, die eine Art positiven Gegenpol zu den
militanten „vegan warriors“ bildeten. Sie brachten die klaren ideologischen Richtlinien zurück
in die Bewegung.
Die Straight Ege- Bewegung durchlebte in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends viele
Hochs und Tiefs, wodurch die Zahl der Anhänger wie die der Bands massiv zurückging.
Bands wie „With Honor“, „Champion“ oder „Comeback Kid“, die heute die Straight EdgeIdeologie in ihrer Musik weitergeben, tun dies mit Leib und Seele.
4.4.3 Symbole als Zeichen der Zugehörigkeit
Als Erkennungszeichen wird in der Szene häufig ein grosses „X“ genutzt. Da in den frühen
80er Jahren Punk- Shows fast ausschließlich in Clubs stattfanden, in denen Alkohol
ausgeschenkt wurde, hatten jünger Punks keinen Zutritt. Daraufhin entstand die Praxis, noch
nicht volljährigen Punks den Handrücken mit einem „X“ zu markieren, an welche dann kein
Alkohol abgegeben wurde. Viele Straight Edger malen oder tätowieren sich im Extremfall das
„X“ auf beide Handrücken, um ihre Zugehörigkeit und Abstinenz zu untersteichen. Hieraus
wird deutlich, dass der Lebensstil des Straight Edge eine Entscheidung für das ganze Leben
sein soll.
Nebst dem „X“ auf den Handrücken ist in der Bewegung auch die Abwandlung „XXX“
geläufig, welch ursprüngliche aus Washington D.C. kommt, wo die Straight Edge- Bewegung
mit Minor Threath ihren Anfang nahm. In der dortigen Flagge stehen drei Sterne
nebeneinander. Weiterhin findet aber auch die Buchstabenkombination sXe Verwendung.
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4.4.4 Vegetarismus & Veganismus
Im Laufe der Jahre haben sich viele Straight Edger entschlossen, sich auch dem Vegetarismus
anzunehmen, mit der Begründung, dass es nicht im menschlichen Ermessen liege, durch den
grausamen Tod andere Arten zu profitieren. Vegetarismus beinhaltet den Verzicht auf
jeglichen Fleischkonsum. Darunter fallen auch Meeresfrüchte und Fisch.
Veganismus (Vegan Straight Edge)
Veganismus ist eine Lebensweise, welche aus ethischen Gründen auf die Nutzung von Tieren
verzichtet. Der Veganismus schliesst im Vergleich zum Vegetarismus alle Lebensbereiche mit
ein. Zentrale Punkte des Veganismus sind:
•
•
•
Verzicht auf Nahrungsmittel tierischen Ursprungs (Fleisch, Milch, Eier, Honig, sowie
versteckte tierische Produkte)
Verzicht auf Gebrauchsgüter tierischen Ursprungs (Leder, Seide, Wolle, Daunen,
Bienenwachs, etc.)
Ablehnung jeglicher Nutzung von Tieren (Jagd, Tierversuche, Zoos, Delphinarien,
Reiten, Zirkus, etc.)
Der Veganismus- Gedanke geht daher meist mit dem Tierrecht einher.
Vegetarismus und Veganismus sind nur optional in den Straight Edge- Lebensstil
eingebunden und treten häufig auch unabhängig von diesem in Erscheinung.
5.0 Tragende Elemente im Hardcore
5.1 Hardcore- Musik
Wie ich bereits im Kapitel über die Entstehung und die Geschichte der Subkultur Hardcore
angetönt habe, wurde die Hardcore- Musik über die Jahre abwechslungsreicher und
entwickelte sich zu einem Überbegriff für verschiedene Stilrichtungen.
Ich werde nachstehend in einem kurzen Überblick auf die wichtigsten stilistischen
Abwandlungen des Hardcores eingehen, den Bezug zu Old- und New School- Hardcore
erklären und ein Bild der textlichen Inhalte sowie der musikalischen Beeinflussungen
darstellen.
5.1.1 Old- School Hardcore
Old- School (Alte Schule) ist die Bezeichnung für den Hardcore der ersten Stunde, der als
schnellere, härtere und intensivere Form aus dem Punk der späten 70er hervorgegangen ist.
