wagner oquin maazel schostakowitsch

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WAGNER
Vorspiel zu »Tannhäuser«
OQUIN
»Echoes of a Solitary Voice«
MAAZEL
»The Giving Tree«
SCHOSTAKOWITSCH
5. Symphonie
PAYARE, Dirigent
HELL, Violoncello
TURBAN MAAZEL, Sprecherin
Mittwoch
23_11_2016 20 Uhr
Freitag
25_11_2016 20 Uhr
Das perfekte
Weihnachtsgeschenk:
das Familien-Abo der
Münchner Philharmoniker
Sonntag, 26_02_2017 11 Uhr
Faschingskonzert mit Werken von
Franz Schubert, Camille Saint-Saëns,
Johann Strauß (Sohn) und Fritz
Kreisler
mit ZUBIN MEHTA und
JULIAN RACHLIN
Samstag, 27_05_2017 19 Uhr
TSCHAIKOWSKY: 1. Klavierkonzert
BERLIOZ: »Symphonie
fantastique«
Sonntag, 30_04_2017 11 Uhr
BEETHOVEN: Violinkonzert
DVOŘÁK: 9. Symphonie
»Aus der Neuen Welt«
Sonntag, 25_06_2017 11 Uhr
BEETHOVEN: »Leonoren«Ouvertüre Nr. 3
SCHUMANN: Klavierkonzert
BRAHMS: 2. Symphonie
MAXIM VENGEROV, Dirigent
und Violine
SEMYON BYCHKOV, Dirigent
JEAN-YVES THIBAUDET, Klavier
KRZYSZTOF URBAŃSKI, Dirigent
PIOTR ANDERSZEWSKI, Klavier
Erwachsene zahlen für alle vier Konzerte 50 €, Kinder bis 14 Jahre
10 € (inkl. Gebühren). Buchbar ab 15_11_2016 ausschließlich im
4er-Abo bei der KlassikLine 089 54 81 81 400 und an den München
Ticket-eigenen Vorverkaufsstellen.
Nur solange der Vorrat reicht!
Das Angebot gilt für höchstens 2 Erwachsene und maximal 5 Kinder
pro KartenkäuferIn. Die Karten des Familien-Abos sind vom
Termin- und Platztausch ausgeschlossen und können nicht
zurückgegeben werden.
RICHARD WAGNER
Ouvertüre zu »Tannhäuser«
(Dresdner Fassung)
WAYNE OQUIN
»Echoes of a Solitary Voice«
LORIN MAAZEL
»The Giving Tree« (Der gebende Baum)
für Orchester, obligates Violoncello
und Erzähler op. 15
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Symphonie Nr. 5 d-Moll op. 47
1. Moderato
2. Allegretto
3. Largo
4. Finale: Allegro non troppo
RAFAEL PAYARE, Dirigent
MICHAEL HELL, Violoncello
DIETLINDE TURBAN MAAZEL, Sprecherin
119. Spielzeit seit der Gründung 1893
VALERY GERGIEV, Chefdirigent
PAUL MÜLLER, Intendant
2
Askese und
Ekstase
JÖRG HANDSTEIN
RICHARD WAGNER
(1813–1883)
Geboren am 22. Mai 1813 in Leipzig; gestorben am 13. Februar 1883 in Venedig.
1860/61 entscheidend um: Die erste Szene wurde dabei zu einem großen Ballett
ausgebaut, für das sich später die (nicht
von Wagner stammende) Bezeichnung
»Bacchanal« einbürgerte (Beendigung der
Partiturreinschrift am 28. Januar 1861).
Darüber hinaus hatte Wagner die Idee, die
Ouvertüre zu kürzen und nahtlos in das
Ballett übergehen zu lassen. Doch die Pariser Oper bestand auf der inzwischen
auch in Frankreich sehr beliebten (vollständigen) Ouvertüre, und so konnte
Wagner seinen dramaturgisch motivierten
Einfall erst bei einer späteren Aufführung
in Wien (1875) realisieren.
ENTSTEHUNG
URAUFFÜHRUNG
Eine Oper über den legendären Minnesänger »Tannhäuser« plante Wagner bereits
in Paris 1841. Bald nach seiner Rückkehr
nach Deutschland, im Sommer 1842, entstanden der erste Librettoentwurf und
frühe Skizzen, darunter der auch in der
Ouvertüre anklingende Pilgerchor. Die Arbeit an der Partitur konnte Wagner allerdings erst knappe drei Jahre später beenden (am 13. April 1845). Für eine Aufführung an der Pariser Oper arbeitete er sie
Erstfassung der Oper: Am 19. Oktober
1845 in Dresden im Königlich Sächsischen
Hoftheater (Dirigent: Richard Wagner;
R egie: Wilhelm Fischer; Bühnenbild:
­
Édouard-Désiré- Joseph Despléchin).
Zweit­fassung der Oper: Am 13. März 1861
in Paris im Théâtre Impérial de l’Opéra /
Salle de la rue Le Peletier (Dirigent: Pierre-­
Louis Dietsch; Regie: Richard Wagner;
­Choreographie: Lucien Petipa; Bühnenbild:
Édouard-Désiré-Joseph Despléchin).
Ouvertüre aus der Handlung in drei Aufzügen
»Tannhäuser« (Dresdner Fassung)
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Richard Wagner: »Tannhäuser«
3
Ernst Benedikt Kietz: Richard Wagner (März 1850)
Richard Wagner: »Tannhäuser«
4
SKANDAL MIT BREITENWIRKUNG
Die Bühne bietet ein friedliches Bild: Ein
junger Hirte hat sich vor einem idyllischen
Tal zur Ruhe gesetzt und entlockt seiner
Schalmei eine sanfte, naturhafte Weise. Im
Publikum aber ziehen einige Herren in
Glacéhandschuhen Trillerpfeifen hervor
und entfachen einen wüsten Lärm. Es sind
Mitglieder des erlesenen und tonangebenden Jockey-Clubs. Immer wieder erhebt
sich das Geschrei und Gepfeife, die Oper
muss mehrfach unterbrochen werden.
Während der nächsten zwei Vorstellungen
kommt es noch schlimmer; von der Musik
ist kaum mehr was zu hören, Damen fallen
in Ohnmacht, Herren prügeln sich oder fordern sich zum Duell. Die Pariser Premiere
des »Tannhäuser« hat einen beispiellosen
Skandal entfacht. Eigentlich wollte Wagner
mit dieser Aufführung sein Prestige stärken und damit die Voraussetzung schaffen,
endlich den »Tristan« auf die Bühne zu
bringen. Nun aber blieb ihm nur der Rückzug nach Deutschland. Immerhin: Dieser
»Tannhäuser« hinterließ einen bleibenden
Eindruck, der Wagners Sache keineswegs
schaden sollte.
An der Pariser Oper herrschte im 19. Jahrhundert ein seltsames Gesetz: In jedem
aufzuführenden Werk musste ein ausgedehntes Ballett getanzt werden, und
selbst dessen Platzierung war vorgeschrieben: im zweiten Akt. Denn erst kurz
zuvor pflegten die distinguierten Stammgäste ihr Dîner zu verlassen und zur Oper
zu erscheinen. Aber das Ballett durften sie
unter keinen Umständen verpassen, denn
dem Auftritt der reizenden Ballerinen galt
ihr Hauptinteresse, nicht der Musik und
nicht der Handlung. Wagner hatte zwar das
Ballett nicht verweigert, es aber in den
ersten Akt gleich nach der Ouvertüre ver-
pflanzt. Und so verschafften sich die Mitglieder des Jockey-Clubs ein Ersatzvergnügen und pfiffen.
AUF DEM WEG INS MITTELALTER
Schon einmal, in den Jahren 1839 bis 1842,
hatte Wagner vergeblich versucht, die
Kulturmetropole Paris zu erobern. Noch in
der französischen Tradition der Grand
Opéra komponierte er den »Rienzi« und
hoffte, diesen auch an dem glorreichen
Institut unterzubringen. Aber nur »Der
fliegende Holländer« fand an der Opéra
Interesse, allerdings auch nur der Text­
entwurf, den Wagner für 500 Francs verkaufte. Ein gewisser Pierre-Louis Dietsch
– jener Kapellmeister, der später den
Pariser Skandal-»Tannhäuser« dirigieren
sollte – hat ihn dann vertont. Diese und
ähnliche Erfahrungen brachten Wagner
hellsichtige Aufschlüsse über die ökonomisch zweckorientierte »Kunstindustrie«
– was seine ästhetisch und politisch neuartige Konzeption des Musiktheaters wesentlich prägen sollte. Doch sie brachten
ihn auch ans Hungertuch, und er musste
sich zunächst einmal an musikalisch »niedere« Lohnarbeit verdingen.
Das Gefühl der Entfremdung weckte eine
starke Sehnsucht nach der Heimat. Wagner
begann sich für das deutsche Mittelalter
zu begeistern – nicht für das historisch
reale, sondern für jene ferne mythische
Welt, wie sie sich die Romantiker erschlossen hatten. »In dieser Stimmung fiel mir
das deutsche Volksbuch vom Tannhäuser in
die Hände; diese wunderbare Gestalt der
Volksdichtung ergriff mich sogleich auf das
Heftigste: sie konnte dies aber auch erst
jetzt.« Im Laufe des Jahres 1841 orientierte sich Wagner wieder in Richtung Deutschland. Er entwarf einen deutschen Text zum
Richard Wagner: »Tannhäuser«
5
»Fliegenden Holländer«, und es gelang ihm,
die Dresdner Hofoper für den »Rienzi« zu
gewinnen. Im April 1842 machten sich die
Wagners auf den Weg – über den Rhein, das
sagenumwobene Sinnbild der deutschen
Romantik, und vorbei an der Wartburg,
dem Schauplatz seiner nächsten Oper.
