Möglichkeiten und Grenzen der Erhebung und Auswertung von

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40 Jahre Beobachtungen am
Breitenbach – was lässt sich
daraus lernen?
Zur Tagung ‚Lebendige Stadtgewässer‘ – ‚Lebendige Alster‘ 2014
Rüdiger Wagner
Universität Kassel
FB 10 Naturwissenschaften
Biologie, Limnologie
Heinrich-Plett-Straße 40
34132 Kassel
’’ Das Leben ist Veränderung,
und ohne Erneuerung ist es unbegreiflich.‘‘
N. Berdjajew
Osthessen - Schlitz
Die Untersuchungsgebiete
Karten: RW
Einzugsgebiet des Breitenbachs
Geologie – Sandstein
Einzugsgbiet ca. 10 km²
Niederschlag ca. 700 l m-2 yr-1
~ 6.300.000 m³ yr-1
Abfluss 0.5 – 1.000 l sec-1
~ 1.000.000 m³ yr-1
pH 7.1 (6.4 – 7.8)
Sauerstoff ~ 100% sat.
Leitfähigkeit ~ 150 µS 20°C
Wassertemperatur
~ 8°C Quelle;
0°C – 20°C Mündung
Abbildungen Dr. H.-H. Schmidt
Kartendaten HLUG
Der Breitenbach
Quelle
Mittellauf
Unterlauf
Emergenzhaus
Hochwasserabfluss
Emergenzhaus mit Messstation
Datenmaterial - Wasserinsekten
Absammeln mit Staubsauger
Tagesprobe
Sammeln am Emergenzzelt
Sortieren und bestimmen
Artenreichtum am Breitenbach
Tipulidae
Limoniidae
Cylindrotomidae
Ptychopteridae
Psychodidae
Chironomidae
Ceratopogonidae
Culicidae
Thaumaleidae
Dixidae
Simuliidae
Rhagionidae
Empididae
Dolichopodidae
Tabanidae
Stratiomyiidae
Ephydridae
Syrphidae
EPHEMEROPTERA 19
PLECOPTERA
19
TRICHOPTERA
57
ODONATA
1
PLANIPENNIA
1
2
MEGALOPTERA
72
COLEOPTERA
HYMENOPTERA
3
HETEROPTERA
1
DIPTERA
+673
Σ Insekten
848
Σ Rest
584
Gesamtzahl >1300 Arten
30
90
1
2
45
~200
58
2
3
5
11
3
32
~155
10
5
11
10
Aquatische Insekten
Körpergrößen – ‚Fremdlinge‘
2
1,5
1
0,5
0
T1
T2
T3
T4
T5
T6
Größenverteilung der Metazoen im Breitenbach. Die
Prozentualer Anteil biotopfremder Köcherfliegen
Daten umfassen ca. 80% der Arten. Daten für die
(Mittelwert1982-1985) entlang des Breitenbachs (RW)
restlichen 20% sind nicht verfügbar (Zwick, 1998)
0
B 2005
B 2003
B 2001
B 1999
B 1997
B 1995
B 1993
B 1991
B 1989
1000
B 1987
1500
3000
B 1985
Baetis vernus 1969 - 2005
B 1983
4000
B 1981
7000
B 2005
B 2003
B 2001
B 1999
B 1997
B 1995
B 1993
B 1991
B 1989
B 1987
B 1985
B 1983
B 1981
B 1979
B 1977
Baetis rhodani 1969 - 2005
B 1979
8000
B 1977
9000
B 1975
0
B 1975
500
B 1973
2000
B 1973
2500
B 1971
3000
B 1971
4500
B 1969
B 2005
B 2003
B 2001
B 1999
B 1997
B 1995
B 1993
B 1991
B 1989
B 1987
B 1985
B 1983
B 1981
B 1979
B 1977
B 1975
B 1973
B 1971
B 1969
5000
B 1969
B 2005
B 2003
B 2001
B 1999
B 1997
B 1995
B 1993
B 1991
B 1989
B 1987
B 1985
B 1983
B 1981
B 1979
B 1977
B 1975
B 1973
B 1971
B 1969
Populationsschwankungen 1969-2005
Paraleptophlebia submarginata 1969 - 2005
1600
4000
1400
3500
1200
1000
800
1500
600
1000
400
200
0
Tinodes rostocki 1969 - 2005
3500
3000
6000
2500
5000
2000
2000
1000
500
0
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1991
0
1990
5
1991
10
1989
15
1990
20
1988
25
1989
30
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
T °C (max of month)
L/sec (max of month)
Langzeit-Biotopdaten 1969 - 2005
700
600
500
400
300
200
100
0
40 Jahre? Fragen und Antworten!
Hat sich die Biozönose verändert?