Für viele Anhänger der Hardcore- Bewegung ist dies die einzig wahre Form des Hardcores
(HC), da er Punk als seine stilistischen und thematischen Wurzeln nicht leugnet und sich nicht
bewusst an anderen Musikstilen orientiert.
Hardcore behandelt in seiner Urform hauptsächlich politische und gesellschaftskritische
Themen, wie jegliche Arten von Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung. Die
Musik richtet sich aber auch gegen die Oberflächlichkeit und Leichtgläubigkeit der
Gesellschaft sowie gegen die Einschränkung durch Autoritäten.
Hardcore geht einher mit einer starken Grund- Aggressivität, welch sich im Auftreten der
Bands wie auch im ungezähmten und wütenden Gesang widerspiegelt.
- 12 -
5.1.2 New- School Hardcore
Als New- School Hardcore, werden sämtliche stilistischen und thematischen Abwandlungen
vom Old- School Hardcore bezeichnet. Durch die Beeinflussungen, die überwiegend aus dem
Metal- Bereich, aber auch aus dem Jazz sowie anderen Stilrichtungen kommen, verändert sich
häufig nicht nur das Klangbild, sondern auch die behandelte Thematik und deren Umsetzung.
Melodycore :
Musikalische Definition:
Melodycore steht für melodiösen Hardcore, in welchem im Vergleich zu seiner Urform
grossen Wert auf eingängige Melodien gelegt wird. Die Strophen werden meist einstimmig
gesungen und in den Refrains durch mehrere Stimmen abgelöst. Melodycore wird oft auch als
„Skatecore“ bezeichnet. Dieser Begriff entwickelte sich, weil vor allem in Kaliforniern eine
starke Durchmischung der Punk- mit der Skater- Szene stattfand, worauf die melodiöseren
Lieder oft in Skate- Videos auftauchten.
Textliche Inhalte:
Die textlichen Inhalte sind ebenfalls mehrheitlich politischer Natur, werden hier jedoch oft
durch Vergleiche dargestellt oder in Geschichten umgesetzt.
Emocore:
Musikalische Einflüsse:
Emocore bedeutet soviel wie emotionaler Hardcore und lässt so bereits durch den Namen auf
die textlichen Inhalte schliessen. Die Musik besteht einerseits aus harten Passagen in welchen
der Sänger schreit, andererseits aus sanften Melodien, in denen gefühlvoll gesungen wird.
Im Emocore kommen häufig auch klassische Instrumente wie Geige oder Klavier (Keyboard)
zur Anwendung. Die Bezeichnung Emo, wie „emotional“, ist die Definition der sanfteren
Spielweise des Emocores und findet heute im Pop vielerorts Anwendung.
Textliche Inhalte:
Musikgruppen im Bereich des Emocores setzen sich in ihren Texten meistens mit
persönlichen Problemen auseinander, wie verflossener Liebe, Verrat durch Freunde, Trauer,
Tod oder Selbstmordgedanken. Eher seltener sind in dieser Sparte stark politisch orientierte
Bands anzutreffen.
Metalcore (Fashioncore):
Musikalische Einflüsse:
Metalcore ist vor allem im europäischen Raum durch Death-, Trash- und den melodiösen
skandinavischen Metal wie zum Beispiel „At The Gates“ stark beeinflusster Hadcore.
Die gesangliche Umsetzung ist von Band zu Band verschieden, die jedoch am häufigsten
vorkommenden Gesangsstile sind abwechselndes hohes und tiefes Schreien, eine Art Fauchen
oder melodiöser Gesang. Diese Gesangsstile werden aber häufig auch miteinander
kombiniert. Der amerikanische Metalcore wird im Gegensatz zur europäischen Umsetzung
nur gering durch den melodiösen Metal beeinflusst und bis auf wenige Ausnahmen wird nicht
gesungen. Die meisten Metalcore- Bands spielen ihre Musik auf einem hohen, technisch
anspruchsvollen Level. Instrumente, die nebst dem Standard für die Hardcore- Musik oft
- 13 -
gespielt werden, sind wiederum klassische Instrumente, die für eine sphärische und oft
beruhigende Beeinflussung sorgen.
Textliche Inhalte:
Im Metalcore vermischen sich die Themen des ursprünglichen politischen Hardcore mit denen
des Emocore und decken so einen weiten textlichen Spielraum ab.
