Informationen über die Kastanienminiermotte (Cameraria

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Informationen über die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella
Deschka et Dimic)
Bedeutung
Die Kastanienminiermotte gehört zur Kleinschmetterlingsfamilie der
Miniermotten. Hauptverbreitungsgebiet der Schmetterlingsgattung Cameraria
ist Nordamerika und Ostasien; nur diese eine Art tritt in Europa auf. Sie
wurde Anfang der achtziger Jahre in Mazedonien entdeckt und breitet sich
seitdem zunehmend über Europa aus. In Berlin wurde die Art erstmals 1998
beobachtet, seither hat sie sich über das gesamte Stadtgebiet verbreitet, dies
gilt auch für das Land Brandenburg. Die Ausbreitung dieser Motte erfolgt
hauptsächlich mit Luftströmungen, durch Verkehrsmittel und Transportgüter
sowie mit dem Flug der Falter.
Als Hauptwirtspflanze gilt die Gewöhnliche oder Weißblühende Rosskastanie
(Aesculus hippocastanum). Es werden Bäume jeder Altersklasse besiedelt. Besonders stark tritt die
Mottenart in den temperaturbegünstigten Großstädten und anderen überdurchschnittlich warmen
Standorten, sowie entlang der Straßen auf. Hier kann die Motte bis zum Hoch- und Spätsommer die
gesamte Blattmasse der Kastanienbäume zerstören. Durch den damit verbundenen Chlorophyllverlust1
wird die Assimilationsleistung2 vermindert. Die Folgen sind Neigung der Bäume zum erneuten
Austrieb und zur Blüte im Herbst und damit mangelnde Ausreife des Holzes und erhöhte
Frostanfälligkeit sowie verminderte Triebleistung im Folgejahr. Gemeinsam mit anderen Belastungen
kann ein Befall mit der Kastanienminiermotte zu anhaltenden Schäden, vor allem an alten
Einzelbäumen und an Jungbäumen führen.
Es können an der Rosskastanie sortenbedingte Befallsunterschiede festgestellt werden, die zumindest
im Falle einer geringen Besiedlung bis zur Meidung einzelner
Bäume oder Baumbestände reichen. Nur die Gewöhnliche oder
Weißblühende Rosskastanie, ihr sehr nahe verwandte AesculusArten und ein Teil ihrer Hybriden (Kreuzungen) werden stark
befallen. Rotblühende Rosskastanien Kreuzungen bzw. Sorten
(Aesculus-carnea-Hybriden) werden gar nicht oder nur deutlich
schwächer geschädigt.
Eine Gefährdung der Rosskastanienbestände insgesamt allein
durch die Kastanienminiermotte muss nach den bisherigen
Erkenntnissen zwar nicht befürchtet werden, jedoch sind bereits
2001 in Wien erste Abgänge langjährig stark befallener Bäume festgestellt worden. Insofern ist nach
starker und frühzeitiger Zerstörung des Laubes in Kombination mit anderen belastenden Faktoren das
Absterben von Bäumen wahrscheinlich.
Bei starkem Befallsdruck werden die schwärmenden Motten in Wohngebieten vor allem im
Spätsommer als lästig empfunden.
1 Chlorophyll = Blattgrün. Grüner Farbstoff, der die Pflanzen befähigt, unter Mitwirkung der Lichtenergie und unter
Verwertung von Kohlenstoff (aus Kohlendioxid) organische Verbindungen aufzubauen.
2 Assimilation = Umwandlung aufgenommener Stoffe in Körpersubstanz.
1
Rosskastanienarten- bzw. -sortenanfälligkeit gegenüber der Kastanienminiermotte
(Beobachtungen in den Jahren 2000 bis 2002, PD Dr. H. Balder, Pflanzenschutzamt Berlin)
Kastanienarten3
Gewöhnliche Rosskastanie,
Weißblühende Rosskastanie
(Aesculus hippocastanum L.)
Carolina-Rosskastanie
(A. x neglecta Lindl.)
Ohio-Rosskastanie
(A. glabra Willd.
var. arguta Buckley )
Chinesische Rosskastanie
(A. chinensis Bunge)
A. discolor x A. humilis Koehne
Gelbe Rosskastanie
(A. flava Sol.)
Indische Rosskastanie
(A. indica (Wall. Ex Cambess.) Hook)
Strauch-Kastanie
(A. parviflora Walter)
Japanische Rosskastanie
(A. turbinata Blume)
Rote Rosskastanie,
Rotblühende R.