Wenn ja – wie und warum?
Die Zusammensetzung der Biozönose ist stabil
Keine Art ist verschwunden, wenige haben sich neu etabliert
– aber –
die relativen Häufigkeiten der Arten untereinander haben sich grundlegend
verändert
Ehemals seltene Arten dominieren heute die Biozönose
Ein Giftunfall in 1986 hat gezeigt, dass schwierig ist, Arten künstlich in
einem Ökosystem zu etablieren.
Hat sich die Biozönose verändert?
Nach 2006: L. braueri, Philopotamus, tauchen auf und werden Teil
der Lebensgemeinschaft – sie etablieren sich.
Im Jahre 2013 werden mit Hilfe genetischer Methoden weitere Arten
nachgewiesen (B. libenauae, B. stavniensis).
Warum verändern sich Lebensgemeinschaften?
Ist der Einfluss klimatischer Veränderungen abzuschätzen?
Welche Variablen spielen noch eine herausragende Rolle?
Physiologie der Individuen oder Klima und Landschaft?
Eine Art beispielhaft im Mittelpunkt
Emergenz Agapetus fuscipes
Emergenz über 42 Jahre
4000
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
M
A
M
J
J
A
S
O
N
D
3000
1
0,9
2500
0,8
0,7
2000
0,6
1500
0,5
0,4
1000
0,3
0,2
500
0,1
0
0
18
20
22
24
26
28
30
32
34
w eek
36
38
40
42
44
45
mean weight / week
F
n / week
J
Global Change? Ja, aber ….
species
Rhyacophila fasciata 2nd generation
Silo pallipes
Wormaldia occipitalis
Agapetus fuscipes
Apatania fimbriata
5%
-11
-22
-54
-4
-10
50%
-17
-17
-15
-12
-11
95%
2
-18
-24
-27
-16
n
36
36
26
37
34
Chaetopteryx villosa
Potamophylax luctuosus
Plectrocnemia conspersa
Rhyacophila fasciata 1st generation
Tinodes rostocki
Sericostoma personatum
Drusus annulatus 1st generation
0
3
13
-6
6
3
5
-3
-1
2
3
7
9
10
-12
-4
-10
-6
-4
15
13
37
29
37
37
37
37
37
Potamophylax cingulatus
Drusus annulatus 2nd generation
13
7
15
21
2
36
33
37
n.s.
*
**
***
110
108
106
104
102
100
98
96
94
92
80
90
100
110
120
130
120
130
Verzögerter Schlupf einer Herbstart
110
108
106
Es gibt keinen für alle Arten geltenden
eindeutigen Hinweis, dass erhöhte
Temperaturen zu verfrühtem Schlupf führen.
104
102
100
98
96
94
Die unterschiedlichen Lebenszyklen einzelner
Arten werden verschieden beeinflusst.