Der Ausdruck Fashioncore (Mode- Hardcore), wird in der HC- Bewegung vorwiegend von
Leuten verwendet, die für Metalcore nicht viel übrig haben, da er sich auf eine negative
Entwicklung bezieht. Die Bezeichnung ist entstanden, als Grossunternehmen (Major- Labels)
wie Sony und Century- Media begannen Metalcore- Bands in ihr Sortiment aufzunehmen,
weil sie beobachteten, dass sich dieser Musikstil gut vermarkten lässt.
5.2 Tanz
Im Hardcore sind über die Jahre, verschiedene Formen des Tanzes entstanden, die ihre
Wurzeln im Slamdance und Pogo des Punks haben. Diese Tanzvariationen dienen in erster
Linie dem Abbau von im Alltag angestauten Frustrationen und Aggressionen.
Durch die im New- School entstandene Kombination aus Hardcore und Metal ging eine
Tanzform hervor, die in der Szene als „Violent Dancing“ bezeichnet wird und heute auf
Hardcore- Shows breite Umsetzung findet.
Violent Dancing (gewalttätiges/ heftiges Tanzen) bezeichnet eine Vielfalt an
Bewegungsabläufen die sich aus Kickboxen, asiatische Kampfsportarten und dem
brasilianischen Capoeira zusammensetzen. Das absichtliche Schlagen und Verletzen von
anderen Konzertbesuchern trifft trotz der Bezeichnung in der Bewegung auf starke
Ablehnung. Blaue Flecken und Prellungen sind jedoch Teil dieses Rituals und auch
Verletzungen wie blutende Nasen oder in Mitleidenschaft gezogene Gelenke gelten nicht als
seltene Erscheinung.
Im Hardcore wird zwischen zwei verschiedenen Umsetzungsformen des Tanzes
unterschieden, die als „Mosh- Pit“ und „Circle- Pit“ definiert werden.
Der Ausdruck „Pit“ bezieht sich auf die Tanzfläche vor der Bühne. Der Kunstausdruck
„Mosh“ hat seine Wurzeln im Trash- Metal und bedeutet soviel wie „starke Emotionen“ oder
auch „Chaos“. Im „Mosh- Pit“ bewegen sich die die Konzerbesucher folglich unkoordiniert
und wild durcheinander, während sie sich bei einem „Circle- Pit“ im einem Kreis bewegen.
„Moshing“ wird ebenfalls häufig als Bezeichnung für die Tanzvariationen im Hardcore
verwendet.
5.3 Mode und Erscheinungsbild
Bis heute stehen die politischen und ideologischen Werte im Vordergrund, woraus folgt, dass
die Mode im Hardcore nicht wirklich von grosser Bedeutung ist. Idee war es, musikalisch wie
auch modisch keinen Nährboden für die Massentauglichkeit zu bieten. Das Outfit, bestehend
aus Turnschuhen, Jeans, T-Shirt und oft einem Kapuzenpullover oder einer Trainerjacke, war
im Vergleich zum britischen Punklook unauffällig einfach und liess sich auch im Alltag
tragen. Als Erkennungszeichen in der Bewegung dienten meist Schriftzüge oder Symbole von
HC- Bands aufgedruckt auf die Textilien.
Die Mode hat sich im Verlauf der Jahre nicht gross verändert.
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Heute werden zu der oben erwähnten Kleidung oft noch Nietengürtel, Baseball- Cap und
Portemonnaie- Ketten getragen und die Haare schwarz gefärbt.
Sunrise
Heaven Shall Burn
Auch Tätowierungen und Piercings haben neben Totenköpfen auf Textilien in der Bewegung
ihren Platz gefunden, um ein „toughes“ Erscheinungsbild zu unterstreichen.
Im Vergleich zu den schlichten und eher kleineren Tätowierungen, wie sie unter jungen
Leuten in Mode gekommen sind, zeichnen sich die Tätowierungen in der HardcoreBewegung durch ihre grossflächige Ausführung, häufige Vielfarbigkeit und thematischen
Bezug aus.
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Die Musiker und Anhänger der verschiedenen musikalischen Abwandlungen, die über die
Jahre im Hardcore entstanden sind, haben ihr modisches Erscheinungsbild zum Teil noch
erweitert. So werden im Metal- und Emocore häufig schwarze Kleider getragen und die
Augen schwarz geschminkt.
