Zwischen Europa und Asien

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Abschnitt | 1 1
ARKTIS
26
MITTELMEERR AU M
NÖRDLICHE
G R E AT P L A I N S
5
27
C H I H UA H UA WÜSTE
K ARIBIK
28
29
25
31
C H O C O - DA R I É N
A M A ZO N A S B E C K E N
G A L A PAG O S INSELN
TROPISCHE ANDEN
PA N TA N A L
UND CERRADO
30
33
32
AT L A N T I S C H E R
R E G E N WA L D
34
VA L D I V I AR E G E N WA L D
10
NAMIB
UND K AROO
BAIK ALSEE
15
K A R PAT E N
3
K AU K A S U S
STEPPEN
ZENTR ALASIENS
2
14
4
AMURREGION
16
D O N AU D E LTA
HIMALAJAREGION
13
Die letzten Naturparadiese
6
17
H O C H L A N D VO N
ÄT H I O P I E N
M E KO N G G E B I E T
VIRUNGAVULK ANE
19
8
KO N G O B E C K E N
7
KO R A L L E N D R E I E C K
9
18
NEUGUINEA
S U M AT R A
UND BORNEO
20
S AVA N N E N U N D
M I O M B OWÄ L D E R
P O LY N E S I E N
23
12
G R E AT
BARRIER REEF
M A DAG A S K A R
S Ü DW E S TAU S T R A L I E N
21
11
K APREGION
NEUSEELAND
22
A N TA R K T I S
35
24
Inhalt
EINFÜHRUNG | 7
Die Schatzkammern der Erde
01 | 11
Ein Paradies für Extremisten: Arktis
Europa
02 | 23
Zwischen Europa und Asien: Kaukasus
03 | 29
Eldorado für Raubtiere: Karpaten
04 | 37
Schilfröhricht und Sandsteppen: Donaudelta
05 | 43
Uraltes Kulturland: Mittelmeerraum
Afrika
06 | 55
Auf dem Dach Afrikas: Hochland von Äthiopien
07 | 63
Eine grüne Apotheke: Kongobecken
08 | 71
Gorillas im Krieg: Virunga-Vulkane
09 | 79
Das Reich der Elefanten: Savannen und Miombowälder
10 | 91
Die Wüste lebt: Namib und Karoo
11 | 97
Botanische Schatzkammer: Kapregion Südafrikas
12 | 103
Eine Insel für halbe Affen: Madagaskar
Asien
13 | 113
Im Land der Himmelsgöttin: Himalajaregion
14 | 119
Platz für Wanderer: Steppen Zentralasiens
15 | 125
Die Perle Sibiriens: Baikalsee
16 | 131
Tiger, Leoparden und Walnüsse: Amurregion
17 | 137
Delfine und Co.: Mekonggebiet
18 | 141
Die Heimat der Waldmenschen: Sumatra und Borneo
19 | 149
Vielfalt unter Wasser: Korallendreieck
Ozeanien
20 | 157
Ein Platz für Exzentriker: Neuguinea
21 | 167
Eukalyptus und Beuteltiere: Südwest-Australien
22 | 173
Die Welt der Vögel: Neuseeland
23 | 181
Superlativ im Meer: Great Barrier Reef
24 | 189
Atolle der Südsee: Polynesien
25 | 197
Ziegen oder Schildkröten: Galapagosinseln
Amerika
26 | 207
Eine Welt aus Gras: Nördliche Great Plains
27 | 213
Wo der Kuckuck rennt: Chihuahua-Wüste
28 | 219
Feinschmecker vertilgen Invasoren: Karibik
29 | 225
Glückliche Lücke im Verkehr: Choco-Darién
30 | 231
Zwischen Gletschern und Regenwald: Tropische Anden
31 | 239
Regenwald auf dem Trockenen: Amazonasbecken
32 | 247
Geschrumpftes Paradies: Atlantischer Regenwald
33 | 253
Geflutete Steppe: Pantanal und Cerrado
34 | 259
Relikt aus der Urzeit: Valdivia-Regenwald
35 | 265
Der Eisschrank der Erde: Antarktis
I M P R E S S U M | 272
Die Schatzkammern
der Erde
„Wir sind hier in dem göttlichsten und vollsten Land“, schrieb
Alexander von Humboldt 1799 an seinen Bruder Wilhelm. „Wunder­
bare Pflanzen, Zitteraale, Tiger, Armadölle, Affen, Papa­geien … Welche
Bäume! Kokospalmen, 50 – 60 Fuß hoch!“ Gemeinsam mit seinem
französischen Kollegen Aimé Bonpland versuchte der Natur­
forscher damals, die reiche Tier- und Pflan­zenwelt im heu­ti­gen