92
80
90
100
110
Früherer Schlupf einer Frühjahrsart
Wor_occ
**
** **
** ** **
Par_sub
(**) (*) (**)
Bae_rho
** ** **
Pot_luc
(**) (**) (*)
Eph_ign
** ** **
Cen_lut
*
**
*
Nrl_pic
(**) (**) (**)
Aga_fus
**
*
Leu_dig
** ** **
Iso_goe
Nem_cam (*)
(**) (*)
Apa_fim
*
*
*
Ser_per
(**) (**) (*)
Cha_vil
*
*
*
Nem_mar
**
Amp_sta
** **
*
Dru_ann
*
**
*
Pro_aub
Bra_ris
Ple_con
Pro_mey
Sip_tor
Leu_pri
*
*
**
Leu_nig
Nem_fle
Pro_int
Sil_pal
(*)
*
*
Eph_muc
Nem_WW
**
Rhy_fas
Tin_ros
Bae_ver
(*)
**
Abundanzkorrelation
(**)
** (**)
** (**)
** (*) **
** (*) *
*
(**) ** (**) ** (*) (**)
** (*)
**
*
* (*)
*
*
*
*
(**) ** (**) ** (*)
*
**
** (**) * (**)
(**) ** (*) * (**) (*) **
**
**
**
*
**
**
** (**)
(*)
*
**
*
**
** *
**
* * **
**
**
*
** (**)
** (*) *
*
*
*
**
** *
**
*
*
**
(*) *
**
*
*
*
**
**
**
*
*
*
**
**
() = negativ
* = p < 0.05
** = p < 0.01
Räuber-Beute? Nein!
Konkurrenz? – Nein!
Was dann?
Lebensräume - Habitate
**
** **
*
*
**
*
*
**
** *
** **
*
**
**
*
*
*
**
*
**
**
**
*
*
**
(*)
Bae_ver
Tin_ros
Rhy_fas
Nem_WW
Eph_muc
Sil_pal
Pro_int
Nem_fle
Leu_nig
Leu_pri
Sip_tor
Pro_mey
Pro_aub
Dru_ann
Amp_sta
Nem_mar
Cha_vil
Ser_per
Apa_fim
Nem_cam
Iso_goe
Leu_dig
Aga_fus
Nrl_pic
Cen_lut
Eph_ign
Pot_luc
Bae_rho
Par_sub
Ple_con
Bra_ris
Wor_occ
Ordnung im Datensalat
B 2005
B 2004
B 2003
B 2002
B 2001
B 2000
B 1999
B 1998
B 1997
1600
B 1996
0
B 1995
1400
B 1994
1000
B 1993
1200
B 1992
2000
B 1991
1000
B 1990
3000
B 1989
800
B 1988
4000
B 1987
600
B 1986
5000
B 1985
400
B 1984
6000
B 1983
200
B 1982
7000
B 1981
0
B 1980
8000
Häufigkeitswechsel ohne direkte physische Interaktion - verursacht durch veränderte Sedimentdynamik
-0.794, p<0.0001 (Spearman)
Die Biozönose reflektiert die Historie von Sediment und Habitat und damit indirekt auch des Abflussgeschehens
W. occipitalis (ind / yr)
A. fuscipes (ind / yr)
Häufigkeitswechsel
Abfluss und Häufigkeit
Ptychoptera paludosa
Wormaldia occipitalis
400
0
1600
0
350
100
1400
100
400
150
500
100
specimens / year
200
1000
300
800
400
600
500
400
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
0
350
100
200
300
200
400
150
500
100
2003
2001
1999
1997
700
1995
0
1993
600
1991
50
1989
specimens / year
300
250
1987
Das fließende Wasser ist Habitatbildner.
400
Die zeitliche Verfügbarkeit von Habitaten beeinflusst den Erfolg (Häufigkeit) von Arten.
max_discharge / year
verschiedener Arten, wenn diese ähnliche
ähnlichen Konsequenzen.