ZWEIMAL DIE LIEBE...
Die Landschaften inspirierten Wagner, der
über eine starke visuelle Phantasie verfügte, und die Idee des »Tannhäuser« nahm
schon auf der Reise Gestalt an. Den Stoff
hatte er aus zahlreichen literarischen Quellen geschöpft, Sagen, Gedichten, romantischen Erzählungen. Dabei interessierte ihn
besonders die Verknüpfung zweier Sagenkreise: Die Legende des bei Venus wohnenden Minnesängers Tannhäuser und die
Geschichte vom »Sängerkrieg auf der
Wartburg«. Genau in die Schnittfläche dieser beiden Sagenkreise platzierte Wagner
den tragischen Konflikt – und »Tannhäuser«
wurde zum Drama.
Möglich wurde dieser Geniestreich durch
das Einfügen der Elisabeth als Gegenfigur
zur Venus. Der Protagonist steht nun zwischen zwei Frauen, die zwei völlig verschiedene Formen der Liebe verkörpern: Venus
die unverstellte Sinnenlust, die Triebkraft
sexuellen Begehrens, Elisabeth eine geistige, geläuterte, ja asketische Liebe, die
mit ethischen und religiösen Werten verbunden ist. Innerhalb des Dramas stehen
nur diese Extreme zur Disposition. Eine
Vermittlung kann es nicht geben. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die alle dem
Minne-Ideal huldigen, ist Tannhäuser von
beiden Formen durchdrungen und steht
damit zwischen zwei unvereinbaren Welten:
der heidnisch-mythischen und der christlich-­
sittlichen. In gewissem Sinn ist er wie der
»Fliegende Holländer« heimatlos und erlösungsbedürftig. Auch Reue und Mitleid
spielen eine wesentliche Rolle. Damit flossen in die Figur des Tannhäuser mehrere
von Wagners Grundideen ein. Und so konnte er trotz seiner vielen Quellen behaupten: »Diese Gestalt entsprang aus meinem
Innern.«
PILGER UND BACCHANTEN
Anfang 1843 wurde Wagner in Dresden zum
»Königlich Sächsischen Hofkapellmeister«
ernannt und hatte einstweilen Anderes zu
tun. Nur im Urlaub konnte er sich dem
»Tannhäuser« widmen, so dass die Partitur
erst im April 1845 fertig wurde. Im Gegensatz zum konventionelleren »Rienzi« hatte
die neue Oper keinen großen Erfolg. Vielleicht waren die Sänger überfordert, vielleicht auch das Publikum. Aber seit sie
Franz Liszt 1849 in Weimar auf die Bühne
gebracht hatte, zogen viele Opernhäuser
nach und verhalfen Wagner allmählich zu
steigender Popularität. Auch die Ouvertüre
gewann rasch an Beliebtheit – Wagner und
Liszt setzten sie auch im Konzertsaal gerne
auf das Programm. Von Beethovens dritter
»Leonoren«-Ouvertüre hatte Wagner geschwärmt, das Werk sei »nicht mehr eine
Ouvertüre, sondern das gewaltigste Drama selbst«. Dramatisch im eigentlichen
Sinn ist die seine nicht, aber sie deutet
bereits den Konflikt der folgenden Handlung an: Die unversöhnlichen Welten stehen sich in plakativen Kontrasten gegenüber: die christlich-­asketische mit dem
weihevollen Pilger­chor, der als Hauptthema erklingt, und die heidnisch-­wollüstige
mit den erregten ­Motiven des entfesselten
»Bacchanals«.
Zwei verschiedene Arten von Musik charakterisieren die konträren Sphären: Der Pilger­
Richard Wagner: »Tannhäuser«
6
chor schreitet in klaren Harmonien voran,
in fest gefügter Tonalität, in glatt und
­flächig aufgetragenen Farben – wobei sein
Thema bedauerlicherweise »von einer
scheußlich jaulenden Streicherfigur beherrscht« werde, so der boshafte Hector
Berlioz, die sich »mit einer für den Zuhörer erschreckenden Beharrlichkeit« wiederhole. Im Gegensatz zu dieser eher einförmigen Musik ist die der Bacchanten
faszinierend wechselhaft. Flirrende Triller, verminderte Akkorde und chromatische Linien versetzen sie in unruhige Bewegung – ein gleißendes, sinnenverwirrendes Farbenspiel, ein flackerndes, züngelndes Feuer aus Klang. Es ist interessant,
dass diese neuartigen, »modernistischen«
Klänge, die in der Oper für die unterliegende Welt der Antike stehen, in der Musik­
geschichte später den Sieg davontragen
werden.
Richard Wagner: »Tannhäuser«
7
Lorin Maazels
»Vermächtnis«
MARTIN DEMMLER
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
WAYNE OQUIN
(geboren 1977)
»Echoes of a Solitary Voice«
Geboren am 9. Dezember 1977 in Houston /
Texas.
ENTSTEHUNG
Wayne Oquins Orchesterstück »Echoes of
a Solitary Voice« entstand 2015 und basiert auf einem Fragment Lorin Maazels.
Kurz vor seinem Tod im Juli 2014 hatte
Maazel an einem Werk gearbeitet, das für
den Malko-Dirigentenwettbewerb in Kopenhagen vorgesehen war. Er konnte die
Arbeit nicht mehr vollenden. Seine Frau
Dietlinde Turban Maazel bat daraufhin den
amerikanischen Komponisten Wayne Oquin,
das Manuskript der Fragment gebliebenen
Partitur zu studieren und das Werk nach
Möglichkeit zu vervollständigen.
URAUFFÜHRUNG
Am 30. April 2015 in Kopenhagen / Dänemark im Rahmen des Nikolaj-MalkoWettbewerbs für junge Dirigenten (Danish
National Symphony Orchestra unter Leitung von David Nieman).
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
8
SCHWIERIGE ENTSCHEIDUNG
Es ist keine leicht Aufgabe, das Werk eines
anderen Komponisten weiterzuführen und
zu vollenden. Soll man sich den stilistischen Vorgaben der Vorlage anpassen ?
Oder die eigene musikalische Sprache mit
der des Komponistenkollegen unter einen
Hut zu bringen versuchen ? Vielleicht auch
die vorhandenen Skizzen lediglich als Ausgangsmaterial benutzen, um etwas ganz
Neues zu kreieren ? Vor dieser schwierigen
Entscheidung stand der amerikanische
Komponist Wayne Oquin, als die Witwe des
Dirigenten und Komponisten Lorin Maazel
ihn bat, das letzte Werk ihres Mannes, an
dem er bis kurz vor seinem Tod im Juli 2014
gearbeitet hatte, zu vollenden. Dass sie
sich ausgerechnet an Oquin wandte, war
kein Zufall, denn seit Langem stand er in
engem Kontakt mit der Familie Maazel.
AUSZEICHNUNGEN FÜR
CHOR- UND BLÄSERMUSIK
Geboren 1977 in Houston / Texas, studierte Oquin zunächst an der Texas State University und später an der renommierten
Juilliard School of Music in New York, wo
Milton Babbitt und Samuel Adler zu seinen
Lehrern zählten. Seit 1996 hat er mehr als
30 Orchester-, Chor- und Kammermusikwerke vorgelegt, darunter Arbeiten für die
King’s Singers, die Juilliard Symphony
oder die New York Concert Singers. Zu seinen meistgespielten Kompositionen gehört
das Chorstück »O Magnus Mysterium«,
aber auch seine Arbeiten für Blasorchester
erfreuen sich großer Beliebtheit. So erlebte sein Stück »Tower Ascending«, geschrieben für den Neubau auf Ground Zero,
bereits mehr als 100 Aufführungen. Für
seine Zusammenarbeit mit der Air Force
Band wurde er mit der prestigeträchtigen
Commander’s Medal of Excellence ausgezeichnet.
UNLÖSBARE AUFGABE ?
Geplant war das neue Orchesterwerk Maazels für den renommierten Malko-Dirigentenwettbewerb in Kopenhagen. Doch der
Komponist konnte nur 16 Seiten der Partitur vollenden – das Werk blieb Fragment.
Nachdem seine Witwe Dietlinde Turban
Maazel das Fragment studiert hatte, bat
sie Oquin, die Skizzen in ein eigenes Werk
einzubeziehen, was dieser zunächst für
eine fast unlösbare Aufgabe hielt. »Dieses
Fragment zu komplettieren«, so Oquin,
»wie Maazel es getan hätte, war für mich
unmöglich. Ich entschied mich dafür, nicht
weiter die unendlichen Möglichkeiten auszuloten, die er hätte wählen können. Stattdessen untersuchte ich sorgfältig, was er
bereits komponiert hatte. Ich begann nicht
bei einer einzelnen Skizze, um mich dann
vorwärts zu tasten, sondern versuchte,
die musikalische Essenz dieser unfertigen
Skizzen auszuloten. Dabei bezog ich auch
die gedankliche Welt früherer, abgeschlossener Werke Maazels mit ein: Seine Oper
›1984‹, seine symphonischen Arbeiten wie
die ›Music for Violin and Orchestra‹, die
›Music for Cello and Orchestra‹, ›Farewells‹
oder ›The Giving Tree‹. Obwohl es sich bei
›Echoes of a Solitary Voice‹ um mein eigenes Werk handelt, sind die Spuren der
­Werke Maazels überall präsent«.
