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Dienstag, 13. Juni 2017
Klimawandel und Meer
SCHRUM, CORINNA
Beispiele aus dem "Noscca North Sea Region Climate Change Assessment"
02
HILLEBRAND, HELMUT
Ökologische Stabilität und globaler Wandel in marinen Ökosystemen
04
HEINRICH, HARTMUT
Neue Erkenntnisse zum Anstieg des Meeresspiegels und weitere aktuelle
Aspekte aus dem Expertennetzwerk des Bundesministeriums für Verkehr und
digitale Infrastruktur (BMVI)
06
HINNERS, JANA
Mikroalgen in der Ostsee - Wie reagieren sie auf den Klimawandel?
07
W URL, OLIVER (Vortrag ausgefallen)
Austausch von Treibhausgasen an der Grenzfläche Ozean/Atmosphäre
08
Arktis
BERGMANN, MELANIE
Müll in der Arktis
11
NOTZ, DIRK
Das Ende der Eis-Zeit?
13
NORDHEIM, HENNING VON
Stand der Diskussion zu Meeresschutzgebieten in der Arktis
15
Schifffahrt
ABROMEIT, CAROLIN
Meilensteine für den Umweltschutz in der Schifffahrt: Global Sulphur
Cap , Stickoxidemissionsüberwachung in Nord- und Ostsee
und Inkrafttreten des Ballastwasserübereinkommens
19
HINTZSCHE, W OLFGANG
Inkrafttreten der IMO-Ballastwasserkonvention - Herausforderungen
für Reedereien
22
RITTER, FABIAN
Kollisionen zwischen Schiffen und Walen: Die unterschätzte Bedrohung
23
KNAACK, JÜRGEN
Vorstellung der UEG und laufende Aktivitäten
25
Mittwoch, 14. Juni 2017
Fischerei
SCHULZE, TORSTEN
Wie sehr reduzieren Naturschutz und Offshore Windenergiegewinnung
die Erlöse der Fischerei?
29
LUTTER, STEPHAN (Vortrag ausgefallen)
„Transparency at Sea“ – Satellitengestützte Analyse schädlicher
Bodenfischerei auf der Hohen See des Nordostatlantik
31
KRUMME, UWE
Angelfischerei in der Ostsee: Bedeutung, Datenerhebung, Management
34
POLTE, PATRICK
Integration räumlicher Verbreitungsprozesse in Ökosystemmodelle
zur nachhaltigen Nutzung von Fischereibeständen
37
Meeresnaturschutz
MARKONES, NELE
Die Eisente, Seevogel des Jahres 2017 - Status, Gefährdung, Monitoring
40
SKOV, HENRIK
Determining habitat impacts on seabirds in a dynamic marine
environment-lessons from a model-based post-construction
monitoring program in the Netherlands
42
SCHÜCKEL, ULRIKE
Bewertung von Nahrungsnetzen für OSPAR und MeeresstrategieRahmenrichtlinie
44
DÄHNE, MICHAEL
Schweinswale der inneren Ostsee - wie Ergebnisse von akustischen
Zählungen in Schutzmaßnahmen münden
46
Mehr vom Meer
MENZE, SEBASTIAN
Der Klang des Südpolarmeers – Warum wir dem Wind, Eis und Marinen
Säugetieren zuhören
49
CORMAN, ANNA-MARIE
30 Jahre Umweltprobenbank: Mit GPS-Telemetrie den Schadstoffen
in Silbermöwen auf der Spur
51
SCHWARTZ, RENÉ
Partikulärer Schadstoffferntransport in der Elbe – aufgezeigt
am Beispiel „PCB“
53
Klimawandel
und Meer
Klimawandel und Meer
02
Die Nordsee im Klimawandel – physikalische und biochemische Veränderungen
Ergebnisse aus dem NOSCCA North Sea Region Climate Change Assessment Report
Corinna Schrum
Im Rahmen eines regionalen Zustandsberichtes für die Nordsee (NOSCCA) wurde der gegenwärtige Wissenstand über die Auswirkungen gegenwärtiger und zukünftiger Klimaänderung auf die Nordsee zusammengetragen. Im Vortrag werden die wesentlichen Ergebnisse
aus dem regionalen Zustandsbericht im Hinblick zu vier zentralen Fragen vorgestellt:
(i)
Wie stark steigt der Meeresspiegel gegenwärtig und mit welchen Szenarien ist
für die Zukunft zu rechnen?
(ii)
Welche Veränderungen in Extremereignissen sind zu erwarten?
(iii)
Wie stark hat sich die Nordsee bisher erwärmt und mit welcher Erwärmung ist
in der Zukunft zu rechnen?
(iv)
Wie stark wird sich die biologische Produktion in der Nordsee verändern?
Der globale mittlere Meeresspiegel ist in den letzten hundert Jahren kontinuierlich angestiegen. Gründe für diesen Anstieg sind der sich erwärmende und deshalb ausdehnende
Ozean und die abschmelzenden Landeismassen der Gletscher, der Antarktis und Grönland. Mögliche Beschleunigungen der Abschmelzraten und des Meeresspiegelanstiegs
wurden in der Vergangenheit in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder diskutiert
untersucht und wurden auch im IPCC Report und im NOSCCA Zustandsbericht diskutiert.
Im Vortrag werden mittlere und extreme Zukunftsszenarien vorgestellt. Diese werden in
Perspektive gesetzt zu beobachteten regionalen und globalen Meeresspiegelanstiegsraten
und zu Beobachtungen der Massenbilanz der großen Landeismassen. Die lokalen Konsequenzen von prognostizierten Änderungen der unterschiedlichen Beiträge des mittleren
relativen Meeresspiegels und einer veränderten Sturmfluttätigkeit auf die mittlere Sturmfluthöhe entlang der Nordseeküste werden diskutiert.
Abschließend werden Szenarien der mittleren Erwärmung der Nordsee und der Änderung
der Primärproduktion vorgestellt und die Unsicherheitsbandbreiten der Szenarien werden
diskutiert.
Klimawandel und Meer
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Prof. Dr. Corinna Schrum
Helmholtz-Zentrum Geesthacht
Zentrum für Material- und Küstenforschung GmbH
Max-Planck-Straße 1
21502 Geesthacht
Email: [email protected]
03
Klimawandel und Meer
04
Ökologische Stabilität und globaler Wandel in marinen Ökosystemen
Helmut Hillebrand
In Zeiten des globalen Wandels ist die ökologische Stabilität ein zentrales Konzept, um die
Antwort von Lebensgemeinschaften und Ökosystemen auf natürliche und anthropogene
Veränderungen zu verstehen. Allerdings ist die Verwendung dieses Konzeptes in der (marinen) Ökologie derzeit geprägt durch i) eine Vielzahl unklar definierter Parametern von
Stabilität und ii) durch die Tendenz, nur einzelne Aspekte von Veränderung (Fluktuationen,
Störungen, Trends) und nur einzelne Antwortvariablen (zeitliche Stabilität, Resistenz, Resilienz, Erholung) zu testen. Im Rahmen einer systematischen Literaturanalyse konnte ich im
Zusammenspiel eines internationales Forscherteam zeigen, dass >90% der über 300 untersuchten Studien einen solch unilateralen Ansatz durchführen. Darüber hinaus sind die
angewandten Stabilitätskriterien nicht kongruent zwischen modellierenden und empirischen
Studien. Noch gravierender ist eine deutliche Trennung zwischen den Stabilitätskriterien,
die in den naturwissenschaftlichen Studien dominieren, und dem Stabilitätskonzept der
wichtigsten internationalen Dokumente zu Umweltpolitik und Biodiversitätsschutz.
Basierend auf dieser Analyse stelle ich drei Beispiele von multidimensionaler Stabilitätsanalyse vor, die es erlaubt, ein umfassenderes Bild der Reaktion auf Veränderung zu beschreiben und zugrundeliegende Mechanismen zu analysieren. Zunächst zeige ich exemplarisch,
wie eine höhere Biodiversität in einer Organismengruppe die zeitliche Stabilität einer damit
gekoppelten Ökosystemfunktion erhöht. Dies liegt daran, dass eine höhere Biodiversität
eine schnellere Anpassung der Artzusammensetzung bei veränderlichen Umweltbedingungen erlaubt, was jedoch gleichzeitig bedeutet, dass die höhere zeitliche Stabilität der Funktion mit einer geringeren zeitlichen Stabilität der Artzusammensetzung einhergeht. Damit
ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Managementstrategien, die auf eine Stabilisierung
von Funktionen (zB Ertrag) abzielen, und solchen, die eine Bewahrung einer bestimmten
Artzusammensetzung anstreben.
Das zweite Beispiel zeigt die Antwort von Lebensgemeinschaften und Ökosystemprozessen auf Pulsstörungen, illustriert an experimentellen Planktonstudien. Hier lässt sich zeigen, dass eine Erholung der Artengemeinschaft immer auch eine Erholung der Funktion
(Biomasseproduktion) bedingt, die funktionelle Abweichung aber immer größer werden
kann, je mehr sich eine neue Artengemeinschaft nach der Störung etabliert. Darüber hinaus
zeigt sich, dass verschiedene Aspekte der Erholung (initiale Resistenz, Geschwindigkeit
und Linearität der Erholung, finaler Grad der Erholung) wenig bis gar nicht untereinander
(und zwischen verschiedenen Komponenten des Planktons) korreliert sind. Dadurch ergibt
sich die Schlussfolgerung, dass die Betrachtung isolierter Stabilitätsaspekte nicht nur unzureichend ist, sondern auch zu Fehleinschätzungen führt.
Klimawandel und Meer
05
Dies führt zum dritten Beispiel des Vortrages, in dem ich eine bisherig unveröffentlichte Meta-Studie zu Regime Shifts vorstelle. Dieses stark beforschte Konzept postuliert, dass die
Antwort eines Systems auf Veränderung zunächst graduell ist, aber ab einer gewissen
Stärke der Veränderung („tipping point“) plötzlich sehr zunimmt – bis hin zur Etablierung
von alternativen stabilen Zuständen, zum Beispiel beim Wechsel von korallen- zu algendomierten Zuständen in Riffökosystemen. Trotz der konsistenten theoretischen Grundlagen
des Regime Shift Konzeptes fehlt es an umfassender Kenntnis zur Häufigkeit solcher Ereignisse in natürlichen oder experimentellen Ökosystemen. In dieser Studie haben wir 24
Meta-Analysen zu globalen Umweltveränderungen (Erwärmung, Überdüngung, Fischerei,
Artenverlust, u.v.m) neu analysiert, in dem wir die Stärke der Antwort gegen die Stärke der
Veränderung verglichen und testeten, inwieweit sich Kippunkte und regime-shift äquivalente Antworten erkennen lassen. Es zeigt sich, dass in fast allen Meta-Analysen die Auslenkung des Systems (sowohl die mittlere Antwort als auch ihre Variabilität) graduell mit der
Stärke der Veränderung zunimmt. Damit erscheint die Suche nach Kippunkten sekundär
gegenüber einem Verständnis der Mechanismen, die die beobachtete Variation in der Stabilität von Ökosystemen erzeugt.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Prof. Helmut Hillebrand
Institute for Chemistry and Biology of Marine Environments [ICBM]
Carl-von-Ossietzky University Oldenburg
Schleusenstrasse 1
26382 Wilhelmshaven
Email: [email protected]
Klimawandel und Meer
06
Neue Erkenntnisse zum Anstieg des Meeresspiegels und weitere aktuelle Aspekte aus dem Expertennetzwerk des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI)
Hartmut Heinrich
Im Jahr 2016 hat das BMVI unter der Überschrift „Verkehrssysteme resilient und umweltgerecht gestalten“ ein Forschungsnetzwerk der Oberbehörden in seinem Geschäftsbereich
gegründet, in dem zu gemeinsamen wissenschaftlich-technischen Problemen zusammengearbeitet werden soll. Zu Beginn wurden drei Themenfelder (TF) identifiziert, zwei weitere
sind in der Entwicklung. TF 3 beschäftigt sich mit der Verlässlichkeit von Verkehrsbauwerken, TF 2 beschäftigt sich mit der umweltgerechten Gestaltung von Verkehr und Verkehrsinfrastruktur und TF 1 beschäftigt sich mit der Anpassung von Verkehr und Infrastruktur an
extreme Wetter und den Klimawandel.