Bleeding Through
Caliban
6.0 Einblick in die Hardcore- Szene am Beispiel der Schweiz
Ich habe mich während meiner Recherchen über die Hardcore- Bewegung mit Dani Caduff
(D.C.) aus Kloten in Verbindung gesetzt, welcher viel Zeit als Mitarbeiter einer SzenenPlattform investiert. Durch ihn wollte ich in erster Linie mehr über die Schweizer Szene
erfahren und den direkten Bezug dazu herstellen.
Dani ist mir in einem ausführlichen Interview über seine Person und Themenbereiche
bezüglich der Szene Red und Antwort gestanden.
Ich habe das Interview bewusst in zwei Kapitel unterteilt. Um zum einen Einblick in die
Strukturen der Bewegung am Beispiel der Schweiz zu geben, und zum andern, um durch ein
Kurzportrait über Dani aufzuzeigen, wie Jugendliche Teil der Bewegung werden, wie wichtig
eigenes Engagement ist und welche Rolle die Musik dabei spielt.
6.1 Menschen
Die typischen Leute in der Hardcore- Bewegung sind männlich, zwischen 15 und 35 Jahre alt
und in vielen Fällen überdurchschnittlich gebildet. Auch wenn alle Hardcore- Kids die PunkEthik in sich tragen, so stammen die meisten doch aus Mittelklasse- Familien. In der
Hardcore- Bewegung sind unterdurchschnittlich wenig Ausländer aktiv, obwohl Hardcore
dezidiert antinationalistisch und antirassistisch ist.
Nicht nur in der Schweiz sondern weltweit zeichnet sich das Phänomen ab, dass die HardcoreSzene durch das männliche Geschlecht dominiert wird. Als einzige Ausnahme geht
Deutschland hervor, wo links orientierte Bewegungen seit jeher im grösseren Stil aktiv sind.
Die Männer dominieren zwar auch hier die Szene, jedoch sind gut ein Fünftel Frauen in der
Bewegung aktiv.
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6.2 Geografische Streuung
Der Grossteil der Hardcore- Szene ist meistens in und um Städte herum aktiv.
In der Schweiz konzentriert sie sich hauptsächlich auf den Osten, wo Zürich, St. Gallen und
das Rheintal eine wesentliche Rolle spielen. Das Herzstück bildet hier der Club „Remise“ in
Wil wo seit über 10 Jahren regelmässig grössere Hardcore- Shows stattfinden. In der
Westschweiz beschränkt sich die Szene auf die Stadt Genf. Seit wenigen Jahren ist auch
Luzern zum Zentrum einer jungen und sehr aktiven Bewegung geworden.
Für sich gesehen hat die Stadt Zürich die grösste Szene der Schweiz. Mit dem „Kontiki“,
existiert hier zudem die einzige 100% reine Hardcore- Bar, die über die Jahre zu einem
wichtigen Szenetreffpunkt geworden ist. Natürlich ist die Bewegung auch ausserhalb von
Grossstädten aktiv, wenn auch in viel kleinerem Rahmen
6.3 Ziele der Bewegung
Direkte Ziele der gesamten Bewegung zu umschreiben ist schwierig, weil sich die Aktivitäten
innerhalb der Szene stark ausdifferenzieren. Grundsätzlich ist zu sagen, dass die meisten
Leute sehr politisch sind, wenn es um Fragen wie Sexismus, Rassismus, Ökologie,
Homophobie sowie Tier- und Menschenrechte geht. Das politische Engagement besteht vor
allem aus einer eigenen Meinungsbildung und der Absicht, die erlangten Überzeugungen an
andre weiterzugeben. Es gibt jedoch auch Leute in der Bewegung, die zum Beispiel in der
Hausbesetzerszene aktiv sind, an Demonstrationen teilnehmen oder politischen Parteien
beitreten. HC an sich bildet aber keine politische Einheit.
Die DIY- Philosophie als sehr wichtiger Bestanteil des Hardcore- Lifestyles, hat gerade in
einem kleinen Land wie der Schweiz eine wesentliche Bedeutung. Man hilft sich, man spricht
sich ab und organisiert sich untereinander. Diese Tatsache unterstreicht, dass Hardcore als
Subkultur nicht nur konsumieren sondern auch gestalten und verändern will.
