Online gehen oder nonline bleiben?

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KUNDEN & MÄRKTE
Online gehen oder nonline bleiben?
Strategische Optionen für Druckereien
ZUKUNFTSPLANUNG ó Im ständigen Wandel unserer Branche hilft es, inne zu halten und die Zukunftsoptionen
zu sortieren. Die erste Folge dieser Artikel-Serie konzentriert sich auf die Veränderungen durch die Etablierung der
Online-Bestellung von Drucksachen und gibt einen Überblick über die sich daraus ergebenen strategischen Optionen
derjenigen, die noch keine Online-Bestellmöglichkeit vorsehen. Die zweite Folge vertieft diese möglichen Strategien
und gibt einen Ausblick zur zukünftig wachsenden Bedeutung von Forschungsabteilungen in Druckereien.
ó DIE ETABLIERUNG DES ONLINEDRUCKS.
Immer mehr Kunden kaufen Drucksachen bei
Onlinedruckereien, als wären es Schuhe von
Zalando. Es ist ihnen egal, dass die Auswahl auf
bestimmte Formate und Papiersorten beschränkt
ist – Schuhe gibt es ja auch nur selten als Einzelanfertigung. Das Internet ist für Standarddrucksachen zum ersten Anlaufpunkt bei der Definition und Auswahl von Produkten und Lieferanten geworden. Getrieben wird diese Entwicklung
nicht nur durch den Trend zum E-Commerce.
Hinzu kommen die enormen Kosteneinsparungen, die durch die Sammelformproduktion realisiert werden können.
Der „First Mover“, wie die Innovationswissenschaftler sagen, also der erste, der den Einspareffekt durch Sammelformdruck erkannte und erfolgreich als Geschäftsmodell etablierte, war der ehemalige Microsoft-Mitarbeiter Robert Keane. Seit
1996 erobert er mit seinem in den USA börsennotierten Unternehmen „Vistaprint“ den Markt
der Privatdrucksachen. Es folgten als „Early Adopter“ zeitgleich mehrere deutsche Unternehmen.
Heute ist der Markt der Geschäftsdrucksachen
und Akzidenzen von deutschen Online-Großdruckereien geprägt. Sie sind bereits europäische
Marktführer, und „die großen Vier“ setzen weiter voll auf Wachstum:
ó Flyeralarm mit dem Druckhaus Mainfranken
produziert mit inzwischen mehr als 1500
Mitarbeitern an sechs deutschen Standorten.
Sie eröffnen Vertriebsfilialen in den großen
deutschen Städten und betreiben intensive
Markenbildung.
ó Die Cewe Color AG, europäischer Marktführer im digitalen Fotobuchdruck, kaufte
Anfang 2012 die Dresdener Onlinedruckerei
Saxoprint mit circa 350 Mitarbeitern. Damit
ergänzte sie ihr Produktportfolio um Bogenoffsetdruckprodukte und investiert kontinuierlich stark in das Marketing unter dem
Claim „Cewe-Print: Best in Print“.
ó Unitedprint mit seinem Produktionsstandort
quer gegenüber von KBA in Radebeul bei
Dresden beschäftigt 700 Mitarbeiter und
setzt mit unterschiedlichen Internetauftritten sowohl auf Wachstum im Privatkundenmarkt als auch im B2B-Geschäft.
Sammelform-Produktion
in einer großen OnlineDruckerei.
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DD-SERIE
PERSPEKTIVEN IM ONLINEUND NONLINE-DRUCK
Ist es sinnvoll, sich immer stärker auf das Geschäftsfeld Onlineprinting zu fokussieren oder
gibt es auch eine Zukunft für den NonlineDruck? Deutscher Drucker zeigt Zukunftsperspektiven für Druckdienstleister auf.
∂ Teil 1 (Etablierung der Onlinedruckereien,
„Online“-Strategien) in dieser Ausgabe,
∂ Teil 2 (weitere „Online“-Strategien sowie
„Nonline“-Strategien)
erscheint in DD 25-26/2013
Die Onlineprinters in Neustadt sind mit
ihrer deutschen Muttermarke diedruckerei.de
aus einem Kleinbetrieb mit 20 Mitarbeitern
heraus mit dem Onlinedruckgeschäft groß
geworden, vertreiben ihre Bogenoffsetdruckprodukte heute in 30 Länder, beschäftigen
ca. 350 Mitarbeiter und haben einen Finanzinvestor für weiteres Wachstum gewonnen.