1990
1985
Plectrocnemia conspersa
Eine Umweltvariable beeinflusst die Abundanz
Ansprüche an ihren Lebensraum haben, mit
1989
700
1988
0
1987
600
1986
200
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
700
1987
0
1985
50
600
1985
specimens / year
300
200
1200
max_dicharge / year
200
250
max_discharge / year
300
Klima und Abflussmuster
Nichtsaisonaler Abfluss
Shannon Wiener diversity
3
2,5
2
1,5
1
-1
-0,5
0
0,5
1
1,5
CA axis 1 scores
Schneereiche Winter
Shannon Wiener diversity
Feuchte Jahre
Trockenjahre
3
2,5
2
1,5
1
-1
-0,5
0
CA axis 2 scores
Korrespondenzanalyse
0,5
1
Abflussmuster und häufige Arten
S = 2.68
Alle Jahre
Alle Jahre
350
300
250
S = 2.15
250
200
[l s-1]
[l s-1]
Nichtsaisonaler Abfluss
Nichtsaisonaler Abfluss
350
300
S = 2.68
150
S = 2.15
200
150
100
100
50
50
0
0
S
O
N
D
J
F
M
A
M
J
J
A
S
Saisonaler Abfluss
Saisonaler Abfluss
350
S
300
Bae_ver
Dru_ann
250
[l s-1]
O
N
D
J
F
A
M
M
J
J
A
S
1.9 5771 3002
1.4 98
69
200
150
100
50
Leu_nig
Sip_tor
Wor_occ
Nrl_pic
0
S
2.8 4495 1615
2.4 2306 964
2.6 546
206
1.7 414
245
350
Feuchte Jahre
Feuchte Jahre
S = 2.27
350
300
[l / s-1]
150
J
F
M
A
M
J
J
A
S
Amp_sta
Iso_goe
Ser_per
Schneereiche Winter
Schneereiche Winter
350
S = 2.77
300
250
[l s-1]
S = 2.27
D
300
250
200
N
S = 2.77
150
S = 2.75
200
S = 2.75
100
50
50
Trockenjahre
Trockenjahre
150
100
100
Cen_lut
Nem_fle
Par_sub
250
200
[l s-1]
Aga_fus
Bae_rho
Apa_fim
Cha_vil
O
1.9 2977 1550
1.7 495 289
2.7 491 181
2.4 364 153
50
0
S
O
N
D
J
F
M
A
M
J
J
A
S
0
0
S
O
N
D
J
F
M
A
M
J
J
A
S
Eph_muc Pro_int
Nem_cam Tin_ros
Rhy_fas
Bae_rho
Leu_dig
Leu_pri
1.3
1.6
1.3
1.3
1.4
1468 1126 Apa_fim
1430 875 Pro_aub
1292 964 Eph_ign
1015 771
441 308
S
O
N
D
J
F
M
A
M
J
J
A
S
Wirkmechanismen in FG Ökosystemen
Klimavariabilität
?
Niederschlag
Lufttemperatur
Global change
physiologische und/oder
physiographische
Effekte auf BachBiozönosen
Wassertemperatur
Gewässer
+
Biozönose
Abfluss
Veränderungen in Fließgewässern
Klimatische Veränderungen beeinflussen nicht nur die Wassertemperatur, sie
verändern Niederschlags- und Abflussgeschehen und den Wasserhaushalt.
Eine Verlagerung von Niederschlägen in den Sommer führt zu einer schleichenden
Austrocknung von Einzugsgebieten, trotz kaum verändertem Jahresniederschlag.
Das Abflussgeschehen von Bächen und Flüssen bestimmt Zeitraum und -dauer, in
denen bestimmte Habitate im Gewässer zur Verfügung stehen. Dies prägt die
Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften.
Ein Hochsetzen von Temperaturen in Experimenten und Modellrechnungen ist zu
wenig - Wassermenge und Autökologie (Lebenszyklen) sind genau so wichtig.
Sind mehrjährige Untersuchungsintervalle zielführend?
- Langzeitstudien müssen ihren Namen verdienen!
- Kürzere Untersuchungsintervalle sind unerlässlich.
Was nehmen wir mit?
Fließgewässer und ihre Einzugsgebiete bilden funktionelle Einheiten.
Das Wasser wird auch zum Trinken genutzt, daher ist ein Schutz notwendig.
Intakte Fließgewässer und ihre Lebensgemeinschaften sind relativ robust
gegenüber kurzzeitigen Störungen.
Permanente Belastungen zerstören Lebensraum und Lebensgemeinschaft.
Die Renaturierung von Fließgewässern sollte vorsichtig und in Fließrichtung
vorgenommen werden. Der Schutz und Ankauf/Tausch von Ufergrundstücken
und Auen ist dabei ebenso wichtig, wie eine standortgemäße Uferbepflanzung.
Das fließende Wasser ist der beste Wasserbauingenieur. Es bildet permanent
neue Kleinlebensräume (Habitate) in diesen sehr dynamischen Ökosystemen.
Dies sind Voraussetzungen für intakte Lebensgemeinschaften.
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