Im Schwerpunkt „Meer und Küste“ des TF 1 finden zurzeit Untersuchungen zu den möglichen Folgen eines Meeresspiegelanstiegs für Binnenwasserstraßen statt, deren Entwässerung gezeitenabhängig ist; einem Problem sämtlicher staugeregelter Gewässer an Küsten
weltweit. Da mit steigendem Meeresspiegel die Entwässerungskapazität abnimmt, ist es für
Anpassungsmaßnahmen wichtig zu wissen, ab wann diese einsatzbereit sein müssen. Im
Expertennetzwerk werden dazu Fallstudien durchgeführt. Da sich in der jüngsten Literatur
Hinweise auf höhere Meeresspiegelanstiege finden als in den Berichten des IPCC, werden
aus Vorsorgegründen solche verwendet. Ursachen für die neuen Werte sind u.a. Projektionen, die einen stärkeren Eisausstoß von Grönland und der Antarktis berücksichtigen.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. Hartmut Heinrich
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Bernhard-Nocht-Str. 78
20359 Hamburg
Email: [email protected]
Klimawandel und Meer
07
Mikroalgen in der Ostsee: Wie reagieren sie auf den Klimawandel?
Jana Hinners
Mikroalgen stellen die Nahrungsgrundlage im Meer dar. Verändern sich ihre Zusammensetzung, ihr saisonales Vorkommen oder ihre Biomasse, kann dies Auswirkungen auf das
gesamte Ökosystem im Meer mit sich ziehen. In meiner Doktorarbeit untersuche ich Effekte
der globalen Erwärmung auf Mikroalgen in der Ostsee. Dafür habe ich 100 Jahre alte
Sporen der Mikroalge Apocalathium malmogiense, einer Dinoflagellaten-Art, aus dem Ostsee-Sediment vor Helsinki entnommen und wieder zum Keimen gebracht. In LaborExperimenten habe ich die Temperatur-Abhängigkeit dieser historischen Kulturen mit gegenwärtigen Kulturen verglichen. Ich konnte feststellen, dass sich diese Mikroalgen möglicherweise bereits an die Erwärmung der letzten einhundert Jahre angepasst haben. Diese
Ergebnisse, sowie eine Aussicht über mögliche zukünftige Veränderungen der Mikroalgen
und ihre Auswirkungen für das Ökosystem Ostsee präsentiere ich hier.
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Jana Hinners
Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft
Universität Hamburg
Grosse Elbstr. 133
22767 Hamburg
Email: [email protected]
Klimawandel und Meer
08
Austausch von Treibhausgasen an der Grenzfläche Ozean/Atmosphäre
Oliver Wurl
Der Ozean ist ein großer Speicher für Treibhausgase. Unablässig findet ein Austausch von
Kohlenstoffdioxid (CO2) zwischen dem Wasser und der Atmosphäre statt. Ungefähr 30%
der CO2 Emissionen werden im Ozean längerfristig gespeichert, und somit beeinflusst der
Ozean unter anderem das globale Klima. In Modellen zur Vorhersage des Klimas ist der
Prozess des Gasaustausches vereinfacht implementiert, beruhend auf der Abhängigkeit
zum Wind und zu Referenztiefen von einigen Metern unterhalb der Meeresoberfläche. Der
Prozess des Austausches findet allerdings direkt an der Meeresoberfläche als Grenzschicht
zwischen dem Ozean und der Atmosphäre statt. Hauchdünne organische Filme auf der
Meeresoberfläche bilden laminare Diffusionsschichten, die den Transport von Gasmolekülen zwischen dem Ozean und der Atmosphäre verlangsamen. Unsere neuesten Forschungsergebnisse zeigen zum einen, dass Meeresoberflächenfilme unter typischen ozeanischen Windeinflüssen existieren und somit weite Teile des Ozeans bedecken. Sie zeigen
zum anderen, dass Meeresoberflächenfilme biofilmähnliche Eigenschaften aufweisen können und durch biologische Stoffwechsel den Austausch von Treibhausgasen zwischen
Ozean und Atmosphäre beeinflussen. Wärmeeinfluss und Verdunstung von Wasser an der
Meeresoberfläche, insbesondere unter tropischen Bedingungen, erhöht die Dichte der Meeresoberflächenfilme und führt somit zum Absinken. Wassermassen aus oberflächennahen
Schichten strömen nach oben, und der Austausch der Wassermassen trägt entscheidend
zum Gasaustausch bei. Diese Tatsachen führen dazu, Meeresoberflächenfilme, auch wenn
deren Existenz seit Jahrzehnten bekannt ist, in einem neuen und weiter gefassten Kontext
zu betrachten, welcher zu vielen Thematiken in der Meeres- und Klimaforschung relevant
ist.
Feldmessungen von Gasaustauschraten und Eigenschaften von dünnen Meeresoberflächenfilmen stellen auf See eine große Herausforderung dar. Neue Technologien, entwickelt
am Insitut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg, machen
es seit 2015 möglich, beides simultan auf hoher See zu untersuchen. Ein ferngesteuerter
Katamaran mit einem speziellen Probennahmesystem schöpft von der Meeresoberfläche
dünne Schichten ab, die in Echtzeit hochauflösend auf biochemische Parameter vermessen
werden. Eine entwickelte Messboje auf dem Kammerprinzip misst derweil Gasaustauschraten mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung, die andere Messtechniken nicht erreichen. Die neuen Technologien werden in dem Vortrag vorgestellt, sowie Ergebnisse aus
Einsätzen in der Ostsee, im Indischen Ozean und Pazifik. Abschließend wird diskutiert, wie
die Daten dazu beitragen können, Vorhersagen in Klimamodellen zu verbessern.
Klimawandel und Meer
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Oliver Wurl
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Institut für Chemie und Biologie des Meeres
Schleusenstrasse 1
26382 Wilhelmshaven
Email: [email protected]
09
Arktis
Arktis
11
Müll in der Arktis
Melanie Bergmann
Die Belastung der Meere und Ozeane mit Müll ist ein Umweltproblem globalen Ausmaßes.
Seit der Entdeckung der Müllwirbel und des Mikroplastiks (Kunststoffpartikel < 5mm) ist
diese Thematik wieder stark in den öffentlichen Fokus gerückt. Den mit Abstand größten
Anteil des Mülls in den Meeren bilden langlebige Kunststoffe, deren jährliche Produktion
inzwischen auf weltweit 322 Millionen Tonnen angestiegen ist. Es wird prognostiziert, dass
der jährliche globale Eintrag von landbasiertem Kunststoffmüll von rund 8 Millionen Tonnen
im Jahr 2010 auf bis zu 250 Millionen Tonnen im Jahr 2025 ansteigen wird. Dennoch verzeichneten die meisten der wenigen bestehenden Zeitreihen bislang keinen eindeutigen
Anstieg über die Zeit von Müll im Meer.
Seit 1999 betreibt das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Langzeituntersuchungen am Tiefsee-Observatorium HAUSGARTEN zwischen
Grönland und Spitzbergen. Regelmäßig wiederholte Aufnahmen mit einer geschleppten
Kamera in 2.500 m Wassertiefe zeigten, dass der Müll am Meeresboden im Zeitraum zwischen 2002 und 2014 stark angestiegen ist, an der nördlichen Station sogar auf das über
20-fache. Damit ähnelt die Belastung in der Arktis der Mülldichte von Tiefsee-Canyons vor
den dicht besiedelten Metropolen Barcelona und Lissabon. Auch an der Meeresoberfläche
wurde treibender Müll und Mikroplastik entdeckt. An den Stränden Spitzbergens wird von
Touristen mittlerweile nicht mehr nur die beeindruckende Aussicht genossen, sondern angeschwemmter Müll eingesammelt. Bereits über 80% der Eissturmvögel Spitzbergens verzehren heute Plastikmüll.
Aus diesen Erkenntnissen heraus wurde im Rahmen der Helmholtz-geförderten Infrastruktur Maßnahme FRAM ein Pollution Observatory etabliert. In diesem Rahmen wird die Belastung von Müll / Mikroplastik im Meereis und Schnee, an der Meeresoberfläche, in der
Wassersäule und Tiefsee-Sedimenten sowie an arktischen Stränden untersucht. In diesem
Vortrag wird ein erster Ausschnitt der bisherigen Ergebnisse präsentiert.
Neueste Erkenntnisse eines internationalen Konsortiums weisen zudem auf Akkumulationsgebiete ähnlich den Müllwirbeln für Plastikmüll in der Arktis hin, deren Ursprung Müll
aus Nordeuropa ist. Parallel zum Klimawandel ist das fragile Arktische Ökosystem also einem weiterem Umweltproblem ausgesetzt. Effektive Lösungen können nur durch grundlegende Veränderungen in unserem Verbrauch und Umgang mit Kunststoff herbeigeführt
werden.
Arktis
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Dr. Melanie Bergmann
Alfred-Wegener-Institut
Helmholtz-Zentrum
für Polar- und Meeresforschung
Am Handelshafen 12
27570 Bremerhaven
Email: [email protected]
12
Arktis
13
Das Ende der Eis-Zeit?
Dirk Notz
Nirgendwo auf unserem Planeten zeigt sich der globale Klimawandel derzeit deutlicher als
in den Polarregionen: Das Meereis in der Arktis schrumpft in atemberaubendem Tempo,
die großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis schmelzen, und die Lufttemperaturen
am Nordpol erreichen immer wieder neue Rekordstände.
Dieser Vortrag diskutiert die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung, und erläutert die
möglichen Handlungsoptionen für die Zukunft.
Dabei wird insbesondere gezeigt, wie sehr die derzeitige Entwicklung von uns Menschen
beeinflusst und angetrieben wird. Zum Beispiel konnten wir in einer kürzlich in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie nachweisen, dass pro Tonne Kohlendioxid, die
ein Mensch irgendwo auf der Erde ausstößt, etwa 3 m² Meereis im Arktischen Sommer zusätzlich abschmelzen. Natürliche Schwankungen im Klimasystem haben diesen Trend in
den letzten Jahren zusätzlich verstärkt.
Der rasche Rückgang des Meereises trägt dazu bei, dass die Temperaturen in der Arktis im
Moment etwa zwei- bis dreimal so schnell steigen wie die globale Mitteltemperatur. Diese
starke Erwärmung in hohen Breiten hat möglicherweise auch ganz konkrete Auswirkungen
auf das Wetter in unseren Breiten.
Die Forschung der letzten Jahre hat des weiteren eindeutig zeigen können, dass sich der
Rückgang des Arktischen Meereises kaum selbst verstärkt. Die Ausdehnung des Arktischen Meereises folgt hingegen direkt der globalen Erwärmung. Wird die globale Erwärmung verlangsamt, so verlangsamt sich auch der Rückgang des Arktischen Meereises. Um
das Meereis in der Arktis das ganze Jahr hindurch zu erhalten, muss allerdings die Verlangsamung der Klimaerwärmung äußerst rasch erfolgen.
Beim derzeitigen Ausstoß von Kohlendioxid dürfte der Arktische Ozean im Sommer bereits
in zwei Jahrzehnten eisfrei sein.
Das Abschmelzen der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis ist hingegen teilweise selbst verstärkend. Hier werden heute möglicherweise Schmelzprozesse angestoßen,
die über viele Jahrhunderte ablaufen und auch dann nicht mehr aufzuhalten sind, wenn die
globale Klimaerwärmung gestoppt werden könnte.
Arktis
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. Dirk Notz
Max-Plank-Institut für Meteorologie
Bundesstr. 53
20146 Hamburg
Email: [email protected]
14
Arktis
15
Stand der Diskussion zu Meeresschutzgebieten in der Arktis
Henning von Nordheim - Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Tim Packeiser - World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland
Janos Hennicke - Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Seit der Bremer-Ministerkonferenz 2003 arbeiten die Vertragsstaaten der OSPARKonvention zum Schutz der Meeresumwelt im Nordostatlantik gemeinsam an der Einrichtung eines ökologisch kohärenten Netzwerkes von effektiv verwalteten Meeresschutzgebieten (marine protected areas/MPAs). Das Bundesamt für Naturschutz (Henning.v.Nordheim)
leitet die diesbezügliche Arbeitsgruppe der OSPAR-Kommission, koordiniert die entsprechenden Prozesse und erstellt regelmäßige Fortschrittsberichte.