Venezuela zu erkunden – ein schwieriges Unterfangen: „Wie die
Narren laufen wir bis jetzt umher; in den ersten drei Tagen können
wir nichts bestimmen, da man immer einen Gegenstand wegwirft,
um einen anderen zu ergreifen. Bonpland versichert mir, dass er von
Sinnen kommen werde, wenn die Wunder nicht bald aufhören.“
Heutige Wissenschaftler würden die Schauplätze ihrer For­
schung wohl nicht ganz so überschwänglich beschreiben. Doch
die Faszination ist geblieben. Noch immer bietet die Erde Land­
schaften voller einzigartiger Tiere und Pflanzen. Die Vielfalt
reicht von üppigen Regenwäldern bis zu kargen Wüsten, von
bunten Korallenriffen bis zu glitzernden Eis­welten. In jedem
dieser Lebensräume verbergen sich noch zahllose unentdeckte
Arten und ungelöste Rätsel. Doch ihre Erforschung ist oft ein
Wettlauf gegen die Zeit. Denn der Mensch bringt viele dieser
Ökosysteme samt ihrer Bewohner in massive Schwierigkeiten.
Und damit gefährdet er letztlich auch sein eigenes Überleben.
Was also sollte man unbedingt retten? Wo liegt das bio­lo­gi­
sche Tafelsilber der Erde? Vor diesen schwierigen Fragen stehen
Wissenschaftler und Naturschutzorganisationen wie der WWF,
die sich für die Erhaltung der wertvollsten Lebensräume der
Welt engagieren. Sie orientieren sich dabei unter anderem an
der Gefährdung des jeweiligen Gebietes, seiner Artenvielfalt
und der Zahl der nur dort vorkommenden Tiere und Pflanzen.
Je nachdem, welche dieser Kriterien man wie stark gewichtet,
kommt es bei der Auswahl der besonders schützenswerten
Naturparadiese zu etwas unterschiedlichen Grenzziehungen und
Ranglisten. Es würde sich sicher lohnen, alle ausge­wähl­ten Kan­
didaten näher kennenzulernen.
Doch wie jede Reise muss sich auch dieses Buch auf ein
paar Ziele beschränken. Seine Bilder und Texte stellen daher
35 jener Regionen vor, die der WWF als biologische Schatz­­kam­mern identifiziert hat. In großen Schlei­fen führt diese
Ent­deckungs­reise rund um die Welt: ins Reich der Eisbären im
hohen Norden und in die Hochburgen der euro­päischen Raub­
tiere, zwischen die trampelnden Hufe der riesigen Tierherden
in der afri­kani­schen Savanne und zu den Orang-Utans auf Su­
matra und Borneo, die sich manchmal so verblüffend menschlich
verhalten. Dann geht es in die Unter­w asserwelt des australi­
schen Great Barrier Reef und in die unüber­schau­bare Vielfalt
der südamerikani­schen Regen­wälder. Und schließlich in einen
der härtesten Lebensräume, die der Planet überhaupt zu bieten
hat: die Antarktis.
Auch in den entlegensten dieser Regionen hinterlässt der
Mensch inzwischen seine Spuren. Doch nicht immer muss das
für die dort lebenden Tiere und Pflanzen in einer Katastrophe
enden. Zwar werden die Listen der bedrohten Arten immer
länger. Naturschützer haben aber auch Erfolgsgeschichten zu
erzählen. Von Lebensräumen, die doch noch gerettet werden
konnten und von bedrohten Arten, die sich wieder vermehren.
Der Kampf um die Naturschätze der Erde ist oft zäh und lang­­­
wierig. Doch er lohnt sich. Damit die Wunder eben nicht so bald
aufhören und auch noch unseren Nachfahren erhalten bleiben.
Kurz nach Sonnenaufgang hängt der Morgennebel noch in den Wipfeln des artenreichen Regenwalds von Borneo.