Im Bereich der Kleinakzidenzen und Geschäftsdrucksachen ist der Onlinedruck besonders stark.
Bei den 0,35 Mrd. Euro Umsatz der „großen Vier“
(Zahlen nach Bundesanzeiger 2011) handelt es
sich in einer Branche mit 16 Milliarden Euro
noch um ein Randphänomen. Das Umsatzpotenzial ist aber gewaltig: Stabil 43 Prozent aller
Produktionswerte über die letzten fünf Jahre liegen in den Produktgruppen Geschäfts- und Werbedrucksachen (BVDM 2008–2012, Taschenstatistiken S. 2, alles ohne Kataloge). Und spricht
man mit Verantwortlichen in Onlinedruckereien,
so ist das zentrale Thema der Zukunft: diese Potenziale ausschöpfen durch weiteres Wachstum.
Dabei ist Wachstum für Onlinedruckereien
kein Selbstzweck, sondern ergibt sich zwingend
durch den großen Wettbewerb untereinander.
Nur durch Wachstum können die hohen Kosten
im Marketing aufgefangen und weitere Kosteneinsparungen realisiert werden. Letztere sind notwendig, um im Preiswettbewerb mithalten zu
können. Das Geschäftsmodell bevorzugt dabei
Größe: Die Fixkosten im Bereich Marketing und
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Deutscher Drucker | Nr. 24 | 28.11.2013
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E-Commerce-Portalbetrieb wachsen nicht proportional mit dem Umsatz. Und umso bekannter man ist, umso schneller kann man Neuprodukte so produzieren, dass möglichst schnell mit
dem kostensparenden Sammeldruckeffekt produziert werden kann. Drei Wachstumsbereiche
werden meist parallel verfolgt:
ó Wachstum durch Internationalisierung;
ó Wachstum durch Preis- und/oder Qualitätsführerschaft bei Einzelprodukten;
ó Wachstum durch Erweiterung der Produktpalette und innovative Neuprodukte.
Erste Onlinedruckereien eröffnen sogenannte
„Stores“ in deutschen Großstädten. Kunden können dort Papier- und Druckmuster anfassen, ihre
Bestellungen abholen und sich beraten lassen.
Hauptgrund für die Ergänzung des Online-Ladens
mit einem echten Ladengeschäft – im E-Commerce auch „Click & Brick“-Strategie genannt –
ist die Stärkung der Marke. Ähnliche Markenbildungsstrategien durch Stores kennt man schon
länger von Markenartiklern wie Nike und Adidas.
Aber auch erfolgreiche E-Entrepreneurs, wie beispielsweise mymuesli.de, setzen auf die Werbewirkung von echten Ladengeschäften.
ONLINE GEHEN? NONLINE BLEIBEN? Das Wachstum im E-Commerce bedroht das Geschäftsmodell
der klein- und mittelständischen Betriebe der
Druckindustrie, deren wichtigste Produktgruppe
kleine und mittlere Auflagen im Bogenoffset sind.
Heute müssen viele neben dem Preiskampf durch
Überkapazitäten auch den Preiskampf mit den
Onlinedruckereien aufnehmen. Da letzteres aufgrund der unterschiedlichen Produktionsweise –
Stichwort Einzelfertigung versus Sammeldruck –
nicht funktioniert, übernehmen die kleineren Druckereien einen Teil des Drucksacheneinkaufs für ihre
Kunden bereits heute als „Reseller“: Sie kaufen für
ihre Kunden diese Produkte bei Onlinedruckereien zu. So fördern absurderweise die Betroffenen
selbst das Wachstum ihrer Wettbewerber. Damit verlieren sie zwar nicht den Kunden, und sie generieren oder halten durch diesen Service auch Aufträge für ihren eigenen Maschinenpark – aber mittelfristig leidet die Auslastung der eigenen Maschinerie. Die Abwärtsspirale ist vorprogrammiert.
Die Tabelle zeigt drei Strategien, wie eine Druckerei, die heute noch keine Produkte über eine
Online-Bestellung mit Sammeldruckeffekt anbietet, ihr Geschäftsmodell um E-Commerce ergänzen oder umstellen kann. Diesen drei „Online
gehen“-Strategien werden mit drei Strategien
ergänzt, wie eine Druckerei auch morgen noch
auf dieses internetbasierte Geschäftsmodell verzichten, also „nonline bleiben“ kann.
Flyeralarm-Store in
der Dresdener Neustadt.