Bis Ende 2016 haben die OSPAR-Vertragsstaaten insgesamt 448 MPAs für das Schutzgebietsnetzwerk im Nordostatlantik eingerichtet. Zusammengenommen sind damit 806.472
km² oder 5.9 % des OSPAR-Konventionsgebietes als Schutzgebiete deklariert. Weltweite
Beachtung fand insbesondere die gemeinschaftlich im Rahmen der OSPAR-Kommission in
den Jahren 2010 und 2012 vorgenommene Ausweisung von insgesamt zehn MPAs in internationalen Meeresgewässern (d.h. Gebieten jenseits der nationalen AWZ-Grenzen),
welche rund 40 % des OSPAR-Konventionsgebietes ausmachen.
Während vor allem in der Nordsee und einigen weiteren küstennahen Gewässern inzwischen von einer annähernden Kohärenz des Schutzgebietsnetzwerkes gesprochen werden
kann, sind die einzigartigen marinen Ökosysteme in der arktischen Region des Nordostatlantiks bisher überhaupt noch nicht adäquat durch MPA in dem Netzwerk erfasst.
Zu diesen einzigartigen Ökosystemen gehört auch das mit saisonalem und mehrjährigem
Meereis bedeckte Gebiet in den internationalen Gewässern im zentralen arktischen Ozean
rund um den Nordpol.
Sowohl die ökologische Bedeutung als auch die Einzigartigkeit und die Vulnerabilität dieses
Gebietes wurden in den letzten Jahren mehrfach wissenschaftlich bestätigt. So wurde das
Gebiet in dem durch das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) koordinierten Prozess zur Beschreibung von „ökologisch oder biologisch bedeutsamen Meeresgebieten“ (ecologically or biologically significant marine
areas/EBSAs) wiederholt als EBSA identifiziert - zum einen im Rahmen eines 2011 von der
Arktis
16
OSPAR-Kommission, der Kommission für die Fischerei im Nordostatlantik (NEAFC) und
dem CBD-Sekretariat gemeinsam organisierten Workshop zur Beschreibung von EBSAs im
Nordostatlantik ( „Arctic ice habitat - multiyear ice, seasonal ice and marginal ice zone“).
Zum anderen wurden im Rahmen eines 2014 durch das CBD-Sekretariat organisierten
Workshops zur Beschreibung von EBSAs mit Focus auf arktischen Meeresgewässern diverse circumpolare Gebiete identifiziert, darunter auch das „Multi-year ice of the Central
Arctic Ocean“. Die 12. Vertragsstaatenkonferenz der CBD (Oktober 2014 in Pyeongchang,
Süd-Korea) erkannte das Gebiet nachfolgend offiziell als EBSA an, welches damit in dem
sog. „depository“ der CBD gelistet wurde.
Aufbauend auf der aus diesen Prozessen resultierenden wissenschaftlichen Beschreibungen dieses Gebietes hatte der WWF einen Fachvorschlag zur Ausweisung eines Meeresschutzgebietes unter OSPAR erstellt („OSPAR Arctic Ice High Seas MPA“),der 2014 im
OSPAR-Biodiversitätskomitee (BDC) verhandelt wurde. Nach anschließender Überarbeitung folgte die Wiedervorlage des Vorschlages zu BDC 2015 und erhielt nunmehr formale
Unterstützung durch Belgien, Frankreich und Deutschland. Angesichts weiterer prinzipieller
Unterstützung zahlreicher OSPAR-Vertragsstaaten übernahm die deutsche BDCDelegation unter Leitung des BfN (als Vorsitz der OSPAR-MPA Arbeitsgruppe) die Verantwortung, den Fachvorschlag gemäß der Ergebnisse der zweiten Beratung anzupassen. Der
revidierte Schutzgebietsvorschlag wurde 2016 sowohl im Rahmen des OSPAR-BDC als
auch der OSPAR-Kommission erneut beraten. Während nun eine deutliche Mehrheit der
OSPAR-Vertragsstaaten die Ausweisung eines Schutzgebietes durch die OSPARKommission in dieser Region befürwortete, verwiesen Dänemark, Island und Norwegen
nunmehr auf die Notwendigkeit, den Arktischen Rat in die Beratungen über diesen Schutzgebietsvorschlag einzubeziehen.
Dieser Forderung wurde nach kontroversen Diskussionen letztlich nachgegeben und der
Schutzgebietsvorschlag im Sommer 2016 von der OSPAR-Kommission offiziell an den Arktischen Rat übermittelt – allerdings leider ohne konkrete Einladung, den Vorschlag zu prüfen und eine entsprechende Rückmeldung an die OSPAR-Kommission zu geben.
Bis dato haben sich die Arbeitsgruppen des Arktischen Rates nicht mit diesem Vorschlag
befasst. Es bleibt zudem festzuhalten, dass der Arktische Rat – im Gegensatz zur OSPARKommission – derzeit kein Mandat hat, rechtsverbindliche Schutzgebiete in internationalen
Meeresgewässern in seinem Geltungsbereich auszuweisen.
Arktis
17
Während also die ökologische Bedeutung der marinen Ökosysteme in der Arktisregion und
deren Einzigartigkeit und Gefährdung wissenschaftlich hinreichend bestätigt ist und entsprechende Schutzvorschläge „auf dem Tisch“ liegen, gestaltet sich die Umsetzung aufgrund überlappender Zuständigkeiten internationaler Gremien und der Bedenken einzelner
nordischer Staaten als überaus schwierig.
Anschrift des Vortragenden:
Herr
Prof. Dr. Henning von Nordheim
Bundesamt für Naturschutz
Außenstelle Insel Vilm
18581 Putbus
Email: [email protected]
Schifffahrt
Schifffahrt
19
Meilensteine für den Umweltschutz in der Schifffahrt Global Sulphur Cap, Überwachung von Stickoxidemissionen in
Nord- und Ostsee und Inkrafttreten des Ballastwasserübereinkommens
Carolin Abromeit
2016 war ein gutes Jahr für diejenigen, die sich seit Jahrzehnten für mehr Umweltschutz in
der Seeschifffahrt einsetzen. Nach Jahrzehnten zäher Verhandlungen in der internationalen
Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und bis zuletzt verbleibender Ungewissheiten konnten im
vergangenen Jahr zwei wesentliche Beschlüsse gefasst und ein weiterer Meilenstein erreicht werden:
1. Es wurde endgültig beschlossen, dass ab 2020 weltweit nur noch Schiffskraftstoff
eingesetzt werden darf, der einen Schwefelgehalt von höchstens 0,50% - anstatt wie
bisher 3,50% - hat.
2. Auf Vorschlag der Nord- und Ostseeanrainerstaaten wurde beschlossen, die beiden Meere zum Emissionsüberwachungsgebiet für Stickoxide (NECA) zu deklarieren, so dass dort ab 2021 strenge Stickoxidemissions-Grenzwerte für Schiffsmotoren
gelten werden.
3. Durch Ratifikation von Finnland konnte nach 13 Jahren die notwendige Anzahl
von Ratifikationen erreicht werden, um das Ballastwasserübereinkommen, welches
2004 beschlossen wurde, in Kraft zu setzen.
Alle drei Entscheidungen tragen in besonderer Weise zu einer Verbesserung der Umweltfreundlichkeit der Schifffahrt bei. Durch die Einführung strengerer Grenzwerte für Luftemissionen (SOx und NOx) wird weltweit ein erheblicher Beitrag zu verbesserter Luftqualität und
damit zum Schutz der Küstenbewohner vor Gesundheitsgefahren geleistet.
Durch das längst überfällige Inkrafttreten des Ballastwasserübereinkommens wird der
Transport von Organismen im Ballastwasser eingeschränkt. Dadurch können in Zukunft
Umwelt-, Gesundheits- und wirtschaftliche Schäden durch die Einschleppung invasiver mariner Arten vermindert werden.
Der Vortrag gibt einen Überblick über Entstehung, Nutzen und Auswirkungen dieser drei
wichtigen Entscheidungen, die neben vielen anderen richtungsweisenden Beschlüssen
zum Umweltschutz in der Seeschifffahrt durch die Internationale Seeschifffahrtsorganisation initiiert, verhandelt und verabschiedet wurden.
Schifffahrt
20
Zudem befasst sich der Vortrag mit den Herausforderungen, die die Umsetzung dieser Beschlüsse für die Verwaltungen in den Schifffahrtsnationen weltweit mit sich bringen wird
und gibt abschließend einen Ausblick auf weitere Umweltschutzthemen, für die sich die
IMO in den kommenden Jahren einsetzen wird.
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Carolin Abromeit
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
Bernhard-Nocht-Str. 78
20359 Hamburg
Email: [email protected]
Schifffahrt
21
Inkrafttreten der IMO-Ballastwasserkonvention – Herausforderungen für Reedereien
Wolfgang Hintzsche
Nach der Ratifizierung durch Finnland wurde nach 12 Jahren der Ratifizierungsprozess mit
52 Staaten und insgesamt 35,1441% der Welttonnage abgeschlossen und die Konvention
tritt am 08. Sept. 2017 in Kraft.
Die IMO-Vorschriften bestimmen den Einbautermin nach der Erneuerung des IOPPZertifikats, ein Vorziehen und Abkoppeln vom Klasselauf wird dabei vom VDR und den internationalen Reederverbänden ausdrücklich empfohlen und wird mittlerweile durch alle
wesentlichen europäischen und internationalen Flaggen erlaubt.
Die gerade an die USCG-Vorschriften angepassten neuen IMO G8-Zulassungsvorschriften
für Ballastwasserbehandlungsanlagen schreiben vor, dass alle eingebauten Anlagen ab
spätestens 20. Oktober 2020 dieser entsprechen müssen.
Die US-Vorschriften sind seit Dezember 2013 in Kraft und schreiben den Einbau einer BWBehandlungsanlage bis zum „next scheduled drydocking“ verbindlich vor. Jede eingebaute
Anlage muss – je nach Zeitplan und auch mit AMS-approval – letztendlich eine eigene und
separate USCG-Zulassung vorweisen. Die dafür notwendigen Zulassungstests und Verfahren laufen bereits seit 2015 in den von der USCG anerkannten Laboren.
Der VDR unterstützt seit einigen Jahren die Reedereien bei der Erlangung der USCG„Extensions“ und der Abkoppelung des IOPP und weist seit einigen Monaten auf entsprechende Merkpunkte bei der Vorbereitung der Reedereien zum zukünftig notwendigen Einbau einer Behandlungsanlage hin. Dabei ist es unverzichtbar eine Anlage auszuwählen,
welche sowohl eine Zulassung nach USCG-Vorschriften und der überarbeiteten IMO-G8Zulassungsrichtlinie vorweist.
Bei den enormen finanziellen Herausforderungen für die Reedereien – allein für die deutsche Handelsflotte betragen die Investitionskosten für 2.500 Schiffe rund 2 Mrd. EUR – gilt
es nun, Fehlinvestitionen zu vermeiden und geeignete Anlagen mit einem Mehrwert für den
Umweltschutz und die Einhaltung der IMO und USCG-Grenzwerte in den weltweiten Fahrtgebieten auszuwählen und einzubauen.
Des Weiteren ist es notwendig, für Kurzstreckenverkehre in einer ‚same-Risk-Area‘ schnell
realistische Voraussetzungen für mögliche Ausnahmen nach G7 zu schaffen.
Schifffahrt
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Kapitän Wolfgang Hintzsche
Verband Deutscher Reeder
Burchardstraße 24
20095 Hamburg
Email: [email protected]
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Schifffahrt
23
Kollisionen zwischen Schiffen und Walen: Die unterschätzte
Bedrohung
Fabian Ritter1,2, Simone Panigada1,3
(1) Internationale Walfang Kommission (IWC), 135 Station Road, Cambridge, UK
(2) M.E.E.R. e.V., Bundesallee 123, 12161 Berlin
(3) Tethys Research Institute, Viale G.B. Gadio 2, Mailand, Italien
Dieser Vortrag beschäftigt sich mit dem Problem von Kollisionen zwischen Schiffen und
Walen. Warum und wie kommt es zu solchen Unfällen? Wie können die Zusammenstöße
verhindert werden? Diese Fragen sollen beantwortet werden. Es werden sowohl die
Schiffstypen als auch die Walarten benannt, die besonders „anfällig“ für Kollisionen sind,
und welche Faktoren entscheidend für den Ausgang einer Kollision sind (z.B. Schäden am
Schiff oder Schwere von Verletzungen der Tiere). Es wird auf diejenigen Gebiete hingewiesen, wo besonders vielen Unfälle passieren – hierzu gehören z.B. die Ostküste der USA,
die Straße von Gibraltar und die Kanarischen Inseln. Der aktuelle Kenntnisstand zum Thema wird dargelegt, aber es werden auch die zahlreichen Wissenslücken benannt. Die potenziellen Lösungen zur Vermeidung von Kollisionen können als drei Ebenen beschrieben
werden: 1. Technologische Lösungen (Sonar, Wärmekameras, etc.) - von denen bisher
jedoch keine das Problem effektiv lindert, 2. operationale Ansätze (z.B. Verlegung von
Schifffahrtsrouten, spezielle Schutzgebiete oder Geschwindigkeitsbegrenzungen), sowie
edukative Ansätze (z.B. Bildung und Ausbildung von Schiffsbesatzungen). Für alle drei
Ebenen werden Beispiele aufgezeigt, dabei wird gleichzeitig die jeweilige Effektivität von
bestimmten Maßnahmen eingeschätzt. Die Rolle der IWC bei der Behandlung der Problematik auf internationaler Ebene wird eingehend beschrieben, und die globale IWCDatenbank zur Erfassung von Kollisionen zwischen Schiffen und Walen wird vorgestellt. In
diesem Sinne wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, dass über möglichst jede Kollision
auch ein Bericht abgelegt wird. Dazu ist die IWC Datenbank ein perfektes und vor allem
öffentlich zugängliches Mittel. Beim heutigen Kenntnisstand lauten die drei wichtigsten
Empfehlungen zur Vermeidung von Kollisionen
•
•
•
Schiffsverkehr ist möglichst von Gebieten mit hoher Waldichte (inklusiv Schutzgebieten) fern zu halten.