Naturparadiese | 7 Ein Paradies für Extremisten:
01 | Arktis
USA
RUSSL AND
K A N A DA
G RÖ N L A N D
S K A N D I N AV I EN
Polarmeer, Tundra T I E R E Eisbär, Rentier, Ringelrobbe P F L A N Z E N Arktische Weide, Polar-Birke
G E F Ä H R D U N G Der Klimawandel lässt das Packeis schmelzen und zerstört so das Jagdrevier der Eisbären
und die Kinderstuben verschiedener Robben. Auch die Algen im Meer und die von ihnen abhängigen
Nahrungsketten leiden unter den steigenden Temperaturen.
LEBENSR AUM
Ganz im Norden unseres Planeten liegt eine lebensfeindliche
Welt. Das Nordpolarmeer, das von den kontinentalen Rändern
Europas, Nordamerikas und Asiens eingefasst wird, präsentiert
sich selbst im Sommer in seiner kalten Pracht voller Eisberge
und Eisschollen. Im Winter verschwindet das Polarmeer größtenteils unter einem meterdicken Panzer aus Packeis. Und auch an
Land sieht die Arktis nicht viel einladender aus: Weite, baumlose
Tundren, auf denen Flechten, Moose und nur zentimeterhohe
Zwergsträucher wie Polar-Weiden und Polar-Birken wachsen.
Kahle Berghänge, schroffe Felsen und Gletscher – ein Schlaraffenland stellt man sich anders vor. Doch genau das ist die Arktis
für viele Tiere. Denn das Meer vor ihren Küsten ist zwar kalt, dafür
aber besonders nährstoffreich. Daher wimmelt es von Algen,
die ein Heer von „Krill“ genannten Krebsen und anderen Kleintieren ernähren. Damit ist der Tisch auch für Fische wie Hering
und Kabeljau, Seevögel wie den Eissturmvogel und verschiedene
Walarten reich gedeckt. Und es gibt genügend Robben als Beute
für die Symboltiere der Arktis – die Eisbären.
Oft lauern diese massigen Raubtiere stundenlang vor einem
Loch im Packeis, bis ein potenzielles Opfer kurz zum Atmen
auftaucht. Dann schlagen sie blitzschnell zu. In neun von zehn
Fällen entkommt ihnen die Beute allerdings. Bis ein junger Bär
bei der Robbenjagd nennenswerte Erfolge erzielt, muss er mehr
als zwei Jahre lang trainieren. Während männliche Eisbären als
Einzelgänger durch die Gegend streifen, bleiben Weibchen
daher lange Zeit an der Seite ihres Nachwuchses. Sie säugen
ihn bis zum Alter von zweieinhalb Jahren und beaufsichtigen
seine Ausbildung zum Robbenfang-Experten.
Ob die alten Jagdstrategien in Zukunft überhaupt noch funktionieren werden, ist allerdings fraglich. Denn die Arktis gehört
zu den Lebensräumen der Erde, die sich im Zuge des Klimawandels am stärksten verändern. Polarforscher sehen bereits einen
deutlichen Trend zu immer weniger Eis auf dem Nordpolarmeer.
Besonders in den Jahren 2007 und 2012 hatte das Meereis eine
extrem geringe Ausdehnung. Und so gut wie alle Klimamodelle
prognostizieren, dass die Arktis weiter auftauen wird.
Schon heute aber fehlt vor allem den relativ weit im Süden
lebenden Bären im Sommer das Packeis für die Robbenjagd.
Etwa vier Monate lang müssen sie daher an Land auf Nahrungssuche gehen und sich mit kleinen Säugetieren und Vögeln, mit
Gras, Beeren oder Müll aus den Siedlungen begnügen. Da diese
Fastenzeit immer länger wird, haben vor allem Eisbärenmütter
Die größten Landraubtiere der Erde sind die Eisbären (Ursus maritimus). Sie werden bis zu 3,40 Meter lang und bis zu 800 Kilogramm schwer.
Arktis | 11 Arktis
und Jungtiere immer schlechtere Überlebenschancen. Das hat
bereits Folgen für die Bestände, zeigt eine Ende 2014 veröffentlichte Studie des U.S. Geological Survey und verschiedener
anderer US-amerikanischer und kanadischer Forschungseinrichtungen. Demnach ist die Zahl der Eisbären in der südlichen
Beaufortsee vor Kanada und Alaska in nur neun Jahren um etwa
40 Prozent gesunken. Lebten dort im Jahr 2001 noch rund 1500
der weißen Raubtiere, waren es 2010 nur noch 900.