SYMPHONIE IM MINI-FORMAT
Das etwa acht Minuten lange Orchesterstück »Echoes of a Solitary Voice« besteht
aus vier Teilen, wobei einem Abschnitt in
raschem Tempo jeweils ein langsamer Teil
folgt. Insgesamt ergibt sich so eine fast
symphonische Anlage im Mini-Format. Das
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
9
Wayne Oquin
Werk beginnt mit mächtigen, aufwärts führenden Gesten, die durch den Einsatz eines
großen Schlagzeugapparates unterstützt
werden. Es folgen kurze Blechbläserfiguren, aufgegriffen und fortgeführt von den
Streichern. Eine markante Rhythmik und
eine fast durchgängige Bewegung bestimmen diesen ersten Abschnitt. Nachtstückartig, sehr elegisch und stimmungsvoll kommt der zweite Teil daher. Das
Tempo wird deutlich zurückgenommen,
­
melodiöse Elemente prägen diese getragene Passage. Der dritte Abschnitt erinnert
an ein klassisches Scherzo. Streicherfigurationen, unterstützt vom Schlagzeug
steigern sich bis zu einem Höhepunkt, mit
dem gleichzeitig der vierte Teil beginnt.
Wie schwebend und in sich kreisend erscheint hier der musikalische Satz. Mit
kurzen M
­ elodiefragmenten in Violine, Klarinette, Flöte und Fagott, die langsam
­verklingen, endet das kurze Stück.
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
10
Eine Alternative zu
»Peter und der Wolf« ?
MARTIN DEMMLER
LORIN MAAZEL
(1930–2014)
»The Giving Tree« (Der gebende Baum) für
Orchester, obligates Violoncello und Erzähler op. 15
komponisten, Drehbuchautors, Dichters
und Karikaturisten Shel Silverstein (1930–
1999). Dessen gleichnamiges, 1964 erstmals erschienenes illustriertes Buch avancierte schon bald zu einer der beliebtesten
Kindergeschichten der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts und zählt vor allem in
den Vereinigten Staaten noch heute zu den
meist gelesenen Kinderbuchklassikern.
ENTSTEHUNG
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
Geboren am 6. März 1930 in Neuilly-­surSeine (Île-de-France / Frankreich); gestorben am 13. Juli 2014 in Castleton (Virginia /
USA).
TEXTVORLAGE
»The Giving Tree« basiert auf einem Text
des amerikanischen Songwriters, Film­
Lorin Maazel komponierte »The Giving
Tree« zu Beginn des Jahres 1998 als sein
Opus 15. Neben dem Orchester sieht
die Partitur einen Sprecherpart sowie ein
­obligates Solo-Violoncello vor.
URAUFFÜHRUNG
Am Ostermontag, dem 13. April 1998, in
München in den Fernsehstudios des Bayerischen Rundfunks im Rahmen der Sendung
»Tausendund...« (Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks unter Leitung von
Lorin Maazel; Solocellistin: Han-Na Chang;
Sprecherin: Dietlinde Turban Maazel).
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
11
DIRIGENT UND KOMPONIST
Lorin Maazel war ohne Zweifel einer der
begnadetsten Orchesterleiter des 20.
Jahrhunderts. Doch er teilte das Schicksal
zahlreicher Dirigenten, die Musik nicht nur
aufführten, sondern auch selbst schrieben. Als Komponisten wurden sie nur am
Rande zur Kenntnis genommen. Das ging
Hans von Bülow so, Wilhelm Furtwängler,
André Previn und eben auch Lorin Maazel.
Bei ihm kam noch erschwerend hinzu, dass
er erst relativ spät zu komponieren begann. Doch die wenigen Orchesterstücke,
seine Oper »1984« nach George Orwell
­s owie die narrativen Kindergeschichten
»The Giving Tree« oder »The Empty Pot«
werden bleiben, selbst wenn die Musik­
geschichte ihn vor allem als genialen
­Orchesterleiter verbuchen wird.
WELTWEITE ERFOLGE
Lorin Maazel, 1930 als Amerikaner in
Frankreich geboren, begann bereits im
­Alter von fünf Jahren mit dem Violinspiel,
zwei Jahre später erhielt er ersten Dirigier­
unterricht. Als musikalisches Wunder­kind
war er bereits als 15-Jähriger am Pult aller
großen Orchester in den USA gestanden.
Am Ende seiner Dirigenten­karriere hatte er
mehr als 150 Orchester in über fünftausend Opern- und Konzert­
aufführungen
weltweit geleitet, wozu sich noch über
dreihundert, mehrfach international preisgekrönte Einspielungen gesellen – kaum ein
Dirigent war so emsig und engagiert wie
Lorin Maazel. Ob als Künstlerischer Leiter
der Deutschen Oper Berlin oder der Wiener
Staatsoper und nicht ­zuletzt als Chefdirigent der Münchner ­Philharmoniker gegen
Ende seines Lebens – er hat es stets verstanden, die Klang­körper, mit denen er
musizierte, zu Höchstleistungen anzuspornen. Er war auch der erste Amerikaner, der
in Bayreuth dirigierte und der Erste, der
mit den New Yorker Philharmonikern in
Nordkorea auftrat.
KOMPOSITORISCHER
»SPÄTZÜNDER«
Als Komponist tat sich Maazel zunächst
deutlich schwerer. Mit einer langjährigen
Schreibhemmung gegenüber den großen
Meistern erklärte er selbst später sein
langjähriges Schweigen. Erst der Cellist
Mstislav Rostropowitsch ermunterte ihn
Ende der 1980er Jahre zu eigenen Werken.
Aufsehen als Komponist erregte Maazel
dann mit drei großformatigen konzertanten Orchesterwerken für Violoncello, Flöte
und Violine, die 1998 in München ihre Uraufführung erlebten. Er versah sie mit den
Opuszahlen 10 bis 12. Über die Werke, die
zu den Opuszahlen 1 bis 9 gehörten,
schwieg sich der Musiker in späteren
­Jahren aus.
DIE GESCHICHTE
VOM GEBEN UND NEHMEN
Neben der Orchestermusik entwickelte
Maazel eine besondere Vorliebe für erzählende, musikdramatische Werke. »The
G iving Tree« für Orchester, obligates
­
Violon­cello und Sprecher op. 15 entstand
im gleichen Jahr wie die drei konzertanten
Orchesterwerke, 1998. Maazel selbst bezeichnete diese Komposition »als sehr zarte Geschichte über die Gleichgültigkeit
zwischen den Menschen«. Diese Parabel
über Geben und Nehmen zwischen einem
Baum und einem kleinen Jungen war für ihn
Sinnbild der Welt von heute: »Manche
­Menschen sind einfach unfähig zur Empa-
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
12
thie. Das ist letztendlich die Geschichte
von dem Baum, der immer nur gab und dem
Menschen, der immer nur nahm. Und das
ist typisch für die Welt, in der wir leben,
die Nutzer und die Benutzten.« Daher ist
die Komposition für Maazel nicht nur ein
Werk für das junge Publikum, auch wenn
die Geschichte des Autors Shel Silverstein
als Kinderbuch konzipiert war. In einer Programmheftnotiz erläuterte der Komponist,
es sei auch »ein Versuch, das Repertoire
der narrativen Musik zu bereichern, so
dass nicht immer nur Prokofjews ›Peter
und der Wolf‹ auf den Konzertprogrammen
zu finden ist.«
Lorin Maazel (2012)
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
13
Aus der ursprünglichen Idee, ein leichtes
Stück für Kinder zu schreiben, sei schließlich doch wieder ein »tragisches« Werk entstanden, so Maazel. Verstanden wissen will
er die Geschichte als Warnung vor dem Verlust jeglicher Empathie: »Als Kind denkt er
nur an das, was er braucht. Immer. Er ist
noch ganz unschuldig. Aber auch später
sagt er nie ›Dankeschön‹ und nimmt alles,
was er bekommen kann. Und am Ende seines
Lebens versteht er es immer noch nicht und
setzt sich hin auf den Rest seines Opfers.«
DER JUNGE UND DER BAUM
Die Rollenverteilung in diesem Werk ist
eigentlich einfach. Der inneren Stimme des
Jungen entspricht das obligate Violoncello,
dessen zunehmend dunkler und melancholischer Ton den Altersfortschritt des Protagonisten spiegelt. Der Baum wird als
weiblich definiert und so auch zu einer Art
Mutter, die gibt, ohne eine Gegenleistung
einzufordern. Im Orchesterapparat von
»The Giving Tree« ist eine Reihe ungewöhnlicher Schlaginstrumente vorgesehen, wie
eine Windmaschine, eine Lotusflöte oder
eine Ocean Drum, die sich hervorragend
zur Illustration der Szenerie eignen.