Da, wo eine Trennung von Verkehr und Tieren nicht möglich ist, sollten Geschwindigkeitsreduzierungen auf 13 kn eingeführt werden.
Alle Kollisionen sollten als Bericht Eingang in die globale IWC Datenbank finden unter: https://iwc.int/ship-strikes
Schifffahrt
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Fabian Ritter
M.E.E.R. e.V.
Bundesallee 123
12161 Berlin
Email: [email protected]
24
22
Schifffahrt
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Unabhängige Umweltexpertengruppe „Folgen von Schadstoffunfällen“ (UEG) beim Havariekommando „Vorstellung der UEG
und laufende Aktivitäten“
Jürgen Knaack
Die Unabhängige Umweltexpertengruppe „Folgen von Schadstoffunfällen“ beim Havariekommando (UEG) wurde 2004 als gemeinsame Expertengruppe von Bund und Ländern ins
Leben gerufen. Zweck der UEG ist es, in enger Zusammenarbeit mit den Umweltbehörden
und Forschungseinrichtungen die Dokumentation und Weiterentwicklung des Wissens über
die umweltrelevanten Folgen von Unfällen mit Schadstoffen in den Küsten- und Meeresgewässern zu verfolgen und dieses zur Nutzung für die Entscheidungsfindung des Havariekommandos (HK) auszuwerten.
Die Expertengruppe besteht aus Umweltfachleuten verschiedener Fachrichtungen. Die derzeit 16 Mitglieder der UEG werden aus Behörden des Bundes und der Länder sowie aus
Forschungsinstitutionen entsandt.
Die UEG trifft sich einmal jährlich zu einer Jahressitzung sowie zu weiteren themenorientierten Sitzungen. Die Themenfestlegung erfolgt durch den „Bund-/Länder-Koordinierungsausschuss Schadstoffunfallvorsorge“ (KOA-SUB). Derzeit arbeitet die UEG an folgenden
Themen:
Einschätzung der UEG zum Einsatz von Dispergatoren
Um die Auswirkungen von Ölunfällen auf See zu minimieren, werden vielfach und in deutschen Küstengewässern derzeit ausschließlich mechanische Methoden eingesetzt. Im europäischen Kontext wird vermehrt aber auch über den Einsatz von Dispergatoren als alternative chemische Bekämpfungsmethode diskutiert. Das Einbringen von Dispergatoren hat
das Ziel, Ölfilme an der Wasseroberfläche aufzubrechen und die Bildung von Dispersionen
(feinen Tröpfchen) zu fördern und damit den mikrobiologischen Abbau zu beschleunigen.
Auch verändert die Dispersion die Ausbreitungseigenschaften eines Ölteppichs, so dass in
günstigen Fällen die Drift in sensible Gebiete wie dem Wattenmeer vermindert werden
könnte.
Im Gegensatz zu mechanischen Ölbekämpfungsmaßnahmen wird das dispergierte Öl allerdings nicht aus der Umwelt entfernt, sondern innerhalb des Wasserkörpers umverteilt.
Auch wird durch die Dispersion die Bioverfügbarkeit der Ölbestandteile in der Wassersäule
erhöht, womit toxische Effekte auf wasser- und sedimentbewohnende Organismen u. U.
verstärkt werden können.
Schifffahrt
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Auf Grund der verschiedenen Vor- und Nachteile, die mit der Applikation von Dispergatoren
auf die Meeresumwelt verbunden sein können, wird deren Einsatz zur Bekämpfung von
Mineralölverunreinigungen kontrovers diskutiert.
Um eine aktuelle wissenschaftliche Einschätzung für deutsche Küsten- und Meeresgewässer zu liefern, beschäftigt sich die UEG mit dem Thema. Im November 2015 veranstaltete
daher das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt
und Hydrographie (BSH), der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), dem Havariekommando und der UEG einen internationalen Workshop mit Vertretern aus Frankreich und
Großbritannien zum Einsatz von Dispergatoren. Die Ergebnisse des Workshops sind durch
Grote et al., 2016 veröffentlicht.
Monitoringkonzept
Nach dem Pallas-Unglück (1998) gab die zur Untersuchung des Schadstoffunfalls eingesetzte „Unabhängige Expertenkommission – Havarie Pallas“ (Grobecker-Kommission) u.a.
die Empfehlung ab, „[…] die mittel- und langfristigen Folgen nach einem Unfall mit erheblichem Schadstoffaustritt systematisch zu untersuchen und die Auswirkungen, insbesondere
in ökologischer und ökonomischer Hinsicht festzustellen. […] Ein Ziel solcher Untersuchungen soll es sein, langfristig Erkenntnisse für ökologische Ausgleichsmaßnahmen nach
Schadstoffunfällen zu entwickeln und umzusetzen“.
Auf dieser Grundlage hat das Havariekommando eine Studie beauftragt, die unter der Federführung der UEG ein Untersuchungskonzept zur Ermittlung von Umweltauswirkungen
bei großen Schadstoffunfällen in Nord- und Ostsee entwickeln soll und deren Ergebnisse
nun vorliegen.
Düngemittel
Mineraldünger werden in großen Mengen in Schüttgutfrachtern („Bulker“) auf dem Seeweg
transportiert. Dabei sind Transportmengen von 20.000 Tonnen durchaus üblich. Sollte es
beim Transport zu einem Unfall kommen, können größere Mengen Düngemittel in den
Wasserkörper gelangen. Als Beispiel kann die Havarie der Purple Beach im Mai 2015 vor
der deutschen Nordseeküste genannt werden. Sie hatte zum Zeitpunkt des Unfalls ca.
20.000 t Düngemittel an Bord. Glücklicherweise konnte in diesem Fall die Havarie aber ohne Ladungsverlust beendet werden.
Aufgabe der UEG ist es, eine Abschätzung vorzunehmen, in wieweit nach einem Düngemittelunfall die zu erwartenden Konzentrationen der verschiedenen Nährstoffe und die Dauer
erhöhter Konzentrationen für verschiedene Unfallszenarien eine Belastung für die Meeresumwelt darstellten. Im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) werden
hierzu derzeit zeitliche Entwicklungen von Konzentrationsverteilungen in vier beispielhaft
betrachteten Seegebieten mit Hilfe eines vereinfachten Ausbreitungsmodells simuliert.
Schifffahrt
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Weitere Themen, zu denen die UEG in der Vergangenheit Stellungnahmen erarbeitet
hat, sind
•
•
Risiken flüssiger Massengüter bei Havarien,
Verschmutzung von Nord- und Ostsee durch Paraffin.
Diese Stellungnahmen, wie auch die Mitglieder der UEG sind auf der Internetseite Seite des
Havariekommandos unter folgendem LINK abrufbar.
https://www.havariekommando.de/DE/wir-ueber-uns/schadstoffunfallbekaempfungkueste/Expertengruppe/UEG.html?nn=1463194
Literatur:
Grote M., Nagel A., Nies H., Rauterberg J, Wahrendorf D.-S. (Editors) (2016):
The use of dispersants tocombat oil spills in Germany at sea.- BfR-Wissenschaft 02/2016,
Berlin 2016, http://www.bfr.bund.de/cm/350/the-use-of-dispersants-to-combat-oil-spills-ingermany-at-sea.pdf.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Jürgen Knaack
Niedersächsischer Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Ratsherr-Schulze-Str. 10
26122 Oldenburg
Email: [email protected]
Fischerei
Fischerei
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Wie sehr reduzieren Naturschutz und Offshore Windenergiegewinnung die Erlöse der Fischerei?
Torsten Schulze1, Katell Hamon2, Katharina Schulte1, Niels Hintzen2, Francois Bastardie3
1: Thünen Institut für Seefischerei, 2: Wageningen University & Research, 3: DTU Aqua
Der Raum für Fischerei in der deutschen Nord- und Ostsee könnte künftig knapper werden:
Großflächige, für die Fischerei gesperrte Windparks sollen bis zum Jahr 2030 15 Gigawatt
aus Windenergie generieren, dazu kommen großflächige Natura-2000-Gebiete, die für bestimmte Fischereipraktiken Einschränkungen mit sich bringen werden. Für die angrenzenden Meeresgebiete der Nachbarstaaten in der Nordsee gilt Vergleichbares. Die genauen
Auswirkungen dieser Szenarien auf die Fischerei sind bislang nur ungenau abschätzbar
und werden kontrovers diskutiert. Die Auswertung und Modellierung kleinräumiger und individueller Fischereimuster kann die Beurteilung der Auswirkungen von Fanggebietsverlusten
auf einzelne Schiffe bzw. Betriebe unterstützen. Die speziell für diese Anwendungen entwickelte ‚Individuelle Stress-Level-Analyse‘ (ISLA) ist ein quantitatives Modell, mit dem sich
anhand in der Vergangenheit beobachteter Aufwands- und Ertragsmuster abschätzen lässt,
wie sich verschiedene Varianten räumlich und zeitlich begrenzter Fischereibeschränkungen
auf einzelne Schiffe bzw. Betriebe auswirken können. Es erlaubt dabei die Effekte verschiedener Gebietsverlustoptionen auf bestimmte Küstenregionen oder die Fischergemeinschaften einzelner Häfen miteinander zu vergleichen. Dabei ist unerheblich, durch welche
Sektoren diese Verluste entstehen, da Ausschussgebiete kumulativ berücksichtigt werden
und die komplexen Zusammenhänge in kartographisch abgebildeten Entscheidungsoptionen verdeutlicht werden. Im vorliegenden Beitrag werden aktuelle Vorschläge für Fischereibeschränkungen in den Meeresschutzgebieten der deutschen, niederländischen und dänischen Gewässer sowie den in Deutschland vorgesehenen Windenergiegebieten diskutiert.
Während das endgültige Fischereimanagement in den Natura-2000-Gebieten zunächst
noch abgestimmt und von der EU beschlossen werden muss, hängt der Bau der Windparks
von vielen Faktoren wie der Finanzierung und erwarteten Profitabilität sowie von der Überwindung technischer Schwierigkeiten ab. Die hier zusammengestellten und getesteten Managementoptionen sind somit Varianten möglicher Zukunftsszenarien.
Für die Analysen der möglichen Folgen für die Fischer werden Daten aus verschiedenen
Quellen miteinander verschnitten: Logbücher geben Aufschluss über verwendete Fischereigeräte und Maschenweiten, gemeldete Anlandungen enthalten Angaben zu Fangzusammensetzung und Erlösen. Das satellitengestützte Vessel Monitoring System (VMS) liefert mit Angaben zu Schiffspositionen, Geschwindigkeit und Kurs hochaufgelöste Informationen, um den Fischereiaufwand verschiedener Flottensegmente abzuschätzen und auch
die erwirtschafteten Erlöse räumlich zuzuordnen.