Unter dem Rückzug des Eises werden aber auch viele andere
Arktisbewohner wie Ringelrobben und Walrosse zu leiden haben,
die auf dem Packeis ihre Jungen zur Welt bringen. Wenn das
Meereis verschwindet, dürften zudem die Bestände der Algen und
Kleintiere schrumpfen, sodass viele Arten ihre Lebensgrundlage
verlieren. Selbst Rentiere, die überhaupt nicht auf Eis angewiesen
sind, könnten zu den Verlierern der Erwärmung gehören. Wenn
nämlich im Winter mehr Regen auf den Schnee der Tundra fällt
und zu einer harten Eisdecke gefriert, sind die darunter verborgenen Flechten und Moose unerreichbar für ihre hungrigen
Mäuler. Auch die „Vegetarier des hohen Nordens“ könnten dann
künftig häufiger mit leerem Magen dastehen.
Eine Art, die mit dem Klimawandel wohl massive Probleme bekommen wird,
ist die Ringelrobbe (Pusa hispida). Denn sie braucht das Eis nicht nur als
Ruheplatz, sondern zieht auch ihren Nachwuchs auf dem gefrorenen Panzer
des Nordpolarmeeres und der nördlichen Ostsee auf. An Land kommen die
bis zu 100 Kilogramm schweren Tiere so gut wie nie.
Arktis | 13 Den größten Teil ihres Lebens verbringen Eissturmvögel (Fulmarus glacialis)
über dem Meer. Endlos segeln sie über den Wellen des Nordatlantiks und des
Nordpazifiks und fangen Fische, Krebse, Schnecken und andere Wassertiere.
An Land kommen sie vor allem zur Familiengründung. Ihre Brutkolonien liegen
auf Felsinseln und an Steilküsten, wo sie aggressiv ihre Nester verteidigen.
Über den Alltag der bis zu acht Meter langen und 2,5 Tonnen schweren
Grönlandhaie (Somniosus microcephalus) wissen Biologen noch nicht sehr
viel. Ein besonders hektisches Leben scheinen sie jedenfalls nicht zu führen:
Mit Spitzengeschwindigkeiten von nicht einmal drei Kilometern pro Stunde
sind sie die langsamsten aller Haie. Sie leben vor allem in den arktischen
Regionen des Nordatlantiks.
Männliche Narwale (Monodon monoceros) tragen einen bizarren, schraubenförmigen Stoßzahn mit sich herum, der bis zu drei Meter lang und zehn Kilogramm
schwer werden kann. In vielen Teilen Europas wurden diese vergrößerten Eckzähne seit dem Mittelalter als Stirnwaffen der legendären Einhörner gehandelt.
Da man ihnen sowohl magische als auch medizinische Kräfte zuschrieb, wurde ihr Gewicht vielfach in Gold aufgewogen. Ein weiterer typischer Wal der arktischen
Gewässer ist der nahe verwandte Beluga (Delphinapterus leucas), der wegen seiner abwechslungsreichen Gesänge als „Kanarienvogel der Meere“gilt.
Um sich möglichst ungesehen an seine Beute heranpirschen zu können, hat der Polarfuchs (Vulpes lagopus) im Sommer ein bräunliches und im Winter ein
weißes Fell. Diese Tarnung nutzt der flinke Jäger, um Lemminge und andere Nagetiere zur Strecke zu bringen. Viel Deckung bietet sein Lebensraum in der Tundra
nämlich nicht. Schließlich gibt es dort keine Bäume und die Sträucher erreichen nur Zwergenstatur. Die Arktische Weide (Salix arctica) zum Beispiel
wird meist nicht höher als 15 Zentimeter. Diese zähe Pflanze wächst sogar im äußersten Norden Grönlands und damit weiter nördlich als jedes andere Gehölz.
Über die Tundra und durch die Taiga im Norden Eurasiens und Nordamerikas
sowie über etliche Inseln im hohen Norden streifen die in Herden lebenden
Rentiere (Rangifer tarandus). Ihre Nahrung besteht aus Gras, Flechten, Moosen
und Pilzen. Rentiere sind die einzigen Hirsche, die der Mensch domestiziert hat.
Genutzt werden vor allem Fleisch, Fell und Geweihe, doch auch als
Milchlieferanten, Lastenträger und Zugtiere lassen sie sich einsetzen.
Sie waren schon Weggefährten von längst ausgestorbenen Eiszeittieren
wie Mammut und Wollnashorn: die Moschusochsen (Ovibos moschatus).