ILLUSTRATION UND REFLEXION
Maazel nutzt in diesem Werk alle Möglichkeiten der musikalischen Darstellung. Er
illustriert, wie gleich zu Beginn, wenn
Windmaschine und auffahrende Figuren in
Flöten und Violinen das Rascheln der Blätter im Wind nachahmen, während die Lotusflöte Vogelrufe imitiert. Er zeichnet
den Text nach, greift Schlüsselworte auf
und spiegelt den gesamten Kosmos
menschlicher Gefühle, ob Freude, wie beim
ersten Auftritt des Jungen, oder melan-
cholische Trauer, wie in der Passage, in der
der erste Schatten auf die Beziehung zwischen Knaben und Baum fällt, weil der Junge Geld fordert. Hier sind es Englisch Horn
und Fagott, mit deren Hilfe Maazel die
Gefühle des Baumes schildert, der seine
Äpfel gibt, um den Wunsch des Jungen zu
erfüllen.
GEFÜHLVOLLE KLANGBILDER
Das Ausdrucksspektrum, mit dem der Komponist hier arbeitet, kennt viele Nuancen,
Maazel findet für alle Gefühlsbereiche entsprechende Klangbilder. Wenn etwa der
Baum vor Wiedersehensfreude fast in
Sprachlosigkeit erstarrt, reduziert er den
musikalischen Satz auf wenige Akzente von
Schlagzeug und gedämpften Posaunen, und
gerade in der Reduktion wirkt der Satz an
dieser Stelle besonders eindringlich. Und
wenn der Junge sich gegen Ende der Geschichte aus dem Stamm des Baumes ein
Boot gebaut hat und damit davon segelt,
illustriert Maazel dies mit den Klängen der
Ocean Drum und ausdrucksvollen Glissandi
in den Hörnern sowie einer rhythmisch
höchst komplexen Passage, die jedes
­Metrum aufhebt und so grenzenlose Weite
suggeriert. Einer der musikalischen Höhepunkte ist sicher der »Nostalgico« überschriebene Abschnitt, wenn der Junge sich
auf den letzten verbliebenen Stumpf des
Baumes setzt, um, nun selbst ein alter Mann,
auszuruhen. Direkt anschließend bricht sich
die Freude des Baums ein letztes Mal Bahn,
bevor das Werk durchaus optimistisch, aber
auch nachdenklich im Pianissimo endet.
Wayne Oquin: »Echoes of a Solitary Voice«
14
Notizen zur
Entstehung von
»The Giving Tree«
DIETLINDE TURBAN MAAZEL
Vor nunmehr 23 Jahren kamen eine Handvoll entschlossener Eltern auf mich zu, mit
der Idee, auf unserer Farm in Castleton,
Virginia, ein »Family Learning Center« zu
gründen, als Reaktion auf die radikalen
Streichungen von Kunst und Musik in den
öffentlichen Schulen der USA. Bald schien
sich unser Traum zu erfüllen... An die vierzig Kinder im Alter von drei bis fünfzehn
Jahren (meine eigenen Kinder eingeschlossen) und deren (hauptsächlich mittellose)
Eltern reichten sich die Hände unter unserer
300 Jahre alten Buche – entschlossen, diesen Kindern eine von Kunst und Musik erfüllte Schulzeit zu bieten, inspiriert von
den Ideen Rudolf Steiners, inmitten der
milden, harmonischen Landschaft Virginias.
Vier Jahre später hatten wir eine alte Hühnerfarm, die einst 15.000 Hühner beherbergte, und von der jeden Morgen Last­
wagen voller Eier nach Washington transportiert worden waren, in ein Theater
umgewandelt, das sich in seiner Schönheit,
wenn auch nicht Größe, mit dem englischen
Globe Theatre messen kann. Nie werde ich
den Anblick der vielen Kinder vergessen,
die mit großen Augen vom Balkon hängend
am 21. Juni 1997 ihr erstes klassisches
Konzert erlebten – ein Tschaikowsky Trio
mit Lorin Maazel, Mstislav Rostropowitsch
und Yefim Bronfman !
Am Tag darauf bat mich eine »Kommission«
dieser Kinder, ein Musikprogramm zu etablieren. Wir mieteten Instrumente aller Art
und starteten gleichzeitig ein Theater-­
Programm. Shel Silverstein’s Geschichte
»The Giving Tree« war das erste Theaterstück, das wir mit improvisierter Musik
und unseren kleinen Akteuren aufführten.
Mein Schwiegervater, Schauspieler und
Sänger – damals 94 Jahre alt – war unser
Erzähler. Von dieser Produktion fühlte sich
Maestro Maazel angeregt, eine Komposi­
tion zu schreiben für großes Orchester,
Violoncello Solo (der »kleine Junge«) und
Sprecher. Sie wurde am 13. April 1998 in
München im Rahmen unseres Osterkonzerts
»Tausendund... live aus dem Prinzregenten­
theater« uraufgeführt.
Diese liebenswürdige, doch tiefgründig
meta­phorische Geschichte eines »Jungen«,
der seinen »Freund Baum« ausnutzt bis zu
dessen völliger Selbstaufgabe, hat mehr
denn je an Bedeutung gewonnen und meinen Mann zu weiteren Kompositionen für
Notizen zu »The Giving Tree«
15
Orchester und Sprecher angeregt, wie
z. B. »The Empty Pot« (»Der leere Topf«)
– eine weise chinesische Parabel. Jeremy
Irons hob dieses Stück als Sprecher in
­London aus der Taufe.
Ironischerweise bekamen wir von unserer
Gemeinde in Virginia keine dauerhafte
­Lizenz für die angedachte Schule, aber der
Geist der ganzheitlichen Bildung und der
Passion für Musik und Theater hat unser
Castleton nie verlassen: Die kleine »Dorfschule« verwandelte sich in das »Castleton
Festival«, das wir im Sommer 2009 gründeten – eine Kombination von Musikfestspielen und Sommerakademie für junge
Künstler, eine Art »Mekka« für die Stars
von morgen.
Notizen zu »The Giving Tree«
16
Selbstbehauptung
oder Kniefall
vor der Macht ?
MARCUS IMBSWEILER
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
(1906–1975)
Symphonie Nr. 5 d-Moll op. 47
1. Moderato
2. Allegretto
3. Largo
4. Finale: Allegro non troppo
ENTSTEHUNG
Unter dem Eindruck des vernichtenden
»Prawda«-Artikels über seine Oper »Lady
Macbeth von Mzensk« (»Chaos statt Musik«) zog Schostakowitsch seine nicht minder »modernistische« 4. Symphonie aus
Angst vor weiteren »Maßnahmen« der sow­
jetischen Kulturbürokratie zurück und ließ
sie über Jahrzehnte in der Schublade ruhen. Die folgende, vom 18. April bis 20. Juli
1937 in Leningrad komponierte 5. Symphonie war zu seiner »Rehabilitierung« vor
dem Politbüro gedacht, wozu sie Schostakowitsch höchst selbstironisch als »die
praktische schöpferische Antwort eines
sowjetischen Künstlers auf eine berechtigte Kritik« ausgab.
LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN
URAUFFÜHRUNG
Geboren am 12. (25.) September 1906 in
St. Petersburg; gestorben am 9. August
1975 in Kunzewo, einem vornehmen Vorort
von Moskau, wo auch schon Josef Stalin
1953 in seiner Datscha gestorben war...
Am 21. November 1937 in Leningrad im
Großen Saal der Leningrader Philharmonie
anlässlich des 20. Jahrestags der Oktoberrevolution (Leningrader Philharmoniker
unter Leitung von Jewgenij Mrawinskij).
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
17
Schostakowitsch in den frühen 1930er Jahren
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
18
STAATSKUNST ODER VIRTUOSES
MASKENSPIEL ?
Dmitrij Schostakowitsch galt lange Zeit als
linientreuer sowjetischer Vorzeigekomponist, der sich mit dem politischem System
seiner Heimat identifizierte, nicht anders
als auf amerikanischer Seite ein Aaron
­Copland oder Samuel Barber. Die schein­
bare Beflissenheit, mit der sich seine textgebundenen Kantaten und Symphonien in
den Dienst des Regimes stellten, erschwerte naheliegenderweise ihre Aufnahme im
Westen. Neben enthusiastischer Parteinahme durch namhafte Dirigenten wie
­A rturo Toscanini, Bruno Walter und Otto
Klemperer blieben weithin Bedenken gegenüber Kompositionen, die sich stark an
offizielle Vorgaben anlehnten. Je deutlicher
Schostakowitschs Werke gesellschaftliche
Realität transportierten oder gar abbildeten, desto zwiespältiger reagierte man
außerhalb des kommunistischen Einflussbereichs. Ironischerweise kehrte sich bei
einer Symphonie, der »Siebten«, das Verhältnis um: 1942 im belagerten Leningrad
entstanden und unter atemberaubenden
Umständen uraufgeführt, wurde sie in den
USA als antifaschistische Hymne populär.
In Zeiten des gemeinsamen Kampfes gegen
Hitler begrüßte man eine solche künstlerische »Stellungnahme«, während die Vorbehalte insgesamt blieben: Bis heute haftet den Symphonien Schostakowitschs der
Verdacht des Tendenziösen an, des Zweckgebundenen und damit Zweitrangigen.