Fischerei
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Anschließend wird analysiert, welche Erlöse ein Fischereibetrieb in der Vergangenheit in
den Flächen, die ihm in dem jeweiligen Szenario künftig nicht mehr zur Verfügung stehen,
erwirtschaftet hat. Der Vergleich mit dem jährlichen Gesamterlös desselben Betriebs definiert den ‚individuellen Stresslevel‘ (ISL). Durch die Zusammenfassung von individuellen
Datensätzen können Stresslevelprofile z.B. für einzelne Häfen, Regionen oder nationale
Flotten erstellt werden.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. Torsten Schulze
Johann Heinrich von Thünen-Institut
Institut für Seefischerei
Palmaille 9
22767 Hamburg
Email: [email protected]
Fischerei
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„Transparency at Sea“ – Satellitengestützte Analyse schädlicher Bodenfischerei auf der Hohen See des Nordostatlantik
Stephan Lutter
WWF
Satellitengestützte Überwachung der Aktivitäten von Fangschiffen auch in küstenfernen
Gebieten ist keine Neuigkeit und wird von Mitgliedsstaaten der EU ebenso wie von regionalen Fischerei-Management-Organisationen (RFMOs wie z.B. der Nordostatlantischen Fischereikommission NEAFC und ihrer nordwestatlantischen Partnerorganisation NAFO) regelmäßig angewandt. Schiffe ab einer bestimmten Größe müssen in regelmäßigen Intervallen so genannte VMS-Signale (Vessel Monitoring System) senden, die im Idealfall auch
zeitnah ausgewertet werden. Damit werden zugleich andere Parameter wie das eingesetzte
Fanggerät übermittelt. Von zunehmendem Interesse ist nach Beschlüssen der Vereinten
Nationen und der FAO die Kontrolle bodenberührender Fischerei, um den Schutz empfindlicher Tiefsee-Ökosystem (VMEs, vulnerable marine ecosystems) zu gewährleisten: Kaltwasserkorallenriffe, Schwammformationen, Raucher, Seeberg-Ökosysteme und begleitende Arten von Tiefseefischen. So ist unter NEAFC der Einsatz jeglichen Fanggeräts, das
den Meeresboden berührt, mobil wie statisch, nur in kleinen Bereichen (existing fishing
areas) des Vertragsgebiets zugelassen, erhebliche Flächen sind ganz geschlossen (closed
areas), in anderen Gebieten (new fishing areas) bedarf es einer Antragsstellung mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Stellnetzfischerei in Tiefen unterhalb von 200 Metern ist zum
Schutz von Tiefseehaien gänzlich verboten. NEAFC legt mittlerweile seinen Mitgliedern und
Beobachtern jährlich eine Auswertung der relevanten VMS-Signale vor.
An dieser Stelle beginnt das Interesse zivilgesellschaftlicher Organisationen wie des WWF.
Denn die vorgelegten VMS-Daten und „vessel tracks“ sind anonymisiert, Schiffsidentität
bzw. Flagge werden in diesem Rahmen nicht offen gelegt. Uns ist es jedoch wichtig, eventuelle Verstöße konkret benennen zu können oder Gebiete zur Schließung vorzuschlagen,
in denen VMEs vorkommen und wegen aktiver Bodenfischerei zusätzliche Schutzmaßnahmen geboten wären.
WWF hat mit dem Umwelttechnologie-Unternehmen navama daher das seeOcean Tool
entwickelt. Es basiert darauf, dass von Satellitenprovidern öffentlich zugängliche so genannte AIS-Signale (Automatic Identification System bzw. sAIS) abgerufen und mit einem
Algorithmus ausgewertet werden. AIS dient in erster Linie dem Schutz vor Kollisionen auf
See. Es ist kein Instrument des Fischereimanagements. In vielen Flaggenstaaten ist es inzwischen vorgeschrieben.
Fischerei
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seeOcean bietet viele GIS-basierte Layer, von Bathymetrie über geopolitische Grenzen bis
zu Meeresschutzgebieten oder geschlossenen Flächen und der Verteilung von VMEs. Es
kommen verschiedene Filter zum Einsatz, so z.B. die für Schleppnetzeinsatz typische
Schiffsgeschwindigkeit von vier Knoten. Durch Kombination der ermittelten Bewegungsmuster von Fangschiffen mit Angaben über Fanggerät und Fanglizenzen aus Datenbanken
(EU, FAO, NGOs) können Rückschlüsse auf legale und illegale Bodenfischerei gezogen
werden.
Doch es gibt weitere Anwendungen, etwa beim Aufspüren von „transshipment“, dem Umladen von Fangmengen von einem Fangschiff auf einen Carrier. Das Online-Tool ist natürlich
ebenso auf Handelsschiffe anwendbar. Es kann unter bestimmten vertraglichen Bedingungen auch von anderen Institutionen genutzt werden.
Im Nordostatlantik ging der WWF damit bisher folgenden Fragestellungen nach und berichtete die Ergebnisse an OSPAR und NEAFC, verbunden mit entsprechenden politischen
Forderungen:
•
•
•
•
•
Findet bodenberührende Fischerei in den von OSPAR im Jahr 2010 bzw. 2012 ausgewiesenen Schutzgebieten auf der Hohen See (z.B. Charlie-Gibbs MPA) statt, die
auch von NEAFC größtenteils geschlossen sind?
Welche Maßnahmen gegen Boden- und Stellnetzfischerei sind in einem dieser Gebiete (Josephine Seamount MPA) nötig, das bisher nicht geschlossen ist?
Wird das Verbot von Bodenschleppnetzen (EU-Verordnung) in den Ausschließlichen
Wirtschaftszonen um die Azoren, Madeira und Kanarischen Inseln eingehalten?
Gibt es illegale Bodenfischerei in den von NEAFC geschlossenen Bereichen von
Rockall und Hatton Bank?
Welche der von NEAFC auf der Basis von VMS-Signalen vorgelegten Muster weisen
auf nicht autorisierte Bodenfischerei in „new fishing areas“ hin und lassen sich diese
mit AIS nachvollziehen?
Seit Januar 2017 sind durch die neue Tiefseefischerei-Verordnung der EU Gewässer ab
800 Metern Tiefe für Bodenschleppnetze gesperrt. Der WWF beginnt, auch die Umsetzung
dieser Regelung zu überprüfen. Mit einem offenen Brief an Kommissar Vella haben europäische NGOs hier gerade auf dringenden Handlungsbedarf hingewiesen.
Zunehmend werden in den EU-Gewässern im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik
Fischereibeschränkungen in (z.B. Natura 2000) Meeresschutzgebieten eingeführt. Hier sehen wir eine weitere Aufgabe, mit seeOcean in Zukunft Transparenz herzustellen und Gremien, Behörden und Öffentlichkeit zu informieren.
30
Fischerei
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Stephan Lutter
WWF Deutschland
Internationales WWF-Zentrum für Meeresschutz
Mönckebergstraße 27
20095 Hamburg
Email: [email protected]
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Fischerei
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Angelfischerei in der Ostsee: Bedeutung, Datenerhebung,
Management
Harry V. Strehlow, Uwe Krumme
Thünen-Instiut für Ostseefischerei, Alter Hafen Süd 2, 18069 Rostock
Kontakt: [email protected]
Neben der kommerziellen Fischerei entnimmt die marine Freizeitfischerei, insbesondere die
Angelfischerei, eine bedeutende Menge an Biomasse aus den Fischbeständen. Gleichzeitig
ist die marine Freizeitfischerei in vielen Ländern weltweit eine wichtige Freizeitbeschäftigung und besitzt auch eine große sozioökonomische Bedeutung. Insbesondere für die Küstengebiete und strukturarme Regionen ist der Angeltourismus eine wichtige Einkommensquelle. Darüber hinaus hat die Freizeitfischerei über den reinen Fischfang hinaus eine besondere Bedeutung, da sie auch andere gesellschaftliche Dienstleistungen bereitstellt, wie
zum Beispiel Erholung, Bewegung und Ökosystemleistungen. Die jüngste Erhebung
schätzt die Gesamtanzahl der marinen Freizeitfischer in Europa auf 8,7 Millionen Fischer,
welche jährlich 5,9 Milliarden Euro für ihr Hobby ausgeben.
Die regelmäßige Erhebung von Freizeitfischereidaten in Europa begann 2001 mit der Einführung der Verordnung (EG) Nr. 1639/2001. Sie verpflichtete die Mitgliedsstaaten, die
Fänge von Blauflossenthun in allen europäischen Meeresgebieten und Lachs in der Nordund Ostsee zu erheben. Über die Jahre wurde die Liste der Fischarten – deren Freizeitfischereifänge im Rahmen des europäischen Fischereidatensammelprogrammes erhoben
werden müssen – schrittweise erweitert. Seit 2009 sind daher alle europäischen Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Fänge aus der Freizeitfischerei von Atlantischem Kabeljau,
Europäischem Aal, Atlantischem Lachs, Europäischem Wolfsbarsch und Atlantischem
Blauflossenthun zu evaluieren (EC 2008/949), im Jahre 2016 kamen noch Pollack und
Meerforelle hinzu (EU 2016/1251). Nationale Datensammelprogramme und eine „ICES
Working Group on Recreational Fisheries Surveys“ (WGRFS) wurden etabliert, um die erforderlichen Daten zu sammeln und eine länderübergreifende Harmonisierung der Surveymethoden zu fördern (Ferter et al., 2013). Untersuchungen des Thünen-Institutes für Ostseefischerei (Thünen-OF) zeigen, dass beispielsweise die Dorschfänge und -rückwürfe der
Freizeitfischerei in der westlichen Ostsee einen erheblichen Umfang haben. Tatsächlich
betrug allein die jährlich durch die deutsche Freizeitfischerei entnommene DorschBiomasse in den Jahren 2005 bis 2010 im Mittel knapp 50 % der jährlichen Anlandemengen der deutschen kommerziellen Fischerei aus demselben Gebiet. Auch Studien anderer
Ostsee-Anrainer wie z.B. Dänemark und Schweden zeigen, dass die Dorschentnahme
durch die Freizeitfischerei in der Ostsee nicht vernachlässigbar ist.
Fischerei
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Die Evaluation des Umfangs und der Fänge der Freizeitfischerei ist allerdings eine komplexe Herausforderung und mit einer Vielzahl von Problemen verbunden. Um den Umfang der
Angelfischerei zu untersuchen, muss zunächst ermittelt werden, wie viele Angler es in einem bestimmten Gebiet gibt, wie viele Tage sie angeln (Aufwand) und wie viel sie von welchen Arten dabei pro Tag fangen (Einheitsfang). Mit diesen Daten lässt sich anschließend
der Gesamtfang für ausgewählte Fischarten berechnen. In der Praxis tauchen dabei häufig
drei Probleme auf: (1) Es gibt in vielen Ländern keine zentrale Erfassung von Anglern, (2)
Anglerfänge werden häufig nicht dokumentiert und (3) Angler gehen in entlegenen Gebieten ihrem Hobby nach. Freizeitfischerei-Surveys sind entsprechend komplex und schwierig
durchzuführen. Um die verschiedenen Daten zu erheben, benötigt man unterschiedliche
Methoden, wie beispielsweise repräsentative Telefon- und Vor-Ort-Befragungen.
Zur Abschätzung des Einheitfangs bei Dorschen wurden zwischen 2005 und 2016 entlang
der deutschen Ostseeküste über 22.000 Angler zu ihren Fängen befragt. Etwas mehr Dorsche wurden für die Gewinnung der Längenverteilungen vermessen. Eine 2014 vom Thünen-OF durchgeführte und vom Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und
Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LALLF M-V) ko-finanzierte deutschlandweite Telefonbefragung von 50.000 Haushalten führte zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland rund
171.000 Meeresangler gibt, welche nach konservativen Schätzungen mindestens 116 Millionen Euro jährlich ausgeben. Davon sind allein 161.000 Ostseeangler, welche im Jahr rund
1,1 Millionen Angeltage auf Dorsch und Meerforelle angeln gehen. Dieser Aufwand verteilt
sich fast gleichmäßig auf das Angeln vom Ufer (Brandungs- und Watangeln) bzw. vom Kutter oder Boot (Kutter-, Boots- und Trollingangeln), wobei rund 85% der Dorschfänge vom
Kutter bzw. Boot aus gemacht werden. Bei den seit 2005 ständig durchgeführten Vor-Ort
Beprobungen in Häfen und an Stränden (alle Angelmethoden zusammengefasst) wurde
festgestellt, das nur 36% der Ostseeangler aus den beiden Küstenbundesländern stammen
(15% aus M-V und 21% aus S-H). Der größte Teil sind Angeltouristen aus den restlichen
Bundesländern. Die Dorsch-Fangmengen durch private Angler in der westlichen Ostsee
sind inzwischen fast genauso groß wie die der kommerziellen deutschen Fischerei. Im Mittel der letzten 3 Jahre fingen die Angler 80% der Menge der deutschen Anlandungen. Die
Fangmengen haben sich in den letzten Jahren vor allem angenähert, weil die Quoten für
die Berufsfischerei immer weiter gesenkt wurden. Die jährlichen Anglerfänge dagegen
schwanken stark. Basierend auf den Aufwandsdaten und den Einheitsfängen aus den VorOrt-Beprobungen variierte der jährliche Dorschfang von 1,4 bis 3,2 Millionen Stück bzw.
zwischen 1700 und 3000 Tonnen. Die Mehrheit der Dorsche in der westlichen Ostsee wurde von Boot- und Kutteranglern und weniger von Anglern an Land gefangen. Vor dem Hintergrund des aktuell schlechten Bestandszustands des Dorschs der westlichen Ostsee und
dem Wunsch der Politik die Freizeitfischerei am Wiederaufbau des westlichen Dorschbestandes zu beteiligen, wurde 2017 erstmalig eine Tagesfangbegrenzung für Angler in der
Ostsee einzuführen.