6.4 Medien und Kommunikation
Früher, bevor das Internet den heutigen Massstab erlangte, war innerhalb der Bewegung die
„Mund-zu-Mund“ – Propaganda so wie das Verteilen von Flyern (Flugblätter) am
wichtigsten, denn nur so erfuhr man von bevorstehenden Konzerten und Veranstaltungen.
„Networking“ stellte also, was Informationsfluss anbelangte, eine massgebende Komponente
dar. Kaum eine andere Subkultur profitiert in solch hohem Ausmass vom Internet wie HC.
D.C.: „Bei Pitfire haben wir heute über 20'000 registrierte User, die wir mit einem einzigen
Mausklick mit Infos versorgen können. Nicht ganz ohne Stolz kann ich also sagen, dass wir
mit Pitfire eine mittlerweile doch sehr erfolgreiche Plattform geschaffen haben.“
Auch Zines gelten als wichtiges Medium, vor allem was musikalische Neuerscheinungen,
Band- Hintergrundinformationen sowie Konzerttermine anbelangt. REALROCKER, ist
zurzeit das einzige gedruckte HC- Zine der Schweiz, und wird neben dem OX-, dem SLAMund dem PLASTIC BOMB- Zine aus Deutschland am häufigsten gelesen. Diese Zines
erscheine häufig mit einer beiliegenden CD.
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6.5 Einflüsse und Entwicklung
Die europäische Bewegung wird musikalisch wie auch strukturell primär durch die
amerikanische Szene beeinflusst. Nicht weil sie Amerikaner sind, sondern deshalb, weil in
Amerika vergleichsweise am meisten Menschen leben, und die Szene folglich auch grössere
Ausmasse angenommen hat. Amerikanischen Bands ist es dementsprechend auch eher
möglich, ausgedehnte Europatourneen zu unternehmen, was aus finanziellen Gründen
umgekehrt selten der Fall ist.
Jedoch gerade in den letzten Jahren mit dem Erscheinen des Metalcores nahm auch die
wachsende europäische Szene Einfluss auf die musikalische Entwicklung.
Europäische Hardcore- Labels wie LIFEFORCE und ALVERAN aus Deutschland und
GOODLIFE aus Belgien, die allesamt als DIY- Labels begannen, wuchsen innerhalb weniger
Jahre zu einem wichtigen Teil der europäischen Hardcore- Kaderschmiede heran.
LIFEFORCE gilt heute als Sprungbrett für die Major- Liga des Hardcores.
Bands wie „Caliban“, „Heaven Shall Burn“, „Trivium“ und auch „Cataract“ aus der Schweiz
waren vor ihrem Durchbruch zu Major- Labels bei LIFEFORCE unter Vertrag.
Ein Zeichen des wachsenden europäischen Einflusses ist die Tatsache, dass seit jüngerer Zeit
auch amerikanische Bands ihre Musik in Europa produzieren lassen.
Die Schweizer- Szene erfährt seit einiger Zeit wachsenden Zulauf. Einerseits sicher auf Grund
der wachsenden Popularität des Metalcores, aber andererseits ist auch der anhaltende Trend
zum Snow- und Skateboarding ein wichtiger Faktor. Vom Melodicpunk, der häufig mit diesen
Trendsportarten einhergeht, ist es nur noch ein vergleichsweise kleiner Sprung bis zum
Hardcore. Weiter ist dieses Wachstum auch auf die Entwicklung in anderen Musiksparten
zurück zu führen. Die ablehnende Haltung von Jugendlichen gegenüber dem Machismo im
Hip- Hop oder dem gleichgültigen Hedonismus in der Techno- Szene verschlägt sie häufig in
den Bereich der alternativen Rockmusik. Sei es Punk, Emo, Hardcore oder Metal, denn diese
Sparten sind so eng miteinander verknüpft, dass die HC- Szene sicherlich davon profitiert.
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7.0 Hardcore „One life – One choice“
Ein Kurzportrait über Daniel Caduff
Dani ist 26 Jahre alt und macht den Eindruck eines aufgestellten jungen Mannes, der sich
stark mit den Idealen des Hardcores identifiziert, was seine Antworten verraten. Er studiert
Politikwissenschaft und Völkerrecht in Zürich und arbeitet nebenbei bei einem
Internetprovider. Praktisch jede Minute seiner Freizeit investiert Dani in Hardcore, indem er
für „Pitfire“, eine E- Zine, gleichzeitiges Plattenlabel und Konzertveranstalter arbeitet. Dani
gehört mit zu den Gründungsmitgliedern von „Pitfire“, was früher unter dem Namen
„Stagedive“, einem Online- Magazin für Hardcore und Punk Musik bekannt war.