Staatskunst, so der Vorwurf, ist minderwertige Kunst.
Diese Einschätzung Schostakowitschs und
seiner Werke musste spätestens 1979 revidiert werden, als Solomon Volkow unter
dem Titel »Zeugenaussage« Erinnerungen
des Komponisten veröffentlichte. Deren
unerwartete Radikalität rückte die Person
Schostakowitschs in ein neues Licht. Aus
dem unreflektierenden Vertreter einer
staatsbestimmten Ästhetik wurde ein auto­
nomer Künstler, der zeitlebens virtuos mit
Masken spielte; ein stets gefährdeter, zur
Konformität verdammter Opponent. Mehr
noch: ein Mensch, dessen Widerstand – und
spätestens hier wird es spannend – Eingang in seine Kompositionen fand. Zahl­
reichen Werken, wenn nicht allen, ist ein
verborgener Hintersinn, ein Subtext eingeschrieben, der von der offiziellen Fassade
verdeckt wird. Die Echtheit dieser Memoiren war und blieb umstritten – mit gutem
Grund; schließlich mangelte es der »Zeugen­
aussage« an weiteren Zeugen. Seither aber
bestätigten weitere Veröffentlichungen, in
der Hauptsache Briefeditionen und Biographien, Volkows Befund: dass der »wahre«,
der künstlerisch autonome Schostakowitsch
gezwungen war, sich hinter einem sorgsam
gewählten Schutzwall zu verbergen.
AM ANFANG ALLER DINGE:
DIE HOFFNUNG
Dabei hatte alles vielversprechend be­
gonnen. Der junge Komponist, seit seiner
­ingeniösen 1. Symphonie schlagartig eine
Berühmtheit, wurde von offizieller Seite zu
weiteren Werken ermuntert. Wie viele euro­
päische Intellektuelle der Zwanziger Jahre
empfand sich Schostakowitsch nicht als
weltabgewandter, einsiedlerischer Artist,
sondern als Staatsbürger, der mit seiner
Tätigkeit zum Wohl aller beiträgt. Und tatsächlich schien Lenins Regime eine Zeitlang
progressive Tendenzen zu begünstigen
oder wenigstens zu dulden. Das änderte
sich tiefgreifend unter der totalitären
Herrschaft Stalins, der sämtliche Lebensbereiche unter seine Kontrolle zu bringen
versuchte. Die Kunstsparten inklusive: Um
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
19
sie zu reglementieren, bedurfte es einer
staatlichen Vorgabe, einer von oben verordneten ästhetischen Richtschnur. Sowjetische Kunst, d. h. offiziell geförderte,
verbreitete und allein zugelassene Kunst
folgte unter Stalin dem Ideal des »Sozialistischen Realismus«, einem ebenso
schwammigen wie langlebigen Schlagwort,
das bis zum Zusammenbruch des Kommunismus Konjunktur hatte.
Für Schostakowitsch und seine Kollegen
war der Schriftstellerkongress des Jahres
1934 von Bedeutung: Dort wurde der
­Sozialistische Realismus proklamiert und
alles Kunststreben, das sich ihm verweigerte, als »Formalismus« verdammt. So
lächerlich aus heutiger Sicht diese Etikettierungen scheinen, konnten sie dennoch
über berufliche Schicksale, sogar über
­L eben und Tod entscheiden. Ihre Inhalte,
nämlich was ein Kunstwerk jeweils zu
­einem realistischen bzw. formalistischen
mache, mochten wechseln, das Ergebnis
blieb das gleiche: Förderung, auch finan­
zielle, auf der einen Seite, Bloßstellung,
Anprangerung der »Missbildungen«, Berufsverbot bis hin zu Verfolgung und Haft
auf der anderen. Dabei verweist das unangenehme Wort von den Missbildungen eines
Werks auf die Parallelen zur »Entarteten
Kunst« der Nationalsozialisten; dass beide
Diktatoren, Hitler wie Stalin, Volkes Führer­
schaft auch in ästhetischer Hinsicht für
sich reklamierten, passt zu ihrem totali­
tären Staatsverständnis nur allzu gut.
STAATSDIKTATUR UND MUSIK
Schostakowitsch war noch keine dreißig,
als das Regime unmissverständlich Gefolgschaft einklagte. Man muss davon ausgehen, dass er seither bis zu seinem Tode
nie mehr »frei« komponiert hat, d. h. keine
Musik mehr schrieb, ohne deren konkrete
Aufführungsumstände – die Reaktion des
Publikums, der Offiziellen, der Kritiker
usw. – mitzubedenken und in seine Partituren einfließen zu lassen. Markanteste
Daten staatlicher Repressionen zu Leb­
zeiten Schostakowitschs sind die Jahre
1936/37 mit ihren brutalen Schauprozessen, 1948 mit der Neuorganisation des
totalitären Staates nach dem Weltkrieg
und 1952/53, als der Stalinkult schwindel­
erregende Ausmaße einnahm. 1948 wurde
der verheerende Vorwurf des Formalismus
wiederbelebt und gegen Chatschaturjan,
Prokofjew, Mjaskowskij, Schebalin gewendet; mithin gegen die komplette kompositorische Elite des Landes einschließlich
Schostakowitsch, der sämtliche Lehrämter
verlor und sich jahrelang mit Arbeiten für
den Film über Wasser halten musste. Kaum
weniger beschämend muten die Maßnahmen des Jahres 1952 an, als man Künstler
aller Sparten zur Lektüre von Stalin-Texten
(»Das Typische im künstlerischen Schaffen«) verdammte.
Solche Begebenheiten werfen ein bezeichnendes Licht auf die Situation der Intellektuellen im Sowjetstaat. Die Kontrolle durch
das Regime reichte im Einzelfall bis hinein
ins Privateste; Kritik äußerte der einzelne
nur gegenüber engsten Vertrauten und
vorzugsweise mündlich. In welcher Gefahr
Schostakowitsch selbst schwebte, ist bislang nicht zu entscheiden. Fest steht aller­
dings, dass einige seiner Bekannten und
Künstlerkollegen ihre Unbotmäßigkeit mit
dem Leben bezahlten. Der bekannteste Fall
ist der des Regisseurs Wsewolod Meyerhold, der 1937 verhaftet wurde und im
­G efängnis unter ungeklärten Umständen
starb; seine Frau wurde ermordet. Und
1953 saß Schostakowitschs Komponistenfreund Mieczyslaw Wainberg in Haft, dessen
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
20
Schwiegervater vom Geheimdienst liquidiert
worden war; nur dem Tauwetter nach Stalins
Tod verdankte Wainberg seine Entlassung.
TAKTIEREN,
NICHTS ALS TAKTIEREN
Um einem solchen Schicksal zu entgehen,
verlegte sich Schostakowitsch wie viele
Künstler, die im grellen Licht der Öffentlichkeit standen, aufs Taktieren. Im Umgang mit seinen engsten Vertrauten, kaum
einer Handvoll Personen, bediente er sich
einer Art Geheimsprache, in der immer wiederkehrende Formeln, standardisierte
Kommentare einen Code für Eingeweihte
bildeten. Wenn er an seinen Sekretär und
lebenslangen Freund Isaak Glikman schrieb,
es gehe ihm äußerst »gut«, wirklich
»beneidenswert«, geradezu »hervorragend«, so war dies ein sicheres Anzeichen
für anhaltende Depressionen. Sang er
brieflich das Loblied auf den Genossen
S talin und gebrauchte dazu die vorge­
stanzten Formulierungen der offiziellen
Parteipropaganda, handelte es sich um
hilflosen Sarkasmus.
Ein Neujahrsgruß an Isaak Glikman zeigt,
welch bitterer Ton dabei mitunter angeschlagen wurde. »Mein teurer Freund«,
schreibt Schostakowitsch am 31. Dezember 1943, und man beachte, dass alle Briefe dieser Zeit durch die Hände der Kriegszensur gingen, »danke, dass Du mich nicht
vergisst. Jetzt ist der letzte Tag des Jahres 1943, 16 Uhr. Draußen tobt ein Schneesturm. Das Jahr 1944 bricht an. Ein Jahr
des Glücks, ein Jahr der Freude und ein
Jahr des Sieges. Dieses Jahr wird uns viel
Gutes bringen. Die freiheitsliebenden
­Völker werden nun endlich das Joch des
Hitler-Faschismus abwerfen, und Friede
wird in aller Welt herrschen, und wir wer-
den unter der Sonne von Stalins Verfassung ein neues, friedliches Leben führen.«
MUSIK MIT DOPPELTEM BODEN
Ein seltsam emotionsloser Ton, in dem hier
von einer besseren Zukunft unter Hammer
und Sichel gesprochen wird. Dass es sich
bei der stereotypen Aufzählung zu erwartender Glücksmomente um die Stimmungslage totaler Desillusion handelt, bestätigt
Glikman in seinen Anmerkungen. Die
B efreiung vom Nationalsozialismus hat
­
Schostakowitsch, dies braucht nicht betont zu werden, herbeigesehnt; aber dass
alle Opfer der russischen Bevölkerung dem
Tyrannen Stalin zugute kommen sollten,
verbitterte ihn zutiefst. Das Licht am Ende
des Weges: Es ist die »Sonne von Stalins
Verfassung« (eine kanonisierte Formel aus
den Vorkriegsjahren), die genau das
­G egenteil erwarten lässt, nämlich totale
Finsternis, Rückkehr zu alten Verhältnissen. »Wie Du mir doch fehlst«, beendet
Schostakowitsch seinen Brief, »um mich
gemeinsam mit Dir über die ruhmreichen
Siege der Roten Armee mit ihrem großen
Feldherrn an der Spitze, dem Genossen
Stalin, zu freuen« – eine Wendung, die den
Adressaten an beider Privatvergnügen erinnert, sich über Reden und Proklamationen
führender Parteipolitiker lustig zu machen.