Fischerei
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Seit 1. Januar 2017 dürfen Angler in der Ostsee nur noch 5 Dorsche pro Tag und Angler
entnehmen, während der Laichschonzeit von Februar bis März sogar nur 3 Dorsche pro
Tag. Obwohl nur 29% der Boots- und Kutterangler und lediglich 3% der Wat- und Brandungsangler (jeweils Mittelwert 2013-2015) von einer Fangbegrenzung betroffen waren, hat
die Tagesfangbegrenzung beispielsweise bei den Angelkutterbetreibern zu starken Buchungsrückgängen geführt. Prognosen des ICES – welche verschiedene Managementszenarien zur Bestandserholung des Dorsches in der westlichen Ostsee berechnet haben –
legen nahe, dass sich der Bestand bis 2022 sicher erholt haben kann. Die regelmäßige Erhebung von Daten aus der Freizeitfischerei ermöglicht uns, Unsicherheiten in der Bestandsberechnung zu reduzieren und ein Ko-Management der kommerziellen und der Freizeitfischerei zu entwickeln.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. Uwe Krumme
Thünen-Institut für Ostseefischerei
Alter Hafen Süd 2
18069 Rostock
Email: [email protected]
Fischerei
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Integration räumlicher Verbreitungsprozesse in Ökosystemmodelle zur nachhaltigen Nutzung von Fischereibeständen
Patrick Polte
Ein ökosystembasiertes Fischereimanagement ist ein angestrebtes Mittel zur Verbesserung
des Umweltzustandes und der nachhaltigen Nutzung mariner Ökosysteme. Das zugrundeliegende Prinzip dieses Ansatzes ist es ein Ressourcenmanagement auf ökologische Prozesse und natürliche Wechselwirkungen auszurichten. Mit zunehmender Raumnutzung der
Meeresgebiete wird das Verständnis räumlicher Aspekte in der Ökologie wichtiger Nahrungsnetzkomponenten immer wichtiger. Die generelle Zielsetzung des BONUS ERA-Net
Projekts INSPIRE (INtegrating SPatIal pRocesses into Ecosystem models for sustainable
utilization of fish resources) ist eine substantielle Erweiterung unseres Verständnisses der
räumlichen Verbreitungsmechanismen kommerzieller Fischarten in der Ostsee. Gegenwärtig bestehen sowohl im internationalen Fischereimanagement als auch im regionalen Küstenzonenmanagement gravierende Kenntnislücken bezüglich der Funktion unterschiedlicher Meeresgebiete in der Populationsdynamik mariner Fischbestände. Wichtige Fragestellungen in diesem Zusammenhang sind u.a. i) welche Habitat Parameter bestimmen die
räumliche Verteilung unterschiedlicher Lebensstadien der Fischarten? ii) Welche Faktoren
bestimmen Habitatkonnektivität und Migration der Fischarten/Populationen? iii) In welchem
Ausmaß beeinflussen Fischereidruck und Interaktion der Arten (z.B. Prädation) die lokale
und regionale Verteilung der Nutzfische? Und iv) inwiefern beeinflusst die räumliche Verteilung spezifischer Lebensstadien die Ergebnisse der Bestandsanalyse?
Innerhalb des INSPIRE Arbeitsprogramms liegt die Zielsetzung des Teilprojekts 3 auf der
Untersuchung individueller Einflüsse lokaler Ostseegebiete auf die Populationsdynamik und
Verbreitung ökologisch und ökonomisch bedeutender Fischarten. Am Beispiel des Heringsbestandes der Westlichen Ostsee konnte gezeigt werden, dass sich lokale Stressoren (z.B.
lokale Sturmereignisse und Prädation auf Heringseier) auf die Sterblichkeit früher Lebensstadien und damit auf die überregionale Bestandsentwicklung auswirken.
Obwohl Driftmodelle global Verwendung finden um die Verbreitung von Fischeiern undlarven zu untersuchen, zeigte sich am Beispiel der Heringslarven in den inneren Küstengewässern der Ostsee, dass diese durchaus zur einer selektiven Habitat-Nutzung imstande
sind. Während Driftmodelle für pelagische Fischeier durchaus sinnvoll sind, ist demnach bei
der Interpretation der Modellergebnisse für Fischlarven Vorsicht geboten.
Fischerei
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. Patrick Polte
Thünen-Institut für Ostseefischerei
Alter Hafen Süd 2
18069 Rostock
Email: [email protected]
38
Meeresnaturschutz
Meeresnaturschutz
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Die Eisente, Seevogel des Jahres 2017 - Status, Gefährdung,
Monitoring
Nele Markones
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ), Universität Kiel
Noch vor wenigen Jahrzehnten war die kleine Meeresente mit dem prächtigen Gefieder und
den klangvollen Rufen die häufigste Meeresentenart der Welt. Innerhalb kurzer Zeit haben
Eisenten Clangula hyemalis jedoch dramatische Bestandseinbrüche von weltweit über 7
Millionen auf zuletzt 3,5 Millionen erfahren. In der Ostsee, die im Winter 90 % aller europäischen Eisenten beherbergt, zeigten Vergleiche zwischen den Jahren 1992/1993 und 20072009 einen Rückgang um 65 Prozent von 4,1 Millionen auf 1,5 Millionen Individuen. Auf der
Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN ist die Eisente deshalb als gefährdet eingestuft, auf der Roten Liste der überwinternden Vogelarten der Ostsee sogar als stark gefährdet (HELCOM). Um national auf die bedrohte Art aufmerksam zu machen, hat der Verein
Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur die Eisente zum Seevogel des Jahres
2017 erklärt.
Sowohl in den Brutarealen als auch in den Überwinterungsgebieten sind Eisenten einer
Reihe von Gefährdungen ausgesetzt. In den Brutgebieten handelt es sich dabei neben Lebensraumverlust um Prädation und Jagd. In den Überwinterungsgebieten führen verschiedene anthropogene Gefährdungen wie Jagd, Stellnetzfischerei und Ölverschmutzung zu
erhöhter Sterblichkeit. Nachteilig wirken auch Störungen durch Schiffsverkehr, Habitatverlust durch Offshore-Windparks und Schifffahrtsstraßen und die Beeinträchtigung und Zerstörung von Nahrungsgründen durch Muschelfischerei sowie Sand- und Kiesabbau. Diese
indirekten Effekte setzen die Kondition der Tiere herab und können so zu erhöhter Sterblichkeit bzw. einem geringeren Bruterfolg führen. Zudem wird vermutet, dass der Klimawandel zu einer Verschlechterung der Nahrungssituation führt. Welche Gründe maßgeblich
für die starken Bestandsrückgänge verantwortlich sind und ob vor allem ein zu geringer
Bruterfolg oder eine zu hohe Sterblichkeit ursächlich sind, konnte bisher jedoch noch nicht
geklärt werden.
In der deutschen Ostsee findet die Eisente eines ihrer wichtigsten europäischen Überwinterungsgebiete. In den küstenfernen Bereichen überwintern 350.000 Individuen. Das entspricht 22 Prozent des westsibirisch-nordeuropäischen Gesamtbestands. Wichtigstes Gebiet ist die Pommersche Bucht mit den Flachgründen der Oderbank und des Adlergrunds
sowie dem Greifswalder Bodden. Das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
(FTZ) der Universität Kiel führt mit finanzieller Unterstützung und in Zusammenarbeit mit
der Abteilung Meeresnaturschutz des BfN das Monitoring der Seevogelvorkommen in den
deutschen Meeresgebieten durch. Mit regelmäßigen flug- und schiffsgestützten Erfassungen werden Daten zum Bestand und zu den Verteilungsmustern der überwinternden Eisenten gewonnen.
Meeresnaturschutz
41
Zusätzlich werden in internationaler Kooperation Untersuchungen zur Populationsstruktur
mit Hilfe digitaler Fotografie durchgeführt. Darüber lassen sich Rückschlüsse auf den Bruterfolg ziehen und Erkenntnisse zu unterschiedlichen Überwinterungsstrategien von Männchen und Weibchen bzw. Jung- und Altvögeln gewinnen. In der deutschen Ostsee überwintert demnach ein hoher Anteil adulter und damit fortpflanzungsfähiger Tiere, während sich
Jungvögel in größeren Anteilen in den küstenfernen Bereichen Schwedens aufhalten. Nach
einigen Jahren mit sehr geringem Bruterfolg belegen deutlich höhere Jungvogelanteile in
den Überwinterungsgebieten einen erfreulich guten Bruterfolg im Jahr 2016.
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Dr. Nele Markones
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
Hafentörn 1
25761 Büsum
Email: [email protected]
Meeresnaturschutz
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Determining habitat impacts on seabirds in a dynamic marine
environment – lessons from a model-based post-construction
monitoring program in the Netherlands
Henrik Skov
Detecting habitat impacts on seabirds remains one of the biggest challenges in environmental monitoring related to offshore wind farms. Aside from challenges achieving unbiased samples from surveys of the distribution of animals and birds, the dynamics of their
feeding habitats makes it especially challenging to tease apart spatio-temporal variations in
habitats from impacts imposed by the wind farm. Most monitoring programs have been designed assuming that the physical environment exerting the dominant control over the natural distribution of marine top predators around offshore wind farms do not change during the
period of monitoring. Alternatively, a BACI design is applied assuming that changes in a
reference site are identical to those in the impact site. Obviously, both sets of assumptions
do not take into account the unique dynamics of the physical properties of marine habitats,
and fail to quantify changes in distribution of seabirds due to dynamics of habitat components realised during each survey.
As a consequence, changes in the distribution of marine species and the dynamic coupling
to their physical environment are poorly resolved by most monitoring programs. The result
is that the power of traditional monitoring programs on seabirds is quite low, and the risk
exists that assessments of habitat impacts may lead to a type II error—a result estimating
an impact when lower densities of seabirds is driven by a lower frequency of optimal habitat
condition post-construction. Yet, assessments may also lead to a type I error—a result erroneously pointing at a smaller or medium impact driven by a higher frequency of optimal
habitat conditions post-construction. Thus, accurate assessment of habitat displacement of
seabirds requires highly dynamic, fine-resolution data both for species and the environment.
In order to test the use of dynamic habitat data on the power of seabird monitoring data DHI
developed a dynamic modelling framework for the seabird post-construction program at the
Offshore Wind Farm Eneco Luchterduinen (LUD) in the Netherlands. The monitoring program aims at measuring habitat displacement in the LUD wind farm as well as cumulative
impacts with the two other existing Dutch offshore wind farms (OWEZ and PAWP). The
three wind farms are located in an area characterised by being at the gradient between
coastal and North Sea water masses found along the Dutch mainland coast. Thus, distributions of seabirds oscillates in response to the dynamics of coastal and North Sea water
masses. In addition to the influence of local oceanographic features ship traffic affects the
distribution of several seabird species negatively.
Meeresnaturschutz
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In order to identify potential impacts on seabird distribution a dynamic model framework
was established based on multiple regression models for all seabird species matched with
modelled hydrodynamic habitat parameters and dynamic AIS data on ship traffic. The modelling framework uses all existing data on seabirds, and matching hydrodynamics and ship
traffic, which have been collected in the Netherlands over the last 10 years. The presentation will highlight the improvement in the power of the program to detect habitat impacts,
and in the ability to determine the length of the monitoring program required.
Anschrift des Vortragenden:
Mr.