Als Dani 14 Jahre alt war, waren Bands wie „Green Day“, „Offspring“, „Bad Religion“ oder
„NOFX“ gerade im Trend.
D.C.: „Damals gefielen mir primär die Musik und die Attitüde, welche ich vor allem mit
Saufen, Skaten und Snowboarden verband.“
Skate- und Snowboardvideos waren für ihn eine wichtige Quelle dieser Musik, da er zu der
Zeit noch keine Plattenläden kannte, die diese Musik verkauften. Später, vor allem während
seiner Zeit am Gymnasium, als er viel Zeit in besetzten Häusern verbrachte, kam er über die
Musik auch mit Politpunks in Kontakt und entdeckte, dass Punk primär eine Untergrundbewegung war. In der Szene unterschied man nicht zwischen Punk- und HC.
Bands wie „ Minor Threat“ oder die „Dead Kennedys“ waren für ihn damals Hardcore. Heute
vor ziemlich genau zehn Jahren wurde ihm von einem guten Freund die Band „Sick Of It All“
empfohlen, worauf er sich eine CD kaufte.
Dieser Kauf und eine kurz darauf folgendes Konzert von „SOIA“ und „Vision of Disorder“ in
Zürich brachten die Wende.
D.C.: „Seither ist Hardcore nicht nur Teil meines Lebens, Hardcore ist mein Leben!“
Er reist jährlich tausende von Kilometer, um an Hardcore- Shows zu gehen und neue Leute
kennenzulernen.
D.C.: „Deswegen geht es nie nur um die Musik an sich. Konzerte sind immer auch ein Ort,
um sich mit Gleichgesinnten zu treffen.“
Bis heute hat er schätzungsweise 500 Auftritte von Bands live miterlebt.
Er hört einerseits gerne NY- Hardcore- Bands wie „Sick Of It All“ oder „Madball“, dazu aber
auch Polit- Hardcore aus sämtlichen Epochen. Seit geraumer Zeit stehen auch MetalcoreScheiben in seinem CD- Ständer. Von den amerikanischen Varianten wie „Hatebreed“ oder
„All Out War“ bis hin zu den europäischen, noch stärker vom Metal inspirierten Bands wie
„Heaven Shall Burn“, „Caliban“ oder „Liar“. Was er jedoch verhältnismässig wenig hört, ist
„Youth- Crew“- Hardcore, der in den 80ern als Teil der sXe- Bewegung entstand.
Grundsätzlich stehen für Dani die Inhalte der Musik im Vordergrund, wobei er klar sagt, dass
es schwierig, wenn nicht unmöglich sei, die Inhalte von der Musik zu trennen.
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Was mich speziell interessierte war, was Dani persönlich, abgesehen von seiner politischen
und gesellschaftskritischen Einstellung, mit Hardcore verbindet.
D.C.: „Früher war es einerseits die Outlaw-Kultur. Hardcore bedeutete Abgrenzung
gegenüber dem gleichgeschalteten „Mainstream“. Man war der Exot, egal ob in der
Schulklasse oder in der Familie. Das heisst, Hardcore machte mich damals zu etwas
Speziellem, es gab mir die Möglichkeit, mich von der Masse zu unterscheiden. Andererseits
war es aber auch das kathartische der Konzerte. Man kommt hin, unter Umständen mit
schlechter Laune oder nach einem stressigen Tag, trifft Freunde, lässt dann während weniger
Stunden die „Sau“ raus und geht mit guter Laune wieder nach Hause. Diesen
„Reinigungseffekt“ für meine Seele finde ich auch heute noch spannend. Egal wie beschissen
es mir manchmal auch geht, nach einer halben Stunde im Pit ist jeder Ärger weg.“
Als ich im späteren Verlauf des Interviews auf die extremen Lebenseinstellungen wie den
Veganismus und den Straight- Edge einging, kam Dani erneut auf die Frage zurück.
