Erfinder des Jahres 2010: Roman Renz

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Vakuumleistungsschalter auf Erfolgskurs gebracht
Wie überall in der Stromverteilung werden auch im Hochspannungsbereich Schalter
benötigt, um den Stromfluss unterbrechen zu können. Die bisher verwendeten Schalter
müssen häufig gewartet werden und haben eine relativ kurze Lebensdauer.
Vakuumleistungsschalter hingegen sind äußerst robust und halten 30 oder 40 Jahre. Der
Haken: Bisher können sie kostengünstig nur im Mittelspannungsbereich produziert werden.
Dr. Roman Renz (61) hat den Vakuumleistungsschalter so weiterentwickelt, dass er
zukünftig auch für den Hochspannungsbereich in großen Stückzahlen produziert werden
kann.
Schaltsysteme in Hochspannungsnetzen müssen neuen Leistungsanforderungen gerecht
werden: Der Energiebedarf steigt, und die Stromnetze müssen zusätzliche Aufgaben
erfüllen, um Energie möglichst intelligent, sicher und zuverlässig zu verteilen. Die
Leistungsschalter, mit denen Strom in Überlandnetzen und Versorgungssystemen gesteuert
wird, sind heute meist mit dem Gas SF6, also Schwefelhexafluorid, gefüllt. Es hat die
Aufgabe, die Kontakte zu isolieren und den Lichtbogen, der beim Trennen der Kontakte
entsteht, zu löschen. Dies ist möglich, weil SF6 gegenüber Luft eine fast dreimal so hohe
Durchschlagfestigkeit hat. Diese bezeichnet die elektrische Feldstärke, die in einem
Isolierstoff, hier das Gas SF6, gerade noch keinen Durchschlag, also Stromfluss, bewirkt.
Diese Schalter werden seit Jahrzehnten eingesetzt und kosten wenig in der Herstellung.
Allerdings müssen sie relativ häufig ersetzt werden, da sich die Kontakte schnell abnutzen
oder bei starken Strömen sogar zerstört werden. Außerdem gilt SF6 als stärkstes bekanntes
Treibhausgas, das bei der Produktion und Wartung von SF6-Leistungsschaltern nicht
entweichen darf, auch nicht in relativ geringen Mengen.
Im Vakuumleistungsschalter hingegen trennen sich die Kontakte im Vakuum. Der
Vakuumlichtbogen zwischen den Kontakten bricht sehr schnell ab, und da kein Gas
zwischen den Kontakten ist, kommt es auch nicht zu einer Gasentladung. Diese Schalter
sind für häufiges Schalten bestens geeignet, weil sich die Kontakte nicht abnutzen und die
Geräte mehrere Jahrzehnte nahezu wartungsfrei funktionieren. All diese Vorteile haben dazu
geführt, dass die Produktion von Vakuumsleistungsschaltern so weit entwickelt ist, dass sie
andere Technologien im Mittelspannungsbereich verdrängt haben. Daran hat Dr. Roman
Renz von Anfang an mitgearbeitet. Der gebürtige Berliner studierte an der TU Berlin
zunächst Maschinenbau und dann Physik. Anschließend begann er bei Siemens im Bereich
Energieverteilung zu arbeiten. Das ist nun 29 Jahre her. Renz ist bis heute nicht nur seiner
Stadt, sondern auch seinem Arbeitsgebiet treu geblieben: „Als ich anfing, erkannte man
gerade die Vorteile der Vakuumschaltröhren und begann im Forschungslabor für
Plasmaphysik bei Siemens Corporate Technology damit, die neue Technologie für Siemens
nutzbar zu machen“, berichtet Renz. „Meine Aufgabe bestand damals vor allem darin,
zwischen den Forschern und den Produktentwicklern sozusagen zu dolmetschen um
sicherzustellen, dass beide Seiten sich verstehen.“
Im Laufe der Jahre entwickelte Renz die Vakuumschaltröhre immer weiter. Dafür
perfektionierte er Kontakte, Vakuumröhre sowie Schutzhüllen und erreichte damit, dass
Vakuumleistungsschalter für den Mittelspannungsbereich trotz der anspruchsvollen
Produktionsvoraussetzungen – Vakuumtechnik und Reinraumbedingungen – kostengünstig
hergestellt werden können. „Leider kann man diese Methoden nicht einfach auf den
Hochspannungsbereich übertragen“, erklärt Renz. In Hochspannungsnetzen wird der Strom
in die Regionen verteilt. Um Überspannungen oder Blitzspannungen aushalten zu können,
sind die Anforderungen an die Spannungsfestigkeit der Leistungsschalter hoch. Die
Belastbarkeit der Vakuumschaltröhren steigt aber nicht linear, sondern quadratisch mit der
Spannung an, was bedeutet, dass beispielsweise eine doppelt so hohe Spannungsfestigkeit
einen viermal so großen Abstand zwischen den Kontakten erfordert. Damit werden die
Geräte aber zu groß.
Renz arbeitete also daran, das Design der Vakuumröhre so zu verändern, dass sich die
Spannungsfestigkeit auch bei kompakten Abmessungen der Vakuumröhre erhöht. „Das ist
nur gelungen, weil wir bei Siemens eine so große Erfahrung auf diesem Gebiet haben“,
erklärt Renz. So war neben der Entwicklung eines neuen Kontaktsystems vor allem die
Forschung an multiplen Keramiksystemen, die den Isolierkörper der Vakuumröhre bilden,
maßgeblich. „Dadurch dass wir die Anzahl der Isolierkeramiken erhöhten und dabei deren
Längen verkürzten, verbesserte sich auch die Spannungsfestigkeit“, sagt Renz. Kombiniert
mit den Komponenten und Fertigungsmethoden für Mittelspannungs-Vakuumröhren
ermöglicht dieses neue Design den kostengünstigen Einsatz von Vakuumröhren für den
Hochspannungsbereich.
Die jahrzehntelange Arbeit auf dem Gebiet Vakuumröhren empfand Renz als ständige
Herausforderung. „Alle Mitbewerber forschen weltweit in diesem Bereich ebenfalls mit
Hochdruck an neuen Anwendungsmöglichkeiten“, erklärt er. Seine Leistung ist
beeindruckend: 60 Erfindungen, 146 erteilte Einzelpatente in 53 Schutzrechtsfamilien gehen
auf sein Konto. Nach 15 Jahren als Entwicklungsleiter berät Renz seit einiger Zeit als „graue
Eminenz“ auf dem Gebiet der Vakuumröhren bei Siemens alle relevanten Abteilungen.
Außerdem verlässt er auch relativ häufig seine geliebte Heimatstadt, um auf internationalen
Tagungen und Gremientreffen Siemens zu vertreten. Privat schlägt sein Herz für die Musik –
zusammen mit seinen erwachsenen Söhnen spielt er in einer Band als Gitarrist gerne die
Songs alter Blueslegenden.
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