Diese Taktik der Verstellung, der Aushub
eines doppelten Bodens, blieb nicht auf
briefliche Äußerungen beschränkt. Auch
seinen Kompositionen, so bestätigt Glikman,
schrieb Schostakowitsch immer wieder
solche Subtexte ein. Und damit sind wir bei
der 5. Symphonie. Betrachten wir die Entstehungsumstände etwas genauer: Nach
frühen Reglementierungen während der
Kulturrevolution von 1929, die er unbeschadet überstanden hatte, war Schosta-
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
21
Isaak Glikman und Dmitrij Schostakowitsch in Komarowo (1953)
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
22
kowitschs Rang als führender Jungkomponist gefestigt. Seine zweite Oper »Lady
Macbeth von Mzensk« wurde in Moskau
und Leningrad mit sensationellem Erfolg
gespielt (190 Aufführungen), die 1. Symphonie und das 1. Klavierkonzert genossen
internationale Anerkennung. Sicher konnte
man Schostakowitsch nicht als populären
Künstler bezeichnen – immerhin bediente
er sich einer progressiven, an Mahler und
Strawinsky orientierten Musiksprache –,
aber man verstand seine Kompositionen als
Ergebnis der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Zeitfragen, und er selbst
sah sicher bis in die 30er Jahre hinein keine
Veranlassung, von diesem Engagement abzurücken.
»CHAOS STATT MUSIK«
Am 28. Januar 1936, mitten in der Arbeit
an seiner 4. Symphonie, erschien in der
Prawda unter dem Titel »Chaos statt Musik«
ein Artikel, der mit Schostakowitsch und
speziell mit seiner erfolgreichen Oper abrechnete; Initiator der Attacke war möglicherweise Stalin selbst. Ein zweiter Artikel
wenige Tage später nahm sich die Ballettmusik vor und schlug in die gleiche Bresche:
Schostakowitsch komponiere »disharmonisch, chaotisch, kleinbürgerlich, vulgär«,
somit nicht mehr stellvertretend für die
sozialistische Gemeinschaft.
Flugs wurde die »Lady Macbeth« vom
Spielplan abgesetzt; Schostakowitsch galt
von einem Tag auf den anderen als Volksfeind. »Ich hatte entsetzliche Angst«, gestand er rückblickend Volkow, nicht nur um
sein eigenes Leben, sondern auch um das
seiner Verwandten. Zu allem Überfluss
b eschäftigte er sich gerade mit einer
­
­Symphonie, die den eingeschlagenen experimentellen Weg fortsetzte und in dieser
prekären Situation dem Regime neue Argumente liefern musste. Auf Druck von oben
zog Schostakowitsch die »Vierte« während
der Proben zurück; erst 25 Jahre später
wurde sie uraufgeführt.
ERZWUNGENES JUBELN:
DIE 5. SYMPHONIE
Im folgenden Jahr entstand die 5. Symphonie
d-Moll, die als erster größerer Beitrag
nach dem »Prawda«-Angriff mit Spannung
aufgenommen wurde. Wie würde Schostakowitsch die Kritik verarbeitet haben ?
Würde er sich einer verständlicheren Sprache bedienen und wieder enger an die Tradition anknüpfen ? In der Tat: Das Werk,
zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution
aus der Taufe gehoben, bereitete den Hörern offenbar wenig Schwierigkeiten. Zeitzeugen berichten übereinstimmend von
enthusiastischem Beifall; im 3. Satz sollen
viele Zuhörer geweint haben. Der Dirigent
der Uraufführung, Jewgenij Mawrinskij,
hob am Ende in einer theatralischen Geste
die Partitur über seinen Kopf, um zu zeigen, wem der Applaus gebühre, und in einer
späteren Aufführung betraten Arbeiter die
Bühne, um eine begeisterte Grußbotschaft
an den Komponisten zu richten. Schostakowitsch war mit einem Schlag rehabilitiert.
Doch es gab auch Andeutungen des Zweifels. Manche Kritiker zeigten sich von der
Triumphgeste des Finales nicht überzeugt,
hielten sie für aufgesetzt oder gar erzwungen. Und trafen damit, wenn man Volkow
glauben darf, ins Schwarze. »Es gab nichts
zum Jubeln«, soll Schostakowitsch erklärt
haben. »Was in der ›Fünften‹ vorgeht, sollte meiner Meinung nach jedem klar sein.
Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen
– so, als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: ›Jubeln sollt ihr,
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
23
jubeln sollt ihr !‹« Wenn dies zutrifft, dann
ergibt sich für den heutigen Hörer die
spannende Aufgabe, dieser zusätzlichen
Bedeutungsebene nachzuspüren: hinter
der Fassade einen verborgenen Text zu
entziffern, der von den Zwangsmaßnahmen
stalinistischer Willkür erzählt. Allerdings
sollte man sich der Schwierigkeiten dieses
Unterfangens bewusst sein: Im begriffs­
losen Kosmos Musik nähern sich Jubel und
erpresster Jubel bis zur Ununterscheidbarkeit an.
Satz) zur Apotheose (4. Satz). Schostakowitsch bezeichnete rückblickend seine
Symphonie als »schöpferische Antwort auf
eine berechtigte Kritik«; ihr Programm
kreise um das »Werden einer Persönlichkeit, die durch Prüfungen gegangen ist«.
Aber noch diese scheinbar systemkonformen Verlautbarungen bieten unterschiedlichsten Auslegungen Raum. Wie lautet
Schostakowitschs »schöpferische Antwort« ? Wohin führt die Entwicklung der
Persönlichkeit ?
Folgt man der Auffassung sowjetischer
Interpreten, so führt die Entwicklung der
»Fünften« von anfänglichen Konflikten
(1. Satz) über folkloristische Einsprengsel
(2. Satz) und besinnliche Momente (3.
1. SATZ: KONFLIKTPOTENTIALE
Der 1. Satz bedient sich dreier Themen:
eines kanonisch geführten Mottos mit
scharfen Doppelpunktierungen, das nach
Schostakowitsch mit seiner Frau Nina und seinem Freund Iwan Sollertinski (1932)
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
24
und nach zur Begleitung absinkt; eines
ausgedehnten Klagegesangs in den Violinen
als Hauptthema; sowie eines Seitenthemas,
das sich in großen Tonsprüngen über einem
pochenden anapästischen Rhythmus erhebt.
Die Durchführung fungiert ganz klassisch
als Konfliktfeld dieser Themen, bis sich mit
dem Repriseneintritt die angestaute Spannung im Unisono löst – eine sehr traditionelle Satzgestaltung, die den Erwartungen
des Publikums zweifellos entgegenkam.
Zu beachten ist jedoch auch: erstens die
extremen klanglichen Gegensätze, die jedes
»klassische« Maß sprengen (betrifft die
Lautstärke ebenso wie die Farbigkeit der
Klänge); zweitens das Verlöschen des Satzes in einer Art von klanglicher Gegenwelt
(Solo-Violine mit Celesta, Harfen und fernen
Trompetenrufen); und drittens die brutale
Militarisierung des Klagegesangs in der
Durchführung durch Trommelsignale und
primitiv-ungeschlachten Blechbläsersatz.
Unklassisch ist hier sicher die Funktion der
Reprise: nicht als Restitution, als Durchsetzung des Anfänglichen, sondern eher
(wie bei Schubert) als lastende Erinnerung,
als Entwurf einer gefährdeten Gegenwelt.
2. SATZ: OPERETTENTRAVESTIEN
Auch das Scherzo bietet zunächst keine
Verständnisschwierigkeiten. Burschikose
Ländlerthemen umrahmen ein schlichtes
Trio, eröffnet von der Solo-Violine, und
irgendwann intonieren die Hörner frech die
Paraphrase eines Operettenliedes (»Im
Weißen Rössl am Wolfgangsee...«). Aber
wieder steht eine zweite Ebene quer zur
ersten: Die Satztechnik wirkt an vielen
Stellen nicht bloß einfach, sondern plump;
Instrumente spielen in »falscher« Lage,
einzelne Viervierteltakte fungieren als
Stolpersteine.
Der klangliche Aufwand steht in keinem
Verhältnis zur dürftigen motivischen Substanz, und allein das solistische Auftreten
von Kontrafagott und schriller Es-Klarinette
sollte aufhorchen lassen. Überdies stellt
sich wieder die Assoziation Kasernenhof
(oder Zirkus !) ein, wenn die kleine Trommel
unpassenderweise das »Weiße Rössl«-­
Thema untermalt. Ein »Reigen schwungvoller Tanzmusik«, die »freudigen Seiten des
Lebens«, wie die offizielle Kritik meinte ?