Gegen die Kälte schützen sie sich mit mehr als einen halben Meter langen
Deckhaaren und weicher, isolierender Unterwolle. Ihre Hufe sind im Winter
so rutschfest wie Schneeschuhe und ihre Pupillen können sie fast
komplett schließen, um nicht schneeblind zu werden.
Der Speiseplan der Polarfüchse (Vulpes lagopus) ist reichhaltig, fressen sie doch fast alles, was ihnen vor die Schnauze kommt – von selbst erlegten Nagetieren
über die Beutereste von Polarwölfen bis hin zu angeschwemmten Fischen. Auch Vögel, Küken und Eier verschmähen sie nicht.
Arktis
Vom Menschen geprägt:
Europa
In Europa hat der Mensch besonders deutliche Spuren in der Natur hinterlassen. Im Laufe der
Jahrhunderte hat er nicht nur etliche Tierarten ausgerottet, sondern auch riesige Wälder gerodet oder
völlig umgestaltet. Er hat Felder und Viehweiden geschaffen, Moore trockengelegt und Flüsse begradigt.
Unberührte Wildnis findet man nur noch in wenigen europäischen Regionen. Trotzdem gibt es noch
viele faszinierende und artenreiche Landschaften. Und etliche Tiere wie Wolf und Bär, Luchs und Biber
sind dabei, einen Teil ihrer ehemaligen Lebensräume zurückzuerobern.
K ARPATEN
DONAUDELTA
K AUK A SUS
MIT TELMEERR AUM
Europa | 21 Zwischen Europa und Asien:
02 | Kaukasus
RUSSL AND
S C H WA R ZE S
M EER
G EO RG I EN
K A S PI S C H E S
M EER
A R M EN I EN
TÜRKEI
A S ER B A I D S C H A N
IR AN
Hochgebirge, Wälder, Halbwüsten, Steppen T I E R E Kaukasus-Leopard, West- und Ostkaukasischer Steinbock P F L A N Z E N Kaukasus-Rhododendron, Krim-Lilie G E F Ä H R D U N G Große Waldbereiche
werden gerodet, um Holz zu gewinnen und Platz für Siedlungen, Straßen und Talsperren zu schaffen.
Wilderer schießen zudem etliche Tierarten bis hin zum vom Aussterben bedrohten Kaukasus-Leoparden,
dessen Fell eine begehrte Jagdtrophäe ist.
LEBENSR AUM
Der Kaukasus ist vor allem als politisches Pulverfass bekannt,
in dem immer wieder Gewalt und bewaffnete Konflikte auf­
flammen. Naturschützer und Ökologen aber sehen an dieser
Nahtstelle zwischen Europa und Asien etwas ganz anderes:
eine biologische Schatzkammer, die so vielfältig ist wie kaum
ein anderes Gebiet in den gemäßigten Breiten.
Denn auf der gebirgigen Landenge zwischen dem Schwarzen
und dem Kaspischen Meer finden sich die unterschiedlichsten
Landschaften. Da ragen im Norden die mehr als 5000 Meter
hohen Gipfel des Großen Kaukasus mit ihren Gletschern, alpinen
Wiesen und Gebirgswäldern empor. Der Kleine Kaukasus im
Süden dagegen bietet Wälder und Wiesen auf sanften Hügeln.
Im Westen liegt die fruchtbare Ebene der Kolchis, in deren günstigem Klima zahlreiche Pflanzen die letzte Eiszeit überdauert
haben. Den Osten prägen weitläufige Steppen und Halbwüsten.
Mehr als hundert verschiedene Landschaftstypen können Ex-
perten im Kaukasus unterscheiden. Ob Hochgebirgstiere oder
Küstengewächse – irgendwo in diesem vielfältigen Mosaik unterschiedlichster Lebensräume finden sie alle ihr Auskommen.
Da wundert es nicht, dass der Kaukasus als eine der artenreichsten Regionen der Erde gilt. In dem Gebiet, das mit 500 000 Quadratkilometern Fläche ungefähr so groß wie Spanien ist, wachsen
allein 6500 Arten von höheren Pflanzen. Deutschland muss sich
dagegen mit rund 4100 begnügen. Und es sind keineswegs nur
Allerweltsgewächse, die Botaniker im Kaukasus finden: Etwa ein
Viertel der dortigen Pflanzen wie der Kaukasus-Rhododendron,
die Krim-Lilie oder das Kaukasus-­Vergissmeinnicht kommen
von Natur aus nirgendwo sonst auf der Erde vor.