(A. x carnea Hayne)
(A. x marylandica Booth)
Wörlitzer Kastanie
(A. woerlitzensis Koehne)
Sorten
‚Baumanii’
(Gefülltblühende R.)
‚Digitata’
‘Memmingeri’
‘Plena’
‘Pyramidalis’
‘Umbraculifera’
‘Erythroblasta’
Befall
stark
stark
stark
stark
stark
kein
stark
kein
-
mittel
-
kein
-
wenig
kein bis wenig
-
wenig
-
kein
-
stark
‘Briotii’ (Scharlach-R.)
‘Marginata’
‘Plantierensis’
-
kein
kein
kein
mittel
mittel
kein
Die Angaben zur Wirtseignung basieren auf Beobachtungen an Einzelbäumen in Botanischen Gärten,
Alleen, Parks und Baumschulen. Die Fähigkeit der Motte, Arten und Sorten zu befallen und
nachhaltig zu schädigen, kann sich ändern.
3 Nomenklatur nach G. Krüssmann . Handbuch der Laubgehölze, P. Parey 1976
und
Zander — Handwörterbuch der Pflanzennamen E. Ulmer 2000 (16. Aufl.)
2
Biologie und Schadbild
Der Falter der Kastanienminiermotte hat eine Körperlänge von nur 5 mm, die Vorderflügel sind ca.
3,5 mm lang. Die rostbraun- bis ockerfarbenen, schwarz-weiß gestreiften Flügel werden dachförmig
zusammengelegt getragen. Lange Fransen an den schmalen Vorder- und Hinterflügeln erleichtern das
Verfrachten mit Luftströmungen.
In Jahren mit einem zeitigen, warmem Frühjahr ist ein Flug der Falter bereits ab Ende April möglich.
Der Hauptflug der ersten Generation fällt mit der Hauptblüte der Kastanie zusammen. Die Motten
sitzen bei starkem Befall gut sichtbar Kopf aufwärts an den Stämmen alter Kastanien oder auch
anderen senkrechten Flächen und schwärmen vorwiegend bei Sonnenschein. Die Flugzeit einer
Generation kann 3 bis 4 Wochen dauern. Es gibt im Jahr mindestens zwei bis drei
Faltergenerationen, die sich überschneiden. In extrem warmen Jahren ist in Mitteleuropa (Raum Berlin
- Brandenburg) sogar eine zumindest partielle vierte Generation möglich. In klimatisch begünstigten
Nachbarländern wird mit bis zu fünf Generationen im Jahr gerechnet.
Die Ablage der weißen Eier erfolgt einzeln auf den
Blattoberseiten. Es werden bis zu 40 Eier pro Weibchen
und 300 Eier pro Blatt abgelegt. In der ersten Generation
werden vorrangig die Blätter der Unterkrone befallen, erst
die Folgegeneration im Sommer erfasst die Wipfelregion.
Die nach 2 bis 3 Wochen schlüpfenden Larven sind flach
und minieren bis zum dritten Entwicklungsstadium in den
Blättern. Die Minen sind zuerst kommaförmig, hell
durchscheinend und werden dann von der Larve des 2. und 3. Entwicklungsstadiums kreisförmig
erweitert. Die gelblichen Altlarven fressen das Gewebe zwischen den Nerven an den Blattoberflächen
aus, so dass 3 bis 4 cm lange, ockerfarbene Platzminen entstehen, die bei Massenbefall
zusammenfließen können. In den Minen befinden sich dunkle Kotkrümel der Raupen, die im
durchscheinenden Licht deutlich erkennbar sind.
Die Fraßzeit der Räupchen dauert 3 bis 4 Wochen. Die
erwachsenen Larven sind 7 mm lang und silbrig-grau
gefärbt. Sie häuten sich zu gelb-grünen Einspinnlarven,
die in der Blattmine einen seidigen, linsenförmigen Kokon
(„Puppenwiege“) fertigen und sich danach darin
verpuppen. (Die Puppe ist ein zwischen dem letzten
Larvenstadium und dem erwachsenen Insekt, hier der
Motte, liegendes Ruhe- und Verwandlungsstadium). Der
Kokon in der Mine ist bei Gegenlicht erkennbar und
zwischen Daumen und Zeigefinger spürbar.
Die
Puppenruhe
der
Frühjahrsund
ersten
Sommergeneration hält ungefähr 3 Wochen an. Nach
dem Schlupf der Falter bleiben die leeren Puppenhüllen
meist zur Hälfte in der Mine stecken. Die Puppen der
Sommer- und Herbstgeneration fallen mit den Blättern ab
und überwintern im Falllaub, in der Bodenstreu oder in
3
Laubhaufen. Durch das Verrotten des Laubes werden die Kokons relativ schnell freigesetzt. Die
Puppen können bis zu mehreren Jahren überliegen.