KUNDEN- UND KAMPAGNENPORTALE. Kunden- beziehungsweise Kampagnenportale sind
E-Commerce-Angebote, die auf einen bestimmten Kunden, eine Kundengruppe oder auf eine
bestimmte Kampagne eines Kunden zugeschnitten sind. Alle berechtigten Mitarbeiter des Kunden bzw. die Kampagnenpartner können passwortgeschützt über das Portal vordefinierte Produkte bestellen. Bestellhistorien, Datenarchiv,
Lagerbestandsverfolgung und Budgetverwaltung,
vor allem aber Web-to-Print-Templates für die
Einhaltung des Corporate Design und leichte
Individualisier- bzw. Regionalisierbarkeit, sind
wichtige Funktionen.
Bei Großkunden, wie Versicherungen, Banken oder Automobilherstellern mit zahlreichen
Zweigstellen sind internetbasierte Bestellportale zwischenzeitlich weit verbreitet. Sie werden in
den meisten Fällen nicht von einer Druckerei
betrieben, sondern von der werbetreibenden
Industrie, also dem Kunden selbst. Die Gründe
sind vielfältig. Einer ist, dass die Industrie diese
Portale auch für andere Produkte verwendet,
beispielsweise zur Verwaltung und internen
Nachbestellung von Merchandising-Artikeln.
Ein weiterer Grund ist häufig die Integration in
die unternehmenseigene IT-Struktur und damit
die Nutzung der internen Rechteverwaltung und
Freigabe-Workflows. Ein ganz wichtiges Argument ist aber sicher auch: Die Kunden wollen
natürlich vermeiden, sich durch die Nutzung
des Portals einer Druckerei zu sehr an diese zu
binden. Kundenportale für Großkunden zu
betreiben, bedarf also großer Erfahrung und
einer sehr vertrauensvollen Kunden-Lieferantenbeziehung.
Für klein- und mittelständische Kunden, für
Kundengruppen und für Kampagnen ist die Kom-
Online gehen
Nonline bleiben
Kunden-/Kampagnenportale
Crossmedialer Mediendienstleister
Innovatives Produkt bzw. ProduktDienstleistung, ggf. kombiniert mit Ausgründung
Volumendruckerei
Kooperation mit Online-Netzwerk oder
Online-Druckerei
Projektdruckerei
Strategische Optionen für die Zukunftsausrichtung von Druckunternehmen.
Deutscher Drucker | Nr. 24 | 28.11.2013
petenz für den Betrieb von Web-to-Print-Portalen
aber weiterhin ein interessanter Weg einer „Online
gehen“-Strategie. Voraussetzung für die Kundenakzeptanz sind meist drei Dinge:
1. Die Druckerei muss bereit sein, nicht nur die
selbst produzierten Drucksachen, sondern
auch fremd hergestellte und unbedruckte
Merchandisingprodukte mit ins Portfolio
aufzunehmen. Das können Kugelschreiber,
Mappen, Aufsteller u.v.a.m. sein.
2. Der Kunde muss die Möglichkeit bekommen,
das über das Portal generierte PDF zusätzlich
selbst abspeichern zu können, um nicht das
Gefühl zu haben, zu stark an die Druckerei
gebunden zu sein.
3. Die Preise für Standarddrucksachen dürfen
in der Höhe nicht zu stark von denen der
Onlinedruckereien abweichen. Denn diese
sind vom Kunden im Web ja leicht recherchierbar. Eine Kooperation mit einer oder
mehreren ausgewählten Onlinedruckereien
und dessen fast bei allen vorhandenen Resellerprogrammen sollte geprüft und IT-technisch in die Portale integriert werden.
Zur Umsetzung dieser Strategie benötigt die
Druckerei Pilotkunden, Projektkompetenz, Mitarbeiter, die sich in die Arbeitsstrukturen und
Ziele des Kunden hineinversetzen können, sowie
die Fähigkeit, die umgesetzten Lösungen kostengünstig für ähnliche Kunden und/oder Kampagnen zu adaptieren.
DIE AUTORIN
Prof. Dr. Anne König lehrt
an der Beuth Hochschule
für Technik (Berlin) Betriebswirtschaftslehre für
die Druck‑ und Medienindustrie im Studiengang
Druck‑ und Medientechnik
sowie Methoden und Gestaltung der internen
Unternehmenskommunikation im Studiengang Betriebswirtschaftslehre.
Kontakt:
≥ [email protected]
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