Auch die Tierwelt hat solche einzigartigen Vertreter zu bieten.
Da gibt es zum Beispiel die Darevski-Kreuzotter, die nur in einem
wenige Hundert Quadratkilometer großen Gebiet im Hochland
des südlichen Kaukasus lebt. Oder den Westkaukasischen und
Der mehr als 4000 Meter hohe Berg Dombai-Ulgen im Großen Kaukasus ist das ganze Jahr hindurch von Schnee und Gletschern gekrönt.
Europa | 23 Kaukasus
den Ostkaukasischen Steinbock, die über die Felsklippen und
Steilhänge des Gebirges klettern. Andere Arten beschränken
sich zwar nicht auf den Kaukasus, sind vielerorts aber längst
verschwunden. Dazu gehören zum Beispiel Wölfe, Bären und
Luchse, aber auch etliche Huftiere wie die Bezoarziege, die
Kropfgazelle oder der Wisent. Zudem ist der Kaukasus eine
beliebte Raststation für Zugvögel. Abertausende von Kranichen,
Pelikanen, Gänsen und Enten machen in den Flussauen, Feuchtgebieten und Mooren Station, um sich auszuruhen und Kraft
für den Weiterflug anzufressen.
Die prominenteste Tierart der Region aber ist der Kaukasus-­
Leopard. Eigentlich galt diese einzige europäische Leoparden-­
Unterart schon in den 1960er-Jahren als ausgestorben. Doch
im Jahr 2001 machten sich WWF-Mitarbeiter um den russischen
Leopardenexperten Victor Lukarevsky systematisch auf die
Suche nach Spuren und Kot der gefleckten Katze – mit Erfolg.
Nach ihren Feldstudien in den Jahren 2001 bis 2006 schätzen
die Naturschützer, dass es noch zwischen 40 und 65 Tiere gibt.
Nicht viel, aber immerhin: Europas Leopard hat vielleicht doch
noch eine Überlebenschance.
Im Kaukasus leben etliche weltweit einzigartige Tiere wie die Kaukasus-Otter
(Vipera kaznakovi) oder der Kaukasus-Leopard (Panthera pardus saxicolor).
Diese einzige europäische Leoparden-Unterart ernährt sich vor allem von
Huftieren wie Bezoarziegen, Hirschen und Rehen. Vielerorts sind ihre Beutetiere
allerdings knapp geworden. Zudem leiden die stark gefährdeten Katzen unter
Wilderei und dem Verlust ihrer Lebensräume.
24 | Europa Im Kaukasus sucht der Berggimpel (Carpodacus rubicilla) auf Höhen zwischen 2500 und 3500 Metern über dem Meeresspiegel nach Samen, Beeren und Insekten.
Im Himalaja kommt der echte Hochgebirgsbewohner sogar noch viel weiter oben zurecht. Im Winter muss er allerdings in tiefere Lagen ausweichen. Zu seinen Nach­­­barn gehört zum Beispiel der Westkaukasische Steinbock (Capra caucasica), der an Steilhängen und auf Felsklippen in Höhen zwischen 800 und 4200 Metern
lebt. Selbst die Jungtiere dieser massigen, bis zu 100 Kilogramm schweren Ziegenverwandten klettern dort schon äußerst geschickt durch das anspruchsvolle Gelände.
Seinem westlichen Verwandten ist der Ostkaukasische Steinbock
(Capra cylindricornis) äußerlich sehr ähnlich. Allerdings unterscheidet er sich
genetisch deutlich von diesem und hat zudem einen kürzeren Bart und
größere Hörner. Während dieser Kopfschmuck bei den Weibchen nur etwa
30 Zentimeter lang wird, erreicht er bei den Männchen eindrucksvolle
Dimensionen von bis zu einem Meter Länge.
Zu den kleinen Raubtieren, die durch den Kaukasus streifen,
gehört zum Beispiel das Hermelin (Mustela erminea). Diese Marder,
die ohne Schwanz gut 30 Zentimeter lang und bis zu 360 Gramm
schwer werden können, sind geschickte Jäger. Abgesehen haben sie
es vor allem auf kleine Säugetiere wie Ratten und Mäuse.
Doch auch Vögel und deren Nachwuchs verschmähen sie nicht.
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