Die Populationsdichte nimmt im Laufe der Generationsfolge im Jahr explosionsartig zu. Durch
ungünstiges, nass-kaltes Wetter entstehen zeitweilig Rückgänge in der Individuendichte und
Entwicklungsverzögerungen, während trocken-warme Wetterlagen die Entwicklungsdauer verkürzen.
In Berlin wurde 2002 der Verlauf des Falterfluges an zwei Standorten (im Stadtgebiet und im
Grunewald) mit Pheromonfallen (Sexual-Lockstoff-Fallen) ermittelt. Dabei sind 3 Flugperioden deutlich
erkennbar:
•
•
•
1. Generation: beide Standorte: Anfang Mai bis Anfang Juni
2. Generation:
Straßenstandort: Anfang Juli bis Anfang August
Waldstandort: Anfang Juli bis Mitte August
3. Generation:
Straßenstandort: Anfang August bis Ende September
Waldstandort: Ende August bis Anfang Oktober
Auffällig ist insbesondere bei der 3. Generation, dass der Höhepunkt des
Falterfluges am wärmeren Innenstadtstandort ca. 3 Wochen früher lag als
im Grunewald. Am 15.08.02 war die Kastanie am Straßenstandort vollständig befallen und gesamte
Baum hatte braune Blätter, am Waldstandort waren 20% — 50% des Baumes befallen.
Flugverlauf der Kastanienminiermotte
Anzahl
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
7.05. 14.05. 5.06. 12.06. 17.06. 2.07.
9.07. 16.07. 23.07. 1.08.
8.08. 15.08. 20.08. 27.08. 3.09. 10.09. 16.09. 25.09. 4.10. 10.10.
Datum
Güntzelstr.
Grunewald
Verwechslungsmöglichkeiten
•
Die seit mehreren Jahren an Rosskastanie auftretende pilzliche Blattbräune oder Blattrollkrankheit (Guignardia aesculi) kann die Schäden
durch die Miniermotte verstärken; dies war z. B. 2002 der Fall. Die
4
•
typischen rotbraunen Blattflecken auf der Blattspreite sind gelb
umrandet. Bei starkem Befall entsteht vorzeitiger Blattfall. Beide
Schaderreger behindern einander wegen Nahrungskonkurrenz und
haben von einander abweichende klimatische Ansprüche. Sie können
jedoch beide am selben Blatt vorkommen.
Schäden durch Trockenheit oder auch Streusalz verursachen eine
typische Blattrandverbräunung, die nach der Mitte des Jahres zum
Blattfall führen kann.
Gegenspieler
Während die verwandten Blattminierer, z. B. an Obst- und Laubbäumen sowie Ziergehölzen im
Freiland sehr stark von nützlichen Insekten parasitiert werden, treten bei der Kastanienminiermotte
Schmarotzer aus den Gruppen der Erzwespen, Brackwespen und Schlupfwespen leider als nur wenig
effektive Gegenspieler auf. Es werden auch nach mehreren Jahren im Durchschnitt nur wenige
Prozent der Schädlinge durch Ihre Gegenspieler vernichtet. Wie in anderen Befallsgebieten konnten
auch im Raum Berlin bisher 4 nichtspezialisierte Arten als dominierend nachgewiesen werden
Unter den Vögeln haben Meisenarten sehr schnell gelernt, die schwärmenden Motten im Fluge zu
fangen und die Larven oder Puppen aus den Minen zu holen, die von den Vögeln selbst geöffnet
werden.
Gegenmaßnahmen
Grundlage der Maßnahmen zur Eindämmung des Befalls und der
Folgen sollte die regelmäßige Beobachtung der Kastanienbäume
sein. Die Symptome des Befalls sind leicht und sicher erkennbar und
von denen anderer Schadensursachen gut zu unterscheiden.