Eher eine zwielichtige Illumination des
­Folkloristischen, das beständig ins Triviale,
gar Rohe, Brutale zu kippen droht.
3. SATZ: TRAUERGESTEN
Der 3. Satz – zumindest hierüber herrscht
Einigkeit – bedient sich einer weitgehend
unverstellten Diktion: einer sehr subjektiven »Seelensprache«, was nichts anderes
heißt, als dass der Hörer die in kammermusikalischer Durchsichtigkeit erklingenden
melodischen Gesten als Gesten von Trauer,
Sehnsucht und Klage begreift. Bezeichnenderweise schweigt das Blech, das
Streichorchester ist achtfach geteilt.
­Parallel zum 1. Satz steigert sich auch hier
die Konfrontation der beiden Haupt­themen,
die ihren bittend-tröstenden Charakter
verlieren, zu einem tumultartigen Höhepunkt, der wie ein Aufschrei, eine jähe Anklage wirkt.
Und wieder sinkt am Ende alles in sich zusammen, bleibt der sphärische Klang der
Celesta und der beiden Harfen als Botschaft einer fernen, unerreichbaren Gegen­
welt übrig. Den resignativen Zug des Largo
ausblendend, entdeckte die Sowjetkritik in
ihm die besonnene »Haltung des bedenkenden Menschen«; Schostakowitsch merkte
ironisch an, die Blechbläser müssten
schweigen, um Kraft für das Finale zu sam-
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
25
meln. Als Indiz für die wahre Bedeutung
und den Gehalt des Largo dürfte sein Erklingen während der Gedenkfeiern für den
Regisseur Meyerhold im Jahre 1974 gelten.
4. SATZ: PSEUDOSIEGE
Mit dem Konzept des sozialistischen Realismus stimmten die Grübeleien, die ungelösten Konflikte der ersten drei Sätze
durchaus überein, sofern nur das Finale
eine Wendung zum Positiven präsentierte.
Immer wieder, anlässlich der 7., 8., 9. und
13. Symphonie, warf man Schostakowitsch
mangelnden Optimismus seiner Schlusssätze vor – und unterstellte ihm damit
­Defätismus und Abweichlertum. Der große
Erfolg der »Fünften« gründet wohl hauptsächlich in der totalen Erfüllung dieser
Erwartungen. Einer wiederum oberfläch­
lichen Erfüllung, ist allerdings hinzuzufügen. Die Posaunenrufe zu Beginn machen,
indem sie die Seufzermotive des Largo
umkehren, unmissverständlich klar, dass
nun die Klage auf den Kopf gestellt, von der
Innen- zur Außenansicht gewechselt wird.
»Entschlossenheit« las der regimetreue
Kritiker in diesem Anfang und empfand ein
zweites hymnisches Dur-Thema als »Bild
des optimistischen Menschen«. Seltsam
bloß, wie martialisch roh der Beginn instru­
mentiert ist (Blech unisono über Paukenschlägen); dass das Orchester dieses ­Thema
deformiert und beschleunigt, bis pure
­B ewegungsenergie übrigbleibt; dass der
Hymnus (Trompete) sich über eine gehetzte, atemlose Begleitung erhebt; und dass
die Höhepunkte der Entwicklung stets von
Schlagwerk und Blechbläsern beherrscht
werden, während Holz und Streicher in
Repetitionen oder Trillerbewegungen erstarren.
Die Emphase ist unüberhörbar – aber sie
wirkt gebremst, gefesselt. Nach einer langen Ruhephase mit solistischen Einwürfen
führt niemand anderer als die kleine
­Trommel das Geschehen ins richtige Gleis
zurück. Das Hauptthema wird in einem
schier endlosen Crescendo zur Apotheose
gesteigert, natürlich in D-Dur und natürlich als Blechbläserhymne, zu der die restlichen Instrumente bloß Staffage abgeben:
durch ein stupides Einhämmern der Grundtonart, mit dem 250 Mal hintereinander
erklingenden Ton a. Ein absurdes Zuviel;
nicht anders als die sich emporschraubende, zum Zerreißen überdrehte Trompetenfanfare oder der Lärm des Schlagwerks
(Triangelwirbel, Pauken). Ist dieser schleppend laute, gehemmte, schrille, archaisierte
Schluss eine Apotheose ?
Vermutlich trifft man die Doppelbödigkeit
der Komposition am ehesten, wenn man sie
als exakten Ausdruck von Schostakowitschs
kompositorischem Dilemma begreift. Den
politischen Druck, ein massenwirksames,
an bestimmten Normen orientiertes Opus
abzuliefern, gestaltet sie musikalisch nach
– und indem ihr dies meisterhaft gelingt,
bewahrt sie ihren Schöpfer vor dem Gesichtsverlust. Bleibt als letztes Rätsel die
Borniertheit der Diktatoren: Ist den Sowjets dieses Spiel auf zwei Ebenen tatsächlich entgangen ? Haben sie im Finale nur
den Optimismus gehört, nicht aber das
Ächzen des Geknebelten ? Volkow zufolge
äußerte sich der Komponist eindeutig. Das
Finale, kommentierte er, »ist doch keine
Apotheose. Man muss schon ein kompletter
Trottel sein, um das nicht zu hören.«
Dmitrij Schostakowitsch: 5. Symphonie
26
Rafael
Payare
DIRIGENT
Der 1980 in Venezuela geborene Dirigent war
zunächst Teilnehmer des inzwischen welt­
berühmten musikalischen Jugendförderung-­
Programms »El Sistema«, wo er Horn studierte und anschließend als Hornist im
Simón Bolívar Orchester tätig war. 2004
begann Rafael Payare sein Dirigierstudium
bei »El Sistema«-Gründer José Antonio
Abreu und dirigierte in der Folge alle größeren Orchester Venezuelas, darunter das
Simón Bolívar Orchester auf seiner Kanada-­
Tournee 2009. 2012 erreichte den jungen
Venezolaner die Einladung Daniel Baren-
boims, als Assistent an der Neuproduktion
von Richard Wagners »Siegfried« an der
Berliner Staatsoper mitzuwirken. Nachdem
er im selben Jahr den Nikolaj-Malko-Dirigierwettbewerb in Kopenhagen gewonnen hatte,
wurde Rafael Payare umgehend von seinem
Mentor Lorin Maazel als Gastdirigent zu dessen Castleton Festival in Virginia / USA eingeladen. 2015 wurde er dort als Nachfolger
Maazels zum »Principal Conductor« ernannt.
Eine enge Freundschaft verbindet ihn auch
mit Krzysztof Penderecki, der ihn neben
­Valery Gergiev und Leonard Slatkin dazu einlud, das Festkonzert zu seinem 80. Geburtstag in Warschau zu dirigieren. Seit 2014 ist
Rafael Payare Chefdirigent des nordirischen
Ulster Symphony Orchestra und gab im Januar 2015 sein Debüt bei den Wiener Philharmonikern mit drei Konzerten, für die ursprünglich noch Lorin Maazel als Dirigent
vorgesehen war. Als einer der begehrtesten
Nachwuchs-Dirigenten weltweit debütierte
Rafael Payare bereits beim London und dem
Chicago Symphony Orchestra sowie den Philharmonic Orchestras von Rotterdam, Los
Angeles, Göteborg und Stockholm. Weitere
Einladungen erfolgten vom City of Birmingham Symphony, dem Philharmonia Orches­
tra London, dem Orchestre de la Suisse
­Romande, dem Mahler Chamber Orchestra,
dem Orchestre Philharmonique de Radio
France und dem NHK Symphony Orchestra.
Die Künstler
27
Dietlinde
Turban
Maazel
Michael
Hell
SPRECHERIN
VIOLONCELLO
Dietlinde Turban Maazel machte mit neunzehn Jahren als Gretchen in Michael Degens
»Faust«-Inszenierung am Münchner Residenztheater auf sich aufmerksam. Danach
folgten neben dem Theater zahlreiche Rollen
in Film und Fernsehen. 1982 erhielt sie den
Bad Hersfeld-Preis als beste Darstellerin
(Desdemona in »Othello«) und wurde 1983
mit dem Bambi als Fernsehdarstellerin des
­Jahres ausgezeichnet. In »Mussolini and I«
(»Ich und der Duce«) spielte sie an der Seite
von Anthony Hopkins. Zusammen mit ihrem
Mann, dem Dirigenten Lorin Maazel, gründete sie 2009 auf ihrem Landgut in Virginia das
Castleton Festival, eine Kombination von
Musikfestspielen und Sommerakademie für
junge Künstler. Dietlinde Turban Maazel lebt
in New York, ist als Regisseurin tätig, hat
eine Professur für Schauspiel an der Rutgers
University und hält Kurse für Liedinterpretation und Darstellung (International Vocal
Arts Institute) in den USA und Kanada.
Michael Hell wurde als Sohn einer Musikerfamilie in Wien geboren und spielte bereits
mit 16 Jahren in der Wiener Staatsoper und
bei den Wiener Philharmonikern. Seit 1981
ist er Konzertmeister der Violoncelli bei
den Münchner Philharmonikern. Als Solist,
Kammermusiker und Lehrer konzertierte er
auf allen Kontinenten und nahm CDs, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen auf. 2002
begann Michael Hell als Lehrer am Tiroler
Landeskonservatorium zu unterrichten
und wurde im April 2008 vom österreichischen Bundespräsidenten zum Professor
ernannt. Michael Hell spielt auf einem
Meisterinstrument von Januarius Gagliano
aus dem Jahre 1736.