D.C.: „Ich finde den Veganismus wie den Straight- Edge gut, auch wenn ich weder das eine
noch das andere lebe. Was mich diesbezüglich an HC fasziniert, ist die Tatsache, dass es in
unserer Szene möglich ist, all diese Dinge zu diskutieren. Das ist für mich der grosse
Unterschied zu anderen Subkulturen und auch zur Normgesellschaft. Im HC kommst du nicht
darum herum, dich mit ethischen Fragen aller Art auseinanderzusetzen und dir Gedanken zu
machen..
Die Arbeit bei „Pitfire“ ist für Dani von sehr grosser Bedeutung. Genau diese Arbeit gibt ihm
die Möglichkeit, seine Ideen und Vorstellungen in die Bewegung mit einzubringen und Teil
des Ganzen zu sein.
Er organisiert Konzerte, von ganz klein bis ganz gross. Das können Konzerte von Schweizer
DIY- Bands sein, die meistens auch zu seinem Freundeskreis gehören, oder aber grössere
Shows wie zum Beispiel die „Hell On Earth“- Tour vom 11. Oktober 2005. Nebenbei schreibt
er häufig Konzert- und CD- Reviews und ist als Sänger in einer Hardcore- Band aktiv.
Flyer der „Hell on Earth“Tour 2005
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Hardcore lebt stark durch die Emotionen und die Gefühle jedes einzelnen, die meist durch
Ungerechtigkeit, systematische Ausgrenzung oder andere gesellschaftliche Entwicklungen
entstehen. So sehe ich wie auch viele andere Jugendliche in der Hardcore- Bewegung mit
kritischem Auge auf die Veränderungen in unserer Gesellschaft.
D.C.: „Persönlich würde ich mir erhoffen, mit diesem Interview einen Beitrag dazu zu leisten,
dass Leute ausserhalb der Szene uns mit anderen Augen betrachten. Zu oft noch habe ich den
Eindruck, dass Leute die beispielsweise stark tätowiert sind oder T-Shirts tragen mit
Totenköpfen und ähnlichem von vielen Leuten wie Schwerkriminelle angesehen werden.
Einerseits gehört diese Aussenseiterrolle sicherlich ein Stück weit zu Hardcore, sie verstärkt
den Zusammenhalt innerhalb der Szene.
Andererseits sind für mich all diese Vorurteile Ausdruck einer Gesellschaft, die froh darüber
ist, wenn sie sich nicht zu viele Gedanken machen muss. Wenn ich sehe, wie viele Leute kaum
weiter denken können als die Distanz zwischen ihrem Bett und ihrem Arbeitsplatz, finde ich
das schon ziemlich beschämend. Insofern ist Hardcore für mich auch eine Forderung: Die
Forderung lautet vereinfacht gesagt: Denk nach! Erhalte dir einen kritischen Geist, hab den
Mut, gegen den Strom zu schwimmen. Auch wenn 90% der Jugendlichen sich nicht für Politik
interessieren, ist das noch keine Entschuldigung dafür, dass ich mir selbst auch keine
Gedanken mache.
Hardcore wehrt sich, ich wehre mich gegen jede Form von „Massentierhaltung“! Eine
Gesellschaft, die sich nur noch selbst verwaltet und versucht, jegliche Abweichung gleich als
„non konform“ hinzustellen, wird niemals in Einklang zu bringen sein mit der Idee von
Hardcore.
Dies sind die letzten Zeilen, die mir Dani geschrieben hat, nach dem ich ihn gebeten habe,
seine persönlichen Gedanken zu formulieren, die er an die Leser meiner Arbeit weitergeben
möchte.
Ich für mich sehe in diesen Zeilen eine Aufforderung, mir Gedanken zu machen und hoffe,
dass ich mit meiner Interpretation nicht alleine bin.
8.0 Schlusskommentar
„Hardcore ist für mich nicht nur eine Lebenseinstellung, eine subkulturelle Bewegung oder
gute Musik, sondern weit mehr als das. Hardcore heisst für mich auch Selbstverwirklichung,
mich selbst zu sein und mein eigenes Leben zu führen. Nicht nur Entscheide fällen zu lassen,
sondern selber Entscheide zu fällen. Nicht blind zu akzeptieren, sondern mich Konflikten zu
stellen und meine Gefühle und Empfindungen nach aussen zu tragen, statt mir meine Stimme
verbieten zu lassen.“
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