Henrik Skov
DHI
Agern Allé 5
DK-2970 Hørsholm
Email: [email protected]
Meeresnaturschutz
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Bewertung von Nahrungsnetzen für OSPAR und Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
Schückel Ulrike1, Büttger Heike2, Nehls Georg2, Stelzer Kerstin3, Binder Kirsten4, Reimers
Hans-Christian4, de Jonge Victor5, Eskildsen Kai1
1
Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig Holstein, Nationalparkverwaltung, Schlossgarten 1, 25832 Tönning, Germany
2
Bioconsult SH, Schobüller Str. 36, 25813 Husum, Germany
3
Brockmann Consult, Max-Planck-Str. 2, 21502 Geesthacht, Germany
4
Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig Holstein, Dezernat
Küstengewässer, Hamburger Chaussee 25, 24220 Flintbek, Germany
5
Institute of Estuarine and Coastal Studies (IECS), University of Hull, Hull, United Kingdom
Sowohl die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), als auch die Oslo Paris Kommission
(OSPAR) fordern die Entwicklung von Indikatoren, die die Analyse von Nahrungsnetzen
und deren Zustandsbeschreibung anhand dieser Indikatoren ermöglichen (Deskriptor 4).
Die Ökologische Netzwerkanalyse (ENA) ist ein ganzheitlicher Ansatz, welcher alle Bestandteile eines Nahrungsnetzes berücksichtigt und langfristige Veränderungen ganzer
Systeme und die Auswirkungen über einen längeren Zeitraum erfassen kann.
Die Ökologische Netzwerkanalyse stellt hierbei unterschiedliche Indizes zur Verfügung, um
die Nahrungsnetze im Hinblick auf Struktur, Organisation, Funktionalität und Stabilität zu
beschreiben. Darüber hinaus ist die ENA ein integrativer Ansatz, da die meisten vorhandenen Monitoring Daten verwendet werden können, um ein Nahrungsnetz zu konstruieren.
Um die Anwendbarkeit der ENA und ihrer Indizes für die Bewertung im Sinne der MSRL
und OSPAR zu testen, wurde in der vorliegenden Studie die zeitliche Dynamik von Nahrungsnetzmodellen auf der Basis von Langzeit-Monitoring-Daten eulitoraler Miesmuschelbänke und deren assoziierten Begleitfauna im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer seit
1999 untersucht. Während biologische Daten Teil des Trilateralen Monitoring- und Assessment Programms (TMAP) sind, wurden weitere notwendige Daten u.a. abgeleitet von Fernerkundungsmethoden. Ergebnisse der zeitlichen Veränderungen der Nahrungsnetzstruktur und der Funktionsweise werden vorgestellt. Besonderes Augenmerk wird auf verschiedene ENA-Indizes gelegt, die als potenzielle Indikatoren zur Beschreibung und Bewertung
des Zustandes von Nahrungsnetzen in Frage kommen könnten.
Meeresnaturschutz
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Dr. Ulrike Schückel
Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz
Nationalparkverwaltung
Schlossgarten 1
25832 Tönning
Email: [email protected]
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Meeresnaturschutz
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Schweinswale der inneren Ostsee - wie Ergebnisse von akustischen Zählungen in Schutzmaßnahmen münden
Michael Dähne
Schweinswale der inneren Ostsee sind vom Aussterben bedroht. Flugzählungen in den
letzten drei Jahrzehnten kamen zum Schluss dass es nur noch ca. 600 bzw. 93 Gruppen
von Schweinswalen in der inneren Ostsee gibt. Obwohl diese Zählungen große Unsicherheiten, aufgrund von unzureichenden Primärsichtungen aufwiesen, zeigten sie deutlich
dass Schutzmaßnahmen für diese bedrohte Subpopulation keinen Aufschub dulden.
Im letzten Jahrzehnt wurde eine neue Methode zur Zählung von Zahnwalen, insbesondere
in Gebieten mit geringer Dichte, etabliert. Hierfür werden die Echoortungslaute von
Schweinswalen mit Hilfe von Klickloggern aufgezeichnet. Die Ergebnisse zeigen deutliche
saisonale Muster, aber auch Unterschiede in der tageszeitlichen Nutzung von verschiedenen Gebieten können erfasst werden. Zusätzliche können Aussagen über die Häufigkeit
von Fressverhalten oder Orientierungssequenzen getroffen werden.
Erste Versuche ein ostseeweites Projekt unter Nutzung von Klickloggern zu starten, wurden
2008 eingeleitet, eine Finanzierung des Projektes ‚Sambah – Static acoustic monitoring of
the Baltic sea harbour porpoise‘ konnte 2010 unter dem EU-Programm ‚Life+‘ sichergestellt
werden. Von Deutscher Seite wurde das Projekt durch das Bundesamt für Naturschutz finanziert und durch eine Förderung durch die European Association of Zoos and Aquarias
(EAZA) unterstützt. Alle Baltikanrainer außer Russland partizipierten in diesem Projekt. Im
Tiefenbereich zwischen 5 und 80 m Wassertiefe wurden insgesamt 304 Klickdetektoren
(CPODs, www.chelonia.co.uk) ausgebracht. Sie erlaubten es Schweinswale kontinuierlich
von Mai 2011 bis April 2013 zu erfassen.
Um Schweinswale mit Hilfe von Klickdetektoren zählen zu können, sind weitere Annahmen
und zusätzliche Daten erforderlich. Innerhalb von Sambah wurde beschlossen einsekündige Zeitabschnitte zu analysieren, da für diese sichergestellt werden kann, dass nur ein Tier
auf dem Detektor aufgezeichnet wird. Zusätzlich mussten Detektionsfunktionen für die
CPODs ermittelt werden, um einen effektiven Detektionsradius bestimmen zu können. Hierfür wurden Versuche in Dänemark und Wales (UK) durchgeführt.
Im Ergebnis konnte Sambah viele neue Informationen zum Wanderverhalten und zur Verteilung von Schweinswalen im Ostseeraum bereitstellen. Schweinswale halten sich zur
Paarungs- und Kalbungszeit von April bis September hauptsächlich auf der Midsjöbank
südlich von Gotland und südöstlich von Öland auf. Zu diesem Zeitpunkt sind die Tiere geografisch von der Subpopulation der dänischen Beltsee getrennt. Dies erklärt auch, warum
Schweinswale der inneren Ostsee und der dänischen Beltsee morphologisch und genetisch
getrennte Populationen sind. Für die Population der inneren Ostsee wurde ein Bestand von
497 Tieren (Konfidenzbereich von 80 – 1091) berechnet. Dies bestätigt, dass Schweinswale der inneren Ostsee vom Aussterben bedroht sind und unmittelbarer Schutzmaßnahmen
bedürfen.
Meeresnaturschutz
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Der überwiegende Teil des Hauptaufenthaltsgebietes liegt in Schweden. Dort wurde mit
Wirkung vom Dezember 2016 das Schutzgebiet „Hoburgs bank och Midsjöbankarna“ als
proposed Site of Community imortance (pSCi) an die EU als bisher größtes Naturschutzgebiet in Schweden gemeldet. Obwohl damit ein wichtiger Schritt hin zum Schutz von
Schweinswalen in der inneren Ostsee getan ist, verbleiben noch viele Weitere, bevor er
wirklich gewährleistet ist. Zuerst müssen innerhalb von fünf Jahren Schutznaßnahmen für
das Gebiet erarbeitet und festgelegt werden. Zusätzlich ist ein kontinuierliches Monitoring
des Schutzgebietes erforderlich.
Schweinswale der inneren Ostsee und der dänischen Beltsee nutzen die Bereiche östlich
und nördlich Rügens alternierend, die Beltseepopulation im Sommer und die innere Ostseepopulation im Winter. Somit sind besonders im Winter Schutzmaßnahmen auch hier
erforderlich.
Anschrift des Vortragenden:
Herr
Dr. Michael Dähne
Deutsches Meeresmuseum
Katharinenberg 14 - 20
18439 Stralsund
Email: [email protected]
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Der Klang des Südpolarmeers - Warum wir dem Wind, Eis und
Marinen Säugetieren zuhören
Sebastian Menze
In den Ozeanen der Welt ist es nie völlig still. Vor allem Wind und Wellen sorgen für ein
kontinuierliches Hintergrundgeräusch. Menschliche Aktivitäten, wie zum Beispiel die Schifffahrt oder Ressourcennutzung fügen mancherorts weitere Geräusche hinzu, die je nach
Entfernung das natürliche Hintergrundgeräusch übertönen können. Die Antarktis bildet dabei eine Ausnahme, denn bislang ist sie durch die Menschheit wegen ihrer abgeschiedenen
Lage akustisch noch weitgehend unbelastet. Deshalb gibt es weltweit keinen zweiten Ozean, der sich so gut für eine akustische Studie über Meeressäuger und die natürliche Geräuschkulisse unter Wasser eignet wie das Südpolarmeer. Nahezu drei Jahre lang haben
Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Ozeanische Akustik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) diese besondere Geräuschkulisse in
der Antarktis aufgezeichnet. Dafür wurden zwei akustische Rekorder im Atlantischen Teil
des Südpolarmeeres von März 2008 bis Dezember 2010 verankerten.
In den Tonaufnahmen haben die Forscher unter anderem die Laute von Seeleoparden,
Antarktischen Blauwalen, Finnwalen und Südlichen Zwergwalen identifiziert, die zu einer
Art monotonem Hintergrundchor verschmelzen. Die Tierlaute variieren dabei zeitlich und
lokal in der Zusammensetzung, sodass die aufgezeichneten Geräusche neue Erkenntnisse
zu Verhalten und Vorkommen der Tiere liefern. Die Südlichen Zwergwalpopulation etwa
folgt mit ihren Rufen in den Wintermonaten von April bis Juli einem 24-Stunden-Rhythmus:
Die Messungen ergaben, dass Zwergwale nachts mehr zur Geräuschkulisse beitragen als
tagsüber. Das könnte mit ihrer Hauptbeute Krill zusammenhängen, die in einem identischen
Tag-Nacht-Rhythmus vertikal wandert. Zudem haben die Wissenschaftler Daten zum jahreszeitlichen Zyklus der Tiere gesammelt. So trugen Antarktische Blauwale das ganze Jahr
zur Geräuschkulisse bei, Finnwale und Südliche Zwergwale jedoch nur für ein paar Monate.
Die Meeresbiologen und Physiker konnten außerdem herausfinden, wie groß der Einfluss
des Meereises auf die Geräuschkulisse im Südpolarmeer ist. Es legt sich in den Wintermonaten wie ein schallisolierender Teppich über den Ozean. In der Antarktis wird es unter der
Eisdecke beeindruckend leise. Dann prägen nicht mehr hauptsächlich physikalische Phänomene wie Stürme und Wellen die Schallkulisse, sondern auch die Tierwelt Die akustischen Aufzeichnungen zeigen, dass dabei nicht nur die Fläche des Meereises eine Rolle
spielt, sondern auch seine Konzentration und Beschaffenheit.
Mehr vom Meer
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Es ist die erste Langzeitstudie zur Unterwasser-Geräuschkulisse, die in den höheren Breiten des antarktischen Ozeans durchgeführt wurde. Vergleichbare Studien bilden in der Regel nur einige Wochen im Südsommer ab, da die Eisdecke, Abgelegenheit und Lichtver
hältnisse Expeditionen im Antarktischem Winter sehr aufwändig machen. Autonome akustische Rekorder können das Meer jedoch rund um die Uhr und über mehrere Jahre hinweg
überwachen.
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Sebastian Menze
Institute of Marine Research
Nordnesgaten 33
Bergen
Norway
Email: [email protected]
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30 Jahre Umweltprobenbank: Mit GPS-Telemetrie den Schadstoffen in Silbermöwen auf der Spur
Anna-Marie Corman, Philipp Schwemmer, Jan Koschorreck, Stefan Garthe
Für die Umweltprobenbank des Bundes werden seit 1988 Proben von Organismen verschiedener Trophieebenen in Nord- und Ostsee gesammelt, die Auskunft über den Zustand
des marinen Nahrungsnetzes und über dessen mögliche Veränderungen mit der Zeit durch
natürliche und/oder anthropogene (Schad-)Stoffe geben sollen.