Die Künstler
28
Münchner
Klangbilder
DIE KONZERTPLAKATE DER
SPIELZEIT 2016/17
KLASSISCHER UNGEHORSAM
»Was würden Sie tun, wenn Sie einen Diktator als Auftraggeber hätten? Wahrscheinlich das, wozu Sie gezwungen werden. So ging es Dmitrij Schostakowitsch:
Er musste für Josef Stalin eine Siegeshymne komponieren, die Stalins Regime und die
Rote Armee verherrlicht. Entstanden ist
die 5. Symphonie. Besonders der Marsch
am Ende des Stücks gefiel Stalin. Er ließ
ihn auf Militärparaden ertönen, wenn Panzer rollten und Soldaten im Stechschritt
marschierten.
Auf meinem Plakat feiere ich gemeinsam
mit Schostakowitsch Stalins Untergang. Es
regnet Konfetti. Verkleidete, bunte Gestalten tanzen jubelnd um einen Panzer, der
aus dem Kanonenrohr Konfetti spuckt. Hören Sie doch mal selbst in die 5. Symphonie
hinein, hören Sie Stalins Untergang am
Ende?« (Tamara Napowanez, 2016)
DIE KÜNSTLERIN
Tamara Napowanez ist Junior Art Director
bei der Heye GmbH in München.
Während Stalin seine Hymne genoss,
sprach die Musik eine andere Sprache zum
Volk. Wer sie verstand, hörte einen Aufschrei nach Individualität, Freiheit und
Gerechtigkeit. Denn Schostakowitsch war
ungehorsam und tat nicht das, was man
ihm befohlen hatte – er versteckte eine
geheime Botschaft in seiner Komposition:
für ihn war die 5. Symphonie keine Sieges-,
sondern eine Todeshymne auf den Stalinismus. Das behaupteten zumindest Schostakowitschs Freunde und Kenner seiner
Musik.
Tamara Napowanez
29
Freitag
09_12_2016 20 Uhr b
Samstag
10_12_2016 19 Uhr d
Sonntag
11_12_2016 11 Uhr m
Sonntag
18_12_2016 11 Uhr
3. KAMMERKONZERT
Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz
»FRÜH ÜBT SICH«
DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCH
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1
Es-Dur op. 107
PJOTR ILJITSCH TSCHAIKOWSKY
»Manfred«, Symphonie h-Moll op. 58 in
vier Bildern nach Byron
SEMYON BYCHKOV
Dirigent
GAUTIER CAPUÇON
Violoncello
Mittwoch
14_12_2016 20 Uhr f
Donnerstag
15_12_2016 20 Uhr g4
Freitag *
16_12_2016 20 Uhr c
FRANZ SCHUBERT
Sonata (Sonatensatz) für Klavier, Violine
und Violoncello B-Dur D 28
LUDWIG VAN BEETHOVEN
Klaviertrio Es-Dur op. 1 Nr. 1
PABLO QUASS
»Schwebende Fäden« für Violine,
Violoncello und Klavier
CLAUDE DEBUSSY
Klaviertrio G-Dur
VERDANDI-TRIO:
IIONA CUDEK
Violine
ELKE FUNK-HOEVER
Violoncello
MIRJAM VON KIRSCHTEN
Klavier
RICHARD STRAUSS
»Also sprach Zarathustra« op. 30
ANTON BRUCKNER
Symphonie Nr. 9 d-Moll
VALERY GERGIEV
Dirigent
Vorschau
30
Die Münchner
Philharmoniker
1. VIOLINEN
Sreten Krstič, Konzertmeister
Lorenz Nasturica-Herschcowici,
Konzertmeister
Julian Shevlin, Konzertmeister
Odette Couch, stv. Konzertmeisterin
Claudia Sutil
Philip Middleman
Nenad Daleore
Peter Becher
Regina Matthes
Wolfram Lohschütz
Martin Manz
Céline Vaudé
Yusi Chen
Iason Keramidis
Florentine Lenz
Vladimir Tolpygo
Georg Pfirsch
2. VIOLINEN
Simon Fordham, Stimmführer
Alexander Möck, Stimmführer
IIona Cudek, stv. Stimmführerin
Matthias Löhlein, Vorspieler
Katharina Reichstaller
Nils Schad
Clara Bergius-Bühl
Esther Merz
Katharina Schmitz
Ana Vladanovic-Lebedinski
Bernhard Metz
Namiko Fuse
Qi Zhou
Clément Courtin
Traudel Reich
Asami Yamada
BRATSCHEN
Jano Lisboa, Solo
Burkhard Sigl, stv. Solo
Max Spenger
Herbert Stoiber
Wolfgang Stingl
Gunter Pretzel
Wolfgang Berg
Beate Springorum
Konstantin Sellheim
Julio López
Valentin Eichler
VIOLONCELLI
Michael Hell, Konzertmeister
Floris Mijnders, Solo
Stephan Haack, stv. Solo
Thomas Ruge, stv. Solo
Herbert Heim
Veit Wenk-Wolff
Sissy Schmidhuber
Elke Funk-Hoever
Manuel von der Nahmer
Isolde Hayer
Sven Faulian
David Hausdorf
Joachim Wohlgemuth
Das Orchester
31
KONTRABÄSSE
Sławomir Grenda, Solo
Fora Baltacigil, Solo
Alexander Preuß, stv. Solo
Holger Herrmann
Stepan Kratochvil
Shengni Guo
Emilio Yepes Martinez
Ulrich Zeller
FLÖTEN
Alois Schlemer
Hubert Pilstl
Mia Aselmeyer
TROMPETEN
Guido Segers, Solo
Bernhard Peschl, stv. Solo
Franz Unterrainer
Markus Rainer
Florian Klingler
Michael Martin Kofler, Solo
Herman van Kogelenberg, Solo
Burkhard Jäckle, stv. Solo
Martin Belič
Gabriele Krötz, Piccoloflöte
POSAUNEN
OBOEN
PAUKEN
Ulrich Becker, Solo
Marie-Luise Modersohn, Solo
Lisa Outred
Bernhard Berwanger
Kai Rapsch, Englischhorn
Stefan Gagelmann, Solo
Guido Rückel, Solo
KLARINETTEN
Alexandra Gruber, Solo
László Kuti, Solo
Annette Maucher, stv. Solo
Matthias Ambrosius
Albert Osterhammer, Bassklarinette
FAGOTTE
Dany Bonvin, Solo
Matthias Fischer, stv. Solo
Quirin Willert
Benjamin Appel, Bassposaune
SCHLAGZEUG
Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger
Jörg Hannabach
Michael Leopold
HARFE
Teresa Zimmermann, Solo
CHEFDIRIGENT
Valery Gergiev
Jürgen Popp
Johannes Hofbauer
Jörg Urbach, Kontrafagott
EHRENDIRIGENT
HÖRNER
INTENDANT
Jörg Brückner, Solo
Matias Piñeira, Solo
Ulrich Haider, stv. Solo
Maria Teiwes, stv. Solo
Robert Ross
Paul Müller
Zubin Mehta
ORCHESTERVORSTAND
Stephan Haack
Matthias Ambrosius
Konstantin Sellheim
Das Orchester
32
IMPRESSUM
TEXTNACHWEISE
BILDNACHWEISE
Herausgeber:
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4
81667 München
Lektorat:
Christine Möller
Corporate Design:
HEYE GmbH
München
Graphik:
dm druckmedien gmbh
München
Druck:
Gebr. Geiselberger GmbH
Martin-Moser-Straße 23
84503 Altötting
Jörg Handstein, Martin
Demmler und Marcus
Imbsweiler schrieben ihre
Texte als Originalbeiträge
für die Programmhefte der
Münchner Philharmoniker.
Stephan Kohler verfasste
die lexikalischen Werkangaben und Kurzkommen­
tare zu den aufgeführten
Werken. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den
Autorinnen und Autoren;
jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Abbildung
zu
Richard
Wagner: Martin GregorDellin, Richard Wagner –
Eine Biographie in Bildern,
München 1982. Abbildung
zu Wayne Oquin: ohne credit, dankenswerter Weise
zur Verfügung gestellt
von Wayne Oquin. Abbildung zu Lorin Maazel: wild­
undleise.de. Abbildungen
zu Dmitrij Schostakowitsch: Jürgen Fromme
(Hrsg.), Dmitri Schostakowitsch und seine Zeit –
Mensch und Werk (Ausstellungskatalog), Duisburg
1984;
Krzystof
Meyer, Dmitri Schostakowitsch – Sein Leben, sein
Werk, seine Zeit, Mainz
1998. Künstlerphotographien: Henry Fair (Payare), wildundleise.de (Hell),
ohne credit (Turban Maazel).
Gedruckt auf holzfreiem und
FSC-Mix zertifiziertem Papier
der Sorte LuxoArt Samt
Impressum
Die ersten Veröffentlichungen
unseres neuen MPHIL Labels
Valery Gergiev
dirigiert Bruckner 4
& Mahler 2 zusammen
mit den Münchner
Philharmonikern
mphil.de
’16
’17
DAS ORCHESTER DER STADT
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