Wichtig ist es, das abgefallene Laub mit den zur Überwinterung
bereiten Puppen vor dem erneuten Schlupf und noch vor der
Verrottung der Blätter aus dem Bereich der Kastanien zu entfernen. Da Kastanienblätter leicht
verrotten, werden die im Blattgewebe vorhandenen Puppen sehr schnell freigesetzt. Deshalb wird
empfohlen, vorrangig die uneingeschränkt zur Verfügung stehenden mechanischen oder
kulturtechnischen Maßnahmen zur Befallseindämmung einzusetzen:
1. Jetzt Beseitigung des herbstlichen Falllaubes der von der Miniermotte befallenen Kastanienbäume;
je später im Jahr die Laubaufnahme erfolgt, um so sorgfältiger muss sie durchgeführt werden,
2. Außerdem restlose und ständige Beseitigung des Falllaubes während des gesamten Jahres,
3. Kompostierung der Blätter in Großkompostieranlagen mit schneller und vollständiger Zersetzung,
4. Vergraben bzw. Abdeckung des gesammelten Laubes unter einer mindestens 10 cm starken
Erdschicht oder anderem dicht abschließenden Material jeweils sofort nach der Aufnahme der
Laubmengen.4
Damit wird ein großer Teil des Ausgangsmaterials für die erste Folgegeneration im nächsten Jahr
ausgeschaltet und die Population am Standort muss sich erneut aufbauen. Immerhin können aus
4 Achtung: Nach der Verordnung über die Beseitigung von Abfällen außerhalb dafür zugelassener Anlagen oder
Einrichtungen (Abfallentsorgungsanlagen) in der Fassung vom 13. August 1993, GVBl. für Berlin S. 369, dürfen
pflanzliche Abfälle außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen nur mittels Kompostieren entsorgt werden. Das bedeutet
umgekehrt, dass das Verbrennen dieser Abfälle nicht erlaubt ist !
5
einem Kilogramm Kastanienlaub bis zu 4.500 Tiere schlüpfen! Mit dem Aufsammeln dieses Laubes
und einem vorausgesetzten Anteil von 50 % weiblicher Tiere, kann so mit der Beseitigung von 1000
Gramm befallenen Kastanienlaubes ein Potential von ca. 50.000 Eiern vernichtet werden. Mit diesen
Maßnahmen soll gegenüber nicht so behandelten Beständen das Laub drei bis acht Wochen länger
grün bzw. funktionsfähig erhalten werden können. So kann auch einem herbstlichen Notaustrieb
bzw. einer Notblüte, wie sie in diesem Herbst in Berlin verschiedentlich zu beobachten waren, ggf.
vorgebeugt werden. Dennoch wird eine Wiederbesiedlung, auch aus der Umgebung, nicht
unterbunden werden können. Auf der Grundlage der jetzigen Erkenntnisse muss deshalb davon
ausgegangen werden, dass der Schädling auch in Berlin die genannten Kastanienarten weiterhin
befallen wird.
2002 wurde für das Anwendungsgebiet "Rosskastanienminiermotte an Kastanienarten" mit dem
Einsatzgebiet "Baumschulen" die Anwendung von Neem-Präparaten, deren Wirkstoff aus einem
Pflanzenextrakt stammt, von der Zulassungsbehörde, der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft, eine entsprechende Genehmigung erteilt. Wichtig ist bei gezieltem Einsatz von
Pflanzenschutzmitteln in jedem Fall eine gründliche Benetzung der Blattoberseiten. Bei terminpräziser
Anwendung der Insektizide Ende April, Anfang Mai soll an Großbäumen eine Behandlung des
unteren Drittels bis zur unteren Hälfte der Krone ausreichen. Eine Anwendung dieses Mittels zur
Bekämpfung der Kastanienminiermotte ist im privaten Bereich (z. B. Haus- und Kleingarten) nicht
statthaft !
Eine optimale Pflege und Versorgung der Kastanienbäume und die Vermeidung von weiteren, das
Wachstum und die Vitalität beeinträchtigenden Faktoren wirken den Schäden durch die
Kastanienminiermotte entgegen.
Impressum:
Diese Informationen wurden unter Verwendung von Materialien von Manfred Lehmann, Landesamt für
Verbraucherschutz und Landwirtschaft, Abteilung Pflanzenschutzdienst, des Landes Brandenburg, im
Pflanzenschutzamt Berlin erstellt.
Berlin
Brandenburg
Pflanzenschutzamt Berlin
Mohriner Allee 137
12347 Berlin
Landesamt für Verbraucherschutz und
Landwirtschaft,
Abteilung 3 Pflanzenschutzdienst,
Postfach 1370
15203 Frankfurt (Oder) — Markendorf
030 — 70 00 06 — 0 Telefon
030 — 70 00 06 — 55 Telefax
0335 — 5217 — 622 Telefon
0335 — 5217 — 370 Telefax
Internet:
www.stadtentwicklung.berlin.de/pflanzenschutz
e-mail:
[email protected]
Internet:
www.brandenburg.de/land/mlur/lvl/psd
e-mail:
[email protected]
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