Neben Blasentang (Fucus vesiculosus, Probentyp: Thallus), Miesmuschel (Mytilus ssp.,
Probentyp: Weichkörper) und Aalmutter (Zoarces viviparus, Probentyp: Muskulatur/Leber)
werden auch Eier der Silbermöwe (Larus argentatus, Eiinhalt) beprobt. Silbermöwen gelten
als omnivore Top-Prädatoren, die sich v.a. opportunistisch ernähren. Daher sind sie ein
wichtiger Indikator für die Änderungen sowie für die Anreicherung von Schadstoffen im marinen Ökosystem.
Die Eier der Silbermöwen werden jährlich zu Beginn der Brutzeit Ende April/Anfang Mai in
drei verschiedenen Brutkolonien an Nord- und Ostsee gesammelt (Inseln Mellum, Trischen
und Heuwiese). Neben dem Gehalt verschiedener Schadstoffe werden auch die biometrischen Daten und die stabilen Kohlenstoff- und Stickstoffisotopenverhältnisse bestimmt.
Letztere geben Aufschluss über die Nahrung, welche die Altvögel ca. eine Woche vor der
Eiablage gefressen haben.
Nach der Probenahme werden die Eier gekühlt in die jeweiligen Institute zur weiteren Bearbeitung transportiert. Nach der Vermessung werden die Eiinhalte in einer Kryomühle homogenisiert und als Sammelprobe in mehreren Teilen eingelagert. Danach werden die verschiedene Schadstoffgehalte (z.B. PCBs, Quecksilber) in diesen Sammelproben sowie das
Verhältnis der stabilen Kohlenstoff- und Stickstoffisotope analysiert.
Mit Hilfe dieser langen Zeitreihen können etwaige Veränderungen im marinen Nahrungsnetz erkannt und analysiert werden. Dabei gibt es noch Wissenslücken bezogen auf den
Ort und den Zeitpunkt der potentiellen Aufnahme von Schadstoffen durch Möwen. Um zu
klären, wo die Nahrungsgebiete von Silbermöwen vor Beginn der Brutzeit liegen, wurden
während der Brutzeit 2016 auf der Nordseeinsel Trischen 17 brütende Silbermöwen mit
solarbetriebenen GPS-Datenloggern ausgerüstet. Diese zeichnen die Nahrungssuchflüge
der Tiere mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung auf und dienen so der Identifikation
wichtiger Nahrungsgebiete. Die Tiere wurden während der Inkubationszeit Mitte Mai mit
Hilfe einer Käfigfalle, die über ihr Nest gestellt wurde, gefangen, beringt, vermessen und mit
einem GPS-Datenlogger auf dem Rücken ausgerüstet, der die Bewegungsdaten direkt in
das Mobilfunknetz überträgt. Der Logger wurde mit Hilfe eines Teflon-Harness (eine Art
Rucksacksystem, das um den Körper des Tieres gelegt wird) auf dem Rücken des Tieres
befestigt. Der Datenlogger kann so mehrere Jahre auf dem Tier verbleiben und dessen
Bewegungsmuster aufzeichnen.
Mehr vom Meer
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Aufgezeichnet werden verschiedene Parameter, neben der genauen Uhrzeit und der geografischen Position z.B. auch die Fluggeschwindigkeit. Das Aufzeichnungsintervall wird
möglichst klein gewählt, aber immer dem jeweiligen Akkustand angepasst und liegt zwischen etwa 3 Minuten während der Brutzeit im Sommer und bei zumeist mehreren Stunden
im Winter.
In dem Vortrag werden die stabilen Isotopenverhältnisse (Kohlenstoff und Stickstoff) der
beprobten Silbermöweneier mit den Raum-Zeit-Mustern der besenderten Silbermöwen
während der Brutzeit verglichen, sowie die Bewegungen während des Winters und des
Rückwegs ins Brutgebiet präsentiert, um die Habitatnutzung im Küstenraum zu quantifizieren.
Anschrift der Vortragenden:
Frau
Dr. Anna-Marie Corman
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Forschungs- und Technologiezentrum Westküste
Hafentörn 1
25761 Büsum
Email: [email protected]
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Partikulärer Schadstoffferntransport in der Elbe – aufgezeigt am
Beispiel „PCB“
René Schwartz, Michael Bergemann, Ute Ehrhorn & Ilka Carls
Behörde für Umwelt und Energie, Abteilung Wasserwirtschaft, Hamburg
Die Elbe stellt für die meisten organischen Schadstoffe die Haupteintragsquelle für die
Deutsche Bucht dar. Partikuläre Schadstoffe aus dem deutsch/tschechischen Einzugsgebiet lassen sich von ihrer jeweiligen Quellregion bis in die Nordsee nachweisen. Die anorganische und organische Schadstoffbelastung der Elbe schränkt wasserwirtschaftlich relevante Nutzungen und Handlungen in Teilen erheblich ein. Der Schadstofftransfer aus dem
oberstromigen Elbegebiet führt zu Risiken für die Meeresumwelt und kann gravierende Folgen im Umgang mit Sedimenten im Tidebereich bedingen.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige und krebsauslösende organische Chlorverbindungen, die bis in die 1980er Jahre vor allem in Transformatoren, Hydraulikanlagen sowie
als Weichmacher verwendet wurden - seit 2001 ist die Herstellung und Anwendung weltweit verboten. Die akute Toxizität von PCB ist gering, wohingegen eine chronische Toxizität
schon bei niedrigen Gehalten/Konzentrationen festzustellen ist. PCB sind bioakkumulierbare, adsorptive und persistente chlororganische Verbindungen. Obwohl auch in der Wasserphase nachweisbar, reichern sie sich bevorzugt in Fettgewebe und Schwebstoffen an.
PCB werden seit Jahrzehnten in der Elbe analysiert. Erste Untersuchungen stammen von
der Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der Elbe (ARGE ELBE) am damaligen
deutsch/deutschen Grenzprofil in Schnackenburg. Während Anfang der 1980er Jahre vorwiegend der Nachweis von Produktionsrückständen in der Umwelt geführt wurde, werden
seit den 1990er Jahren sowohl entlang des Hauptstromes der deutschen und tschechischen Elbe sowie in den schadstoffrelevanten Nebenflüssen charakteristische PCBKongenere erfasst und bewertet. Die Zusammensetzung der in Sedimentproben an der
deutsch/deutschen Grenze Anfang der 1980er Jahre gefundenen PCB wiesen auf das vielfach in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte und eingesetzte Produkt „Clophen
A60“ sowie indirekt auf das stofflich eng verwandte ČSSR-Produkt „Delor 106“ bzw. das
USA-Produkt „Aroclor 1260“ hin. Alle drei Produkte weisen ein vergleichbares Kongenerenmuster auf, mit einer Dominanz der höher chlorierten PCB-Kongerene 138, 153 sowie
180.
Mehr vom Meer
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Im Frühjahr 2015 wurden in der Elbe stark erhöhte Gehalte an PCB festgestellt. Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Sachsen hat in der Schwebstoffmischprobe des Monats Mai mit 6.000 µg/kg für die Summe der sechs BallschmiterPCB-Kongenere (28, 52, 101, 138, 153, 180) historisch hohe Gehalte in der Elbe bei
Schmilka (Strom-km 4,1) nachgewiesen. Es wurde ein Anstieg um mehr als das 7-fache
gegenüber den bisher gemessenen Maximalwerten sowie 40-fach gegenüber den elbetypischen mittleren Befunden am Grenzprofil in Schmilka/Hřensko festgestellt.
Die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) weist darauf hin, dass sich die
Schadstoffquelle im Ballungsraum von Ústí nad Labem in der Tschechischen Republik befindet bzw. befand. Der staatliche Wasserwirtschaftsbetrieb der Elbe (Povodí Labe) gibt als
Ursache der extrem erhöhten Gehalte die unsachgemäße Entfernung einer PCB-haltigen
Farbe von einer Eisenbahnbrücke über die Elbe im Stadtgebiet von Ústí nad Labem an.
Der Farbabrieb gelangte zu einem erheblichen Teil direkt in die Elbe bzw. deren Uferbereiche. Untersuchungen ergaben eine hohe Verunreinigung des Sediments und des Erdreichs
auf dem trockenen Teil des Gewässerbetts und am Ufer im Bereich der sanierten Brücke,
mit Gehalten für die Summe von sieben PCB-Kongeneren (28, 52, 101, 118, 138, 153, 180)
in Höhe von 10.200 µg/kg, 90.200 µg/kg und 115.000 µg/kg. Im Farbanstrich selbst wurden
entsprechende PCB-Gehalte von bis zu 2.933.000 µg/kg, d.h. ca. 0,3 %, festgestellt. Eine
erste Frachtabschätzung geht von einer in die Elbe freigesetzten Menge der PCBKongenere von ca. 100 kg aus. Dies entspricht ungefähr einer Verzehnfachung der zurück
liegenden durchschnittlichen PCB-Jahresfrachten.
Als Folge der hydraulisch bedingten Stromabverfrachtung werden signifikant erhöhte PCBGehalte mittlerweile bis in den Bereich der unteren Mittelelbe (Schnackenburg, Strom-km
474,5) nachgewiesen. Die Umweltqualitätsnorm für mindestens eines der höher chlorierten
PCB-Kongenere (s.o.) wird dort seit April 2015 im frischen schwebstoffbürtigen Sediment
überschritten. Im Dezember 2015 wurde mit der Summe der sechs Ballschmiter PCBKongenere von 118 µg/kg der bisherige Maximalgehalt an diesem Standort festgestellt. Zu
diesem Zeitpunkt kam es aufgrund der erhöhten Abflussverhältnisse von über 700 m³/s
(Bezugspegel Neu Darchau, Strom-km 543,3) auch zu einem ersten ereignisbedingt erhöhten PCB-Eintrag in die Tideelbe. Dies belegen die Ergebnisse aus den Sedimentationsbecken der Hamburger Gewässergütemessstation Bunthaus (Strom-km 609,2). Besonders
auffällig ist der überproportionale Anstieg der PCB-Kongenere 180, 153 und 138. Bislang
wird in Hamburg die Umweltqualitätsnorm (UQN) der Oberflächengewässerverordnung
(OGewV) von 20 μg/kg für die PCB-Einzelkongenere jedoch nicht überschritten. Weiter
stromab in Seemannshöft am Strom-km 628,9 zeigt sich, dass dort aufgrund der verstärkten Durchmischung mit unbelasteten marinen/ästuarinen Schwebstoffen/Sedimenten (bisher) kein nennenswerter PCB-Anstieg festzustellen ist.
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Die ausgeprägten Niedrigwassersituationen im Bereich der Mittel- und Oberelbe in den
Jahren 2015 und 2016 haben dazu geführt, dass die mit PCB beladenen Schwebstoffe im
Flussverlauf bevorzugt in den strombegleitenden Stillwasserbereichen (z.B. Buhnenfeldern,
Altarmen, Häfen) sedimentiert sind. Hochwasserbedingt werden diese Sedimente anteilig
remobilisiert und unkontrollierbar stromab verfrachtet. Wie weit der partikuläre Stofftransport reicht, hängt von der Hochwassersituation ab. Ist diese derart, dass auch die angrenzenden Auen überflutet werden, lagert sich dort ein Großteil der schadstoffbeladenen
Schwebstoffe dauerhaft ab. Ein Teil der PCB-Fracht wird unvermeidbar bis in das Ökosystem Wattenmeer (Weltnaturerbe) gelangen. Es ist abzusehen, dass dieses Schadereignis
gravierende ökologische Folgen (Biomagnifikation) im gesamten Flussverlauf hat, die über
Jahre andauern.
Um aus diesem Schadereignis entsprechende Erkenntnisse zu ziehen, und ein zeitgemäßes Flussgebietsmanagement anzuwenden, bedarf es der Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Sedimentmanagementkonzepte der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG
Elbe) sowie der IKSE. Hierzu gehören insbesondere auch Maßnahmen zur nachhaltigen
Schadstoffreduzierung im oberstromigen Bereich. Diese dienen gleichermaßen der Erfüllung umweltrechtlicher Anforderungen wie der europäischen Wasserrahmenrichtlinie
(WRRL) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL).
ELSA (2016): PCB in der Elbe – Eigenschaften, Vorkommen und Trends sowie Ursachen
und Folgen der erhöhten Freisetzung im Jahr 2015. Behörde für Umwelt und Energie, Projekt Schadstoffsanierung Elbsedimente - ELSA, Hamburg, S. 78
http://elsa-elbe.de/assets/download/fachstudien/ELSA_PCB_Bericht_2016.pdf
Anschrift des Vortragenden:
Herrn
Dr. René Schwartz
Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Umwelt und Energie
Neuenfelder Straße 19
21109 Hamburg
Email: [email protected]
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